Dienstag 19.05.20, 20:54 Uhr

Vom Entziehen von Kenntnissen 2


Das Presseamt der Stadt hat eine ungewöhnlich kurze und nicht sonderlich verständliche Presseerklärung veröffentlicht: »Zu der im Raum stehende Frage, was Bestandteil der Dringlichkeitsentscheidung vom 7. Mai 2020 war, stellt die Stadt Bochum fest: „Bestandteil der Dringlichkeitsentscheidung zur Finanzierung von Maßnahmen im Rahmen des 10-Punkte-Programms für Handel und Gastronomie in der Corona-Krise waren ausschließlich folgende drei Punkte: „Wir sind Bochum“ als digitales Schaufenster der lokalen Händler, ein „Mobilitätspaket“ sowie die Kampagne „Hier, wo das Wir noch zählt“. Wie anderslautende – jedoch falsche – Informationen entstanden sind, entzieht sich unserer Kenntnis.« Im Klartext heißt diese Meldung: Oberbürgermeister Eiskirch (SPD) lässt mitteilen, dass der SPD Unterbezirksvorsitzende Rudolph die Unwahrheit gesagt hat.
Hintergrund dieser Geschichte ist, dass Eiskirch für 60.000 Euro einen Brief an alle Bochumer*innen, die älter als 70 Jahre sind, geschickt hatte. Inhaltlich ging es um eine Aufmunterung in der Corona-Krise. Ein gutes Viertel Jahr vor der Wahl des Oberbürgermeisters sieht das natürlich sehr eindeutig als Wahlkampf auf Kosten der Stadtkasse und damit nach Veruntreuung öffentlicher Mittel aus. Dieser Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, dass die Stadt gleichzeitig eine Imagekampagne startete, die 1,5 Million Euro kostet und u. a. mit Plakaten wirbt, auf denen das Konterfei von Eiskirch abgebildet ist. Diese PR-Aktion ist an den zuständigen Gremien vorbei und ohne öffentliche Debatte als Dringlichkeitsentscheidung von Eiskirch und dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Haardt durchgewunken worden.
Als Roland Mitschke, der stellv. Fraktionsvorsitzende der CDU dann aber – wie die anderen Oppositionsparteien – den Seniorenbrief von Eiskirch kritisierte und erklärte, bei ihm sei „der Eindruck entstanden, dass der Oberbürgermeister wenige Wochen vor dem Versand der Wahlbenachrichtigungen für den 13. September 2020 die Corona-Pandemie zum Anlass genommen hat, für sich eine aufwendige PR-Aktion in eigener Sache zu starten“, dachte SPD Chef Rudolph, wie fast alle anderen auch, dass der Brief aus den 1,5 Millionen-Euro-Etat der Kampagne finanziert worden sei. Die hatte CDU Fraktionschef Haardt schließlich mit durchgeboxt. Rudolph wörtlich: „Ich fordere den CDU-Fraktionsvorsitzenden Haardt auf, ein Machtwort gegenüber dem eigenen Laden zu sprechen. Wenn er selbst eine Dringlichkeitsentscheidung über 1,5 Millionen Euro mitgetragen hat, aus der auch die Mittel für den Brief an unsere Senioren entnommen wurden, dann sollten sein Stellvertreter Mitschke und die Wahlkampfleitung der CDU dies eigentlich wissen.“
Das war gut gebrüllt, aber gleichzeitig ein Schuss ins eigene Knie. Der Brief war nicht aus dem Etat der Kampagne finanziert. Der Oberbürgermeister hat offensichtlich Mittel zur Verfügung, mit denen er eigenmächtig solche Briefaktionen finanzieren kann.
Eiskirch und Rudolph waren nun gezwungen, sich zu erklären. Beide kniffen. Das Presseamt musste mit den wenigen Zeilen vom Anfang dieses Beitrags verklausuliert erklären, dass der Brief nicht zur Kampagne gehörte und Haardt nicht eingeweiht war. Selbst das Presseamt der Stadt hat es aber nicht verdient, sich öffentlich als naiv darzustellen und zu schreiben: „Wie anderslautende – jedoch falsche – Informationen entstanden sind, entzieht sich unserer Kenntnis.“


2 Gedanken zu “Vom Entziehen von Kenntnissen

  • Das dicke Ende kommt noch

    Wahlkampf nach Amerikanischen Modell
    Der Oberbürgermeister versucht anscheinend am Verhalten des Amerikanischen Präsidenten Trump zu partizipieren.
    Diese hat z.B. während der sog. Corona-Krise sein Konterfei auf alle Schecks drucken lassen, die an hilfsbedürftige Bewohner_innen der USA versandt wurden.
    Ansonsten können wir davon ausgehen das es der Partei „Die Linke“ und der „Sozialen Liste“ bei der kommenden Kommunalwahl im Sept. 2020 nicht wirklich gut gehen wird. Diese Parteien werden zu den „Corona-Verlierern“ gehören. Das Deutsche Volk hat in Krisenzeiten bisher immer eine „harte Hand“ und einen „starken Mann“ gefordert. Durch Corona wird es nicht anders sein. Durch die Art des Auftretens von Funktionären und Mitgliedern dieser Parteien in politischen und sozialen Basisinitiativen wird aus meiner Sicht das Problem des Wahldesasters noch verstärkt. Ich habe selten so viele ungelenke und unsensible Vorgehensweisen gegenüber Basisinitiativen wie hier in Bochum erlebt. Bei aller Saympathie, manche Partei schaufelt sich ihr eigenes Grab.

  • Ralf Feldmann

    Sebastian Pewny, Spitzenmann der Grünen, hat die Falschdarstellung von Karsten Rudolph in sozialen Medien , so die CDU Bochum im Internet, übernommen. So wissen wir, dass auch die Grünen die Seniorenbriefe als normale Kommunikation des Oberbürgermeisters bewerten, Kosten spielen keine Rolle. Die CDU verlangt von beiden eine öffentliche Entschuldigung. Die ist – für Politik mit Fake-News – fällig, nicht nur beim betroffenen Gegner, sondern vor allem auch bei denBürger/innen in Bochum. Dass Christian Haardt seinerseits mit Beleidigungen operiert („Bodo Ramelow Linksfaschist“), ohne an Entschuldigung auch nur zu denken, ist kein Gegenargument: sein Niveau kann kein Maßstab sein.

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