Beschluss des Rates der Stadt Bochum vom 29.6.01
LEITBILD FÜR EINE NACHHALTIGE ENTWICKLUNG IN BOCHUMPräambelMit Beschluss des Rates vom 18.06.1998 ist in Bochum der Prozess der Bochum-Agenda 21 auf den Weg gebracht worden. Arbeitskreise und Foren haben in den letzten zwei Jahren an konkreten Zukunftsprojekten wie auch an einem langfristig orientierten Leitbild für eine nachhaltige Entwicklung Bochums gearbeitet. Dieses Leitbild umfasst vier Teile, die aufeinander aufbauen und dabei zunehmend konkreter werden:
Nach intensiver Betrachtung - zusammen mit aktiven Bürgerinnen und Bürgern des Agenda - Prozesses beschließt der Rat in einem ersten Schritt die folgenden "Grundsätze und Leitlinien" (Teile I und II). Diese Grundsätze und Leitlinien stellen eine Selbstverpflichtung des Rates und der Verwaltung der Stadt Bochum für die gesamte zukünftige Entwicklung dar. Der Rat will mit dem gewählten Leitbild eine grundlegende Neuorientierung der städtischen Entwicklung auf das Ziel der Nachhaltigkeit auf den Weg bringen. Dies schließt auch die Förderung von Einzelprojekten ein, wenn diese Vorbild- und Initialfunktion für die weitere städtische Entwicklung haben. Im nächsten Schritt soll der Agenda-Prozess auf dem Weg über die Formulierung von konkreten Leitzielen und Verfahrensgrundsätzen (Teil III und Teil IV) in ein konkretes und verbindliches Handlungs- und Maßnahmenprogramm der Stadt führen. Dabei müssen die verschiedenen Handlungsfelder der kommunalen Politik unter dem Gesichtspunkt der nachhaltigen Entwicklung miteinander vernetzt werden. GrundsätzeWir wollen in Bochum eine nachhaltige Entwicklung fördern, d.h. eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen. Eine Entwicklung in diesem Sinne setzt voraus, dass alle Menschen die Möglichkeit bekommen, an der Gestaltung teilzuhaben. Das Recht auf Entwicklung sowie die Forderung, diese Entwicklung nachhaltig zu gestalten, gilt für alle Länder und Menschen - heute und in Zukunft. Nachhaltige Entwicklung verfolgt dabei immer drei Hauptanliegen, die stets gemeinsam und in ihrer wechselseitigen Beziehung zu sehen sind: ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit. Ökologische NachhaltigkeitNachhaltige Entwicklung ist nur möglich in den Grenzen der natürlichen Umwelt, sowohl hinsichtlich der Rohstoff-Ressourcen als auch hinsichtlich der Belastung von Luft, Wasser und Boden. Eine solche Entwicklung ist daher dem Vorsorgeprinzip verpflichtet. Die menschliche Gesundheit muss geschützt und die Artenvielfalt erhalten werden. Jeder Mensch hat das gleiche Recht auf die Nutzung der knappen und gefährdeten natürlichen Umwelt. Derzeit ist dieses Recht für die meisten heute lebenden Menschen auf der Welt - besonders im Süden der Erde - sowie auch für die kommenden Generationen stark eingeschränkt. Die Ursachen dafür liegen in der globalen und regionalen Umweltzerstörung sowie in Armut und Unterentwicklung in der Dritten Welt. Um die Lebensrechte dieser Menschen durchzusetzen, verpflichten wir uns, mit den natürlichen Lebensgrundlagen schonender umzugehen. