Ruhr Nachrichten Bochum, 10.05.03:

Vorlesungen nur unter Polizeischutz?

Ende Mai gehen im Musischen Zentrum die Türkischen Theatertage über die Bühne - "Theater" um ein türkisches Thema zeichnet sich aber schon zwei Wochen vorher ab: AStA und Menschenrechtsorganisationen werden die ersten Auftritte von Gastprofessor Mesut Yilmaz mit Protestaktionen begleiten. Die Brisanz der Berufung des ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten an die Fakultät für Sozialwissenschaft ist inzwischen auch dem Rektorat der RUB aufgegangen. In mehreren Beiträgen befasst sich die neueste Ausgabe der "RUBENS" mit der Kontroverse um Yilmaz. Das Thema wird nicht unter den Tisch gekehrt, sondern offen diskutiert.

Voträge und Seminare über das europäisch-türkische Verhältnis soll Yilmaz im Sommer- und Wintersemester im Fachbereich Politikwissenschaft halten. SoWi-Dekanin Prof. Ilse Lenz: "Studierende, die sich mit der Zukunft der Demokratie in und um Europa beschäftigen, werden sich für die Veranstaltungen interessieren. Ebenso hoffen wir, ein Signal der Zusammenarbeit deutscher und türkischer Wissenschaft zu setzen, das einen zukunftsorientierten Dialog einleitet."

Der Dialog kreist aber augenblicklich mehr um die Vergangenheit - des ehemaligen Ministerpräsidenten, nämlich seine Rolle bei der Vertreibung und Ermordung von Kurden durch das türkische Militär in den 90-er Jahren. Vor diesem Hintergrund hat auch der AStA vom Rektorat die Widerrufung der Gastprofessur gefordert. "Die Gespräche haben aber nichts an der Haltung des Rektorats geändert; die vielen Protestbriefe nimmt man wohl nicht ernst," bedauert AStA-Vorsitzender Jan Reinecke.

Aus Protest gegen den ersten öffentlichen Auftritt von Mesut Yilmaz am kommenden Donnerstag (15.), 19 Uhr im Haus der Geschichte (Thema: Der EU-Konvent - eine neue europäische Ordnung?) hat das Bündnis für Menschenrechte zu einer Kundgebung um 17.30 Uhr auf dem Husemannplatz aufgerufen. Weitere Aktionen sind geplant, möglicherweise sogar mit starkem Aufmarsch kurdischer Organisationen.

Auch die Bochumer Polizei ist alarmiert: "Wir sind vorbereitet," sagt Pressesprecherin Ingrid Laun-Keller und versichert, dass die Polizei auch für den störungsfreien Ablauf der Vorlesung im Haus der Geschichte sorgen wird. Absehbar, dass auch weitere Veranstaltungen mit Yilmaz (übrigens alle außerhalb des Campus) unter Polizeischutz abgehalten werden müssen.stö

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