Redemanuskript von
Julie Fry kommt vom Netzwerk A.N.S.W.E.R.:

Es ist mir eine große Ehre, hier zu sein.
Zuerst möchte ich den Organisatoren danken.
Diese Tour ist ein großer Schritt hin zum Aufbau derjenigen Solidarität, die die Aggression der USA in aller Welt stoppen kann.

Es ist jetzt Zeit für den Widerstand auf globaler Ebene.

Nur eine starke Volksbewegung ist in der Lage, den Widerstand gegen diesen Kolonialkrieg gegen den Irak und die ganze Welt zu organisieren.

Wir wissen nicht, wie bald das Pentagon den Angriff auf den Irak beginnt. Gerade heute wird im Persischen Golf eine Armee von über 200.000 Mann aufgebaut. Rund um den Globus errichten die USA neue Militärbasen, schicken neue Besatzungstruppen nach Mittel- und Südasien, in den Balkan, den Nahen Osten und an den Golf, auch nach Lateinamerika. Sie drängen und drohen, aber die Unterstützung lässt nach. Die Opposition wächst und wächst.

Bei all der militärischen Macht des Präsidenten Bush – er sieht sich immer noch einem überwältigenden Widerstand gegenüber, den er nicht auflösen kann.

Er hat Massenvernichtungswaffen. Aber seine politische Unterstützung ist auch in seiner eigenen Partei dünn, zögerlich und skeptisch. Er hat keine Unterstützung im breiten Volk. In der Bevölkerung sitzen Zurückhaltung und Misstrauen tief.

Die Vereinigten Staaten sind heute ein Land, das unter der schweren Last einer überbordenden Militärmaschinerie ächzt.

Die Propagandamaschine der USA, einschließlich Film und Fernsehen, verzerren das Bild des Lebens in den USA.

Manchmal ist es schwierig für Menschen außerhalb der USA, zu glauben, dass im Zentrum des Empires, in den Innenstädten von Washington, Detroit, Baltimore und Chicago die Kindersterblichkeit mit den ärmsten Ländern Lateinamerikas und Asiens vergleichbar ist.

In Bangladesh ist die Lebenserwartung höher als bei den Schwarzen in den USA. Nirgendwo sitzen auch nur vergleichbar viele Menschen im Gefängnis wie in den USA. Mehr als 2 Millionen Menschen sitzen hinter Gittern. Mehr als 45 Millionen, das ist ein Sechstel, verfügen über keinerlei Krankenversicherung.

Lebensstandard und Reallöhne der ArbeiterInnen und Angestellten sind in den letzten 20 Jahren kontinuierlich gesunken.

All dies geht zusammen mit einem Militärbudget, das jedes Jahr mehr und mehr vom verzweifelt benötigten Sozialetat auffrisst. Die betriebliche Wirtschaft ist auf Krieg ausgerichtet.

Das amerikanische Volk jedoch erhebt sich. Trotz der Kontrolle der Medien durch Kräfte, die den Krieg unterstützen, wächst eine neue und junge Antikriegsbewegung Tag um Tag in den USA und weltweit zu neuer Stärke heran.

Dies hat zu einer Situation geführt, die einzigartig in der Geschichte der USA ist. Niemals zuvor waren Hunderttausende auf den Straßen, BEVOR der Krieg begonnen hat. Das gilt natürlich weltweit.

Heute und in den USA haben wir ein einzigartiges Bündnis namens ANSWER: Jetzt handeln – Krieg stoppen – Rassismus beenden.

Gerade am letzten Wochenende, dem 18. Januar, brachte ANSWER eine halbe Million DemonstrantInnen gegen den Krieg in Washington zusammen. Weitere 200.000 demonstrierten in San Francisco. Weitere Demonstrationen gab es in den gesamten USA und in aller Welt.

Dieses Datum hat Bedeutung für die Geschichte der USA: es ist das Wochenende des Martin Luther King-Tages. Es war das symbolische Datum, das Krieg und Rassismus verband.

