Samstag 04.10.25, 18:42 Uhr

Kulturkampf von Rechts gegen die Oval Office Bar 5


von Ruhrpottpaselacke

Zum „Tag der Deutschen Einheit“ am 3. Oktober hatte die Oval Office Bar im Schauspielhaus Bochum zu einem Punkabend geladen. Der Titel: „Deutschland muss sterben“ – eine Anspielung auf den Refrain „Deutschland muss sterben, damit wir leben können“ aus dem gleichnamigen Song der Hamburger Punkband Slime von 1981. Was folgte, war der erwartbare rechte Shitstorm auf Instagram. Mit von der Partie waren Sebastian Pewny, Fraktionsvorsitzender der Bochumer Grünen, und Leon Beck, Kreisvorsitzender der wirtschaftslibertären Kleinstpartei FDP. Der Tenor vieler Kommentare war: „Wie kann so etwas mit Steuergeldern gefördert werden?” – gemeint war das Schauspielhaus, das die Veranstaltung „canceln“ solle.

Dies ist ein altbekanntes Muster im rechten Kulturkampf: Mit dem Vorwurf der „Steuerverschwendung“ soll unliebsame Kunst delegitimiert und notfalls durch den Entzug öffentlicher Mittel mundtot gemacht werden. Beck schrieb etwa von einer „unangemessenen Veranstaltung auf Steuerzahlerkosten“ und die CDU legte noch am selben Tag mit einer Anfrage im Haupt- und Finanzausschuss zur Verwendung öffentlicher Gelder nach.

Am 4. Oktober sprang schließlich auch die WAZ als publizistische Dienstleisterin von Grünen, FDP und CDU auf den Zug auf. Im Bochumer Lokalteil erhielten Pewny und Beck Raum, ihre Empörung zu wiederholen – diesmal nicht nur für Instagram-Nutzer*innen.
Die WAZ glänzte, wie so oft, wieder einmal mit fehlender Eigenrecherche. 

Dabei wäre das nicht schwer gewesen. Denn der Song „Deutschland“ von Slime bezieht sich explizit auf die nationalistische Parole „Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen“ des NS-Kriegslyrikers Heinrich Lersch, die am Hamburger Kriegerdenkmal am Dammtorbahnhof eingraviert ist. Slime drehten diese Zeile bewusst um – als antifaschistischen Kommentar auf Militarismus, Nationalismus und gesellschaftliche Verrohung. Googlen hilft.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits vor über 25 Jahren entschieden, dass das Lied unter die Kunstfreiheit fällt und öffentlich gespielt oder zitiert werden darf. In der Urteilsbegründung wurde auf Heinrich Heines „Die schlesischen Weber” verwiesen.

Inhaltlich geht es in dem Lied um Themen, die auch heute wieder erschreckend aktuell sind: den Rechtsruck, soziale Ungleichheit, Umweltzerstörung, Militarisierung und den Verlust individueller Identität. All das wird natürlich in der Punkattitüde der frühen 80er präsentiert.

Besonders interessant in diesem Zusammenhang ist die Reaktion von Sebastian „Leadership im Team“ Pewny. Er kommentierte: „Unglaublich. Das ist die völlig falsche Antwort auf den Kulturkampf von rechts. Kultur hat die Aufgabe, zusammenzuführen. Sie darf kritisch sein, aber niemals soll sie dazu beitragen, die Gesellschaft zu spalten.“ Ein Punkabend, der die Gesellschaft spaltet. So,so. Das ist dann wohl die grüne Variante des Kulturkampfs: andere Worte, gleicher Shit. Worum geht es hier eigentlich? Es geht lediglich um einen Punkabend in einer selbstorganisierten Bar, die mit einem bekannten Punktitel aus den 80ern aufgerufen hat. Der empörte Aufschrei von rechts, und mittlerweile auch aus der bürgerlichen Mitte, folgt immer dem gleichen Drehbuch des rechtspopulistischen Kulturkampfes: Aus einer Mücke wird ein Elefant gemacht, es wird skandalisiert, „Cancel Culture“ wird offen oder unterschwellig gefordert und wenn das nicht wirkt, wird mit dem Entzug von Fördermitteln gedroht.

Das erleben wir derzeit bundesweit im Bereich der politischen Bildung. Diese Einschüchterungstaktik wirkt: Viele Kulturschaffende und politische Bildner:innen üben bereits Selbstzensur aus Angst vor Angriffen oder Kürzungen.

Wenn in diesem Kontext dann auch noch das Wort „antideutsch“ auftaucht, wie in den Instagram-Kommentaren oder im WAZ-Artikel, dann passt das wunderbar zum Bashing, zeigt aber nur, wie wenig Ahnung die Rumpöbelnden von politischen Kontexten haben. Die „Antideutschen” traten als politische Bewegung erst fast zehn Jahre nach dem Slime-Song in Erscheinung. In solchen Debatten geht es aber selten um Fakten, sondern um die Produktion von Feindbilder.

Ach ja, Slime spielen am 10.10. in Wuppertal. Es sind allerdings nur noch Restkarten zu erhalten. Schnell zuschlagen, bevor die Kulturzensoren zuschlagen.

