Presseinfo des Presse- und Informationsamtes der Stadt Bochum vom 28. 12. 2010
Dienstag 28.12.10, 12:53 Uhr
Eine Zwischenbilanz zum Jahresende

Platz des europäischen Versprechens


Kulturhauptstadt Europas zu sein, ist kein einmaliges Event, sondern ein Stadtentwicklungsprojekt. Das war die gemeinsame Einsicht aller Städte im Ruhrgebiet, mit der sie sich 2003 als europäische Kulturhauptstadt 2010 bewarben. Der damalige Moderator der Bewerbung, Prof. Oliver Scheytt, sprach von einem „urbanistischen Projekt“ an der „Nahtstelle von Stadt und Kunst“: Die Idee der Kulturhauptstadt – Kultur als Motor der Stadtentwicklung – reicht hinter 2010 zurück und über 2010 hinaus. Am Ende des Jahres 2010 ist jede Bilanz eine Zwischenbilanz.
Im Frühjahr 2004 hatten die Vorarbeiten dafür begonnen, den zentralen Platz zwischen Rathaus und Christuskirche als öffentlichen Raum zu entwickeln. Aufgabe war es, aus einem städtebaulichen Unort eine Nahtstelle von Stadt und Public Art zu schaffen.
Städtebauliche Dominante dieses Platzes ist zweifellos die Christuskirche Bochum, ein architektonisch epochales Ensemble. Ihr Turm, der die Geschichte Europas verdichtet, war Ausgangspunkt der städtebaulichen Planung, deren Bezugspunkt wiederum das Konzept der Christuskirche als Kirche der Kulturen ist: „Eine offene Gesellschaft hat nur eine verlässlich Grundlage, nämlich die Vereinbarung, Differenzen geregelt auszutragen“, heißt es in dem Konzept Kirche der Kulturen: „Eine offene Gesellschaft braucht öffentliche Räume.“
Das Potential, das dieser öffentliche Raum im Zentrum der Stadt besitzt, hat der Künstler Jochen Gerz mit seiner Idee für einen Platz des europäischen Versprechens freigelegt. Gerz‘ Konzept wurde vom Land Nordrhein-Westfalen 2005 zur Ausarbeitung empfohlen und dafür eine Teilförderung bereit gestellt. Nach insgesamt dreijähriger Projektentwicklung hat der Rat der Stadt im August 2007 beschlossen, den Platz des europäischen Versprechens zu realisieren. Mit seiner Entscheidung hat der Rat zu einem frühen Zeitpunkt ein entschiedenes Signal gesetzt dafür, dass die Stadt Bochum gewillt ist, den Titel einer Kulturhauptstadt Europas zu würdigen.
Im Sommer 2007 hätte niemand sagen können, ob sich Menschen finden werden, die bereit sind, Europa ihr persönliches Versprechen zu geben und mit ihrem Namen im öffentlichen Raum dafür einzustehen. Niemand hätte sagen können, wie dieses Kunstprojekt verlaufen wird.
Seit 2007 haben 14.400 Europäer ihr persönliches Versprechen gegeben. 15.000 werden es sein, bis der Platz vollständig aus Namen gebildet sein wird.
Die Zahl der Teilnehmer bildet nicht das Ergebnis, sondern die Entstehung des Platzes ab, er entsteht als öffentlicher Prozess. Sein wesentliches Kennzeichen ist es, dass Menschen persönlich angesprochen und eingeladen werden, ihren eigenen Beitrag zu leisten. Sie wurden angesprochen unabhängig von Klassen und sozialen Schichten, unabhängig von Generationen, Religionen oder Herkunft. Jochen Gerz und sein Team haben sich vor allem an Menschen gewandt, die der etablierte Kulturbetrieb eher selten erreicht. Auch wer noch nie von der Kulturhauptstadt gehört hat, ist Teil von ihr und eingeladen, Teil zu nehmen.
Dies ist eine der Einsichten, die über 2010 hinaus wirksam sein wird an der Nahtstelle von Kunst und Stadt: „dass Demokratie und Kunst einander verwandt sind“ (Jochen Gerz).
So verschieden die Teilnehmer, so unsichtbar ihre Versprechen. Gemeinsam ist allen, dass sie keine Zuschauer mehr sind. So wie alle, die ihre Namen lesen werden, nicht länger Zuschauer sein werden, sobald sie sich vorstellen, für welches Versprechen der einzelne Name stehen mag. Das Manifest Europas ist unsichtbar, und was der Platz des europäischen Versprechens sichtbar machen wird, ist die Einladung, sich eine eigene Vorstellung von Europa zu machen.
Darin liegt das europäische Versprechen: in dem, was wir uns für uns vorstellen. Dass dieses Versprechen sichtbar wird, ist die Verpflichtung, der sich die Stadt Bochum und die Evang. Kirche in Bochum stellen. Zu diesem Zweck hat die Evang. Kirche – etwa 1/3 des Platzes entsteht auf kirchlichem Grund – ihre Grundstücksflächen gewidmet und stellt sie langfristig und unentgeltlich bereit.
Die Bauarbeiten für den Platz des europäischen Versprechens haben im Juli 2010 begonnen. Wegen Lieferengpässen beim Steinmaterial mussten die Arbeiten Anfang November 2010 unterbrochen werden. Unabhängig davon sind aufgrund der derzeitigen Witterungsbedingungen keine Arbeiten möglich. Die Bauarbeiten werden voraussichtlich im Frühjahr 2011 soweit abgeschlossen sein, dass der Platz für Publikumsverkehr geöffnet und eine zweite Namensplatte verlegt werden kann. Der Platz wird so fertig gestellt, dass weitere Steinplatten mit den Namen der Teilnehmer in die bereits entsprechend markierten Flächen eingelassen werden können.
Zwischen Stadt Bochum und Evang. Kirchenkreis ist es unstrittig, dass das Projekt im Jahr 2011 weitergehen muss mit dem Ziel, die Steinplatten mit den Namen zu produzieren und in den Platz einzulassen: „Die Namen sind nichts, was zu dem Platz hinzukäme wie ein Straßenschild, sondern sie bilden den Platz, sie sind sein Inhalt und sein Sinn.“ (Thomas Wessel)
Zur Zeit ist nicht zu sagen, bis wann es möglich wird, die Namen in den Platz einzulassen. Die Voraussetzungen dafür, dass es möglich werde, haben Stadt Bochum und Evang. Kirche geschaffen: Ab Januar wird das Projektbüro seine Arbeit im verminderten Umfang wieder aufnehmen. Der Künstler Jochen Gerz, dessen Vertrag mit der Stadt zum Jahresende ausläuft, hat seine Mitarbeit auch für diesen Teil des Projekts zugesagt.
Der Platz des europäischen Versprechens zusammen mit der Christuskirche Bochum/Kirche der Kulturen sind feste Größen in der städtischen Planung für die Innenstadt (Justizareal, Postgebäude, Innenstadt-West) und für die Entstehung einer „Kulturmeile“, die zwischen Schauspielhaus und Museumsviertel etablierte Einrichtungen und kreative Szenen in der Kulturstadt verbindet. Kultur, die Teil der Stadtentwicklung sei, muss Strukturen bilden und kann strukturbildend sein. Das war und ist die Idee der Kulturhauptstadt Europas, deren wesentlicher Gedanke die Nachhaltigkeit ist.

Foto: Presse- und Informationsamt der Stadt