Jochen Beyer, ver.di, Ruhr-Uni

 

Rede 1. Mai 2006 (als pdf-Datei)
 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,                    

liebe Bochumerinnen und Bochumer,

Seit nunmehr 3 Wochen stehen wir, Beschäftigte der Ruhr-Uni, der Medizinischen Einrichtungen und der Fachhochschule Bochum im unbefristeten Streik!

Morgen gehen wir in die vierte Woche! Das hat es bisher in der Geschichte der Universität und der FH noch nicht gegeben!

Seit dem 5. April läuft der Uni-Betrieb etwas anders!

Einige Werkstätten haben die Arbeit komplett eingestellt, Veranstaltungen finden verspätet oder gar nicht statt! Hausmeister und Hausarbeiter befinden sich fast geschlossen im Streik! Im Botanischen Garten können faktisch die Pflanzen nur noch gegossen werden! Jeden Morgen werden die einfahrenden Kolleginnen und Kollegen von Streikposten mit dem neusten Streikinfo informiert, lange Autoschlangen stauen sich bis weit auf die Unistraße auf!

Wir haben uns damit in die Streikfront unserer Kolleginnen und Kollegen aus ca. 31 Landesbetrieben und Universitätskliniken in NRW eingereiht! Die streikenden Beschäftigten der Uni-Kliniken gehen bereits in ihre 12 Streikwoche! Könnt Ihr Euch vorstellen, was das bedeutet?

An dieser Stelle möchte ich mich im Namen der Streikenden für die große Sympathie und die vielen Solidarischen Grüße und Beiträge und Besuche anderer Betriebe, Organisationen sowie einzelner Kolleginnen und Kollegen bedanken. Insbesondere bei den Studierenden, die uns solidarisch die ganze Zeit zur Seite stehen.

Am Freitag hat uns der komplette Personalrat der Stadtverwaltung besucht. Bergbaukollegen der selbst von Insolvenz bedrohten Firma Deilmann-Haniel haben sich solidarisiert und mit uns an der Protestversammlung gegen Studiengebühren teilgenommen! Am Freitag haben in Dortmund 4000 Kolleginnen und Kollegen aus kommunalen Betrieben beim Solidaritätsstreik mitgemacht!

Einen solchen Arbeitskampf hat es im öffentlichen Dienst noch nicht gegeben! Das Ergebnis dieses Streiks wird die tarifpolitischen Weichen für die nächsten Jahre stellen!

Seit dem 6.Februar wird im öffentlichen Dienst

Worum geht es bei diesem Streik?

·        Es geht um Arbeitsplatzvernichtung durch Arbeitszeitverlängerung von 38,5 auf bis zu 42 Std/W.

·        Es geht um Lohnraub durch komplette Streichung des Urlaubsgeldes und die Kürzung des Weihnachtsgeldes!

·        Es geht um die Erhaltung eines einheitlichen Tarifvertrages für den gesamten Öffentlichen Dienst.

Die Länder weigern sich den TvöD, der bei den Kommunen und beim Bund seit Oktober 2005 gilt für die Länder zu übernehmen!

Das was die Länder den Beamten per Gesetz verordnet haben und bei Neueingestellten durch gekündigte Tarifbestimmungen durchgesetzt haben, das wollen sie auch uns diktieren!

·        Länger arbeiten für weniger Geld – von diesem Rezept halten wir absolut nichts, denn längere Arbeitszeit kostet Arbeitsplätze – bundesweit rund 250 000. An der Ruhr Uni und der Fachhochschule ca. 225 wenn die Pläne der Arbeitgeber umgesetzt würden.

·        Länger Arbeiten für weniger Geld – würde die Übernahmechancen der Azubis senken!

Die Binnennachfrage weiter schwächen, die Steuereinnahmen geringer werden lassen! Darunter litten schließlich auch die Dienstleistungen und somit auch Sie, die Bürgerinnen und Bürger!

 

Der Verhandlungsführer der Landesarbeitgeber, Niedersachsens Finanzminister Möllring, versucht immer wieder einen Keil zwischen den Gewerkschaften und den BürgerInnen zu treiben. Immer wieder behauptet er, die BürgerInnen würden kein Verständnis für diesen Streik zeigen, geht hausieren mit der 18 Minuten Lüge!

Also, bei uns geht es nicht um 18 Minuten sondern um 30 Minuten pro Tag. Rechnet man dies einmal hoch, so sind wir bei fast 3 Wochen Mehrarbeit im Jahr und ich frage Euch, wer von Euch würde freiwillig pro Jahr 3 Wochen unentgeltlich länger arbeiten? Ich denke keiner!

Durch die Arbeitszeitverlängerung wollen die Länder vor allem aber Arbeitsplätze streichen um Kosten zu sparen.

Gut werden viele sagen, aber den öffentlichen Haushalten geht es doch schlecht, mit denen kann man schon seit Jahren keinen Staat machen.

Auf den ersten Blick ist das richtig – die öffentlichen Kassen sind nicht nur leer, es werden auch noch riesige Schuldenberge aufgetürmt.

Aber ein unabwendbares Schicksal ist das nicht.

Über viele Jahre hinweg wurde – quer durch alle Parteien hindurch- das hohe Lied vom schlanken Staat gesungen. Das einmal funktionierende Gemeinwesen wurde schlecht geredet, als Ballast empfunden, als Hemmschuh für die Entfaltung der freien Kräfte des Marktes.

Deshalb wurden Steuern gesenkt, vor allem bei den Reichen und Superreichen. Der Spitzensteuersatz von 53% wurde erst unter Kohl, dann unter Schröder, auf 42%gesenkt.

