Herrn
Generalmajor Bernd Diepenhorst
Wehrbereichskommando II
Freiligrathstr. 6
55131 Meinz

Bochum, 2005-0901 (Antikriegstag)




Sehr geehrter Herr Generalmajor Diepenhorst!

Zum 50-jährigen Bestehen der Bundeswehr soll in Bochum ein großes Spektakel durchgeführt werden. Zu Werbezwecken sollen Panzer durch die Stadt fahren, Soldaten mit klingendem Spiel durch die Straßen ziehen und auf dem Kirmesplatz an der Castroper Straße wird neueste Militärtechnik zur Schau gestellt werden. In den Job-Centern und möglicherweise auch an Schulen sollen verstärkt der Ausbildungsplatzmangel und die Arbeitslosigkeit ausgenutzt werden, um Soldaten zu werben. Selbst Kinder sollen mit einer "Kinderzeit" für die Armee begeistert werden.

Ich lehne dieses Militärspektakel ab und sehe darin eine Provokation, gerade auch angesichts der Erfahrungen der älteren Generation, die noch den Krieg miterlebt hat.

Vor 10 Jahren gab der Bundestag erstmals grünes Licht für einen Kampfeinsatz der Bundeswehr und die Beteiligung am NATO-Bombardement gegen die bosnischen Serben. Heute sind Bundeswehr-Soldaten in mehreren Ländern im Einsatz. In Afghanistan sind in den letzten Jahren 16 deutsche Soldaten ums Leben gekommen.

Ich bestreite die Berechtigung der Theorie des preußischen Militärtheoretikers von Clausewitz für die heutige Zeit, die besagt, dass Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist. Sie ist nicht anwendbar auf Afghanistan und nicht anwendbar auf den Irak. Diese Kriege und Besatzungsregime sind völkerrechtswidrig, lösen keine Probleme, sondern schaffen und vertiefen Konflikte.

Solange die Bundeswehr nicht die Geschichte des deutschen Militarismus und Faschismus aufgearbeitet hat und in allen Teilen und Gliederungen entsprechende Schlussfolgerungen gezogen hat, gibt es keine Berechtigung für irgendwelche Jubiläumsfeiern.

Ich möchte an die Schaffung der Bundeswehr in den 50er Jahren erinnern, die die Bundesrepublik spaltete. Die Remilitarisierung erfolgte hinter dem Rücken der Bevölkerung.

Ich möchte daran erinnern, dass die Bundeswehr mit wesentlichen Kräften aus der faschistischen Wehrmacht aufgebaut wurde.

Ich möchte daran erinnern, dass in der Bundeswehr bis heute eine Traditionspflege betrieben wird, die eine mangelnde Distanz zum deutschen Militarismus erkennen lässt.

Ich möchte daran erinnern, dass die Schleifermethoden nach wie vor Gang und Gäbe sind. Sie reichen von Nagold bis ins westfälische Coesfeld, wo junge Soldaten menschenunwürdig behandelt worden sind.

Ich möchte an die lange Liste der Bundeswehr-Skandale erinnern, an den erzwungenen Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß, an massenhafte Starfighter-Abstürze, an die Feststellung des damaligen Bundeskanzlers Kiesinger, der in der "Bundeswehr die Schule der Nation" sah, an die Kießling-Affäre, an die rechtsradikalen Ausschreitungen innerhalb der Bundeswehr usw., usf..

Ich möchte auch an den Militär-Industriellen-Komplex erinnern. Heute ist Deutschland wieder einer der größten Rüstungsexporteure der Welt, mit steigender Tendenz.

Nein, auch wenn es sicherlich andere Tendenzen in der Bundeswehr gibt, etwa die Konzeption des Staatsbürgers in Uniform, oder die Ehrung der Widerstandskämpfer des 20. Julis, die negativen Tendenzen überwiegen bei der Frage, ob die Bundeswehr einen Grund zu öffentlichen Jubiläumsfeiern oder einem Militärspektakel hat.

Die Soziale Liste Bochum und die PDS haben in den Bochumer Rat einen Antrag des Bochumer Friedensplenums eingebracht, der sich ebenfalls gegen das Militärspektakel ausspricht und den ich Ihnen zur Kenntnis geben möchte.

Schon zu meiner Zeit als Wehrpflichtiger habe ich mich auch in der Bundeswehr für Frieden, Abrüstung und Entspannungspolitik eingesetzt und habe für meine grundsätzliche Haltung 12 Tage im Arrest verbracht.

Aus diesen Gründen kann ich Ihre Einladung zur Teilnahme an der Eröffnung der Jubiläumsausstellung "Unsere Bundeswehr" am 8. September nicht annehmen. Vielmehr werde ich mich an den kritischen und alternativen Veranstaltungen der Bochumer Friedensbewegung beteiligen, die das Militärspektakel begleiten werden.


Freundliche Grüße


Günter Gleising
Gruppensprecher
SOZIALE LISTE im Rat