Freitag 24.04.09, 13:00 Uhr
Staatsanwaltschaft: Die Torte ist eine Bombe und die Wunderkerze eine Zündschnur

Anklage wegen Aufrufs zur schweren und gefährlichen Körperverletzung


nazistopp.jpgDie Strafjustiz in Bochum startet einen neuen Kriminalisierungsversuch gegen den verantwortlichen Redakteur von www.bo-alternativ.de. Als im Oktober 2008 Nazis in Bochum ihre Propaganda verbreiten wollten, mobilisierte bo-alternativ.de zu den beiden Gegendemonstrationen. Dabei wurden auf der Webseite auch Plakate veröffentlicht, die zum Protest gegen den Nazi-Aufmarsch aufforderten. Ein Plakat zeigt eine Comic-Figur mit einer Torte und einer brennenden Wunderkerze und versprach, der Aufmarsch in Bochum solle für die Nazis kein Zuckerschlecken werden. Diese eher freundliche und harmlose Aufforderung, es den Nazis nicht leicht zu machen, ihre Ideologie zu verbreiten, interpretiert die Staatsanwaltschaft ganz anders: Sie sieht in der Torte eine Bombe versteckt und deutet die Wunderkerze als Zündschnur. Sie betrachtet in der Veröffentlichung einen Aufruf zur Gewalt. Und zwar gleich zur Begehung von gefährlicher Körperverletzung und Verhinderung des Nazi-Aufmarsches durch die Androhung von Gewalttätigkeiten. Auf welche Erfahrungen sich die Staatsanwaltschaft dabei stützen will, bleibt rätselhaft. Zu erfahren ist dies vielleicht beim Gerichtstermin am 14.5. um 11.15 Uhr im Saal C 133. Zum Hintergrund: Polizeipräsident und politische Staatsanwaltschaft verfolgen seit vielen Jahren im Umgang mit Nazis immer die gleiche Strategie. Sie verharmlosen systematisch Naziübergriffe als unpolitische Handlungen von EinzeltäterInnen und achten gleichzeitig darauf, dass sie bei offensichtlichen politisch motivierten Rechtsverstößen von Nazis eine Position der Äquidistanz einnehmen. Äquidistanz bedeutet dabei die Verinnerlichung eines Extremismusbildes, in dem Polizei und Justiz, wie Justitia abwägend in der gerechten und wahren Mitte stehen und den Rechtsstaat gegen die Extremisten von links und rechts verteidigen. Straftaten von Nazis werden deshalb regelmäßig mit Ermittlungen und Anklagen gegen Linke in der Stadt in Zusammenhang gebracht. Falls absolut nichts vorliegt und nicht einmal ein Taschenmesser bei den Antifas gefunden wird, weicht die Bochumer Staatsanwaltschaft ins Virtuelle aus. Wenn auch hier nichts zu finden ist, was jemandem aus der Linken Szene vorgeworfen werden kann, gibt es abenteuerliche Interpretationsverenkungen. Vor sechs Jahren war der verantwortliche Redakteur von bo-alternativ.de bereits schon einmal angeklagt worden, zur gefährlichen Körperverletzung aufgerufen zu haben. Damals war die Comic-Figur “Emily” mit einer Zwille auf einem Plakat zu sehen, das dazu aufforderte “Nazi-Aufmarsch verhindern”. Näheres. Auch damals ging es um einen Nazi-Aufmarsch, der von friedlichen Protesten begleitet und teilweise verhindert wurde. Auch im Oktober 2008 stellte die Polizei in ihrer Abschluss-Pressemitteilung fest, dass die Protestaktionen friedlich verlaufen sind. Bei fast jedem Spiel des VFL Bochum gibt es dagegen erhebliche Randale. Der Polizeibeicht vom letzten Spiel.
Das Bochumer Bündnis gegen rechts war sich auf seiner gestrigen Sitzung einig, dass  der erneute Kriminalisierungsversuch antifaschistischer Arbeit in Bochum sehr ernst genommen werden muss. Auf der DGB-Kundgebung am 1. Mai sollen z. B. Unterschriften unter einen Text gesammelt werden, der sich an Staatsanwaltschaft und Gericht wendet.