Straßenbahn in Langendreer
- ein Gewinn für den Stadtteil Die große Zeit des Autos ist vorbei. Stichworte wie Klimakatastrophe, schwindende Ölvorräte, steigende Energiepreise kennt heute jedes Kind, und jedes Kind hat schon Erfahrungen mit Unfällen, Staus, Lärm, Dreck und Verschandelung der Umwelt gemacht. Daß man deshalb soweit möglich auf Bus und Bahn, das Fahrrad und die eigenen Füße setzen sollte, weiß ebenfalls jeder. Was aber fehlt, sind attraktive Alternativen zum Auto: schnelle und bequeme öffentliche Verkehrsmittel, Straßen, auf denen man sicher radfahren und in angenehmer Atmosphäre zu Fuß gehen kann - kurz gesagt: ein zukunftsfähiges Verkehrssystem. Warum eine Straßenbahn? In der U-Bahn-Euphorie der siebziger Jahre war sogar einmal eine U-Bahn geplant, die von der Innenstadt unterirdisch über Langendreer Markt zum Bhf. Langendreer fahren, ja bis Werne verlängert werden sollte. Dieser Planung wurde jedoch aus Kostengründen schnell aufgegeben. Mit der Inbetriebnahme der S-Bahn 1982 verschlechterte sich die Anbindung von Teilen Langendreers sogar, denn das Busnetz wurde auf die S-Bahn ausgerichtet und der direkte "Schnellbus" (3)55 aufgegeben. Diese wichtige Strecke, die durch eine Umsteigeverbindung nie ersetzt werden konnte, soll wieder aufleben und für knapp 25.000 Einwohner und über 5.000 Arbeitsplätze eine Direktverbindung zur Bochumer Innenstadt, nach Laer und Witten herstellen. Dabei ist die Straßenbahn die qualitativ höherwertige Alternative zum Bus: größeres Platzangebot, höherer Fahrkomfort, keine Abgase vor Ort, geringere Belästigung der Fahrgäste durch Lärm und Vibrationen. Der Bus könnte zudem einen großen Teil der Straßenbahnbeschleunigungsmaßnahmen auf der Wittener Straße nicht nutzen und nicht in den U-Bahn-Tunnel einfahren. Eine Buslinie müßte also entweder in Laer gekappt werden (erneuter Umsteigezwang) oder zusätzlich parallel zur Straßenbahn in die Innenstadt geführt werden - höhere Betriebskosten bei geringeren Fahrgastzahlen wegen geringerer Attraktivität wäre die Folge. Die Straßenbahn ist die in jeder Hinsicht günstigste Lösung. Braucht die Straßenbahn einen besonderen Bahnkörper? Generell braucht eine Straßenbahn keinen besonderen Bahnkörper, wenn ein störungsfreier Betrieb durch Maßnahmen wie Ampelvorrang und Verkehrsberuhigung gewährleistet ist. Ein gutes Bespiel ist die Straßenbahn in Linden. Natürlich darf es aber nicht vorkommen, daß die Straßenbahn im Stau feststeckt oder z.B. durch Links-abbieger be-hindert wird. Besonders vor hochbelasteten Kreuzungen wird deshalb eine Sonderspur nötig sein, die aber leichter realisierbar ist als z.B. eine Busspur, weil die Straßenbahn wegen ihrer geringeren Breite und ihrer Spur-führung mit weniger Platz als der Bus auskommt. Allerdings fordern die Richtlinien für die finanzielle Förderung durch Bund und Land, die eine Realisierung erst möglich macht, eine überwiegende Trassierung auf besonderem Bahnkörper. Da gibt es aber Verhandlungsspielraum. Führt die Straßenbahn zu mehr Staus und Parkplatzmangel? Die Unterstraße wurde als vierspurige Straße gebaut, auf beiden Seiten wird jedoch auf langen Abschnitten geparkt - de facto gibt es also eine Zweispurigkeit mit Linksabbiegespuren. Daran wird sich nichts ändern. Für den Fall, daß eine Fahrspur einmal völlig blockiert ist, kann auch ein besonderer Bahnkörper so gestaltet werden, daß er befahrbar bleibt, z.B. durch Pflasterung oder Betonformsteine mit Graseinsaat. In der Hauptstraße fährt die Straßen-bahn ohnehin einfach auf der Straße mit und verhält sich (abgesehen vom geringeren Platzbedarf) wie ein Bus. Und: Ein einziger Straßenbahnwagen ersetzt im Spitzenverkehr 70 bis 100 Pkw - es ist also eine Verringerung der Verkehrsbelastung ist zu erwarten. Kein Zweifel, der Bau der Straßenbahn wird einige Parkplätze in der Unterstraße kosten. Notwendig ist eine Analyse des Stellplatzbedarfs: vorhandene Stellplätze, Bedarf von Anwohnern, Handel, Gewerbe, Praxen, Ersatz durch Förderung von Bahn und Bus, Radverkehr, Car-Sharing, Anwohnerparken, Verlagerung und Ersatzbauten. Oft ist nicht der Mangel, sondern die unorganisierte Nutzung von Parkplätzen das Problem. Bessere Alternativen zum Autoverkehr bedeuten langfristig auch einen Minderbedarf an Pkw-Stellplätzen. Eine Garantie für einen kostenlosen Privatparkplatz auf öffentlichem Grund kann es aber nicht geben. Ist die Straßenbahn nicht zu teuer? Die Baukosten für das Gesamtvorhaben einschließlich der Strecke nach Witten sind auf 60 Millionen DM kalkuliert, davon entfallen auf den Abschnitt Unterstraße - Langendreer Markt - Langendreer Bahnhof 43,5 Millionen DM. Das sind etwa 17 Millionen DM pro Kilometer, von denen die Stadt Bochum jedoch nur einen Bruchteil zu tragen hätte. Eine Kosten-Nutzen-Analyse ergab einen sehr hohen Wert; danach ist der Nutzen fast doppelt so hoch wie die Kosten. Die Investition lohnt sich also allemal. Was wird mit der Straßenbahn in der Baroper Straße? Die heutige Linie 310 wurde als städteverbindende Linie Bochum - Witten ohne eigentliche Erschließungs-funktion in Langendreer gebaut. Sie wird deshalb nur noch als Verbindung zum Wittener Netz bis zur Inbetriebnahme einer anderen Strecke aufrechterhalten und gilt seit vielen Jahren als Stillegungskandidat. Die heutige Trassierung ist im Grunde noch immer die provisorische Umleitungsstrecke wegen des Baus der Autobahnen A 43/44 und ent-spricht mit ihrer eingleisigen Führung nicht mehr heutigen Anforderungen. Ein Umbau wäre schwierig und kosten-auf-wendig und kaum wirtschaftlich vertretbar. Die Linienführung über den Markt dagegen ermöglicht es mit einer Strecken-ver-länge-rung Langendreer Bahnhof - Lütgendortmund - Castrop, auch die hochbelastete Buslinie 378 auf Straßen-bahn umzustellen und damit auch diese Linie attraktiver zu gestalten. Fazit: Die Straßenbahn bedeutet für Langendreer ein dringend notwendiges Verkehrsangebot und hat die Unterstützung all jener, die sich für eine zukunfts-orientierte Verkehrspolitik in Bochum einsetzen. Sie bietet die Chance zur bürgerfreundlichen Umgestaltung des Stadtraumes. Es kommt darauf an, was man daraus macht! (Artikel von Friedrich Kreidt für die Dorfpostille Langendreer, Nov. 2000, gekürzte Fassung) |