Ausstellungseröffung offenbart: Knapp 60 Jahre nach dem Holocaust ist der neofaschistische Mob wieder eine existenzielle Bedrohung, nicht nur für Nicht-Deutsche, sondern gerade auch für Mitmenschen jüdischen Glaubens.

Zur Eröffnung der Foto-Ausstellung "der Alltag jüdischer Kinder während des Holocausts", am 7.6. im Bochumer Bahnhof Langendreer, machten der Eröffnungsvortrag und die anschließende Diskussion klarer, als es viele Mitmenschen bisher wahrhaben wollen:
Der aktuelle Neofaschismus und die dazugehörigen rechtsradikalen Aggressionen in dieser Region sind inzwischen eine ständige reale existenzielle Bedrohung - nicht nur für MitbürgerInnen ohne deutschen Pass - sondern wieder auch für Menschen jüdischen Glaubens!
Frank Barth, Kantor der jüdischen Gemeinde, der den Eröffnungsvortrag hielt, berichtete nicht nur von dem derzeit generell nötigen Schutz jüdischer Einrichtungen mittels Panzerglas und Stacheldraht, sondern von permanenten Morddrohungen gegenüber ihm selbst und seiner Familie. Weswegen sie unter dauerndem Polizeischutz stehen.
Die "Begrüßung" auf der Straße mit "Heil Hitler" - schon morgens, bei Verlassen des Hauses - scheint inzwischen Standard in Wattenscheid zu sein. Den übrigen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde ergehe es ähnlich. Ein ungezwungenes und stressfreies Sich-Bewegen in der Öffentlichkeit sei schon seit längerer Zeit nicht mehr denkbar. Man müsse ständig damit rechnen, dass irgend etwas passiere - insbesondere auch den schulpflichtigen Kindern. Viele Kinder und Jugendliche nehmen auch deswegen nicht mehr sichtbar am Gemeindeleben teil, um sich nicht als Juden outen und verstärkt gefährden zu müssen.

Die Polizei verharmlose diese Entwicklungen und behaupte, alles "im Griff" zu haben. Begründung: es habe doch bisher weitgehend "nur" verbale Angriffe gegeben und es sei noch nicht "wirklich" etwas passiert.
Die Existenz der NPD-Zentrale in Wattenscheid als neofaschistisches Logistik-Zentrum verschärft laut Frank Barth die Situation noch und stärkt dem Mob offenbar den Rücken - scheine aber für Politik und Behörden in Bochum kein Problem und keiner Rede wert zu sein. Vermutlich stecke dahinter (auch) die Angst, das Image des "Standortes" zu gefährden.

Die Frage, ob er letztlich in Deutschland noch eine Zukunft für sich, seine Gemeinde oder etwa für seine Kinder sähe, verneinte Frank Barth deutlich. Letztendlich würde er seinen Kindern empfehlen, nach Israel zu gehen - das wäre möglicherweise auch sein letzter Schritt. Auch um zu verhindern - wie auch Ignaz Bubis gesagt habe - "dass in Deutschland auf sein Grab gepisst werde".

Auch wer dem rechtsradikalen Mob auf Dauer keine staatstragende Rolle zutraut - weil er nicht (anders als der staatsnahe Rassismus) zwischen "Ausländern, die uns nützen und Ausländern, die uns ausnützen" (CSU-Beckstein) unterscheidet - muss sich langsam fragen, wie lange dieser eskalierende Terror gegen "Undeutsches" mitten unter uns noch hinnehmbar ist. Alle drei Monate eine Demo - was schon besser ist als nichts - ist offenbar kein ausreichender Schrecken für diese Bande.

RW