Rede von Daniel Zoels, attac Bochum, auf der Ratssitzung am 9.3.


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Vertreterinnen und Vertreter der Medien in Stadt und Land,
und vor allem: liebe Bürgerinnen und Bürger Bochums!

Uns ist bekannt, dass bei fast allen von Ihnen hier im Rat und auch bei vielen, mit denen wir in den letzten Wochen ins Gespräch gekommen sind, unsere Gegenfinan-zierungsvorschläge nicht gerade lobend aufgenommen worden sind. Leider ist dabei von Manchen, die sich dazu geäußert haben, der Eindruck erweckt worden, als blie-be dem Rat gar nichts anderes übrig, als die Gewerbesteuer zu erhöhen und Bo-chums Wirtschaft zu ruinieren, wenn er dem Bürgerbegehren Folge leisten würde.

Sie wissen alle, dass dies nicht stimmt. Gegenfinanzierungsvorschläge in Bürgerbe-gehren sind unverbindlich und verpflichten den Rat in keiner Weise. Wir wollen Ihnen auch nicht verhehlen, dass die von uns gemachten Vorschläge vor allem aus forma-len Gründen so und nicht anders gemacht worden sind. Wie viele Bürgerbegehren sind schon an unzulässigen oder nicht ausreichenden Gegenfinanzierungsvorschlä-gen gescheitert?

Gewerbesteuererhöhungen haben den unschätzbaren Vorteil, dass sie in die alleini-ge Entscheidungskompetenz der Kommune fallen und theoretisch beliebig hoch sein können. Deshalb werden landauf, landab, die meisten Bürgerbegehren mit diesem Gegenfinanzierungsvorschlag ausgestattet. Sie sollten uns nicht übel nehmen, dass wir nicht in die Falle tappen wollten, einen formal oder sachlich unwirksamen Vor-schlag zu unterbreiten, und auf diese Weise das Bürgerbegehren zu gefährden. Zu-mindest wären wir Ihnen dankbar, wenn sie sich in der folgenden Debatte nicht auf diese Gegenfinanzierung versteifen, sondern auch andere Möglichkeiten ernsthaft ins Auge fassen würden.

Wenn Sie sich jemals mit den grundsätzlichen Zielen von attac befasst haben, wis-sen Sie, dass uns zum Thema öffentlicher Finanzen ganz andere Dinge vorschwe-ben als Gewerbesteuererhöhungen. Diese Alternativen haben nur leider den Nach-teil, dass sie den formalen Anforderungen nicht genügen würden, weil sie nicht mit einem einzigen Ratsbeschluss herbeizuführen und auch nicht auf eine Millionen Euro genau zu beziffern sind. Dennoch sind wir überzeugt, dass es möglich ist, kommuna-le Haushalte auch ohne US-amerikanische Steuertricks zu sanieren.

Wir denken da insbesondere an sog. Beteiligungs- bzw. Bürgerhaushalte. Das Ziel dieser Bürgerhaushalte ist es, mehr Transparenz in die selten leicht verständlichen Haushaltsangelegenheiten der Städte zu bringen, sowie eine direkte Bürgerbeteili-gung, die den Rat unterstützt und bei der Strukturierung des Haushaltsplanes bera-tend zur Seite steht. Der Rat alleine trifft letztendlich die Entscheidung für die erarbei-teten Vorschläge.
Das Gemeinschaftsprojekt vom Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und der Bertelsmann-Stiftung, indem 6 Kommunen in NRW Bürgerhaushalte prakti-zieren, trägt bereits erste Früchte. So wurden bereits Einsparungen und Gelderneu-verteilungen beschloßen. Besonders im Interesse der Bürgerinnen und Bürger waren die Bereiche Kultur, Schulen, Kindergärten, sowie Projekte wie der Ausbau von Radwegen.
Voraussetzung für eine Schaffung von Bürgerhaushalten aber ist, dass die Stadt sich diesem Anliegen nicht verschließt und aktiv das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern sucht.
Wir stehen für Sie jederzeit für eine Zusammenarbeit im Bereich der Bürgerhaushalt bereit.

Eine solche Zusammenarbeit sollte möglich sein, wenn man aus einer Gegnerschaft in der Sache keine Feindschaft der Personen macht. Sie setzt allerdings voraus, dass man sich nicht gegenseitig den Willen, zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt zu handeln, die Ernsthaftigkeit oder die demokratische Legitimation ab-spricht, wie dies bedauerlicherweise in den letzten Tagen teilweise geschehen ist. Insbesondere Parteien, die selbst schon Bürgerbegehren unterstützt haben und in anderen Städten auch heute noch unterstützen - auch gegen CBL-Geschäfte! -, soll-ten wohl kaum außerparlamentarischen Verbänden und Organisationen das Recht absprechen, dieses Mittel zu nutzen.

Die Geschichte der direkten Demokratie in Deutschland ist erst kurz, aber sie ist be-reits voll von Beispielen, in denen Parteien nach Abstimmungsniederlagen im Rat Bürgerbegehren unterstützt oder sogar initiiert haben, um ihre Politik doch noch durchzusetzen. Bürgerbegehren - machen wir uns nichts vor - sind allzu oft Fortset-zung von im Rat gescheiterter Politik mit anderen Mitteln gewesen. Da kann es nicht illegitim sein, wenn ein Bürgerbegehren hier und heute Korrektur von im Rat erfolg-reicher Politik durch die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt ist.

Und dies, meine Damen und Herren, war ein Begehren der Bürgerinnen und Bürger. Wohl selten, wenn nicht nie, seit es dieses Instrument gibt, ist ein Bürgerbegehren von so wenigen politischen Kräften in einer Stadt unterstützt worden. Vielleicht erklärt dies ja den Schock, den Ihnen der Erfolg des Bürgerbegehrens versetzt hat, und die eine oder andere unüberlegte Äußerung als Folge dieses Schocks. Wenn Sie diesen Schock überwunden haben und sich vorstellen können, auf die Initiatoren und Unter-stützer des Bürgerbegehrens zuzugehen, statt sie zu Verantwortlichen der Haus-haltsmisere zu stempeln, dann werden Sie uns gerne bereit finden, unsere gerade unter Beweis gestellte Mobilisierungskraft zu nutzen, um mit Ihnen und allen Bürge-rinnen und Bürgern dieser Stadt gemeinsam den Haushalt wieder auf gesunde und solide Füße im zuvor beschriebenen Sinne zu stellen. Das darf ich für attac, mit Si-cherheit aber auch für den Mieterverein sagen.

Ich danke Ihnen.