Links zum Artikel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Slime_(Band)

Slime „Deutschland“
https://youtu.be/1HlVEfyaphs?si=D4Z2OEBvBXJCXFAT

Danger Dan „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“
https://youtu.be/Y-B0lXnierw?si=NxfTt13y3WvhEttr

https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Lersch
https://genius.com/Slime-deutschland-lyrics
https://de.wikipedia.org/wiki/Antideutsche

u.a. zur Kulturkampfstrategie der AfD:
https://blog.campact.de/2025/08/alice-weidel-afd-strategiepapier-2025/

Auch spannend, wenn wir schon über Musik reden:
Kampf um kulturelle Hegemonie: Wie die Neue Rechte sich der Popkultur bedient
https://www.deutschlandfunk.de/die-neue-rechte-und-der-pop-100.html


5 Gedanken zu “Kulturkampf von Rechts gegen die Oval Office Bar

  • Lili

    Da übt ein Teil der Grünen schon mal den Schulterschluss zu reaktionären Anteilen der Gesellschaft.

    Will man hier die CDU vom Anfang des Jahres mit ihren 551 Fragen gegen die Zivilgesellschaft nachmachen? Anscheinend. Diese Attacke von Oben gegen die Zivilgesellschaft am Anfang 2025 erfolgte, weil die CDU-Obersten für ihren Einriss der „Brandmauer“ gegen Rechts kritisiert worden waren. Vielleicht will sich ein Teil der Grünen nun rächen, weil ihr vorgeworfen wurde mit der SPD einen ehemaligen Staatsschutzchef aus Dortmund zum Oberbürgermeister gemacht zu haben. Einen Staatsschutzchef, der in seiner Amtszeit durch sein Wegschauen beim Aufbau von Nazistrukturen in Dortmund-Dorstfeld und zweier Morde (Thomas Schulz 2005 und Mehmet Kubasik 2006) brillierte und dann in Bochum den Polizeichef gab. „Law and Order“ und Ignoranz gegenüber Gewalt gegen MigrantInnen und DemokratInnen in das höchste Verwaltungsamt der Stadt Bochum zu hieven – das hat schon ein Geschmäckle! Da können sich Bochum MigrantInnen, Linke, Subkulturen und DemokratInnen schon mal auf den Führungsstil im Rathaus „freuen“.

    Oldie Parolen aus den 80er Jahren: „Wer hat uns verraten? – Sozialdemokraten! Wer ist schneller? Grüne und ALer“
    (AL steht für Alternative Liste)

    Anscheinend muss auch in Bochum nach einer Kritik an solch einer Untertanen-Mentalität einer ehemalig progressiven Partei aus dieser heraus zurückgeschlagen werden. Im Verbund mit gleichgesinnten Neoliberalen und Brandmauerhassern attackiert man ein Projekt, dass als Teil einer anti-autoritären Gegenkultur geframt wird. In dieser Form einer Schmutzkampagne will man wohl alle ähnlichen aufgestellten Personen, Gruppen und Projekten symbolisieren: Fresse halten zum Schulterschluss mit Rechts!
    Was Trump, Melonie, Orban, Wilder und Co vormachen, das findet auch einen Bochumer Pedant. Angriffe gegen KritikerInnen aus der Demokratie. Wenn man sich die die Grünen ansieht, die sich beim Fritz-Bauer Forum einfanden und um Jörg Lukat herumschwänzelten, als dieser sich mit den anderen KandidatInnen zur Vorstellung für das Oberbürgermeisteramt dort einfand, wusste man eigentlich schon auf welchen Gleis der Zug abbiegt. Richtung Demokratie geht es hier nicht, eher Richtung karrieregeiler Selbstversorgung, inklusiver Transformation dieses Staats zum Autoritarismus.
    Zu hoch aufgehangen diese Vorwürfe? Ich denke nicht. Das was im Großen zu sehen ist, findet sich auch im Kleinen wieder.

  • Sebastian Pewny

    Guten Tag,

    wer meine Kommentare die hier und anderswo zitiert werden vollständig liest, stellt fest das ich weder direkt noch indirekt irgendwelche Konsequenzen fordere oder forderte. Als Politiker hat man das Recht bestimmte künstlerische Produkte oder kulturelle Veranstaltungen kritisieren zu dürfen. Ein Teil der Kultur lebt auch davon, dass eine gesellschaftliche und politische Debatte durch gezielte Provokation entsteht. So sehe ich das hier auch. Sonst ein großer Fan von Slime – auch und gerade weil sie zu den wenigen gehören, die innerhalb der Linken Szene beim Thema Antisemitismus den Finger in die Wunde legen – mag ich persönlich den im Raum stehenden Song nicht und empfinde an 364 Tagen aber kein Problem damit. Allerdings ist die Verbindung mit dem Tag der Deutschen Einheit als Tag der Demokratie in Ost und West als Provokation. Das darf auch benannt werden. Das gehört zur Meinungsfreiheit, wie die Veranstaltung selbst der Freiheit von Kunst und Kultur unterliegt. Aber diese Freiheit geht nicht einher mit einem Recht auf Kritiklosigkeit. Das sage ich als Politiker aber auch als jemand der in eine Kultureinrichtung arbeitet.