Systematisch wurden die Einnahmen des Staates heruntergefahren, in der naiven Hoffnung das private Kapital würde dies durch Investitionen und Schaffung von Arbeitsplätzen honorieren. Nichts ist davon ist eingetroffen!

Statt der Zahl der Arbeitsplätze explodieren die steuerbegünstigten Gewinne der DAX Unternehmen und die Gehälter der Manager und Vorstände. Zurückbleiben die Arbeitslosen!

Jetzt also durch Arbeitszeitverlängerung noch mehr Arbeitsplätze abbauen um Kosten zu sparen ist eine irrwitzige Logik, gegen die wir streiken!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bürgerinnen und Bürger

Letzte Woche hat es einen Polizeieinsatz an Ruhr Uni gegeben. Das von Studierenden besetzte Rektorat wurde gewaltsam geräumt!

Worum ging es bei dieser Aktion?

Am Donnerstag letzter Woche wollte der Senat der Ruhr Uni über die Einführung von Studiengebühren entscheiden.

Es geht um 500 € pro Semester, also 1000 € pro Jahr, die zusätzlich von den Studierenden oder deren Eltern aufgebracht werden müssten!

Studierende und wir, die streikenden Beschäftigten, haben unser Recht auf Öffentlichkeit gefordert.  Wir haben den Senat aufgefordert die Senatssitzung in einen großen Saal zu verlegen, damit die Entscheidung alle mitbekommen können. Der Senat war dazu nicht bereit.

Daraufhin sind zu Beginn des öffentlichen Teils der Senatssitzung hunderte von Studierende und Beschäftigte in die Senatssitzung gegangen. Nach Abbruch der Sitzung hielten die Studierenden den Senatssitzungssaal weiterhin besetzt! Eine Einigung kam nicht zustande, der Rektor stellte ein Ultimatum und ließ dann räumen. Das war die schlechteste Lösung! Diesen Polizeieinsatz verurteilen wir!

Studiengebühren sind unsozial! Auch die Gewerkschaft ver.di hat sich eindeutig gegen Studiengebühren ausgesprochen. Ihre Einführung wird auch dazu führen, dass die Zahl der Studierenden sinkt und bedroht somit auch unsere Arbeitsplätze zusätzlich!

Wer Studienplätze so teuer macht, dass nur noch Kinder von Vermögenden studieren können, betreibt Eliteförderung und grenzt Arbeiterkinder aus. Wer so handelt muss mit massiven Protesten rechnen!

Die Landesregierung will die Hochschullandschaft NRWs gravierend verändern, dazu gehört die Einführung von Studiengebühren, dazu gehört aber auch ein neues Hochschulgesetz, das den trügerischen Namen Hochschulfreiheitsgesetz trägt. Deshalb tragen wir auch Transparente gegen dieses Gesetz mit uns. Ich will jetzt nur die Richtung andeuten in die es geht!

Die Hochschulen sollen auf dem Altar des Marktes geopfert werden. Nach den Vorstellungen des Ministers Pinkwart sollen sie ähnlich wie Betriebe geführt werden, sie sollen in Konkurrenz zueinander treten, und sie sollen Pleite gehen können, d.h. es werden Hochschulen im Land NRW schließen! So macht sich die Landesregierung die Hände nicht schmutzig sondern lässt die Hochschulen sich selbst zerfleischen!

Die Beschäftigten sollen nicht Beschäftigte des Landes bleiben sondern Beschäftigte der jeweiligen Hochschule und es soll die Möglichkeit geschaffen werden eigene Tarifverträge für die jeweilig Hochschule abzuschließen. Damit würde das Ende des Flächentarifvertrags eingeläutet, den wir gerade mit unserem Streik verteidigen! Deshalb erheben wir in unserem Streik auch ganz klar die Forderung – Nein zum Hochschulfreiheitsgesetz! Nein zur Einführung von Studiengebühren!

Wie geht es jetzt weiter?

Die Landesarbeitgeber haben die Verhandlungen mit ver.di immer wieder verschoben oder abgesagt und es steht bis heute kein genauer Termin fest, wann weiterverhandelt wird!

Die Länder und ihr Verhandlungsführer Möllring spielen auf Zeit! Einmal braucht er eine Denkpause, dann ist er im Osterurlaub, dann sagt er termine ab. Die Landesarbeitgeber wollen die Gewerkschaft und uns in die Knie zwingen. Der öffentliche Dienst soll Türöffner sein, um dann in der privaten Wirtschaft auf breiter Fläche Arbeitszeitverlängerungen einzuführen!

Nächste Woche treffen sich die Finanzminister. Danach kann es zu weiteren Gesprächen oder Verhandlungen kommen!

Der hohe Einsatz vieler Kolleginnen und Kollegen in den letzten Wochen hat den Arbeitgebern deutlich gemacht, dass es uns ernst ist mit unseren Forderungen und wir auch bereit sind dafür einzustehen.

Nur mit einem gemeinsamen Kampf kann es uns gelingen unsere Ziele zu erreichen. Deswegen lassen wir uns nicht einschüchtern oder zermürben.

Unser Streik ist ein Streik zum Erhalt von Arbeitsplätzen und für mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft.

Die Kampfansage der Landesregierung ist bei uns angekommen! Wir streiken weiter!

Erlaubt mir eine letzte Bemerkung:

Ich spreche hier für meine streikenden Kolleginnen und Kollegen. Wir können es nicht für gut halten, dass der Ministerpräsident Rüttgers auf der 1.Mai Kundgebung in Düsseldorf sprechen kann. Er ist einer der Landesarbeitgeber, gegen den wir im Streik sind!

 

Danke


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