Gabriele Riedl
Fraktionsmitglied Bündnis90/Die Grünen
Bürgermeisterin
Bochum, 17.06.2003-06-18

Rede anläßlich der Demonstration gegen Vergabe der Gastprofessur an Mesut Yilmaz an der Ruhr Universität Bochum


Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

wir sind hier in Bochum zurecht stolz darauf, eine große Universität zu haben, die unser Leben immer wieder bereichert. Sei es durch die viele Studierenden, die die Stadt bevölkern, sei es durch die hervorragenden Projekte und Produkte die dort entwickelt werden, wie auch durch die internationalen Kontakte, die eine Hochschule für eine Stadt mit möglich macht.

In diesem Jahr ist jedoch etwas Neues passiert:

Im Kontext der Bewerbung der Türkei für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union wurde über das Institut für Türkeistudien in Essen Mesut Yilmaz als Gastprofessor an die Ruhr Universität eingeladen. Er soll in etlichen Veranstaltungen unter anderem zu Themen wie "Türkei in der EU - Belastung oder Chance" oder auch "Die Türkei zwischen Westen und Orient" sprechen. Er wurde nach amerikanischem Modell als "elder Statesman" eingeladen und soll Interessierten Gelegenheit geben, aus dem Erfahrungswissen seiner politischen Arbeit den kritischen Dialog zur Türkei voranzubringen.

Nun finde ich es richtig und wichtig, mit Repräsentantinnen oder Repräsentanten von EU-Beitrittskanditenländern wissenschaftlich und auch politisch zu diskutieren. Warum aber gerade Herr Yilmaz? Er war 3 mal Ministerpräsident in der Türkei und haftet somit auch für die eklatanten Menschenrechtsverletzungen, die in diesem Land in dieser Zeit begangen wurden. Auch stehen noch Korruptionsvorwürfe im Raum, die bisher nicht ausgeräumt sind, ein Untersuchungsausschuß wurde in der Türkei einberufen, um diese Dinge zu klären.

Leider hat die Hochschule nicht abgewartet, wie diese Verfahren ausgehen, sondern setzt auf den "kritischen Dialog" mit Yilmaz. Man war sich schon bewusst, dass es keine einfache Einladung ist und es gibt zurecht hier und anderswo Protest gegen diese Gastprofessur. Ich schließe mich dem Protest an und das tun auch Bündnis 90/Die Grünen hier in Bochum.

Diese Gastprofessur ist seit einigen Wochen hier öffentliches Thema. Leider tritt dabei - wie so oft - das eigentliche Thema, nämlich die Türkei und die dortigen Menschenrechtsverletzungen, zugunsten der Personalfrage in den Hintergrund.

Ich finde es tragisch, dass die wichtige Diskussion über den Beitritt der Türkei nun in ein Fahrwasser gerät, das sicher nicht der Intention der Veranstalter und Veranstalterinnen entspricht. Durch die Vergabe einer Gastprofessur an eine Person, die derart vorbelastet ist, werden die Inhalte in den Hintergrund gedrängt. Andererseits werden aus diesem Anlass durch die Arbeit des Bündnisses für Menschenrechte die Defizite, die der Beitrittskandidat Türkei noch immer hat, nun auch öffentlich wieder sichtbar. Die Türkei ist eben nicht nur Urlaubsland, sondern ein Land im politischen und kulturellen Umbruch. Dass sich die Verhältnisse in der Türkei ändern müssen, dass Menschenrechtsverletzungen keine Kavaliersdelikte sind, das ist unstreitig.

Die Verbrechen, die auch in der Zeit des Ministerpräsidenten Yilmaz begangen wurden sind grauenvoll. Das Bündnis für Menschenrechte hat eine umfangreiche Dokumentation dazu erstellt. Der Autor, Knut Rauchfuß wird gleich mehr dazu sagen.

Ich bin froh, dass wir hier in Bochum eine Hochschul- und Protestkultur haben, die es ermöglicht, diese Themen in die Öffentlichkeit zu tragen.