Uli Kriegesmann, Vorstand GEW Bochum
Rede 22.02.03

Liebe Bochumerinnen und Bochumer,

rechtsradikales Gedankengut ist auf dem Vormarsch - seit dem II. Weltkrieg ununterbrochen. Aufmärsche, Übergriffe, Diskriminierung, Gewalt, Todesopfer - 93 allein in den letzten 10 Jahren.

In den 80 neofaschistischen Organisationen in Deutschland sind oft überwiegend Jugendliche organisiert. Beim Stadtverband der Bildungsgewerkschaft GEW sehen wir uns angesichts dieser Tatsache besonders aufgerufen Flagge zu zeigen: Bildung ist nicht eine Ansammlung von Wissen, sondern Hinführen zu Kultur, Menschlichkeit, Verantwortung - Begriffe, die in braunen Parolen pervertiert werden.

Einzelne Verbote von faschistischen Vereinigungen in der Vergangenheit waren nicht genug: Die Entschlossenheit des Staates fehlt. Bestenfalls hat der Zuwachs der (Rechts-außen-)Szene vorübergehend stagniert.

Um so notwendiger ist es, dass hier, wo rechte Hetzer eine Plattform suchen, aus der Bevölkerung ein deutliches Signal kommt: Auch in Bochum werden ihre Verführung und Verdummung, werden ihre cruden Parolen nicht auf fruchtbaren Boden fallen!

Bei aller Abscheu vor dem Anlass finde ich es erfreulich , dass vor allem auch junge Bürgerinnen und Bürger, Schülerinnen und Schüler, sich heute beteiligen und deutlich auf der richtigen Seite Position beziehen: Denn vor allem ihnen gilt die Rattenfängerei! In der Hoffnung, dass junge Menschen auf der Suche nach politischer Orientierung eine leichte Beute sind für das Gegröle geschichtsverfälschender antisemitischer und ausländerfeindlichen Parolen, für Macht- und Gehorsamsspielchen, für Gewalt und Hass, führen sie diese Aufmärsche durch.

Gut zu wissen, dass sie viele Bochumer, viele Bochumer Schülerinnen und Schüler unterschätzen, dass wir NICHT den menschenverachtenden und hetzerischen Sprüchen auf den Leim gehen!

Aber damit ist die Welt noch lange nicht in Ordnung: Es ist eine traurige Tatsache, dass diese Gruppen, die anderen das Denken und Handeln abnehmen wollen, um ihre Allmachtsphantasien an diese Stelle zu setzen, auch in dieser Stadt Zulauf haben. Wir sind schon lange nicht mehr bei den Anfängen, denen man wehren muss: Manchmal beobachtet man auch eine dramatische Gleichgültigkeit, die gefährlich ist!

Auch auf die Gefahr der Wiederholung: Der unsägliche WAZ-Kommentar nach der ersten Demo gegen Neonazis am Anfang des Jahres spiegelt eben diese Gleichgültigkeit wieder, wenn er dafür plädiert, die Aufmärsche nicht durch Gegenkundgebungen aufzuwerten. Also Wegschauen? Schon wieder??? Die GEW Bochum sagt:

-NEIN! Wer dazu auffordert, handelt fahrlässig und missachtet unsere gesellschaftliche und geschichtliche Verantwortung!

-NEIN, auch mit Blick auf die Erziehungen in den Bildungseinrichtungen: Es wäre absurd, Kinder und Jugendliche an Verantwortung und Verantwortungsbewusstsein heran zu führen, aber gleichzeitig zu zusehen, wie für menschenverachtende, verbrecherische Vereinigungen geworben wird!

Wir dürfen das Feld nicht den Nazis überlassen, wenn es um Vorbilder geht, wenn es darum geht, sich zu Grundpositionen zu bekennen: Wir müssen schon unsere Grundüberzeugungen deutlich äußern, damit die kommende Generation sich nicht auf ihrer Suche nach Werten allein gelassen fühlt!

Nicht nur die Schulen, sondern die ganze Gesellschaft hat einen Erziehungsauftrag. - Aber wem jetzt einfällt: Pluralismus, Meinungsvielfalt, Toleranz, dem sei gesagt:

Eine Ideologie, die Minderheiten Würde und Rechte abspricht, erst recht, wenn sie dabei stumpfe und tumbe Gewalt zum Mittel der Durchsetzung macht, kann und darf nicht gleichberechtigt als Meinungsäußerung neben anderen politischen Überzeugungen stehen!

Wir stehen hier nicht IN KONKURRENZ zur faschistischen Propaganda, sondern wir stehen hier weil hier die Grenzen des Erträglichen überschritten werden!

Deshalb müssen diese Demonstrationen statt finden, so lange die rechte Szene den Weg in unsere Stadt sucht: Wir verurteilen hier nicht schlechten Geschmack, sondern wenden uns gegen die Verneinung von Menschlichkeit!

Zeigen wir denen, dass wir einen längeren Atem haben.!