Presseerklärung zur Meldung vom 26.1.02:
"NRW-Lehrer sollen zwei Jahre länger arbeiten"


Beim Lesen des kurzen Artikels suchen wir nach einem Hinweis, dass es sich um eine 'Ente' handeln könnte - jedoch scheint es Herrn Steinbrücks voller Ernst zu sein: Die Lehrerarbeitszeit soll angehoben werden - trotz der sich ständig verschlechternden Arbeitsbedingungen für Lehrer in den letzten zehn Jahren (wiederholte Heraufsetzung der Stundenzahl, immer vollere Klassen, finanzielle Einbußen, um nur die krassesten zu nennen) und trotz der Tatsache, dass Lehrer durch die Einschränkung der Altersteilzeit ohnehin schlechter gestellt sind als andere Landesbeamte. Wir fragen uns, ob der nordrhein-westfälische Finanzminister überhaupt noch wahrnimmt, was jenseits seiner Zahlen geschieht:
Es ist lange bekannt, dass Lehrer auf Grund hoher Belastungen schon derzeit in den wenigsten Fällen bis zur Rente arbeiten. Schon lange vorher sind viele von ihnen einfach 'fertig', Krankheit ist der häufigste Grund für das Ausscheiden aus dem Beruf! Die Peitsche wird hier wohl nichts nützen: Per Erlass lässt sich das Problem nicht lösen, es sei denn, man zählt darauf, dass sich auch Pensionszahlungen reduzieren, wenn man aus dem Landespersonal das Letzte heraus zu pressen versucht. Aber ein Kranker wird nicht dadurch gesund, dass man den Druck auf ihn erhöht...

Vor allem aber ist nicht erst seit PISA klar, dass im Land die Qualität von Schule und Unterricht verbessert werden muss. Lange verhallten entsprechende Forderungen der Verbände, stattdessen nahm der Unterrichtsausfall zu, Schulen wurden kaputt gespart und die Schüler-Lehrer-Relation stieg, etc. etc..
Mittlerweile wird die Notwendigkeit der Fortentwicklung von Schulen und Unterricht deutlicher gesehen. Politischerseits ist man aber immer noch nicht bereit zu erkennen, dass diese nicht umsonst zu haben ist: Breite Maßnahmen zur Evaluation und Konzeption von Schule, umwälzende Projekte wie "Schule 21" und immer neue Aufgaben, die die Gesellschaft der Schule zuschreibt, aber auch die Ankündigungen des Landesvaters der kompletten Umstrukturierung des Schulsystems brauchen - statt ausgebrannter - motivierte Lehrerinnen und Lehrer, und davon mehr (!) statt weniger, die somit auch mehr Arbeit leisten! Beim Blick in die Zeitung heute morgen haben von den vielen, die mit großem Engagement angetreten sind, wieder ein paar mehr das Gefühl, hier allein gelassen zu werden ...

Im Übringen: Die Tatsache, dass ausgerechnet der Finanzminister solche "Reformen" einfordert, zeigt:, hier geht es nicht um pädagogisch verantwortliches Handeln - schon gar nicht um unterrichtsgerechte Schlussfolgerungen aus der PISA-Studie (da wäre exakt das Gegenteil erforderlich). Vielmehr soll das Schulsystem aufs Neue als fiskalische Ressource herhalten, nachdem derselbe Finanzminister die sozial ungerechte Steuerreform mit betrieben hat, die die Kommunalhaushalte planmäßig ausbluten lässt und auf Grund derer jetzt skandalöser Weise die Unternehmen erstmalig mehr Steuern erstattet bekommen als sie selbst zahlen müssen.

Ulrich Kriegesmann und Karin Schiele
Vorstandsmitglieder der GEW Bochum