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Der verantwortliche Redakteur der Internet-Seite bo-alternativ.de,
Martin Budich, muss sich am 4. Mai vor dem Strafrichter dafür verantworten, dass er im Februar 2003 im Internet ein Plakat mit dem Aufruf "22.2. Naziaufmarsch verhindern" veröffentlichte, das zur Gegendemonstration in Langendreer aufrief. Das Plakat zeigt die Comic-Figur Emily, einem kleinen pfiffig dreinschauenden Mädchen, das mit einer leeren Zwille andeutungsweise auf ein unsichtbares Objekt zielt. Der Staatsanwalt sieht darin die öffentliche Aufforderung zu gefährlicher Körperverletzung, zur Verhinderung einer nicht verbotenen Demonstration und zur Teilnahme an einer Demonstration mit Waffen. Die Nazidemonstration konnte trotz zahlreicher Gegendemonstranten "ohne erhebliche Beeinträchtigung" - so die Anklage - durchgeführt werden. Eine nachgeschobene Anklage wirft Martin Budich die Veröffentlichung der "Emily-Anklage" vor.

Die gewaltsame Interpretation der Comic-Figur, auf der die Anklage beruht, ist höchst einseitig und wird der Person Martin Budich in keiner Weise gerecht. Inhaltlich fernliegend nimmt der Staatsanwalt ein kleines Mädchen als Symbol für einen Aufruf zur gewalttätigen Gegendemonstration in Anspruch. Wesentlich näher liegt angesichts des üblicherweise martialischen Auftretens von Neonazis die biblische Anknüpfung bei David und Goliath, die symbolische Aufforderung also, sich mit Witz und Kreativität Nazidemonstranten dort zu stellen, wo sie auftreten. Wir verstehen nicht, dass diese friedliche Interpretations-
variante in der Anklageschrift nicht einmal erwogen wird, obwohl die Adressaten des Emily-Plakats sie offensichtlich so aufgefasst haben, wenn die Demonstration ohne wesentliche Beeinträchtigung stattfinden konnte. Martin Budich hat sicher nicht zur Gewalt aufrufen wollen. Er hat Dutzende friedliche Demonstrationen in Bochum angemeldet, mitorganisiert und geleitet: gegen Kriege, für den Frieden, für Bürgerrechte und den Schutz von Verfolgten und Benachteiligten, und - für ihn sicherlich selbstverständlich - gegen Aufzüge von Neonazis. Staatsanwaltschaft und Polizei kennen dieses langjährige, friedliche, demokratische Engagement. Um so mehr befremdet das Bedürfnis der Anklage, Martin Budich herauszugreifen und den Aufruf zur Verhinderung der Nazidemonstration zu kriminalisieren.

Es ist bedrückend, dass Staatsanwaltschaft und Gericht von ihrem Standpunkt aus sich bisher noch nicht die strafprozessual zwingende Frage gestellt haben, welches öffentliche Interesse (§153 Strafprozessordnung) an der Strafverfolgung dieses staatsbürgerlichen Engagements besteht. Wir erinnern nachdrücklich daran, dass kein geringeres Gericht als das Oberverwaltungsgericht unseres Landes gegen Neonazidemonstrationen folgende Leitsätze aufgestellt hat:
"1. Zu den Anschauungen der NPD gehören Rassismus, Antisemitismus und
Ausländerfeindlichkeit.
2. Derartige Anschauungen sind mit grundgesetzlichen Wertvorstellungen unvereinbar. Sie lassen sich nicht als "politisch unerwünscht" oder "missliebig" bagatellisieren und wie jede andere Ausübung eines für die Demokratie konstituierenden Freiheitsrechts einstufen.
3. Der Ausschluss derartiger Anschauungen aus dem demokratischen Willenbildungsprozess ist ein aus der historisch bedingten Wertordnung des Grundgesetzes ableitbarer Verfassungsbelang." (Beschluss v. 30.4.2001)


Zweifellos fühlt sich Martin Budich diesem Verfassungsverständnis des OVG Münster
verpflichtet. Kontrovers dazu gibt eine Kammer des 1. Senats des Bundesverfas-
sungsgerichts rechtsextremen Demonstrationen größeren öffentlichen Freiraum, wie wir meinen gegen die Grundintention unserer Verfassung, die Antwort auf den nationalsozialistischen Unrechtsstaat ist. Wir fragen: Wenn sich obere und höchste Gerichte in der Abwehr von Nazidemonstrationen nicht einig sind, wie will dann der Strafrichter bei einem unbescholtenen Bürger strafrechtlich messbare Schuld feststellen, der vor dem Hintergrund unserer Geschichte die ethisch einzig mögliche Konsequenz des Widerstandes gegen Neonazis zieht? Welches öffentliche Interesse gebietet es einem deutschen Strafgericht, 60 Jahre nach der nationalsozialistischen Barbarei den Protest gegen einen Nazi-Aufmarsch strafrechtlich zu verfolgen?

Mit der nachgeschobenen Anklage wegen Veröffentlichung der eigenen Anklage- schrift durch den Beschuldigten versucht die Staatsanwaltschaft, sich der öffentlichen Kritik an ihrem Vorgehen zu entziehen. Dieser Teil der Anklage fällt aus verfassungsrechtlichen Gründen in sich zusammen. Im demokratischen Rechtsstaat hat sich die Staatsgewalt, nicht zuletzt eine Anklagebehörde, jederzeit öffentlicher Kritik zu stellen. Gerade in einem politischen Strafverfahren gibt das Grundrecht der Meinungsfreiheit und das Recht auf ein faires Verfahren dem durch die Anklage angegriffenen Angeschuldigten das Recht, sich öffentlich zu verteidigen und dabei eine seiner Meinung nach unberechtigte Anklageschrift öffentlich zur Diskussion zu stellen. Ein Staatsanwalt, der sich seiner Sache sicher ist, muss dies nicht fürchten. Nur ein autoritärer Staat sieht dies anders.

Die öffentliche Strafverhandlung vor dem Amtsgericht Bochum ist am
4. Mai 2004, 9 Uhr, Saal C 48

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