Vergewaltigung
Eine Vergewaltigung ist ein traumatisches Erlebnis. Jedes Mädchen und jede Frau lebt mit der Angst vor Vergewaltigung. Fast alle Frauen und Mädchen schränken deshalb ihr Leben ein. Aber trotz aller "Vorsichtsmaßnahmen" kann keine Frau und kein Mädchen so gute Vorkehrungen treffen, daß eine Vergewaltigung ausgeschlossen ist. Vergewaltigungen werden überall und zu jeder Zeit verübt. Die Täter kommen zum ganz überwiegenden Teil aus dem persönlichen Nahbereich. 

Vorurteile
Unabhängig davon, ob der Täter ein Fremder oder Bekannter ist, wird noch immer den Betroffenen häufig eine Mitschuld unterstellt, z.B. daß sie nachts allein unterwegs waren, nicht sofort um Hilfe gerufen haben.  Es wird ihnen z.T nicht geglaubt oder es werden Entschuldigungen gesucht (Trunkenheit, Triebstau ...). Keine Frau trifft die Schuld an einer Vergewaltigung! Der Täter weiß genau, was er tut! Vergewaltigung hat mit Sexualität so wenig zu tun, wie das Schlagen mit einer Bratpfanne mit Kochen!

Gegenwehr
Jedes Mädchen und jede Frau, die vergewaltigt wird, wehrt sich, so gut sie kann und wenn es "nur " die Bitte ist, von ihr abzulassen. Vor körperlicher Gegenwehr schrecken viele zurück, aus Angst, daß die Situation noch schlimmer wird. Die Polizei hat lange Zeit eher davor gewarnt, sich zu wehren, da Mädchen/Frauen wenig Chancen eingerechnet wurden. Aber Mädchen und Frauen sind nicht per se schwach. Eine Untersuchung der Polizeidirektion Hannover hat belegt, daß sich die Chancen, den Täter in die Flucht zu schlagen, sehr stark erhöht, je massiver die Gegenwehr ist. Um in einer konkreten Situation nicht vor Panik gelähmt zu werden und Vertrauen in die eigenen Abwehrkräfte zu entwickeln, empfehlen wir den Besuch von Selbstverteidigungs- und Selbstbehauptungskursen. Als besonders wirkungsvoll hat sich WenDo (der Weg der Frau) gezeigt, das speziell von Frauen für Frauen entwickelt wurde. Solche Kurse werden z.T. von der VHS und auch im Frauensportzentrum Move on angeboten. Selbstverständlich kann auch das beste Selbstverteidigungstraining keine Garantie dafür bieten, einer konkreten, immer unberechenbaren Gewaltsituation zu entkommen. Keine Frau muß sich einen Vorwurf machen, wenn sie nicht in der Lage ist, sich erfolgreich zu wehren.

Folgen
Eine Vergewaltigung löst bei Betroffenen einen schweren Schock aus. Dieser Schock kann sich in unterschiedlicher Art zeigen. Einige reagieren mit äußerlich ruhigen, gefaßtem Verhalten, andere brechen zusammen, sind aufgelöst, wieder andere wirken wie erstarrt, verstört und leer. Viele empfinden Angst, Ohnmacht, Erniedrigung, Scham, Schuld und Beschmutzung. Einige fühlen Wut und Haß. Es gibt keine Standardreaktion auf Vergewaltigung. Jede Reaktion ist angemessen und normal angesichts dessen, was die Frau/das Mädchen durchgemacht hat. Die Vergewaltigung kann langandauernde, auch lebenslängliche Folgen für die Betroffene haben z.B. Einschränkung des Selbstwertgefühls, Verfolgungsängste, tiefgreifendes Mißtrauen, psychosomatische Beschwerden, Depression, Sucht, Selbstzerstörung.

Was tun nach einer Vergewaltigung?
Nach einer Vergewaltigung kann es Ihnen helfen, mit anderen darüber zu sprechen. Sprechen Sie zuerst mit einer Freundin, einem vertrauten Menschen, einer Anwältin oder einer Notruf-Frau. Darüber zu lesen, daß viele andere Frauen ähnliches erlebt haben, kann helfen, damit zu leben. Eine Selbsthilfegruppe oder eine Therapie kann helfen, damit zu leben.
Die Gefühle zu Papier zu bringen, sei es geschrieben oder gemalt oder anders, kann helfen, damit zu leben.

