Wolfgang Dominik
Entwicklung der Inneren Sicherheit in Deutschland seit den Anschlägen auf das World Trade Center .
Der Krieg gegen die eigene Bevölkerung in Deutschland
Vorbemerkung: Die hier geäußerten Überlegungen waren zunächst für eine Veranstaltung der DFG/VK Essen im Januar 2006 gedacht, das Sozialforum Bochum hatte aber gleichzeitig angefragt, ob ich beim 3. Bochumer Sozialforum am 17./18.2. 2006 das auch in einen Workshop einbringen können. Weil gerade die Einleitung so schön passt, überarbeite ich das Referat nicht extra, sondern füge nur ein paar aktuelle Dinge hinzu.

Die DFG/Vk hat mir die Themen der Überschrift vorgegeben.

Der neue Titel der Veranstaltung, auch noch abgedruckt in der Jungen Welt vom 18.1.2006, lautet: Mit den neuen „Anti-Terror“gesetzen in einen autoritären Sicherheitsstaat.
Weil man das nicht hört: Antiterror steht in Anführungsstrichen! Was kann das bedeuten? Wenn so was von der DFG-VK in der Jungen Welt veröffentlicht wird, kann das für erfahrene Leser nur bedeuten, dass Zweifel an dem Terminus Antiterror durch die Anführungsstriche ausgedrückt werden.


Einleitung
„Wer rationale Auseinandersetzung für zwecklos hält ( oder sie von vornherein erst gar nicht führen will und prinzipiell nicht führen darf – W.D.) , dem bleiben nur Drohgebärden und Kriege nach außen und rigide Ordnungsstaatlichkeit und Repression (z.B. Rasterfahndung, Lauschangriffe und ausufernde Verbote) im Innern.“ (Globalisierung und Krieg, 35, grundsätzlich und dauernd zum Thema Militarisierung, Aufrüstung, Expansionspolitik, Neue Kriege und leicht als e-mail-Nachrichten zu abonnieren: www.imi-online.de Am 18.2.2006, pünktlich zum Bochumer Sozialforum teilte imi (Informationsstelle Militarisierung e.V. seinen Förderern mit, dass es keine Spendenquittungen für e.V. mehr gibt, weil „Behörden“ dem Finanzamt gegenüber den „Verdacht“ geäußert hätten, imi sei verfassungsfeindlich. So werden Analytiker und Kritiker der Militarisierung der Gesellschaft zu Verfassungsfeinden gemacht. )
Im „Viereck der Globalisierung“ auf es auf der einen Seite um militärische Absicherung wirtschaftlicher Ziele, also immer um Militarisierung und Aufrüstung, und um Abschotten gegenüber ins Elend gestürzte Massen um zu verhindern, dass die irgendwie in die Festungen der reichen Ausbeuter vordringen und einen Teil des geraubten Kuchens zurückholen könnten.

Auf der anderen Seite des Vierecks geht es 1. um Sozialraub an der eigenen Bevölkerung, um Deregulierung oder Liberalisierung und Privatisierung und 2. um das auch abzusichern um Demokratieabbau und Repression, Diskriminierung, Verfolgung, Entrechtlichung von Opposition oder sonst wie Aufbegehrenden. Der Terror der Ökonomie führt eventuell sogar zum Terror von Verzweifelten, Hoffnungslosen, Aufgeputschten. (Man vgl. die Debatte um die Aufstände in Frankreichs Städten Nov. 2005 und lange vorher Viviane Forresters Buch „Der Terror der Ökonomie“.)

Auf jeden Fall sind die spezifischen Formen des nationalen und internationalen Klassenkampfes , also immer ökonomisch, politisch, ideologisch und gewaltmäßig, Hintergrund bestimmter Handlungsweisen.