Wir forderten, den Krieg und die Sanktionen gegen den Irak zu beenden. Wir forderten auch die Abschaffung der Massenvernichtungswaffen der USA und das Recht einer öffentlichen Begehung mit unbeschränktem Zugang und eine vollständige Aufstellung von US-Waffen.

Diese Demonstration war in vielerlei Hinsicht ein beachtlicher Durchbruch für die Friedensbewegung der USA. Es war die größte Friedensdemonstration in Washington seit dem Vietnamkrieg. Wir wurden auch von den kommerziellen Medien in einem vorher nie gekannten Maß beachtet.
Bisher hatten sie uns möglichst ignoriert. Wir hatten eine riesige Demonstration im Oktober, mehr als 200.000 Leute kamen nach Washington. Bis zu jenem Wochenende war es die größte Demonstration, die wir vorweisen konnten. Die Medien haben sie jedoch kaum beachtet. So erschienen in der New York Times nur zwei kleine Absätze – vergraben im Innenteil. Die DemonstrationsteilnehmerInnen waren derart wütend, dass sie Tausende Leserbriefe an die New York Times schickten, und Tausende riefen auch an. Dadurch wurde diese Zeitung gezwungen, ein paar Tage später einen größeren Artikel erscheinen zu lassen und sich formal bei uns zu entschuldigen.

Nach der Demonstration am 18. Januar war die Reaktion der Medien ganz anders: Am Tag danach erschien auf der Titelseite der New York Times ein Foto von unserer Demonstration. Am Montag lobte ein Editorial die DemonstrantInnen.

Das ist ein wirklicher Durchbruch für uns. Nicht etwa, weil uns interessiert, was die kommerziellen Medien über uns denken. Aber wir sind glücklich, dass die breite Bevölkerung der Vereinigten Staaten jetzt weiß, dass es eine wachsende und lebendige Friedensbewegung im Land gibt.
Wir in den USA haben nicht den Vorteil der starken politischen Meinung auf unserer Seite wie die Deutschen. Mehr als 80% der Deutschen sprechen sich offen gegen den Krieg aus, Gleiches gilt für andere Länder in aller Welt.
Bis jetzt erzählten die Medien, dass es eine überwältigende Unterstützung für den Krieg gebe und dass alle GegnerInnen der Kriegs "antiamerikanisch" seien. Ich kann schon gar nicht mehr sagen, wie oft Leute beim Verteilen von Flugblättern mit fröhlichem Lächeln auf mich zugekommen sind und meinten: "Ich dachte, ich wäre der Einzige, der gegen diesen Krieg ist. Ich wollte schon nicht mehr an mich selbst glauben." Die Leute hatten Angst, sich gegen den Krieg auszusprechen, weil sie Angst hatten, als "unpatriotisch" oder "antiamerikanisch" angegriffen zu werden. Die EinwandererInnen und die Farbigen haben Angst vor viel weiter gehender Repression. Die Medienaufmerksamkeit wird uns die Möglichkeit geben, eine ganz neue Schicht breiter Bevölkerungskreise in den USA zu erreichen.

Man hat mich hier in Deutschland gefragt, wie wir solch eine große Demonstration aufgebaut haben. Ich kann nur sagen, dass es auf diese Frage keine einfache Antwort gibt. Einiges hängt von Kräften ab, die nicht unserer Kontrolle unterliegen.

Unsere Koalition besteht aus einer großen Anzahl von Gruppen, die ein breites Interessenspektrum vertreten. AraberInnen und MuslimInnen haben sich rege an der Mobilisation für den 18. Januar beteiligt – zusammen mit anderen Volksstämmigen, auf deren Herkunftsländer das Pentagon zielt: KoreanerInnen, Philippin@s, LateinamerikanerInnen, viele Einwandererverbände innerhalb der USA, zusammen mit gewerkschaftlichen Gruppen, lokalen Friedensgruppen und einer aufständischen Studierendenbewegung.

