Unabhängige Sozialberatung
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PRESSEERKLÄRUNG


Hartz IV: Nach Weihachten die ersten Umzugsaufforderungen?

Wir fordern: weitsichtige Anwendung des Gebotes der "Toleranzschwelle".


Seit November verschickt die ARGE (Grundsicherung Erwerbsfähiger) Aufforderungen an Betroffene, sich zu den über der "Angemessenheitsgrenze" liegenden Kosten ihrer Unterkunft zu äußern. Erörterungstermine haben bereits stattgefunden. Je nach Ergebnis ist mit den ersten Aufforderungen zur Kostensenkung, ggf. zum Umzug, für die Zeit nach Weihnachten zu rechnen.

Um unangemessene soziale Härten zu vermeiden und die ARGE von unwirtschaftlichen Kosten zu entlasten, hat der Rat der Stadt Bochum eine "Toleranzschwelle" beschlossen, unterhalb derer von einer Umzugsaufforderung abzusehen ist. Die ARGE scheint nun zu beabsichtigen, dieses Gebot der "Toleranzschwelle" zumindest teilweise zu unterlaufen.

Der Rat der Stadt Bochum hat am 29. Sept. 2005 beschlossen, dass von einer Umzugsaufforderung abgesehen werden soll, wenn die umzugsbedingten Kosten höher sind als die Jahressumme der die Angemessenheitsgrenze überschreitenden Kosten der Unterkunft. Das sei auch für die ARGE unwirtschaftlich. Diese "Toleranzschwelle" wird gebildet aus der "Angemessenheitsgrenze" zuzüglich eines Aufschlages von 40 Euro (oder zehn Prozent ab vier Personen). Dieses Gebot der "Toleranzschwelle" will die ARGE nun offensichtlich teilweise unterlaufen.

Etliche Betroffene hätten nämlich die Möglichkeit, durch Einsparungen an anderer Stelle, durch Entnahmen aus dem Schonvermögen (200 Euro pro Lebensjahr), durch zweckgebundene Zuwendungen von Anderen (z. B. Verwandte) oder durch ggf. vorhandene Freibeträge aus einer kleinen Erwerbstätigkeit (oder sogar nicht ausreichenden Volllzeiterwerbstätigkeit mit aufstockendem AGL 2) etwas zuzuzahlen und dadurch unter die sogenannte "Toleranzschwelle" zu gelangen.

Trotzdem beabsichtigt die ARGE, dann auf der "Angemessenheitsgrenze" zu bestehen.

Uns liegt ein Fall vor, in dem die "Toleranzschwelle" nur um 0,85 Euro überschritten wird, in etlichen Fällen, sind es zwei, fünf oder sieben Euro.

Unseres Erachtens ist von "Unwirtschaftlichkeit" immer auszugehen, wenn - auf welche Weise auch immer - die effektiven Unterkunftskosten unter die "Toleranzschwelle" gedrückt werden können. Dadurch könnte einer größeren Zahl von Menschen ermöglicht werden, im gewohnten Wohnumfeld zu verbleiben. Bekanntlich hat das positive Auswirkungen auf die körperliche und seelische Gesundheit der Betroffenen und damit auch auf Fähigkeit und Motivation, einen ggf. doch noch einmal möglichen Arbeitsplatz anzutreten. Es würde zudem der befürchteten "Gettobildung" entgegenwirken. Zu bedenken ist auch, dass eine Entscheidung ebenfalls Auswirkungen hätte auf alle Menschen, die wegen einer Erwerbsunfähigkeit oder wegen Erreichens der Altersgrenze Leistungen der Grundsicherung nach SGB XII erhalten.

Wir verlangen von der ARGE:
Von einer Aufforderung zur Kostensenkung auf die "Angemessenheitsgrenze" ist abzusehen, wenn es dem Leistungsberechtigten gelingt, die Belastung unter die "Toleranzschwelle" zu drücken - wie auch immer.

Erläuterungen:

Wie in vielen anderen Orten , hat auch in Bochum der Rat beschlossen, zusätzlich zur Festlegung der "Angemessenheitsgrenze" einen Bereich zu bestimmen, innerhalb dessen ein Umzug in Anbetracht der dadurch veranlassten und von der ARGE zu tragenden Kosten als unwirtschaftlich anzusehen ist. Zur Vereinfachung wurde für diese Bereich ein Betrag von zusätzlich 40 Euro (oder 10 % ab vier Personen) festgelegt. (s. pdf-Anlage).

Durch Ratsbeschluß vom 29. Sept. 2005 wurde die Verwaltung aufgefordert, zusammen mit der Aufforderung zur Stellungnahme über die Kosten der Unterkunft eine schriftliche Information über die beschlossenen "wichtigen Ausnahmegründe" (im wesentlichen gesundheitliche Gründe, Pflegebedürftigkeit, drohender Kindergarten- oder Schulwechsel, bevorstehende Altersrente) auszuhändigen. Dem ist die Verwaltung dankenswerterweise auch nachgekommen. Versäumt wurde allerdings der Hinweis, dass von einer Umzugsaufforderung abzusehen ist, wenn die umzugsbedingten Kosten höher sind als die Jahressumme der die Angemessenheitsgrenze überschreitenden Kosten der Unterkunft. Ohne nähere Prüfung sei von einem solchen Missverhältnis auszugehen, wenn die Mietpreisobergrenze um nicht mehr als 40 Euro (bzw. 10 % ab vier Personen) überschritten wird.

Durch dieses Versäumnis entstand bei etlichen Betroffenen eine vermeidbare Unruhe.

Einige wenige Betroffene bewohnen auf Grund eines vor Eintritt der Arbeitslosigkeit hohen Einkommens eine teure Wohnung. Für sie wird der Umzug in eine angemessene Wohnung über kurz oder lang nicht zu vermeiden sein.

Obwohl unser Ansatz natürlich ein menschlich-sozialer ist, würde das Argument der "Unwirtschaftlichkeit" eines Umzuges auch dann greifen, wenn die "Toleranzschwelle" nach-träglich durch die oben genannten Möglichkeiten erreicht würde. Die rein wirtschaftliche Rechnung sähe in diesem Fall exakt genau so aus, als wenn die "Toleranzschwelle" von vornherein nicht überschritten worden wäre.

Bochum, 18. Dezember 2005