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, den bisherigen übermäßig naturverbrauchenden Wirtschafts- und Lebensstil zu verändern. Dies ist auch ein Gebot der weltweiten sozialen Gerechtigkeit. Soziale NachhaltigkeitDer erforderliche Wandel von Einstellungen und Lebensgewohnheiten wird nur in Gang kommen, wenn die Voraussetzungen für einen nachhaltigen Entwicklungskurs erkannt und berücksichtigt werden. Dazu gehört soziale Sicherheit auf der Grundlage eines mindestens existenzsichernden Einkommens, die Bekämpfung und überwindung von Armut und ein hohes Maß an Verteilungsgerechtigkeit. Nur so ist ein sozialer Zusammenhalt - national wie weltweit - zu gewährleisten. Alle Bürger und Bürgerinnen Bochums haben das Recht und die Pflicht, sich an der Gestaltung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu beteiligen. Dies setzt ein Bildungssystem voraus, das in öffentlicher Verantwortung allen Menschen - gerade auch den sozial benachteiligten Gruppen - ein umfassendes Angebot macht. Dazu bedarf es auch der Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich für die Belange ihrer Stadt und ihrer Mitwelt aktiv einzusetzen. Diese Bereitschaft wird um so größer sein, je mehr die Menschen ihre eigenen Lebensvorstellungen verwirklichen können und je besser sie zu eigenem Urteil und zu selbständigem Handeln befähigt sind. Ökonomische NachhaltigkeitEine nachhaltige Wirtschaft hat zur Aufgabe, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Zu diesem Zweck geht sie sparsam und effizient mit dem Naturvermögen und dem eingesetzten Kapital um. Wirtschaftlicher Erfolg bemisst sich nicht nur an der Steigerung des quantitativen Wachstums, sondern vor allem an seiner Qualität, das heißt, der Steigerung der menschlichen Wohlfahrt und Lebensqualität. Eine Auffassung von Wirtschaftswachstum, die den Abbau des Naturvermögens und die Reparatur zuvor verursachter Gesundheitsschäden als Einkommensgrößen verbucht, wird nicht auf den Pfad nachhaltiger Entwicklung führen. Das Streben nach Standortvorteilen zum Nachteil ökologischer und sozialer Standards hier und in anderen Teilen der Welt entspricht nicht einer verantwortungsbewussten Unternehmensführung. Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet auch, dass die Menschen sinnerfüllten Beschäftigungen nachgehen, sei es in der Erwerbsarbeit oder bei nicht bezahlten Tätigkeiten. Bei der Herstellung bzw. Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen sollten daher die Grundsätze der ökologischen und ökonomischen Sparsamkeit und sozialen Mitmenschlichkeit berücksichtigt werden. Die Schaffung und langfristige Sicherung entsprechender Arbeitsplätze ist deshalb ein weiterer grundlegender Bestandteil einer nachhaltigen Entwicklung. Nachhaltige Entwicklung als GesamtaufgabeInsgesamt kann der gesellschaftliche Wandel hin zu einer nachhaltigen Entwicklung gelingen, wenn möglichst viele Bürger und Bürgerinnen aus allen Teilen der Gesellschaft gemeinsam für diesen Wandel eintreten. Voraussetzung dafür ist es, bestehende Vorurteile und Berührungsängste zwischen einzelnen Gruppen abzubauen, Mitgefühl für den anderen zu wecken und auf dieser Basis Vertrauen zwischen den Gruppen zu schaffen und zu bewahren. Dabei ist die Bereitschaft zum gesellschaftlichen Konsens ebenso notwendig wie förderlich, ohne Konflikten aus dem Weg zu gehen, wenn die Ziele der Nachhaltigkeit gefährdet sind. Die drei Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung - ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit - ergänzen sich in vielerlei Hinsicht; sie stehen aber auch in Spannung, wenn nicht gar in Widerspruch zueinander. Im Agenda-Prozess kommt es für alle Beteiligten darauf an, die drei Aspekte oder Ebenen der Nachhaltigkeit immer wieder neu in ein Gleichgewicht zu bringen. Leitlinien
Grundsätze und Leitlinien wurden am 28. Juni 2001 vom Rat der Stadt Bochum beschlossen. |