Während ich das hier schreibe (Dez. 2005/Januar 2006) muss ich mir genau überlegen, ob ich diese Datei an irgendwen weiterleite. Denn am 14.12. 2005 haben die Abgeordneten im EU-Parlament eine Richtlinie verabschiedet, die es erlaubt, jegliche Internet-Surferei, Mailerei, jegliche sonstige Telekommunikation bis zu 24 Monaten zu speichern. Alle möglichen Geheimdienste, Polizeien, sonstige Überwachungsbehörden haben die Möglichkeit, über Data-Mining-Techniken meine Kommunikation und entsprechend auch die der KommunikationspartnerInnen vollständig zu rekonstruieren. Auch wissen dann interessierte Kreise, was ich so im Internet suche, welche Dateien mich dort interessieren, wie das wohl zusammenhängen mag, was die von mir mit meinen Mails versorgten PartnerInnen so für Interessen haben, ob die z.B. nur Pornoseiten gucken – was je nachdem, von wem das ausgewertet wird, auch schon äußerst gefährlich sein kann – oder irgendwelche Stichworte, sagen wir Al Quaida anklicken und was dann so abgefragt wird. Bevor nun einer sagt, davon habe ich nichts gewusst, soll daran erinnert werden, dass Otto Schily sich schon lange mit Vehemenz für die Speicherung aller Telefon-, SMS, Handy-, e-mail-Kontakte einsetzt und das immer in Presse , Funk und Fernsehen kundgetan hat. (vgl. FR 31.10.2005).
Gleichzeitig hat mir die DFG/VK ein Thema vorgegeben, das schon im Untertitel mit dem StGB § 90/90a geahndet werden könnte. Bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe kann z.B. wegen Verächtlichmachung oder Beschimpfung des Staates vergeben werden. Der Staat führt keinen Krieg gegen die eigene Bevölkerung, wer das behauptet, beschimpft den Staat oder macht ihn verächtlich. Abgesehen davon unterstellt das Thema, dass möglicherweise der Staat auch Kriege nach außen führt: Das ist natürlich auch nicht der Fall – wir geraten also alle miteinander in die juristische Mangel. Aber nicht nur die Veranstalter, sondern es handelt sich hier ohne Zweifel um eine Versammlung. Ihr alle, falls ihr jetzt nicht angewidert von den strafbaren Taten den Saal verlasst und Anzeige erstattet, könntet in Verdacht der Mittäterschaft oder Mitwisserei geraten.
Außerdem ist diese Veranstaltung in der Jungen Welt angekündigt: Diese Zeitung steht sicher unter Dauerobservation durch alle möglichen Geheimdienste, Veranstaltungen mit schwer verdächtigen Themen und Titeln wie diese hier, könnte zu den Ausspähobjekten der Geheimdienste dienen. Immer wieder sitzen meist als schlicht Interessierte Leute in Veranstaltungen, die sicher über das Gehörte und wen man da so gesehen hat weiterberichten. Jedenfalls haben das in vielen Jahren dann immer wieder Menschen erzählt, wie sie für ein paar hundert Euro im Monat entsprechende Veranstaltungen besuchen. Also: Passt gut auf!
(Nur als Anmerkung: Es gab einmal einen § im StGB, der lautete:“ Wer öffentlich das Reich oder eines seiner Länder, ihre Verfassung, ihre Farben oder Flaggen oder die deutsche Wehrmacht beschimpft oder böswillig und mit Überlegung verächtlich macht, wird mit Gefängnis bestraft.“ Dieser § heißt Ehrenschutzparagraph und stammt aus dem Jahr 1932. 1995 wurde ein § 109b verabschiedungsreif beraten: „Wer öffentlich , in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften Soldaten in Beziehung auf ihren Dienst in einer Weise verunglimpft, die geeignet ist, das Ansehen der Bundeswehr oder ihrer Soldaten in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Schlimmer eigentlich als 1932 wurde dieser § direkt auf die Landesverteidigung bezogen und bedeutete praktisch eine Art Landesverrat, weil ja die äußere Sicherheit beeinträchtigt wurde. 1999 verlief sich das Vorhaben. Die Grünen, inzwischen militärisch in der ersten Reihe mit ihren Tornados über Jugoslawien, meinten, dass sich das ganze Parlament vor die Soldaten zu stellen habe und nicht irgendein Staatsanwalt. (zit. nach : Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung (Hg.), Am Hindukusch und anderswo, Die Bundeswehr – Von der Wiederbewaffnung in den Krieg, Köln 2005, S. 136f))
Natürlich hat die EU einen guten Grund für ihre Richtlinie: Terrorismusbekämpfung. Wir alle geraten als BürgerInnen unter den Generalverdacht, potenzielle Terroristen zu sein. Alle BürgerInnen, auch die, die sich nicht so radikale Sachen hier anhören, werden ja überwacht. Es reicht nicht mehr ein begründeter Verdacht oder eine bestimmte Tat, sondern verdächtig sind alle. Die finnische konservative EVP-Parlamentarierin Pila-Nora Kauppi warnte davor, dass vorgeblich Terroristen verfolgt werden sollen, aber tatsächlich auch ganz andere Ziele verfolgt werden könnten – wer weiß schon, welche Behörden oder Geheimdienste sich der Daten bedienen. Vielleicht gerät man/frau ja auch in eins der Flugzeuge der Folter-Airways der CIA und taucht nie wieder auf oder sitzt, wie der deutsche Staatsbürger Kurnaz aus Bremen, seit 4 Jahren in einem völlig rechtsfreien Käfig in Guantanamo. Sogar die WAZ vom 19.12. lässt ihren Kommentator schreiben, dass es völlig unglaubwürdig ist, dass deutsche BND-Mitarbeiter oder sonstige Verhörer in den als Folterhöllen in Syrien oder Guantanamo nicht mitgekriegt haben, dass sie Gefolterte verhören. Abgesehen von der Frage, was deutsche Ermittler dort zu suchen haben und wie sie selbst mitgeholfen haben, dass auch Deutsche verschleppt wurden.
Jetzt könnte man ja hier in der BRD sagen: Die EU-Richtlinie widerspricht allen deutschen Datenschutzgesetzen fundamental. Das stimmt. Aber, das ist ja während der Diskussionen um die EU-Verfassung in dieser Republik nie richtig diskutiert worden: EU-Recht geht über nationales Recht!
Ich werden darauf zurückkommen: Mit dem 11.9. 2001 hat sich gar nicht so viel verändert, nur bestimmte Maßnahmen konnten – nicht nur in Deutschland – relativ problemlos und ohne öffentliche Diskussionen in der damals hysterischen Stimmung durchgesetzt werden. Wer nicht für die Gesetze ist, ist gegen sie und damit für Terrorismus. „Für unbedingte Solidarität mit den USA“ hieß das damalige Dogma.
Auch hier gilt : FBI, CIA und andere Geheimdienste drängen seit Beginn des Internet-Zeitalters, also seit Ende der 1990er Jahre auf Überwachung der Internet-Kommunikation. Aber auch große und größere Lauschangriffe gegen BürgerInnen dieses Landes wurden immer und immer wieder vor dem 11.9.2001 verabschiedet und zig-Tausende von Maßnahmen genehmigt oder wegen Gefahr im Verzug einfach durchgeführt. Der Name Otto Schily steht dafür. Aus den Datensammlungen schon heute lassen sich hervorragende Verhaltens- und Kontaktprofile herstellen. Wenn endgültig die geplante Auswertung der von der zukünftigen PKW-Maut erfassten Bewegungen der Bundesbürger läuft, kommen noch bessere Bewegungsprofile hinzu.
In Universitäts- und Stadtbüchereien lässt sich leicht nachprüfen, wer was ausgeliehen hat. In den USA ist das inzwischen selbstverständlich.
Natürlich lässt sich das auch hervorragend nutzen, um über das Konsumverhalten des einzelnen Bürgers genau Auskunft zu erhalten. Abgesehen davon, dass man das in den großen Kaufhäusern von allen, die mit Kreditkarten und Einkaufsrabattkarten arbeiten, sowieso schon weiß. Bestimmte Daten von e-bay -oder sonstigen Internet-Bestellern werden gespeichert. In den USA haben dann auch Geheimdienste die Möglichkeit, auf solche Bestelldaten zurückzugreifen. Angeblich ist schon die Einreise in die USA verweigert worden, weil bestimmte Bestellungen den Verdacht „terroristische Sympathien“ nahe legten.
Aber auch was die neuen EU-Richtlinien angeht: Auch in diesem Land haben wir einen Innenminister, den Juristen Dr. Schäuble, der heute in den Medien durchaus mit viel Sympathie sowohl für weitgehende Überwachungsmaßnahmen wie auch mit Sympathien für Foltermaßnahmen dargestellt wird. Sogar die WAZ schreibt am 19.12.05 in ihrem Kommentar: „Umso erstaunlicher ist es, wenn er (Wolfgang Schäuble – W.D.) nun zu verstehen gibt, dass auch unter Folter erzwungene Aussagen verwendet werden dürften. Damit beschränkt er sich auf die Logik der Geheimdienstler, es sei nun mal ihr Job, Informationen zu sammeln.“ Selbst dürften wir ja nicht foltern, wir freuen uns aber, wenn andere das tun. (Als Theologe eine Anmerkung: Während der sog. Hexenverfolgungen oder während der Inquisition gegen Ketzer hat nie die Kirche gefoltert. Wenn Frauen bestialisch gequält wurden, war das Sache der weltlichen Behörden. Die Kirche hat dann nur so zustande gekommene Informationen benutzt. Außerdem war das sowieso keine Folter, sondern nur – so nennt das bis heute der CIA - „robuste“ oder „verschärfte“ Verhöre oder „innovative Verhörmethoden“. Die Kirche nannte das früher „peinliche Befragung“.) Wenn Wolfgang Schäuble in einem Interview mit der SZ von Mitte Dezember 2005 sagt, dass „ein paar Monate Haft (in Syriens Folterhöllen!! - W.D.) schon manchen bewegt haben auszupacken“, dass der deutsche Staatsbürger Mohammed Zammar in Syrien ja auch gar nicht gefoltert worden ist, sondern höchstens geschlagen, dann ahnt man, wohin der Zug geht. „Folter light“ soll offenbar statthaft sein (jW 17./18.12. 2005). Volker Beck von den Grünen hielt Schäubles Vorstoß zur Verschärfung der Antiterrorgesetze für diskussionswürdig. (jW, aaO) Anfang 2006 wiederholte Schäuble seine Vorschläge. Beckstein und Josef Martin Fischer schlossen sich schon vorher an.(jW, 27.12.2005, jW 2.1.2006 , WAZ 2.1.2006). Nur: Leider kommentieren die meisten das als Rückfall ins Mittelalter, wobei Streckbänke, glühende Zangen, Zehen zerquetschen, u.ä. assoziiert wird, nicht aber Isolationshaft, Scheinhinrichtungen, Schlafentzug, Ertränken-Simulationen – das alles hinterlässt keine direkt sichtbaren Narben.
Auch die Bemühungen um Einsätze der Bundeswehr nach innen (geregelt eigentlich in den VPR von 2004) sind ein uralter Wunsch Schäubles (vgl. WAZ vom 19.12.2005): In Zukunft sollen deutsche Soldaten im Innern tätig werden, „wenn nur sie über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen oder wenn zum Schutz der Bürger und kritischer Infrastruktur ein erheblicher Personaleinsatz erforderlich wird“. Solche Gummiformulierungen erlauben praktisch alles, die Frage ist nur, wer sie definiert (vgl. Ulrich Sander, Ein Volk von Reservisten mit Arbeitslosen als Kanonenfutter, in ZC 5/6 Dez. 2005, S. 10f).
Dabei hat Schäuble, wie er sicher auch weiß, historisch durchaus etwas Richtiges im Blick. Das Gewaltmonopol des Staates bezog sich zunächst auf das Militär und zwar im Hinblick auf die äußere Verfasstheit des Territorialstaates als auch zur Inneren Sicherheit. Die Polizei entstand als selbstständige Institution erst im Laufe des 19. Jahrhunderts. Wolf-Dieter Narr beschreibt die Doppelköpfigkeit des staatlichen Gewaltmonopols so: „ Der eine Kopf war nach außen gerichtet, um das staatliche Territorium gegen andere staatsherrschaftliche Konkurrenten zu erhalten oder auszudehnen. In diesem Sinne garantiert das außengerichtete Gewaltmonopol, repräsentiert durch das Militär, bis heute die Souveränität des Staates. Der andere, mit dem ersten zusammengewachsene, genauer auf einem Hals verankerte Kopf war nach innen gerichtet, um den Loyalitätsanspruch des modernen Staates gegenüber seinen Untertanen/Bürger durchzusetzen und aufrechtzuerhalten. Ich bin der Herr dein Staat, du sollst keine anderen Loyalitäten neben mir haben.“ (...Hindukusch, aaO, 19) Und ganz oft greift ja in allen möglichen ähnlich verfassten kapitalistischen Staaten das Militär nach innen ein. Umgekehrt wird so getan, als wenn z.B. in den vermeintlich „asymmetrischen“ Kriegen Polizisten mit halb- oder ganz militärischen Aufgaben betraut werden oder wenn das Militär angebliche Polizeiaufgaben übernimmt.
Ich denke nicht, dass das Urteil des BVerG über das rot-grüne Luftsicherheitsgesetz die Diskussion beendet, sondern eher den Angriff auf das Grundgesetz einleitet. Wenn jetzt bei der WM was passiert, dann wird vielleicht eine Mehrheit für die Änderung des GG da sein. Populistisch kann jedenfalls die Forderung zum Einsatz der Bundeswehr nach innen attraktiv „verkauft“ werden. Aber auch wenn nichts passiert: Die FR vom 18.2.2006 berichtet, dass der Verteidigungsminister Jung, ich würde ihn entsprechend den angeblich neuen Aufgaben der Bundeswehr eher Minister für humanitäre Operationen oder bewaffneten Pazifismus nennen, ganz früher wurden solche Minister auch Kriegsminister, Wehrminister o.ä. genannt, sich sofort über das Urteil des BVerG hinwegsetzt und nun für den Abschuss von Zivilflugzeugen „Notwehr gegen Terror“ oder „übergesetzlichen Notstand“ reklamiert. Die FR kommentiert das als machohaften Umgang mit dem Urteil des BVerG . „Ein Fetzen Papier ohne Wert und Wirkung“ ist für Jung das Urteil“. „Legal, illegal, scheißegal, haben früher die Spontis skandiert, zu denen der CDU-Mann bisher nicht zählte.
Zurück zur Folter light:
Auch der Bericht der FR vom 19.12.05 „USA verlassen Folter-Grauzone“ endet damit, dass weite Kreise der CIA, des Militärs, vielleicht auch anderer Geheimdienste durchaus so weitermachen wie bisher, weil die Handbücher für Verhöre „in geheimen Zusätzen“ wahrscheinlich alles so lassen wie bisher. Dumm wird`s ja nur, wenn man erwischt wird – und dann kann man die Sache immer noch auf irgendwelche untere Chargen abschieben – wie ja bei den Folterungen in Abu Ghraib geschehen.

