“Gigantische Steuerausfälle” – vom Himmel gefallen?
Vor wenigen Tagen ging es erneut durch die Tagespresse:  “Im NRW-Etat klafft ein neues Milliarden-Loch”.
Es war davon die Rede, dass die Unternehmen erstmals mehr Steuern zurück bekommen hätten als sie insgesamt an Körperschaftssteuern zu zahlen gehabt hätten. Der Bereich “Körperschaftssteuern” beim Finanzminister sei per Saldo also zum ersten Mal negativ gewesen. Finanzminister Steinbrück sprach von “gigantischen Steuerausfällen”. In einem Nebensatz wurde dann auch erwähnt, dass das mit der Steuerreform zu tun hätte.

Aber insgesamt wird auf unser schlechtes Gedächtnis spekuliert und der Eindruck erweckt, irgendwie sei das jetzt doch alles ein bisschen überraschend – genau wie schon vorher die Klagen über die verschärfte Finanznot der Kommunen nicht so recht die Ursachen benannten. Kein Wunder: sind es doch die gleichen politischen Kräfte in Bund, Land NRW und den meisten Kommunnen hier – nämlich rot-grün – die sich selbst anklagen müssten, die jetzt aber versuchen, ihre Spuren zu verwischen. Diese – extrem unsoziale - Wirkung der Steuerreform zugunsten des großen Kapitals war  aber abzusehen - und insofern auch gewollt. Nun sollen wir Normalos die Folgen mit Finanz-Kürzungen jeder Art, vor allem im Sozialbereich, ausbaden. Auch wenn der Haupt-Hammer der Kürzungen wohl erst nach der Bundestagswahl geschwungen werden wird – weichgekocht werden sollen wir jetzt schon.
Aus diesem Anlass möchten wir an einen Brief an die Bochumer Grünen erinnern, den wir im Juli 2000 geschrieben haben. (Interessant außer dem Inhalt erscheint nach 1 ½ Jahren auch der Stil: damals haben wir uns über die rot-grüne Politik noch richtig empört). Die Bochumer Grünen haben in der Folge auf diesen Brief mit keinem Wort reagiert.

Aus dem Brief von “Politik im Bahnhof” vom 14.7.2000 an die Grünen in Bochum anlässlich der – damals gerade bevorstehenden - Verabschiedung der Steuerreform

Liebe Grüne in Bochum,

heute wird bekanntlich die Steuerreform verhandelt und möglicherweise beschlossen. Eure Partei ist eine der HauptvorantreiberInnnen auf Bundes- und Landesebene.

Ein paar kritische Bemerkungen in aller Kürze:

Die derzeitige Diskussion zwischen Rot-Grün und  Schwarz besteht im Kern aus der Frage, welchen Kapitalfraktionen und BesserverdienerInnen die Steuern am meisten gesenkt werden sollen. Als "Ungerechtigkeit" wird dabei von der rechten Opposition beschrieben, dass rot-grün hauptsächlich den Großkonzernen, Versicherungen und Banken zu Willen sei und nicht den kleineren Betrieben und Personengesellschaften.

Dass dabei eine ganz andere (und wirkliche) Ungerechtigkeit im Spiel ist - nämlich die soziale/gesellschaftliche und dass es hier in Wirklichkeit um Umverteilung der finanziellen Belastung von oben nach unten geht -   davon ist derzeit keine Rede mehr, auch nicht bei Euch.

Hättet Ihr (oder die SPD) vor der Bundestagswahl kund getan, daß Ihr die Gewinnsteuern für das große Kapital in Richtung 25 Prozent maximum senken wollt (bei Anrechnungsfähigkeit der Gewerbesteuern) - und die Auflösung stiller Reserven beim Beteiligungsverkauf mit Null Mark Gewinnsteuern belegen wollt - Ihr wäret vermutlich in der Luft zerrissen worden.

Das ist der eine Skandal.

Der andere ist die jetzt schon absehbare Gegenfinanzierung des Steuergeschenks von 50 Mrd. DM: Es war immer schon klar, und Steinbrück hat es jetzt - vielleicht ein bißchen zu früh - herausgelassen:

Zahlen sollen wir mit Projekte-Streichung und Senkung kommunaler und Landes-Etats. Steinbrück hat an die 7 Mrd. festgestellt, die er bei uns in NRW abgreifen will. Vor einigen Wochen hat schon die Bundesbank bekannt gemacht, dass wegen der Steuerreform die "Sparziele" der Kommunen gefährdet sein könnten. Natürlich - und jeder konnte es wissen - schlagen Landesetat-Kürzungen in dieser Größenordnung auf die Kommunen durch! Habt Ihr Euch dagegen gewehrt?

Zum Schluß: wenn also demnächst der "äußerst enge Spielraum" etc. des Kommunaletats 2001 ff. wieder keine Luft läßt zum Umsetzen der Koalitionsvereinbarungen und anderer notwendiger Dinge, die uns "unten" betreffen (oder wenn gar massive Kürzungen angekündigt werden sollten), dann soll niemand behaupten, das wäre vom Himmel gefallen bzw. man/frau müßte sich den "Sachzwängen" beugen.

Diese Sachzwänge tragen dann eine rot-grüne Handschrift. Und als solche sollten wir sie dann auch kenntlich machen!

Herzliche Grüße