    • Slimer

      Nicht nur ein jämmerlicher Versuch die eigene Aussage zu relativieren, sondern auch von Unwissenheit geprägt. Der angebliche Slimefan, kennt die Hintergründe des ungeliebten Songs offensichtlich nicht.
      Auch offenbart Herr Pewny einen sehr Eigenwilligen Kulturbegriff. Wer sich rausnimmt zu bestimmen was Kultur darf, soll und muss zeigt eine gefährliche Geschichtsvergessenheit. Es gab schon einmal eine Zeit in diesem Land in der Politiker bestimmt haben was Kultur darf und was nicht. In dieser Zeit ist auch das Denkmal enstanden auf das sich der Song bezieht:
      https://gedenkstaetten-in-hamburg.de/gedenkstaetten/zeige/gegendenkmal-zum-76er-denkmal

  • Ruhrpottpaselacke

    Das ist der vollständige Kommentar von Sebastian Pewny: „Unglaublich. Das ist die völlig falsche Antwort auf die Kulturkämpfe von Rechts. Kultur hat die Aufgabe zusammenzuführen. Sie darf kritisch sein, aber niemals soll sie dazu beitragen Gesellschaft zu spalten.“

    Ein zweiter Kommentar von Sebastian Pewny endet mit den Worten: „…Aber das ihr den Titel am Nationalfeiertag wählt ist eine bewusste Provokation und das Anstacheln eines Kulturkampfes. Und das wisst ihr ganz genau.“

    Natürlich darf Sebastian Pewny diese Meinung haben und auch kundtun. Niemand will ihm den Mund verbieten. Und genau: „Aber diese Freiheit geht nicht einher mit einem Recht auf Kritiklosigkeit.”

    Sebastian Pewny postet hier natürlich als Politiker, was an seinen Beiträgen als @derpewny unschwer zu erkennen ist. Er ist Fraktionsvorsitzender der Grünen und Mitglied in jenem Haushalts- und Finanzausschuss im Rat der Stadt Bochum, an den die CDU jetzt die Anfrage zur Verwendung öffentlicher Gelder gestellt hat.

    Hier erwarte ich von ihm eine klare Aussage, dass er nicht nur mit Bezug auf das im Kommentar erwähnte Urteil des Bundesverfassungsgerichts, sondern auch aus Überzeugung nicht in das gleiche Horn wie FDP und CDU bläst und dies auch kommuniziert, auch wenn er den Titel der Einladung zum Punkabend speziell zum 3. Oktober unpassend findet und das Gedicht „Die schlesischen Weber” von Heine, das ja wegen seines „aufrührerischen Tons” vom Königlich-Schlesischen Kammergericht verboten wurde, nicht gut findet. Siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Die_schlesischen_Weber

    Den Slime-Titel zur Einladung des Punkabends am 3. Oktober als „Anstachelung eines Kulturkampfs” zu bezeichnen, halte ich für sehr weit hergeholt. Dies wirft jedoch die gar nicht bprovokativ gemeinte Frage auf, welche Strategie die Grünen in Bochum verfolgen, um dem „Kulturkampf von rechts” zu begegnen bzw. ihm etwas entgegenzusetzen. Hier gibt es schon einmal ein paar Anregungen: https://mbr-berlin.de/wp-content/uploads/2021/02/190313_mbr_Broschuere_Kulturkampf_Auflage2_Online.pdf

    Eine Strategie haben wir ja, und dies ist tatsächlich provokativ gemeint, jetzt schon erkannt. Am „Nationalfeiertag” nicht provozieren.

    Übrigens funktioniert Einschüchterung im Kulturkampf auch ohne die explizite Androhung von Konsequenzen, wie beispielsweise Mittelkürzungen. Das sage ich als jemand, der in der politischen Bildung arbeitet.

    PS:
    In meinem Kommentar benutze ich den Begriff „Kulturschaffende”. Ich wollte eine geschlechtsneutrale Begrifflichkeit verwenden, die auch über Künstler*innen hinausgeht. Da war ich ein wenig naiv. Dieser Begriff stammt zwar nicht aus dem Nationalsozialismus, wurde aber von den Nazis im Zusammenhang mit der Gründung der Reichskulturkammer politisch beschädigt: https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturschaffender.

    Die österreichische Zeitschrift Kulturplattform hatte 2021 einen Wettbewerb zu Alternativen ausgerufen, bei dem der Begriff „Kulturtätige” gewann.

  • Grüne mit brauner Vergangenheit

    Baldur Springmann
    Herbert Gruhl, ehemaliges NSDAP-Mitglied
    Bernhard Grzimek
    Zu Gründungszeiten war die Anzahl der Sozialdarwinisten sehr groß
    Mittlerweile sind die Reihen geschlossen für Leute mit Brauner Vergangenheit
    Dafür wurde auf Bundesebene eine Kommission kreiert

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