Grundsätzliches zur Frage Gesellschaftsstruktur – Rechtssystem

Wenn man als Historiker einen Blick in die Geschichte Deutschlands (und anderer kapitalistischer Länder ) wirft, stellt man fest, dass ein kapitalistisches Wirtschaftssystem immer auch z.B. vom Staat definierte juristische Rahmenbedingungen hat, die das Wirtschaftssystem prinzipiell schützen. Die monopolistische Bourgeoisie braucht die nichtmonopolistische Bourgeoisie , also den Staatsapparat, um ihre Interessen z.B. in der Rechtsprechung, in pädagogischen Anstalten wie Schulen und Universitäten oder in den staatlich organisierten Medien und kontrollierten Medien durchzusetzen.
Immer wird mit einer Mischung von Zuckerbrot und Peitsche vorgegangen. Die Sozialistengesetze 1878 waren fast im Wortlaut identisch mit den Gesetzen der deutschen Faschisten gegen Sozialisten oder mit den Berufsverbotsgesetzen (von Brandt 1972 mit dem sog. Radikalen-Erlass eingeleitet) in der BRD. Das kapitalistische Wirtschaftssystem muss geschützt werden gegen alle, die es kritisieren und dabei grundsätzliche Alternativen anbieten.
In einer Klassengesellschaft spielen sich Klassenkämpfe für alle sichtbar auf der ökonomischen, politischen und damit juristischen, ideologischen und natürlich gewaltmäßigen Ebene statt. Manchmal werden sie manifester, manchmal laufen die Kämpfe subtiler.
Ideologien wie Anti-Islamismus oder auch Anti-Kommunismus sind keine bewussten Lügen, sondern die Herrschaft des Kapitals sichernde Rechtfertigungslehren, die beim bürgerlich-kapitalistisch sozialisiertem Individuum sozusagen permanent ausgebildet werden . Der hegemoniale Diskurs über die Reaktion islamischer Menschen auf die dänischen Anti-Islam-Karikaturen macht klar, dass für das Feindbild „Islam“ diese Reaktionen sich massenwirksam funktionalisieren lassen. Die sollen nicht so empfindlich sein, denn Pressefreiehit ist das höchste Gut. Und das wird von solche Medien hochgepuscht, die sich keineswegs durch Freiheit der Meinungen auszeichnen.
Schlimmer noch ist die psychologische Kriegsvorbereitung gegen den Iran in den meisten deutschen Medien. Wieder wird wie im Krieg den Irak 1991 oder 2003, im Krieg gegen Jugoslawien 1999 oder gegen Afghanistan 2001 eine Stimmung erzeugt, die geradezu nach Krieg verlangt. Jetzt muss doch endlich etwas geschehen!