Anzeigeerstattung
 Ob Sie Anzeige erstatten wollen, sollten Sie, wenn möglich, erst nach einem Beratungsgespräch mit einer Anwältin oder einer Notruf-Frau entscheiden. Ein Prozeß ist für jede Betroffene eine enorme psychische Belastung, die Gewalterfahrung muß erneut - in Anwesenheit des Täters - vor Fremden geschildert werden. Der Umgang des Gerichts mit dem Opfer ist leider bzw. empörenderweise immer noch häufig von Vorurteilen und Unverständnis geprägt. Bei keinem anderen Verbrechen wer-den so viele Täter freigesprochen. 
Wir wollen nicht von vorne herein Frauen und Mädchen, die Anzeige erstatten wollen, entmutigen. Im Gegenteil halten wir es für sinnvoll, wenn Anzeige erstattet wird. Eine Anzeige macht öffentlich, daß ein Verbrechen verübt wurde. Durch eine Verurteilung des Täters kann er für eine befristete Zeit von weiteren Taten abgehalten werden. Eine Verurteilung ist zudem auch eine gesellschaftliche Ächtung. Daß sich die frauenverachtende Einstellung des Täters dadurch allerdings grundlegend ändert, ist unwahrscheinlich.
Außerdem denken wir, daß nicht allen Betroffenen ein Prozeß zuzumuten ist.

Für eine Anzeige ganz wichtig!

  • Auch wenn es wegen des Ekels sehr, sehr schwer fällt, sollten Sie sich vor der ärztlichen Untersuchung nicht waschen oder duschen, damit u.U. ein Spermiennachweis möglich ist.
  • Beweismittel z.B. zerrissene oder verschmutzte Kleidung sollten aufbewahrt und nicht gewaschen werden.
  • Machen Sie selbst zu Hause ein Gedächtnisprotokoll, im dem das Geschehen nachgezeichnet wird. Halten Sie aktuelle und spätere Gefühlssituationen fest; Empfindungen und Auswirkungen der Vergewaltigung auf Ihr Leben sind in einer Gerichtsverhandlung von großer Bedeutung.

Ärtzliche Untersuchung

  • Gehen Sie innerhalb von 24 Stunden zur einer Frauenärztin/einem Frauenarzt oder in ein Krankenhaus.
  • Bestehen Sie darauf, daß alle Verletzungen, schmerzhafte Stellen, Verspannungen, Geschlechtskrankheiten und Schwangerschaft (nach nach 3-4 Wochen) untersucht und dokumentiert werden. Lassen Sie auch einen Spermiennachweis (nachweisbar bis 48 Std.) durchführen.


 Anwältin

  • Gehen Sie vor Erstattung einer Anzeige zu einer Rechtsanwältin.
  • Ihre Anwältin kann Sie vor Prozeßbeginn vertreten. Sie kann die Zulassung als Nebenklägerin beantragen, Akten einsehen und Prozeßkostenhilfe beantragen.


Nebenklage
Ohne Nebenklage sind Sie nur Zeugin beim Prozeß. Sie sind bei der Aussage des Vergewaltigers nicht anwesend. Wenn Sie Nebenklage einreichen, sind Sie für den Prozeßverlauf in einer günstigeren Position. Als Nebenklägerin haben Sie bzw. Ihre Anwältin das Recht:

  • während des Prozesses im Gerichtssaal zu sein
  • ZeugInnen anzufordern, die vom Gericht nicht geladen wurden
  • Fragen an den Angeklagten und an ZeugInnen zu stellen
  • ein Plädoyer zu halten (wie StaatsanwältIn und Verteidi-gerIn)
  • Anträge und Forderungen zu stellen (z.B. auf Aus-schluß der Öffentlichkeit, Schmerzensgeld)
  • in Berufung bzw. Revision zu gehen


Polizei

  • Wenn Sie Anzeige erstatten wollen, sollten Sie, sobald Sie dazu in der Lage sind, zur Polizei gehen. In jeder größeren Stadt gibt es Sonderdezernate, die auf Sexualstraftaten spezialisiert sind.
  • Gehen Sie nicht alleine zur Polizei; am besten nur mit Ihrer Anwältin. Ist dies nicht möglich, wenden Sie sich an den Notruf oder an eine Freundin, mit der Sie nicht unmittelbar nach der Vergewaltigung gesprochen haben (diese kann im Verfahren eine wichtige Zeugin sein).
  • Sie haben das Recht, die Anzeige bei einer Beamtin zu machen.
  • Fühlen Sie sich durch die Vernehmung zu sehr bedrängt, können Sie die Aussage abbrechen. Sie können die Aussage zu einem späteren Termin vervollständigen oder sich von einer anderen Beamtin vernehmen lassen.
  • Lesen Sie das Protokoll genau durch. Unterschreiben Sie es nur, wenn es 100% stimmt. Bestehen Sie ansonsten darauf, daß es  geändert wird, weil sich der spätere Prozeß auf diese Aussage stützt.


Natürlich ist uns bewußt, daß weder Verurteilungen, noch Selbstverteidigungskurse Männergewalt abschaffen werden. Letztlich wird nur eine radikale Veränderung männlichen Verhaltens wirksamer Schutz für Frauen sein, was große gesellschaftliche Umwälzungen erfordert. Die friedliche Natur der Frau ist ebenso Mythos wie die naturgebenen Aggressivität des Mannes. Machtgebahren ist nichts Angeborenes und veränderlich.
 


 
Copyright: Bochumer Notruf für Frauen und Mädchen gegen sexuelle Gewalt e.V.