WAZ Bochum vom 21.03.03

Bochum sagt "Nein!" zum Krieg

Die Kämpfe in der orientalischen Wüste lassen das 5000 km vom Kriegsschauplatz entfernte Bochum nicht kalt. Die öffentliche Reaktion gestern, am Tag des Angriffs, war unmissverständlich: Unsere Stadt sagt "NEIN!" zum Krieg im Irak.

Und es ist ein lautes Nein! Von Morgens bis Abends währten die Demonstrationen; angefangen hatten sie vormittags mit der Zusammenkunft der Bochumer Schüler auf dem Husemannplatz. Weiter getragen wurden sie mit einer Aktion der RUB-Studierenden nachmittags vor Picassos Anti-Kriegs-Bild "Guernica" auf dem Campus. Um 18 Uhr schließlich versammelten sich mehrere Tausend vor dem Hauptbahnhof - aufgerufen hatte das Bochumer Friedensplenum. Nach einigen kurzen Ansprachen ging es per Schweigemarsch zum Husemannplatz, wo seit gestern eine Mahnwache eingerichtet ist. "Stoppt diesen Krieg!" liest man auf dem Transparenten, die den Figuren des Kortum-Brunnens in die bronzenen Hände gesteckt wurden.

"Make love not war", "Kein Krieg im Irak", "Kein Blut für Öl". - Das wiederum waren einige Plakataufschriften, mit denen Bochums Schüler/innen am "Tag X" auf dem Husemannplatz Flagge zeigten. Keine Spur von politikverdrossener Jugend: Während die Einen einen Acht-Kilometer- Fußmarsch von Wattenscheid zur City zurücklegten, riskierten andere Tadel und Bestrafungen: Die Lehrerkonferenz der Matthias-Claudius-Schule (Weitmar) hatte beschlossen, dass ihre Schüler nicht an der Vormittags-Demo teilnehmen dürfen. Doch Philipp Neuendorf und Till Becker widersetzten sich, zusammen mit ca. 100 Schulkameraden, diesem Verbot. "Der Frieden ist uns ein Tadel wert und einige riskieren, um ein Zeichen gegen Krieg zu setzten, Kopf und Kragen", erzählten die beiden Zehntklässler aufgebracht. "Allein hat man nur eine Stimme, doch gemeinsam sind wir eine ganz große Stimme, der man Gehör schenken muss", verkündete Till per Mikrofon.

Der Meinung waren auch rund 1500 Schüler aus fünf Schulen in Wattenscheid, die sich auf den Weg zum Husemannplatz gemacht hatten. Schüler der Luis-Baare-Berufskollegs sammelten auf diesem Weg 200 Euro für humanitäre Einrichtungen - pro gelaufenen Kilometer gab´s einen Euro von den Mitschülern, die nicht mitlaufen konnten, etwa, weil Klausuren anstanden.

Von der Märkischen Schule lief Schulleiter Heinz Senf mit zur Demo. Seinen Schülern/innen drohen keine Bestrafungen, denn "wenn den Jugendlichen die Sache nicht wichtig wäre, wären sie wohl kaum mit gegangen". Er sieht seinen erzieherischen Auftrag in der Thematisierung des Irak-Kriegs (siehe auch "Nachgefragt" auf Seite 3).

Die Mahnwache am Glascafé soll bis in die nächste Woche hinein Anlaufpunkt für alle Menschen sein, die gegen Krieg sind. U.a. werden hier kostenlos Protest-Buttons verteilt. Nach Schätzungen der Polizei beteiligten sich 2000 Schüler an der Vormittags-Demo. Am Abend, vorm Hauptbahnhof, sollen es 3500 gewesen sein.

Goethe-Pennäler stehen "nicht hinterm Bush"

Fortsetzung von Seite 1 Die gestrigen Demonstrationen gegen den Krieg im Irak gipfelten in der abendlichen Zusammenkunft von über 3000 Menschen vor dem Hauptbahnhof. Aufgerufen hatte das Friedensplenum.

"Willkommen im alten Europa" stand auf dem Riesen-Transparent, mit der der Protestzug nach einigen kurzen Ansprachen über die Huestraße zum Husemannplatz zog. Neben vielen Schüler/innen und Bürger/innen hatten sich linke Gruppen, Gewerkschaften, die Globalisierungsgegner von Attac und die Frauen für den Frieden dem Umzug angeschlossen. "Es wäre falsch, vom Scheitern der Friedensbewegung zu sprechen", rief Annemarie Grajetzki von den Friedensfrauen unter Applaus. "Georg W. Bush hätte erst gewonnen, wenn unser Nein! verstummte!".