Wenn Kriege geplant oder durchgeführt werden, muss der kapitalistisch-imperialistische Staat natürlich gegen die Kritiker von imperialistischen Kriegen etwas unternehmen. Rosa Luxemburg , Karl Liebknecht und viele andere wurden z.T. auch vor 1914 immer wieder vor die Gerichte gestellt und dann – ordentlich rechtsstaatlich verurteilt - ins Gefängnis oder Zuchthaus geschickt. Faschismus-Kritiker wurden insgesamt sofort ab 1933 in die KZs gesteckt oder gleich totgeschlagen.
Als die Bundesrepublik ihre Zeit der ökonomischen, politischen, ideologischen und militärischen Restauration durchlief, wurden zuerst alle Gruppen, die sich antimilitaristisch und sozialistisch engagierten, durch Adenauers Blitzgesetze von 1951 verboten und 1956 die KPD.
Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges wurden die Notstandsgesetze entworfen und 1968 verabschiedet, die Bestandteil des GG sind.
Als die ersten wirklichen 68er den Marsch durch die Institutionen antreten wollten, gab es Berufsverbote. Man verbot dann keine Partei mehr, sondern vernichtete die ökonomische Existenz ihrer Mitglieder.
Wer Kriegsdienstverweigerer war, wurde echten Verhören unterworfen, ob das Gewissen nun wirklich das Töten mit der Waffe verbiete. Die Verhörer waren damals meist noch eine Rentner-Gang von Ex-Soldaten, die oft in höchsten Tönen von ihrer Zeit in der Wehrmacht schwärmten und dass die sich damals auch nur gewehrt hätten und natürlich im 2. Weltkrieg niemanden getötet hätten. Ich habe als Beistand für KDVer ca. 150 Verhandlungen vor dem Gewissens-TÜV mitgemacht und könnte jetzt 1000 Geschichten erzählen, wie das GG misshandelt wurde.
Als Mitglied der VVN-BdA verweise ich auf die Versuche, die VVN zu verbieten (s. meine Geschichte der VVN unter www.bo-alternativ.de, Link VVN.
Auch die VVN-BdA stand und steht immer wieder in Verfassungsschutzberichten.
Das gleiche gilt und galt für die DFG-VK.
Jetzt (s.o.) wird eine Militarismus analysierende Informationsstelle unter den Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit gestellt.
In der kapitalistischen Klassengesellschaft kann man den Staat als Ausschuss der herrschenden Klasse bezeichnen, der immer die Entrechtlichung seiner Bürger durch Verrechtlichung bestimmter Repressionsmaßnahmen leistet.
Es gilt in kapitalistischen Gesellschaften, ob ausgesprochen oder nicht, das Primat der Ökonomie, Politik ist zweitrangig und nur eine Reaktion auf ökonomische Entscheidungen. Tucholsky hat einmal gesagt: Politik ist die Fortsetzung der Ökonomie mit anderen Mitteln, Krieg die Fortsetzung der Ökonomie mit noch ganz anderen Mitteln, aber politisch organisiert. Ein Krieg muss von Politikern begründet und dem Volk als richtig und notwendig und vor allem diesmal auch gerecht dargestellt werden . Auch für die Nicht-Kriege der BRD haben das schon die Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 oder Bundespräsident Herzog 1994 öffentlich gemacht: Unser Wohlstand ist zu schützen. Natürlich läuft das alles unter Frieden schaffende oder Frieden bewahrende humanitäre Operationen oder Missionen, militärischer Humanismus oder bewaffneter Pazifismus.
Sicher ist es am besten, man bringt die Leute so weit, sich mit Video und Whisky abends in ihr Wohnzimmer einzuschließen oder sie durch noch mehr Sport und Crime-and-Sex-Angebote in noch mehr Fernsehsendern und Internetmöglichkeiten bei Laune zu halten. Die Römer nannten das Brot und Spiele, panem et circenses.
Nach der Niederlage der Sowjetunion im Kalten Krieg proklamierte George W. Bush sen. sofort die Neue Weltordnung, in der die alles kontrollierende und hegemoniale Macht natürlich die übrig gebliebene Großmacht USA sein wird und sein muss.
Jegliche Alternative zur bürgerlich-kapitalistisch-imperialistischen Herrschaft wurde (auch das ist so alt wie der Kapitalismus und seine Alternativen) dämonisiert oder die Theoretiker solcher Alternativen als Irre oder als Verbrecher bezeichnet. „Die Systemalternative soll mundtot gemacht werden“ lautet die Überschrift in der UZ vom 20.1.2006. Der Europa-Rat beabsichtigt Ende Januar 2006 eine Resolution mit dem Titel “Über die Notwendigkeit der internationalen Verurteilung der Verbrechen totalitärer kommunistischer Regime“ zu verabschieden. Eine solche Verurteilung wird erhebliche Konsequenzen z.B. für die Arbeit kommunistischer Parteien und solcher Organisationen haben, von denen Behörden vermuten könnten, dass z.B. KommunistInnen oder SozialistInnen da mitarbeiten. Das Feindbild Kommunismus bleibt weiterhin aufrecht erhalten.
Die Rede von den rogue states, Schurkenstaaten, Achse des Bösen begann. Die alten kollektiven Mentalitäten vom „Reich des Bösen“ wurde aktualisiert. Kriege gegen solche Staaten wurden angedroht oder auch geführt. Und massenhaft akzeptiert. Es gibt keine Herrschaft ohne Zustimmung der Beherrschten. Auch Kriege gegen „Feinde der Freiheit“, früher meist staatssozialistische Staaten , heute (meist) islamische Länder (Kuba und Nord-Korea gehören zur Achse des Bösen), war against errorism, wird auf subtile Weise Massen beigebracht. Gerade lief auf RTL in Deutschland die Serie „Sonja geht zum Bund“. Eine schöne Frau macht die faszinierende Ausbildung bei Luftwaffe, Marine, Panzerverbänden und Heereseinheiten mit und schwärmt von den wunderbaren Erlebnissen dort. Und immer wieder wird zwischendurch die Botschaft an Mann und Frau gebracht: Die Bundeswehr, dein Freund und Helfer, wir sind bereit und beschützen euch vor Terroristen.
Selbstverständlich wurde genau wie im antikommunistischen Kampf nicht nur der äußere Feind gesucht und bedroht, sondern wie seit Beginn des Kapitalismus hielt man Ausschau nach inneren Feinden, die sich nicht auf die alles seelig machende, weil ja auch, so immer die USA, von Gott verordnete „Freie Marktwirtschaft“ einlassen wollten.
Was bedeuten diese wenigen Hinweise: Das Rechtssystem ist abhängig von dem Gesellschaftssystem. Unter kapitalistischen Bedingungen spiegelt das Recht den jeweiligen Zustand des Klassenantagonismus wider, d.h. Herrschende und Beherrschte Klasse schließen einen jeweils aktuellen Klassenkompromiss. Dieser Kompromiss spiegelt immer die aktuellen Kräfteverhältnisse wider – die aktuellen Kräfteverhältnisse sind natürlich auch abhängig von Fragen der wirtschaftlichen Konjunktur, d.h. man kann aus Sicht der Herrschenden Klasse einmal die Ketten, an denen die Lohnabhängigen hängen, vergolden oder mit Blumengirlanden unsichtbar machen oder aber man zeigt die Ketten nackt wie sie sind. In Krisensituationen und Kriegssituationen wird das Recht oft anders interpretiert als in Zeiten der Vorbereitung von Kriegen, oft Frieden genannt. Natürlich ist das Recht nicht automatisch von den sozioökonomischen Strukturen abhängig, sondern Teil einer Wechselbeziehung, auf die auch Rechtstraditionen, sonstige ideologische Faktoren, sozialpsychologische Gegebenheiten Einfluss nehmen. Natürlich ist es besser, die Bundeswehr z.B. als Helfer bei Überschwemmungen, Vogelgrippen, eingestürzten Eissporthallen oder Schneekatastrophen darzustellen. Irgendwelche Berichte über die KSK in Afghanistan gehen im Propagandagetöse meist unter. Das gilt natürlich auch für Polizei und Geheimdienste.

