Hartz IV: Umzug droht - was tun?

"Ziel der rot-grünen Koalition war es von Anfang an, die Prüfung der Angemessenheit des Wohnraums so zu gestalten, daß die Aufforderung zum Umzug auf unabdingbar notwendige Fälle begrenzt wird." (Erklärung der GRÜNEN Vom 1.10.2005).

Keine Panik! Wenn der Bescheid mit den gekürzten Unterkunftskosten kommt, ist immer noch Zeit, Widerspruch einzulegen und dann zu klagen!

Wenn Sie eine Aufforderung zur Senkung der Unterkunftskosten erhalten haben: prüfen Sie, ob keine Berechnungsfehler vorliegen! Sie haben ein Recht auf Einzellfallprüfung, Prüfung der Zumutbarkeit, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit eines Wohnungswechsels. Zu beachten sind: Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit, notwendige Hilfe durch Nachbarn (auch für die Kinder!), soziale Kontakte der Kinder in Kindergarten und Schule, bevorstehender Eintritt in den Ruhestand (i.d.R. ein Jahr), evtl. auch eine sehr lange bisherige Mietdauer (vor Gericht zu erstreiten).

WIDERSPRUCH

Auch wenn die ARGE schreibt, ein Widerspruch sei nicht zulässig: legen Sie ruhig Widerspruch ein. Dann wird Ihnen die ARGE nochmals mitteilen, dass das nicht ginge. Das ist aber noch umstritten. Wenn die Sachbearbeitung den Widerspruch nicht annehmen will: sie muss jedes Schreiben von Ihnen annehmen! Stellt sich der/die SB weiter stur: unter Zeugen den Widerspruch in einen Umschlag stecken, mit den gleichen Zeugen zur ARGE, zur Stadt, zur Arbeitsagentur gehen, und den Brief in den Kasten stecken. Von den Zeugen auf einer Kopie des Schreibens mit Handzeichen/Datum/Uhrzeit bestätigen lassen. Wenn Sie faxen können: dann haben Sie mit dem Faxprotokoll einen gültigen Beleg! Sie können auch mit Begründungen (s. oben) einen Antrag stellen, auch in Zukunft die gesamten Unterkunftskosten zu übernehmen. Wird Ihr Antrag abgelehnt, können Sie dagegen Widerspruch einlegen. Ein Gericht hat zwischenzeitlich sogar entschieden, dass es auch möglich ist, sofort beim Sozialgericht zu klagen, weil es Ihnen nicht zuzumuten ist, sechs Monate im Unklaren gelassen zu werden. Wenn Sie Widerspruch einlegen oder klagen wollen: gehen sie zur Nebenstelle des Amtsgerichts im "Info-Center" im Rathaus, besorgen sich dort einen sog. "Beratungsschein". Damit gehen Sie zu einer Anwaltskanzlei Ihrer Wahl (Liste erhältlich bei der "Sozialberatung". Die Kanzlei erhält dafür zunächst 30,-- Euro, Sie müssen 10 Euro dazutun.

WOHNUNGSSUCHE?

Sie werden auch aufgefordert, monatlich nachzuweisen, dass Sie sich um eine neue Wohnung bemüht haben. Wenn Sie das nicht tun, können Sie aber nicht bestraft werden (keine Sanktionsandrohung). Sie können sich aber auch um eine neue Wohnung bemühen und dann nachweisen, dass die Suche erfolglos war - es gibt ohnehin bei weitem nicht genügend geeignete freie Wohnungen (Gelbe Seiten: Wohnungsunternehmen). Zuvor sollten Sie aber bei der ARGE beantragen, die dadurch entstehenden Kosten im Voraus zu übernehmen - wovon sollten Sie das bezahlen können bei dem knappen Geld? Da fällt an: Telefonkosten (alle Telefonate mit Ziel und Tag/Uhrzeit/Dauer aufschreiben!), Kauf der Wochenendzeitungen, ggf. Kosten selbst aufgegebener Anzeigen, Porto-, Schreibbüro- und Kopierkosten, Fahrtkosten zur Besichtigung, ggf. sogar Maklerkosten und Kaution. Wenn Sie sich beworben haben und abgelehnt werden: lassen Sie sich das bescheinigen: schon vergeben, bevorzugt andere gewünscht, Hartz-IV-Empfänger schon gar nicht ... und was es sonst noch für Gründe geben mag.

UMZUG KOSTET ...

Sie können sich auch schon mal überlegen, welche Kosten durch den Umzug auf Sie zukommen. Die muss nämlich die ARGE übernehmen: wenn Sie in der Lage sind, den Umzug selbst zu organisieren, brauchen Sie sicherlich Helfer dazu. Sie sind gesetzlich verpflichtet, die Helfer zur Gemeinde-Unfallversicherung anzumelden, das kostet Geld und man muss sich auskennen. Eine spezielle Haftpflicht- und Umzugsschadensversicherung ist auch nötig, die private Haftpflicht und die Hausratversicherung zahlen nicht. Lassen Sie das die ARGE organisieren, dass ist zu kompliziert für normale Sterbliche. Vielleicht ist auch ein Elektriker und ein Gas- und Wasserinstallateur nötig, dazu sind Sie gesetzlich verpflichtet, wenn Sie einen Elektro- oder Gasherd oder eine Steckdose anschliessen wollen, auch an trinkwasserführenden Leitungen dürfen Sie gar nichts selber machen. Viele sind sogar zu ungeschickt oder zu unsicher, eine Deckenlampe oder eine Wandlampe anzubringen oder eine Waschmaschine anzuschliessen. Wenn sie körperlich oder organisatorisch nicht so fit sind, geht es wohl auch nicht ohne ein richtiges Umzugsunternehmen - 1.300 Euro sind da gar nichts (3-Personen-Haushalt). Eine Einbauküche oder ein großer Schrank geht auch nicht ohne Schreinerarbeit - wenn Sie den bei der Anschaffung gebraucht haben (Nachweis?), brauchen Sie denn jetzt sicher auch. Ausserdem sind Sie ja auch inzwischen älter geworden. Und wer macht die Renovierung in der alten und in der neuen Wohnung, wenn der Mietvertrag das verlangt? - Was brauchen Sie noch:

... NOCH MEHR

Einpackhilfen ( für Kranke, Behinderte, Alleinerziehende - wer kümmert sich um die Kinder?), Umzugskartons und Verpackungsmaterial, Folie für Möbel. Hilfe zum Schränke- ab- u. aufbauen (vor dem Umzug). Bilder/ Regale (bohren, Dübeln, Schrauben usw.), evtl. neue Gardinenleisten und Gardinen, evtl. andere Möbel, da die jetzigen nicht mehr in die Wohnung passen, Fussbodenbelag/ Teppich, Telefon und Internetanschluss (ganze wichtig für Kranke und Behinderte), Hilfe für Reinigungsarbeiten ( Grundreinigung der alten und neuen Wohnung ( wichtig für Kranke, Ältere und Behinderte), Gebühren für Postnachsendungsantrag beantragen (ist kostenpflichtig), Personalausweis umschreiben lassen (gebührenpflichtig).

Da kommt Einiges zusammen. Sie wissen es selbst: ein Umzug ist teuer. Da kommt so Manches, was man sich vorher nicht hat träumen lassen. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, sagen Sie uns Bescheid! Hinzu kommt der ungeheure Bürokratieaufwand: Die Uni Berlin hat berechnet: das frisst einen großen Teil der hier geplanten "Einsparungen" wieder auf.

RECHNEN: lohnt der Umzug überhaupt?

Rechnen Sie das alles zusammen, teilen die Summe durch zwölf: wenn der die Angemessenheitsgrenze übersteigende Mietanteil geringer ist, ist ein Umzug für die ARGE unwirtschaftlich, und Sie können wohnen bleiben! (Die Angemessenheitsgrenzen sind: für Singles: 219,15 Euro, (45 qm); für zwei Personen: 292,22 Euro, (60 qm); für drei Personen: 361,50 Euro, (75 qm); für vier Personen: 437,40 Euro, (90 qm); für fünf Personen: 510,30 Euro (105 qm) usw.). Eine Miete 40 € (oder 10 % ab vier Personen) über der "Angemessenheitsgrenze" wird ohnehin als "Toleranzschwelle" akzeptiert. Manche haben auch noch einen alten Mietvertrag, in dem in der Grundmiete bereits ein Teil der Betriebs-/Nebenkosten enthalten ist. Evtl. wäre dann eine neue "angemessene" Wohnung insgesamt teurer. Dann können Sie wohnen bleiben.

DIFFERENZ SELBER ZAHLEN?

Wenn das alles nicht reicht: überlegen Sie sich, ob Sie sich in Zukunft leisten können und wollen, die Differenz (da kommt evtl. noch ein Nebenkosten- und Heizkostenanteil hinzu!) aus der Regelleistung oder den Mehrbedarfszuschlägen zu bezahlen, oder aus einer kleinen angemeldeten Nebentätigkeit oder aus ihrem "Schonvermögen", oder Sie kennen jemanden, der da auf Dauer einspringen will, am Besten direkt an den Vermieter zahlt (schriftl. Verpflichtungs- und Einverständniserklärung). Da brauchen Sie aber vielleicht auch einen (kostenlosen) Anwalt, gehen Sie zu einer Beratungsstelle!

Für Gewerkschaftsmitglieder bei: verdi, 44789 Bochum, Universitätsstr. 76, Tel.: 9 64 08-0: IG Metall, Alleestr. 80, 44793 Bochum, Tel: 96446-0 (beide mit eigenen Erwerbslosenvertretungen); IG Bauen-Agrar-Umwelt, Alleestr. 80, 44793 Bochum, Tel.: 96119-0; IG BCE, Alte Hattinger Str. 19, 44789 Bochum, Tel.: 3190; GEW, Alte Hattinger Str. 19, 44795 Bochum, Tel.: 43 46 99; Für Mitglieder anderer Gewerkschaften über: DGB, Alleestr. 80, 44793 Bochum, Tel.: 6 87 033. Für Mitglieder der Sozialverbände: Sozialverband Deutschland (SoVD), Willy-Brandt-Platz 8, 44787 Bochum, Tel.:66544; Sozialverband VdK, Kreuzstr. 11, 44787 Bochum, Tel.: 66051.

Für andere: Ev. Beratungsstelle für Arbeitslose (mit Initiative "Werkschlag"), Laerstr. 11, 44803 Bochum (Altenbochum/Liebfrauenstr.), Tel. 35 00 91 oder die "Unabhängige Sozialberatung", Rottstr. 31, 44793 Bochum, Tel.: 460 169.

Der Text als Druck- und Kopiervorlage

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