Die Aktivitäten der Bochumer Schulen gestern Früh erstreckten sich nicht nur auf die Versammlung am Husemannplatz (Bericht Seite 1).

"Haben wir in der heutigen Zeit keine anderen Möglichkeiten mehr, um einen Diktator zu entmachten?" - Ramona Neubach, Schülersprecherin an der Hans-Böckler-Realschule, brachte die Gefühlslage im Schulzentrum Wiemelhausen gestern auf den Punkt.

Rund 1300 Schüler und Lehrer von Albert-Einstein-Gymnasium und Realschule versammelten sich einige Stunden nach dem Angriff der USA auf dem Pausenhof. Die Menge hörte aufmerksam zu, als Schüler und Lehrer von der Bühne aus ihre Gedanken kundtaten, mal nachdenklich, mal sarkastisch, mal aggressiv formuliert.

"Aus der Verhaltensbiologie ist bekannt, dass Schimpansengruppen Territorien anderer Schimpansen angreifen", so Tim Schiller aus der 10. Klasse der Hans-Böckler-Schule, "haben wir uns nicht weiter entwickelt?" Zitiert wurde Antikriegsprosa von Brecht, Rose Ausländer und Borcherts eindringliches "Sag nein!".

Auf Plakaten hieß es "Krieg bewegt die Welt - aber falsch herum" oder "Das Gute ist das Böse, das man lässt", ein Satz von Wilhelm Busch. Geargwöhnt wurde, ob es den USA um eine stabile Demokratie im Irak oder um stabile Benzinpreise gehe.

In den Klassen will man nun Spenden für das Rote Kreuz sammeln. Nach der Demonstration wollten die Lehrer die aktuellen Ereignisse im Unterricht behandeln. "Bei den Fünft- und Sechstklässlern kann es nur um das Elementare gehen, die haben noch keine Ahnung von Krieg entwickelt", so Politiklehrer Rolf Brekau.

Auch die Schülervertretung der Goethe-Schule versammelte die rund 800 Schüler spontan auf dem Pausenhof, wo sie einen Kreis als Symbol der Zusammenhalts und die klaren Worte "Kein Krieg" formten. Das Gymnasium war behangen mit Transparenten, auf denen die Schüler beschrieben, was sie von der Politik der USA halten: "Wir steh´n nicht hinterm Bush".

Aktionen gegen den Krieg

Die Caritas Bochum ruft zu Spenden für den Irak auf. Das Geld soll internationalen Hilfsnetzwerken der Caritas zu Gute kommen, die u.a. im Irak-Nachbarland Syrien stationiert sind. Auskunft zu Spendenkonten unter Tel: 9 64 22-0.

"Tiefe Besorgnis" löste der Beginn der Kämpfe beim Asta der Ruhr-Uni aus. "Wir stehen dem Krieg als Mittel der Politik generell ablehnend gegenüber", so der Asta-Vorsitzende Jan Reinecke. Vor dem Guernica-Wandbild an der Uni-Bibliothek wird ab heute von 10-16 Uhr eine Mahnwache postiert.

Mit einen Info-Stand am Samstag, 22. März, will die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten für Frieden demonstrieren (10-13 Uhr, Markt Werne).

Die PDS Bochum verurteilt die Bombardierung des Irak und den "neuen Golfkrieg". Die Partei ruft auf, zu demonstrieren und die Bundesregierung im Anti-Kriegs-Kurs zu stützen.

Aus aktuellem Anlass lädt die Epiphanias-Gemeinde, Dorstener Straße 263, am 29. März, 19 Uhr, zu einer Lesung der Bergpredigt ein.

Die Ev. Gemeinde Werne, Kreyenfeldstraße 32, öffnet während des Irak-Krieges täglich ihr Kirche (Mo.-Sa., 17-18 Uhr, So. zu den Gottesdiensten). Es kann ein stilles Gebet gesprochen, inne gehalten und nachgedacht werden.

Wegen des Krieges im Irak findet montags um 19 Uhr ein Friedensgebet in der Ev. Johannes-Kirche, Ennepestraße 15 a, statt. Menschen aller Konfessionen und Religionen sind eingeladen.

Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend BDKJ ruft Kinder und Jugendlichen auf, ein Zeichen zu setzten. Von allen Gebäuden sollen weiße Tücher als Symbol der Hoffnung auf ein schnelles Kriegsende wehen (Infos Tel: 0 201/22 04-253 oder www.bdkj-de-essen.de).