Aktuelle Tendenzen nach dem 11.9.2001
Dass das Recht herrschaftlich instrumentalisiert wird , erkennt man besonders deutlich an dem Abbau von Rechten besonders nach dem 11.9. 2001.
Die Vorgeschichte des Krieges nach innen gegen die eigenen BürgerInnen ist aber älter und ab und zu musste und muss darauf verwiesen werden.
Lange vor dem 11.9. stand das Feindbild Islam fest, den Höhepunkt bildete schon 1996 das Buch von dem US-Präsidentenberater und Harvard- Professor Samuel Huntington: The clash of civilisations, Kampf der Kulturen. In diesem Buch wird zusammengefasst, wie gefährlich der Islam oder doch zumindest islamische Fundamentalisten sind.
Wie immer der 11.9. zustande kam – es gibt ja zahlreiche offene Fragen – kam er wie gerufen. Die USA konnten den Krieg um neue geostrategische, geopolitische und geoökonomische Einflussbereiche mit noch größerer Skrupellosigkeit beginnen und kaum ein Land traute sich, dem Krieg gegen den Terror zu widersprechen.
Der Kampf gegen den Terror löste auch in der BRD hektische Betriebsamkeit aus. Der 11.9. scheint einigen PolitikerInnen wie gerufen zu kommen. Selbstverständlich passierte nichts Neues: Seit es den Grundrechte - Report gibt, kann man detailliert nachlesen, dass praktisch täglich auch vor dem 11.9. irgendwelche Einschränkungen von Grundrechten und Polizei- und Geheimdienstüberfälle z.B. auf missliebige Zeitungsredaktionen stattfanden. Ein Lehrer in Siegen, der nicht 100%ig auf Regierungskurs lag, wurde schnell mundtot gemacht – damit wurden LehrerInnen die Instrumente gezeigt, die sie zum Schweigen verurteilten.
Vor allem die Rechte der Migrantinnen und Migranten wurden immer weiter eingeschränkt. Aber auch die im Zuge des rapiden Sozialabbaus zunehmende Armut erzeugte eine wachsende Zahl von KritikerInnen, die oft durch schlichte Diffamierung als Sozialneider mundtot gemacht werden sollten, oft aber wurde auch das eine Sache für Polizei und Staatsgewalt. Man bekämpft in den kapitalistischen Ländern weltweit die Armen, nicht die Armut.
Zunehmende Kriegsplanungen und dann der militärische Überfall der NATO auf die Bundesrepublik Jugoslawien gegen jedes Völkerrecht, in der BRD unter Bruch des GG und der 2 plus 4 – Verträge sowie der UNO-Charta, führte notwendigerweise zu neuen Überwachungsmaßnahmen nach innen.
Der Krieg gegen die eigene Bevölkerung kann dabei oft sehr subtil einfach durch gleichgeschaltete Medien geführt werden. Besonders nach dem 24.3.1999 trauten sich kaum kritische Journalisten nachzuhaken, wurde der innere ideologische Krieg doch unter dem Motto „Ein neues Auschwitz verhindern“, „humanitäre Katastrophen“ verhindern, „Völkermord an den Kosovaren“ verhindern, geführt. Auch wenn die deutsche Perversität, sich mit einem Krieg, der nach Meinung aller Fachleute erst die humanitäre Katastrophe auslösen würde, die er zu verhindern vorgab, sich also mit einem Krieg von Auschwitz rein zu waschen und gleichzeitig Auschwitz als überall möglich zu historisieren, sofort auf nationale und internationale Kritik stieß, reichte diese Kritik nicht, um in die gleichgeschalteten main-stream-Medien zu kommen. Ganz im Gegenteil: Kritiker des Vergleichs wurden sofort in die Ecke Faschismus gestellt, „Willst du etwa Auschwitz? Völkermord? Humanitäre Katastrophen?“
Das will ja keiner. Die Überwachungsgesetze werden von der Mehrheit der BürgerInnen, falls sie überhaupt wahrgenommen werden, unkritisch befürwortet. Ein allgemeines Klima der Angst vor einem unsichtbaren Feind wird ja seit langem geschürt – der Terrorismus. Immer neue Hinweise auf gewalttätige Islamisten lässt die BürgerInnen nach law and order zur Rettung der Inneren Sicherheit rufen. „Ich habe nichts zu verbergen!“ ist die Meinung eines Großteils der erfolgreich manipulierten BürgerInnen.
Nach dem 11.9.2001 begann dann ein rapider Prozess des Kampfes nach innen.
Ich weiß noch, wie begeistert manche von uns 68gern waren, als Brandt Kanzler wurde 1969 und unter dem Motto „Mehr Demokratie wagen“ antrat.
Manche SPD- und Grünen-Sympathisanten glaubten, dass 18 Jahre bleierne Zeit Kohl durch Schröder/Fischer1998 frischen Wind auch in gesellschaftspolitische Fragen bringen würde. Der frische Wind kam, nur anders, als von vielen erwartet. Der Innenminister Schily zeigte vom 1. Tag seiner Amtsübernahme an, dass er sich eindeutig als Sicherheitsminister nach innen verstand. Das war nicht verwunderlich, hatte Schily doch auch in den Jahren vorher vom Grünen-Abgeordneten zum SPD-Sicherheitsexperten gezeigt, dass er mit seiner Vergangenheit als bürgerlich-liberaler RAF-Anwalt längst gebrochen hatte und zum Glaubensbekenntnis „Im Zweifel für die Innere Sicherheit“ übergegangen war.
Die Maßnahmen gegen MigrantInnen und Migranten wurden von Schily immer mit den Hardlinern der CDU und CSU ausgehandelt – in diesen und anderen Fragen gab es immer schon eine ganz Große Koalition. Europa und Deutschland wurde immer weiter dicht gemacht gegen Asylbewerber. Das Wort von der Festung Europa entstand vor ca. 15 Jahren. Das gipfelte in dem von Schily hartnäckig verfolgten Vorschlag, in Nordafrika Auffanglager für Asylbewerber einzurichten. Aber auch die Ausweisungs- und Abschiebungspraxis der BRD wurde immer weiter ausgedehnt und immer neue Tatbestände führten zu Ausweisungen und Abschiebungen. Im Prinzip passen die Diskussionen um Schilys und Fischers und wohl auch Schröders Einverständnis in die CIA-Entführungspraxis auch von deutschen Staatsbürgern in das Bild: 437 Mal sollen, soviel weiß man am 20.12.05, CIA-Flüge im deutschen Luftraum und z.T. mit Benutzung deutscher Flughäfen stattgefunden haben. Und im Prinzip stimmt die jetzige und die alte Bundesregierung dem Statement von Condoleezza Rice zu: “Wir können nicht Informationen diskutieren, die den Erfolg von Geheimdienstarbeit, Strafverfolgung, Militäreinsätzen gefährden würden“ und „Wir erwarten, dass sich andere Nationen dieser Ansicht anschließen.“ (zit. nach UZ 9.12.05).
Tobias Pflüger, der auf der Liste der PDS ins EU-Parlament gewählte EU-Abgeordnete, erklärte, dass die EU mit den Geheimdiensten der USA eng zusammenarbeitet. Das „Berlin-Plus-Abkommen“ garantiert die schrankenlose Übermittlung von als geheim eingestuften Informationen. Seit Februar 2003 gibt es eine Vereinbarung mit den USA, beim Transport von Verdächtigen eng zusammenzuarbeiten (jW 15.12.05). (Kein Wunder, dass IMI und einer der Mitbegründer und Vorstandsmitglieder, Tobias Pflüger, jetzt zum Verfassungsfeind gestempelt werden soll (s.o.).
Zu den repressiven Maßnahmen nach dem 11.9.01 gehören die „Otto-Kataloge“ , die „Anti-Terror“gesetze, sog. Sicherheitsgesetze der BRD, verabschiedet im weltweiten Kampf gegen den Terrorismus.
Dazu gehören
das Abkommen über die Weitergabe von 34 personenbezogenen Passagierdaten an US-Behörden, einschließlich Kreditkartennummer, Speisewünsche (kein Schweinefleisch?? Verdächtig!), Flugrouten. Die US-Behörden dürfen diese Daten an Drittstaaten weitergeben;
Nach dem 11.9. wurde sofort das sog. G-10-Gesetz neu geregelt. Polizei und Geheimdienste, die eigentlich auf Grund der historischen Erfahrungen im deutschen Faschismus nicht zusammen arbeiten dürfen, können das nun auch ganz legal. Der Verfassungsschutz hat Zugriffsmöglichkeiten auf Kundendaten bei Banken, Telekommunikations-, Post- und Luftfahrtunternehmen erlaubt und zwar ohne richterliche Anordnung – weil Gefahr im Verzug ist.
Gleichzeitig werden neue Verifizierungs- und Identifizierungsgesetze verabschiedet: Die Erfassung von biometrischen Merkmalen und ihre Speicherung. Spätere Gesetze erst sollen klären, wer wie was benutzen darf und wie lange Daten gespeichert bleiben und mit welchen anderen Dateien bestimmte Vernetzungen stattfinden können.
Eine Möglichkeit bietet das Gesundheitsmodernisierungsgesetz vom Sept. 2003: Ärztliche Diagnosen werden mit allen Daten den Krankenkassen zur Verfügung gestellt. Die Kassen erhalten intime Kenntnisse über praktisch jeden Bürger. Wer greift wann zu welchem Zweck auf diese Datensammlungen zurück?
Genau so bietet neue Möglichkeiten das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit vom Okt. 2003. Wer hier an alle möglichen Reichen denkt, die staatlicherseits in ihrer Steuerehrlichkeit gefördert werden sollen, ist schief gewickelt: Es geht darum, Hartz-IV-Schmarotzer , Bafög-, Kindergeld- und Wohngeldempfänger so zu überwachen, dass die bloß keinen Cent zuviel bekommen. Über die genaue finanzielle Lage vieler MigrantInnen könnten interessierte Dienste sich so sehr genau informieren;
Hinzu kommen im Anti-Terror-Paket I und II bis Dez. 2201 und in den Jahren danach bis heute
die Lizenz zum Abschuss von zivilen Passagierflugzeugen;
die Verschärfung des Versammlungsrechts ;
Veränderung des Vereinsgesetzes: Aufhebung des Religionsprivilegs (war aber auch schon lange geplant);
Einführung des § 129 b ins StGB (wer im Ausland Organisationen angehört, die in der BRD verboten sind, kann auch hier strafrechtlich verfolgt werden);
eine Neuauflage des großen Lauschangriffs, in dem kein Verbot für Gespräche ganz privater Lebensführung mehr enthalten ist (Gesetz zur akustischen Wohnraumüberwachung Mai 2005)
die drastische Zunahme von Telefonüberwachungen;
eine Ausweitung der Speicherung von DNA-Analysen (Gesetz vom Juni 2005), nicht nur Straftaten von erheblicher Bedeutung sind gemeint, sondern gewissermaßen die Speicherung aller BürgerInnen zum Zwecke zukünftiger Strafverfolgung Schwarzfahrer, Cannabis-Benutzer und strafunmündige Kinder eingeschlossen;
die Fortführung und Verschärfung verdachtsunabhängiger Kontrollen durch die Bundespolizei (früher Bundesgrenzschutz):
BGS bzw. Bundespolizei können BürgerInnen, die z.B. an öffentlichen Plätzen photographieren (Bahnhöfe, öffentliche Gebäude, Flughäfen, Häfen) polizeilich erfassen;
seit Dez. 2004 gibt es endgültig das „Gemeinsame Terroristenabwehrzentrum“ (GTAZ). In dieser Superbehörde arbeiten in 2 Gebäuden in Berlin , weil ja polizeiliche und nachrichtendienstliche Stellen nicht zusammenarbeiten dürfen, folgende Behörden dennoch intensiv zusammen:
BKA, LKAs, BfV, LfVs, BND, Bundespolizei, Zollkriminalamt, MAD, Generalbundesanwalt, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Tägliche Lagebesprechungen, Gefährdungsbewertungen, operativer Informationsaustausch, Fallauswertungen, Strukturanalysen, Aufklärung über islamistisch-terroristisches Personenpotenzial, Ressourcenbündelung
machen die 2 Gebäude natürlich durch diese Zusammenarbeit zur Farce.
Im Koalitionsvertrag der jetzigen Großen Koalition wird die Kronzeugenregelung wieder eingeführt
und die Sicherungsverwahrung auch für Jugendliche. Diesen Plan kommentiert Ulla Jelpke: Die Hilfe für verhaltensgestörte Kinder wird demnächst in der Einweisung in geschlossene Heime bestehen (jW, 15.11.05).
Sogar Müntefering warnte vor einer neuen Sippenhaft: In den Rasterfahndungen bleiben auch unbescholtene Familienmitglieder hängen, wenn über andere Verwandte etwas vorliegt ( auch das erinnert an die Strafverfolgungen während der Zeit der RAF). Zum Raster gehört die Limo-Datei – linksmotivierte Gewalttäter (Grundrechte-Report 2002, S. 51f). Der genannte linksmotivierte Gewalttäter hat an einer Anti-NPD-Demo – nicht genehmigt - teilgenommen.
Auf islamische Mitmenschen bezogen kann die Rasterfahndung bedeuten, dass nach dem 11.9. erfasst wird, wer unverdächtig und gesetzestreu lebt. Der ist verdächtig! Ein Schläfer? (aaO, S. 50).
Aber, wie die Junge Welt am 16.2.2006 berichtet, kann auch in die Rasterfahndung geraten, wer Sympathisant der Linkspartei.PDS ist. Wer in Bayern eingebürgert werden will, muss eine solche Frage beantworten und die Einbürgerung kann verweigert werden. Schon der Kauf von Presseerzeugnissen der Linkspartei.PDS oder der Besuch von Parteiveranstaltungen kann als Unterstützung einer vom Innenminister Bayerns als extremistisch eingestuften Organisation gelten und zur Verweigerung der Einbürgerung führen. Das gleiche gilt für Deutsche und Nichtdeutsche, für die Anstellung im öffentlichen Dienst.
Nicht nur im Zweifel gegen die Freiheitsrechte, sondern grundsätzlich, ist die Devise. (vgl. den Aufsatz der MdB der Linkspartei Ulla Jelpke in jW 10./11.9.2005)