Wir habe eine derart breite Koalition erreicht, indem wir daran gearbeitet haben, Vertrauen und richtige Solidarität zwischen den Friedensgruppen und den unterdrückten Bevölkerungsgruppen unseres Landes zu erreichen. Am 20. April letzten Jahres hatten wir eine massive Demonstration: 75.000 gegen den Krieg und für das Ende der Besetzung Palästinas.

Es war ein großer Schritt vorwärts dabei, die arabische Gemeinde in den USA in die Friedensbewegung zu bringen. Es gab einige Kräfte in unserer Bewegung, die Angst hatten, zu dieser Frage Stellung zu beziehen. Aber wir waren der Meinung, dass wir nicht gegen die US-Aggression im Irak kämpfen könnten und gleichzeitig die von den USA finanziell unterstützten Angriffe gegen das palästinensische Volk ignorieren, die von unseren Steuergeldern bezahlt werden.

Der Hauptgrund, dass wir in der Lage waren, eine derart große Demonstration aufzubauen, waren die Unterstützung und Hingabe Tausender von HelferInnen im gesamten Land. Wir sind eine relativ kleine Organisation. Wir bekommen keine Unterstützung von außen, keinerlei finanzielle Unterstützung. Alles freiwillig und umsonst.

Für den 18. Januar hatten wir 130 Organisationszentren in 45 Staaten. Wir haben diese alle durch unsere engagierte Zentralgruppe in New York und Washington angeleitet. Wir haben Hunderttausende von Flugblättern, Stickern und Postern gedruckt – in vielen Sprachen. Dann haben wir sie im ganzen Land verteilt. Wir hatten auch kleinere Demonstrationen, Konzerte und örtliche Versammlungen und haben damit die Leute für den 18. Januar motiviert. Unsere HelferInnen und OrganisatorInnen im ganzen Land waren der Grund, dass der 18. Januar zum Erfolg wurde.

Sie glauben, dass der Krieg falsch ist, aber – viel wichtiger – sie glauben, dass wir ihn stoppen können.

Kann eine Massenbewegung einen Krieg stoppen? Absolut. Nur eine Massenbewegung kann das.

Bush wollte den Krieg gegen den Irak im letzten Jahr. Unmittelbar nach dem 11. September 2001 begannen die Planungen für eine Welle von Angriffskriegen.

Die einzige Sache, die die größte Militärmaschinerie der Welt anhalten konnte, war die explodierende Massenbewegung in den Straßen der arabischen Welt und insbesondere Palästina, in den Vereinigten Staaten und in Europa.

Die Internationalität der Bewegung ist so wichtig für die Bevölkerung der Vereinigten Staaten. Die Wahl von Kanzler Schröder als ausgesprochenem Kriegsgegner brachte uns in Hochstimmung. Ihr müsst dafür sorgen, dass er das nicht vergisst!
Die US-Regierung und die Medien versuchen, die Friedensbewegung in den USA zu isolieren und sie behandeln uns, als wären wir eine Minderheit. Aber die Demonstrationen rund um die Welt und beinahe täglich beweisen, dass wir das nicht sind. Dass wir zusammen mit der Mehrheit unserer Brüder und Schwestern kämpfen, die diesen Krieg stoppen wollen.

Weiterhin sehr wichtig sind die Aktionen gegen die Militärstützpunkte der USA. Zwischen Puerto Rico, Südkorea, der Türkei, Kuwait, Japan und hier in Deutschland haben Millionen von DemonstrantInnen Sitzblockaden und Streiks, Referenden und Demonstrationen organisiert, die forderten: "Sofort hinaus mit den US-Truppen!" Dies erzeugt viel Angst und Frustration in der Bush-Regierung. Es unterstützt unsere Bemühungen zu Hause in den USA.

Der 15. Februar ist der nächste große Schritt hin zum Stoppen der US-Kriegsmaschinerie und zum Aufbau einer internationalen Solidarität. AktivistInnen in den USA sind nur allzu gern dem Ruf der europäischen Bewegung gefolgt, an diesem Tag massiv aufzutreten.

Wir hoffen, dass das deutsche Volk an diesem Tag die Straßen von Berlin beherrscht.