Brief von Andreas Disselnkötter und Karin Schiele an die Fraktionen im Rat der Stadt Bochum vom 15. 11.

 

Der Besuch von Frau Orna Birnbach in Bochm

Das Schreiben des Oberbürgermeisters an die Ratsfraktionen vom 14.11.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Schreiben des Oberbürgermeisters stellt deutlich die Schwierigkeiten der Stadt im Umgang mit dem Themenfeld Shoah aus. Für Herrn Stüber besteht kein Anlass zu einer auch emotionalen Diskussion anlässlich des Besuch einer Frau, die an ihr Schicksal und dasjenige aller Juden während der Shoah sowie auch an die NS-Prozesse in Bochum und der Behandlung der jüdischen Zeugen in Bochum erinnert. Aber auch bei seinen jüngsten Bemühungen um "Versachlichung" kommt zum Ausdruck, dass er selbst auf dieser Ebene schlecht beraten war oder tatsächlich in jener Verkrampfung befangen ist, die uns im vielbeschworenen 'deutsch-jüdischen Verhältnis' immer wieder begegnet. Wie anders ist das ganze Ausmaß an Ignoranz zu erklären, das sich vor allem darin zeigt, den Besuch von Frau Birnbach vollständig und mit großer Beharrlichkeit zu einem Verwaltungsproblem herabzustufen. Zu dem Schreiben des OB's an die Ratsfraktionen stellen wir fest:

  1. Eitelkeit: Ein Projekt, zu dem Herr Stüber nicht vor seinem Beginn und zu aller erst persönlich um Erlaubnis gebeten wird, erfährt von ihm grundsätzlich keine Unterstützung. Statt dessen wird in der Folge seiner abweisenden Haltung von einer Reihe Stadtbediensteter nach dem Radfahrerprinzip fieberhaft daran gearbeitet, Wege zur Ablehnung jeglicher Unterstützung zu suchen. In unserem Fall waren besonders eifrig Herr Löwer und Herr Heckmann, die auch eine Reihe inhaltlicher Gründe für die Ablehnung von Anträgen angeführt haben.
  2. Desinteresse: Seit August waren Herr Stüber und weitere Mitarbeiter der Stadt über den geplanten Besuch von Frau Birnbach an Bochumer Schulen und anderen Einrichtungen informiert. Es ist seither kein einziger Versuch seitens der Stadt unternommen worden, sie hier zu begrüßen oder in anderer Form (insbesondere ihr gegenüber) ein noch so geringes Interesse an ihrem Besuch zum Ausdruck zu bringen. Städtische Institutionen wie das Schulverwaltungsamt erfuhren angeblich erst kurz vor ihrer Abreise aus der Zeitung (selbst in der WAZ gab es schon vor Wochen einen großen Bericht!) von ihrem Kommen.
  3. Borniertheit: Selbst auf der angerufenen Sachebene - wie gesagt, hier ist von Herrn Stüber allein die Verwaltungsebene angesprochen worden - wird eine verzerrte Darstellung "dieses Themas" vermittelt - obwohl er sich doch gerade hier ganz besonders Mühe geben wollte. Dazu nur drei Anmerkungen: Vom Schulverwaltungsamt (Peter Schneller) wurden kurz vor der Abreise Frau Birnbachs 1200,- DM in Aussicht gestellt und die Adenauer-Stiftung wird DM 300,- im Zusammenhang mit Frau Birnbachs Besuch an der Heinrich-Böll-Gesamtschule zahlen. Zudem wurde Frau Birnbach von Frau Karin Schiele (GEW-Mitglied) und mir eingeladen. Dies hat übrigens auch Herr Schneller gewusst (obwohl es nicht in der Zeitung stand, der WAZ oder der FR!), als er mich (A.D.) bei meiner Arbeitsstelle (UNI-Dortmund) anrief.
  4. Verlogenheit: Nachdem Herr Stüber über Monate hin keinen Weg der Unterstützung gesehen hat (oder offenkundig auch nicht sehen wollte), er vielmehr auf Möglichkeiten in der Zukunft verwies, ist es für ihn seit dem 9.11. überraschenderweise kein Problem mehr, bei "finanziellen Schwierigkeiten" einzuspringen. Wäre es da nicht ehrlicher gewesen, die bewährte Strategie des Wegschauens und der Bürokratisierung fortzusetzen? Zeigt sich in diesem Verhalten - ob gewollt oder unbeabsichtigt - nicht eine Verhöhnung der Opfer? Nach den guten Erfahrungen von Frau Birnbach in Witten mit dem dortigen Oberbürgermeister und der persönlichen Zuwendung von Wolfgang Clement sowie des Landtagspräsidenten, war es in der Tat nicht leicht, die Fragen von Frau Birnbach zu dem Schweigen der Stadt Bochum zu beantworten.

Wir danken den engagierten Ratsmitgliedern - insbesondere Frau Katharina Schubert-Loy - dafür, dass sie Frau Birnbach hier aufgesucht haben. Herr Stüber ist offenbar nicht einmal zu solch 'kleinen' Gesten fähig. Aber was darf erwartet werden von einem Mann, der uns deutlich gezeigt hat, was er unter Zivilcourage versteht?

Mit freundlichen Grüßen und besten Wünschen für Ihre Arbeit,

Andreas Disselnkötter & Karin Schiele