Der Weg vom Präventionsstaat zum Überwachungsstaat ist damit längst beschritten. Wie sich solche Überwachungen auswirken, lässt sich am Fall von Erich Schmidt-Eenblohm schön zeigen. Dieser investigative Journalist wurde seit 1993 jahrelang von bis zu 15 Spitzeln des BND, der nebenbei gesagt nach innen gar nicht tätig werden darf (!), überwacht. Kontaktpersonen Schmidt-Eenblohms wurden ebenfalls überwacht. Die ganze Aktion soll mehrere 100 000 Euro gekostet haben. Natürlich wird argumentiert, dass er vielleicht Staatsgeheimnisse erfahren könnte – was immer das auch ist, das uns als BürgerInnen nicht veröffentlicht werden darf. Bei dieser ganzen Aktion und seiner bisherigen Untersuchung wurde deutlich, dass ein Teil der JournalistInnen sowieso mit den Geheimdiensten zusammenarbeitet, ein anderer Teil von JournalistInnen auf den Überwachungslisten steht. Bekannt geworden ist in den letzten Monaten der Fall der Zeitung Cicero (Eine Spezialtat Schilys, vgl. Cicero, 11/2005, S. 52ff), des Journalisten und VVN-BdA Sprechers Ulli Sander, die Beschlagnahme von Dokumenten der „Roten Hilfe“, auch der DFG-VK-Sprecher Jürgen Grässlin geriet auf diese Art und Weise ins Visier der Staatsanwaltschaft, weil er sich mit DaimlerChrysler angelegt hatte (vgl. ZC Heft 5/6, Dez. 2005, S. 26f), das Bochumer labournet wurde von der Polizei überfallen und in den Redaktionsräumen alles eingepackt, was der Staatsanwaltschaft wichtig erschien. Immer wurden Hausdurchsuchungen gemacht, Festplatten unter fadenscheinigen Gründen von Polizei und Justiz beschlagnahmt, Kisten von Material weggeschleppt. Zu vermuten ist, dass solche u.ä. Maßnahmen dazu dienen, Adressen- und Informanten-Dateien und –Karteien zu bekommen und politische Zusammenhänge auszuspionieren. Da die Polizei immer viel findet, können die Geheimdienste dann auch dort weiter machen. Wenn alles kopiert ist, kann man sich auch entschuldigen und alles als Versehen darstellen.
Selbstverständlich geht es auch um die Einschüchterung der letzten Vertreter des investigativen Journalismus, in dem der Staat einfach `mal wieder beispielhaft die Instrumente zeigt. So lief das mit den Berufsverboten der 70 er Jahre: Wenn einer in die Mühlen geriet, dann konnten die Behörden sicher sein, tausende zu Duckmäusern zu machen.
Es ist schon äußerst peinlich für einen angeblichen Rechtsstaat mit einem GG-Art. 5, dass der Deutsche Journalisten-Verband inzwischen Seminare veranstaltet, wie JournalistInnen so arbeiten können, dass ihre InformantInnen und Quellen nicht entschlüsselt werden können (vgl. jW vom 17./18. 12. 2005. Die Ergebnisse der Tagung können zu Jahresanfang unter www.djv.de eingesehen werden.)
Aber auch Antimilitaristen wie der Lehrer Michael Csaszkóczy aus Baden-Württemberg geraten bis heute wegen ihrer antimilitaristischen und antifaschistischen Haltung das Räderwerk der Justiz und bekommen z.B. das altbekannte Berufsverbot.
Nach dem 11.9. wurde das sogenannte G-10-Gesetz neu geregelt. Polizei und Geheimdienste, die eigentlich einem Trennungsgebot unterliegen, können nun bei irgendwelchen von ihnen als verdächtig Eingestuften zusammenarbeiten. In einem der Otto-Kataloge ((Schily II) wird dem Verfassungsschutz ein weitgehender Zugriff auf Kundendaten von Banken, Telekommunikations-, Post und Luftfahrtunternehmen erlaubt und zwar ohne richterliche Anordnung – was allerdings je nach Bundesland und Richter auch nicht so schwierig wäre.
Gleichzeitig werden neue Verifizierungs- und Identifizierungsgesetze verabschiedet: Die Erfassung von biometrischen Merkmalen und ihre Speicherung. Spätere Gesetze erst sollen definieren, wer wie was benutzen darf, wie lange gespeichert wird, mit welchen Daten die Erfassung sonst noch vernetzt werden.
Eine Möglichkeit bietet das Gesundheitsmodernisierungsgesetz vom Sept. 2003: Ärztliche Diagnosen werden mit allen Daten den Krankenkassen zur Verfügung gestellt. Die Kassen erhalten intime Kenntnisse über praktisch jeden Bürger. Wer greift wann auf diese Datensammlungen zu ganz anderen Zwecken zurück?
Im Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit (Oktober 2003) wird den Finanzämtern ohne Verdachtsmomente zu haben erlaubt, auf Bankkonten Einsicht zu haben ohne dass der Kontoinhaber das weiß. Auch andere Kassen und Behörden dürfen das: Die totale Kontrolle von Hartz-IV-Empfängern, Bafög- und Kindergeldempfängern, Wohngeldempfängern wird ermöglicht, damit auch keiner einen Cent zuviel bekommt. Dass dieses Gesetz gegen Reiche in diesem Land angewendet wird, hat man noch nicht gehört. Der soziale Krieg nach innen geht ja von der Herrschenden Klasse aus: Arbeitslosigkeit, Armut, Krankheit, Alter, Invalidität und zunehmend auch Bildung soll dem „freien Spiel des Marktes“ überlassen werden. Der Staat stiehlt sich aus der Verantwortung. Maria Mies spricht von einer „Drittweltisierung“ der kapitalistischen Industrieländer. Das wird grundsätzlich von keiner Regierung in Frage gestellt, egal wie sie sich zusammensetzen würde – hoffentlich die Linkspartei.PDS ausgeschlossen. Es kann ja sein, dass noch andere Maßnahmen als die bisherigen juristischen Möglichkeiten angewandt werden müssen.
Schily konnte sich bisher nicht zur Forderung des Einsatzes der Bundeswehr nach innen durchsetzen: Die ersten Versuchballons lässt jetzt Schilys Nachfolger Schäuble los. Bundeswehr-Einsatz zum Schutz der WM 2006. Mit ein bisschen Phantasie lässt sich das schon mit dem Notstandsartikel GG 87 a begründen. Auch wenn zunächst viele noch mitdenkende JournalistInnen und BürgerInnen sofort gegen Schäuble in Stellung gehen, werden ja auch schon die ersten verständnisvollen Kommentare veröffentlicht (SZ-Interview).
Neue Felder öffnet Schäuble mit dem Begriff „gefährliche Personen“, die prophylaktisch vor Gericht gestellt werden können. Z.B. wenn sie ein Ausbildungslager für Terroristen in Afghanistan oder sonst wo besucht haben könnten. Schily war noch mit seiner Forderung, Terrorverdächtige unbefristet zu inhaftieren, auch wenn ihnen keine Straftat nachgewiesen werden kann, am Widerstand von Rot-Grün gescheitert. Die Überlegungen Schäubles lauten:“ Wir sollten prüfen, ob wir die Strafbarkeit nicht so verändern, dass man Personen unter strafrechtliche Drohung oder Sanktionen stellen kann, die terroristischen Bestrebungen so nahe stehen, dass man sie abschieben kann.“ Hinter deutschen Gittern seien solche „Gefährder“ sicherer aufgehoben als im Ausland, von wo sie ja weiter agieren könnten (Innenminister Bayerns, Beckstein, vgl. FR 17.1.06) Der grüne Innenexperte Wolfgang Wieland meint dazu: „Niemand darf auf Grund seiner Gesinnung bestraft werden und sei sie noch so schändlich.“ (zit. nach FR 17.12.2005). Prinzipiell kommen Schäubles Forderungen den Schily`schen Forderungen und den Forderungen der CDU/CSU im Wahlkampf entgegen: Eine gemeinsame Antiterrordatei von Polizei und Geheimdiensten. Die Sympathiewerbung für kriminelle und terroristische Vereinigungen fällt darunter. Das kennen die Älteren unter uns noch : Pfarrer, Schriftsteller, Lehrer die dem Terror dienen, so hießen die „Schmeißfliegen“ (so Strauß und Kiesinger) der 70 er Jahre. Menschen, die nicht sofort in hysterische Verurteilungszeremonien verfielen, wenn jemand versuchte, nicht gleich „Kopf-ab“ zu schreien bei solchen, die einige der Politiker oder Juristen für Terroristen hielten. Einige kennen noch die Auseinandersetzungen über die „klammheimliche Freude“, Die verlorene Ehre der Katharina Blum, das Theaterstück Bambule von Ulrike Meinhof, die Besuche etwa von Bischof Scharf bei inhaftierten „Terroristen“ oder Bommi Baumanns Buch, Wie alles anfing. Auch hier gibt es viele weitere, vielleicht bessere Beispiele. Das Spiel mit der Angst wird nicht nur von Bush hervorragend gespielt, wenn er nach seinen illegalen Telefonüberwachungen, was durchaus zu einem impeachment – Verfahren führen könnte, sogar das repressive Patriot Act verlängert bekam, sondern law and order - Politiker gab es in der Geschichte der BRD zumindest im Kriegs-, Innen- und Justizministerium fast immer. Das Spiel mit der Angst wurde immer getrieben.
1978 hat Schily noch eine Erklärung der Humanistischen Union unterschrieben, in der es heißt: „Man bekämpft die Feinde des demokratischen Rechtsstaats nicht mit dessen Abbau, und man verteidigt die Freiheit nicht mit deren Einschränkung“ (zit. nach Rolf Gössner, Er hat die Sicherheit zum Grundrecht gekürt, in: FR 31.10.2005, die ganze spannende Rede zur Verleihung des Big Brother Award Preises 2005 an Otto Schily bei www.rolf-goessner.de ).
Schily, der Staats-Anwalt, hat spätestens nach dem 11.9.2001, tatsächlich auch schon vorher, nur nach dem 11.9. besser durchsetzbar, eine Politik des Abbaus der Freiheits- und Bürgerrechte betrieben, das aber in bester Übereinstimmung mit der Rot-Grünen Koalition und mit der FDP und immer auch mit der CDU/CSU. Dass Schily nicht vom Saulus zum Paulus wurde beschreibt Busche im Cicero, 11/2005, S. 52ff.
Schily wollte lange vor seiner Zeit als Verfassungs(schutz)minister, also als Innenminister, den Großen Lauschangriff auch auf JournalistInnen und ÄrztInnen ausgedehnt wissen. Das konnte noch verhindert werden. Aber im Prinzip gilt: Jeder macht sich verdächtig, der staatlichen Maßnahmen misstraut. Nach dem 11.9. verstieg er sich sogar zu der martialischen Formulierung, alle „polizeilichen und militärischen Mittel aufzubieten, über die die wehrhafte Demokratie verfügt. Das war der Auftakt zu dem Gesetzesaktionismus. Vermehrt können Polizei und Geheimdienste zusammenarbeiten z.B. bei der Überwachung von Personen, die in lebens- und verteidigungswichtigen Einrichtungen arbeiten: Wir erinnern uns an die Berufsverbote: Post, Friedhöfe, Schulen, Eisen- und Straßenbahn gehörten damals dazu. Auch die LebenspartnerInnen dieser Personen und ihr soziales Umfeld können geheimdienstlich überwacht werden. Und tatsächlich steht im neuen Gesetz, dass Energieunternehmen, Krankenhäuser, Chemie-Anlagen, Bahn, Post, Banken, Telekommunikationsbetriebe, Rundfunk- und Fernsehanstalten betroffen sind.
Auch Schily weiß wahrscheinlich, dass alle Überwachungen, Aufhebung des Datenschutzes und andere Gesetzesverschärfungen keinen religiös aufgeladenen, suizidalen Terror verhindern kann.
Viele dieser „Antiterror“-Gesetze, so Gössner, zeigen „Merkmale eines nicht erklärten Ausnahmezustandes und eines autoritären Präventionsstaates, in dem letztlich Rechtssicherheit und Vertrauen verloren gehen. Die Unschuldsvermutung, eine der wichtigsten rechtsstaatlichen Errungenschaften, verliert in dieser Sicherheitskonzeption .... ihre Funktion. Der Mensch wird zum potentiellen Sicherheitsrisiko, der seine Harmlosigkeit und Unschuld nachweisen muss.“ (Gössner, nach aaO)
Die Grundrechte in unserem Grundgesetz waren nach der Erfahrung mit dem Faschismus von den Vätern und 3 Müttern des Grundgesetzes als Abwehrrechte gegen den Staat und Eingriffe des Staates gegen BürgerInnen gedacht – nun werden sie nach und nach aufgehoben. Dabei ist eigentlich die ratio legis immer identisch mit der ratio legislatoris.
Massenakzeptanz für die Aufhebung der eigenen Rechte ist einfach massenmedial herzustellen, das kennen wir aus den Sicherheitsgesetzen etwa nach Beginn der Aktionen der RAF: Wer nichts zu verbergen hat, kann den Staat auch mit Wanzen z.B. in sein Wohn- und Schlafzimmer lassen, das macht uns alle sicherer. So oder ähnlich tönte es ganz extrem nach dem 11.9. Totalitäre Feindbilder machen totalitäre Gegenmaßnahmen national und international notwendig. Je satanischer und menschenverachtender der Feind dargestellt wird, desto satanischer bis zum Einsatz von Atombomben muss der angebliche Rechtsstaat aus angeblicher Notwehr reagieren (man vergleiche die z.T. verständnisvollen Diskussionen um die Äußerungen Chiracs vor ein paar Wochen zu dem Thema).
Schon bisher waren die Geheimdienste nachweislich nicht kontrollierbar; nach den Erfahrungen mit der Gestapo im Faschismus sollten Geheimdienste und Polizei streng getrennt voneinander und kontrollierbar arbeiten – das wird noch weniger funktionieren, wenn Forderungen nach Islamisten-, Gefährder- oder sonstige Datensammlungen durchgesetzt werden, die dann Polizei und Geheimdienste zusammen betreiben.

Vielleicht geht es wirklich um eine prophylaktische Konterrevolution. Die Große Koalition will Politik zur Ausplünderung der Arbeitslosen, RentnerInnen, PatientInnen und aller Lohnabhängigen noch verschärfen. Sie kündigt Maßnahmen an, die den Notverordnungen in der Weimarer Republik während der Weltwirtschaftskrise gleichen. Aus Protest könnte Widerstand werden, da ist es besser prophylaktisch den Anfängen des Widerstandes zu wehren (vgl. www.rosa-luxemburg-konferenz.de).
In Frankreich brannten – wie oben erwähnt - jüngst die Vorstädte. Der Terror der Ökonomie (Viviane Forrester) erzeugt Gegenterror, Gewalt, Revolte – der Ausnahmezustand wird erklärt. (vgl. Georg Polikeit, Die Revolte in Frankreich – ein Blick auf Kommendes?, in : Marxistische Blätter 6/05, S. 17ff)


Mögliche Gegenstrategien?
Wie weit Menschen- und Bürgerrechte konkret geleugnet, verletzt oder liquidiert werden, hängt von drei Faktoren ab:
1. Die ökonomische Lage kann bewirken, dass das Kapital parlamentarische und liberal-bürgerliche Herrschaftsformen favorisiert oder auch diese Variante bürgerlicher Herrschaft national oder auch international abschafft, wie z.B. ab 1930 in Deutschland, 1967 in Griechenland oder 1973 in Chile, übrigens mit tausenden von Ermordeten am 11.9., oder wie intensiv Faschismus exportiert wird ( Export von Faschismus stammt übrigens als Begriff und in der Analyse von dem us-amerikanischen Sozialwissenschaftlicher T.A. Baran) und in weiten Teilen der Länder des peripheren Kapitalismus terroristische antidemokratische kapitalfreundliche Diktaturen errichtet werden. Richard Sennett meinte jüngst im „Spiegel“, dass die USA allmählich in einen sanften Faschismus hinübergleiten.
2. Das politische Kräfteverhältnis, parlamentarisch und außerparlamentarisch bestimmt den Rahmen dessen, was überhaupt durchsetzbar ist – national und international. Leitfrage ist hier, wieweit eine mehr oder weniger starke Vertretung der Lohnabhängigen z.B. ein Interesse an der Erhaltung sozialer, wirtschaftlicher, politischer, kultureller, bürgerlicher Menschen- und Grundrechte hat oder aber sogar noch an deren Abbau national und/oder international mithilft. Wie weit gibt es unter neoliberalen kapitalistischen Produktionsverhältnissen noch so etwas wie internationale Solidarität? Wie weit geht trotz aller Fragmentarisierungstendenzen noch die nationale Solidarität?
3. Die politischen Traditionen und Denkmuster eines Landes prägen bestimmte Denkmuster und Weltbilder bei den Herrschenden, beim Bildungsbürgertum (Schily!) und den Beherrschten. Wie weit kann die These, dass die Gedanken der Herrschenden die herrschenden Gedanken sind, durchbrochen und teilweise falsifiziert werden?
Wie weit sind autoritäre Problemlösungsstrategien gegen bürgerlich-liberale oder auch sozialistische durchsetzbar?
Wie weit setzt der Staat sein innen- und außenpolitisches Machtpotenzial ein? Welche parlamentarische und außerparlamentarische Opposition ist vorhanden?
4. Wie weit geht die lokale Vernetzung der außerparlamentarischen Opposition, um dem Abbau von Rechten ökonomischer und politischer Art rechtzeitig Widerstand auch auf lokaler Ebene zu leisten?

Perspektive:
Der schwarz-„rote“ Überwachungsstaat
Gerhard Baum, ehemaliger FDP-Innenminister, in der FDP wegen seiner kritisch-bürgerrechtlichen Haltung zeitweise gar nicht gut gelitten, meint, dass seit den Sicherheitsgesetzen, die zur Abwehr der terroristischen RAF erlassen wurden , bis heute immer wieder neue Sicherheitsgesetze verabschiedet werden gegen den jetzt globalen, also inneren und äußeren Terrorismus. Diese Gesetze hätten mit den Realitäten nichts mehr zu tun.
Ähnlich argumentiert Wolfgang Grenz von amnesty international: Eine vernünftige Sicherheitspolitik muss auf den Menschenrechten aufbauen statt Menschenrechte massiv abzubauen und das dann Sicherheitspolitik zu nennen.
Ulla Jelpke, MdB der Linkspartei.PDS, schreibt ( Ossietzky 24/05, S. 670ff), dass die neue Regierung sicher nichts an abgebauten Rechten wiederherstellen lässt. In dem 143 Seiten starken Koalitionsvertrag gibt es einige verschärfende Hinweise. Die BürgerInnen haben sich daran gewöhnt, dass es ein Grundrecht auf Sicherheit gibt. Diesem Grundrecht sind alle anderen unterzuordnen. Am Beginn des innenpolitischen Teils des Koalitionsvertrages steht der Satz: „Freiheit und Sicherheit müssen immer wieder neu – je nach den sich ändernden äußeren Bedingungen – ins Gleichgewicht zueinander gebracht werden.“ George W. Bush könnte das nicht besser formuliert haben. Guantanamo und Abu Ghraib sind gerechtfertigt, könnte man schlussfolgern. Die BürgerInnen ziehen schon Schlussfolgerungen: Islamphobie und Fremdenfeindlichkeit wachsen. Zwar sind inzwischen fast 70 % der Deutschen der Meinung, keinen politischen Einfluss zu haben. Vielen ist unklar, wohin ein überwältigender Kapitalismus führe. Die Wirtschaft entscheidet und nicht die gewählten Politiker. Diese Hinweise aus einer neuen Studie von Wilhelm Heitmeyer münden in dem Satz Heitmeyers: Machtloses Verzagen gegenüber den Starken in der Gesellschaft verbindet sich mit abwertenden Haltungen gegenüber Schwachen wie Fremden, Muslimen, Homosexuellen, Obdachlosen und Juden.(vgl. FR 16.12.05)
Wie Gesetze verschärft werden, ist prinzipiell egal, es muss plausibel sein: Der damalige Vorsitzende des SPD- Bundestagsfraktion Scharping forderte neben der akustischen Wohnraumüberwachung auch die Videoüberwachung von Bürgern. Jeder Oma kann man das als notwendig klarmachen, hat doch dann der Räuber ihrer Handtasche keine Chance mehr. Oder nach dem Mord an Mooshammer forderten Stoiber und Schily im Chor Gen-Datenbanken und die Speicherung von DNA-Analysen.

Cicero warnt mit Jürgen Habermas vor der „pseudo-legalen Repression eines autoritären Legalismus“ . Die Freiheitsrechte des Bürgers und die angeblichen staatlichen Sicherheitsinteressen stehen sich antagonistisch gegenüber(Cicero, 11/2005, S. 146).

Für uns alle werden die Zeiten in Zukunft noch unangenehmer, aber wir haben noch die Chance uns zu wehren. Oder mit Brecht: Wer kämpft, der kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.

Literatur:
Tageszeitungen, für alle empfiehlt sich ein Abo der „Junge Welt“, weil hier der tägliche gegenhegemoniale Diskurs geführt wird.
Ossietzky, erscheint 14tägig. Eine hervorragende Materialsammlung, leicht zu lesen und dennoch präzise.
IMI-Mitteilungen gibt es per e-Mail und 1x monatlich ausgedruckt für Förderer. IMI bringt fundierte Analysen und Kritik an Militarisierung, Aufrüstung, Expansionspolitik und gerät deswegen in den Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit (s.o).
Geheim, erscheint seit 1985 ¼ jährlich und beschäftigt sich in erster Linie mit nationalen und internationalen Geheimdiensten
Friedensforum, kennt wohl jeder, der in der Friedensarbeit tätig ist, bringt viele sonst unterdrückte Nachrichten aus dem Bereich Kriegsplanung...
Blätter für deutsche und internationale Politik, größte deutschsprachige politisch-sozialwissenschaftliche Zeitschrift hg. u.a. von Reinhard Kühnl

Reinhard Kühnl, Politische und militärische Kapitalsicherung – Wirtschaft, Staat und Menschenrechte, in: Hans See/Eckart Spoo (Hg.), Wirtschaftskriminalität – kriminelle Wirtschaft, Heilbronn 1997, S. 99-106)
Frank Deppe u.a., Der neue Imperialismus, Heilbronn 2004
Werner Biermann/Arno Klönne, Kapital-Verbrechen, Zur Kriminalgeschichte des Kapitalismus, Köln 2005
Rolf Gössner/Uwe Herzog, Der Apparat, Ermittlungen in Sachen Polizei, Köln1982
Heinrich Hannover u.a., Staat und Recht in der Bundesrepublik, Köln 1987
Grundrechte-Report, jetzt im Fischer-TB, vorher bei Rowohlt – erscheint seit 8 Jahren 1x jährlich und enthält die neuesten Einschränkungen und Liquidierung von Rechten in allen möglichen Bereichen
Maria Mies, Krieg ohne Grenzen, Die neue Kolonisierung der Welt, Köln 2005
Anne Rieger/Ulrich Sander (Hg.), Schwarzbraunbuch, Ein alternativer Verfassungsschutzbericht, Bonn 1995
Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung (Hg.) Ulrike Gramann/ Ralf Siemens/ Michael Behrendt (Red.), Am Hindukusch und anderswo, Die Bundeswehr – Von der Wiederbewaffnung in den Krieg, Köln 2005
AttacBasisTexte 5, C.Haydt/T. Pflüger/ J. Wagner, Globalisierung und Krieg, Hamburg 2003


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