Emily Anklage:

In einem Prozess gegen den verantwortlichen Redakteur von bo-alternativ.de hat Staatsanwalt Petlalski am 4. Mai 2004 folgende Anklageschrift öffentlich verlesen:


Martin Norbert B u d i c h .
(Bl. 32 d. A.)
wird angeklagt
am 16.02.2003 in Bochum und anderenorts öffentlich sowie durch Verbreiten von Schriften zu rechtswidrigen Taten, nämlich zur Begehung gefährlicher Körperverletzungen sowie zu Verstößen gegen das Versammlungsgesetz gemäß den §§ 21 und 27 Versammlungsgesetz aufgerufen zu haben.
Dem Angeschuldigten wird folgendes zur Last gelegt:
Der Angeschuldigte ist der verantwortliche Betreiber des Internetforums „http://www.bo-alternativ.de". Im Vorfeld einer für den 22.02.2003 angemeldeten
Demonstration von Rechtsextremisten in Bochum veröffentlichte er am 16.02.2003 unter der Internetadresse „http://www.bo-alternativ.de/aktuelles.htm" einen Beitrag mit dem Titel „22.2.: Nazi-Aufmarsch verhindern!", in dem er auf die für den 22.02.2003 geplanten Gegendemonstrationen sowie ein hierfür entworfenes Plakat mit dem Titel „Nazi-Aufmarsch am 22.02. in Bochum verhindern!" hinwies. In dem Internetbeitrag veröffentlichte er eine Darstellung dieses Plakates, welches eine weibliche Comic-Figur zeigt, die mit einer Zwille (Schleuder) auf ein unbekanntes Ziel zielt. Diese Form der Darstellung im Zusammenhang mit dem Text „Naziaufmarsch am 22.02. in Bochum verhindern!" beinhaltet den Aufruf, die nicht verbotene Versammlung von Rechtsextremisten durch die Vornahme oder Androhung von Gewalttätigkeiten zu verhindern oder sonst ihre Durchführung zu vereiteln und stellt sich gleichzeitig als Aufruf an die Teilnehmer der sogenannten Gegendemonstrationen dar, bei der öffentlichen Versammlung Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder Beschädigung von Sachen geeignet und bestimmt sind, ohne behördliche Ermächtigung mit sich zu führen und diese zur Begehung von Vergehen der gefährlichen Körperverletzung einzusetzen.
Durch einen sogenannten „Link" auf eine Serviceseite ermöglichte der Angeschuldigte des weiteren das Herunterladen des tatgegenständlichen Plakates, wodurch er es einer Vielzahl von Dritten zugänglich machte.
Die für den 22.02.2003 angemeldete Demonstration von Rechtsextremisten konnte trotz der Aufforderung des Angeschuldigten, diese zu verhindern, ohne erhebliche Beeinträchtigungen durchgeführt werden.
Vergehen gem. § 111 Abs. 1 StGB i. V. m. §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, 21, 27 Versammlungsgesetz.

Beweismittel:
I. Einlassung des Angeschuldigten.
II. Zeugen: KHK Mönnikes, zu laden über das Polizeipräsidium Bochum -Unterabteilung Staatsschutz-.
III. Urkunden und sonstige Schriftstücke: Ausdruck der Internetseite „http://www.bo-alternativ.de/ aktuelles.htm" vom 17.02.2003 (Bl. 1 d. A.).
IV. Gegenstände des richterlichen Augenscheins: 1 Plakat „Nazi-Aufmarsch am 22.02. in Bochum verhindern!" (Bl. 22 d. A.).

Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen:
Der Angeschuldigte ist bislang noch nicht vorbestraft.
Er ist der verantwortliche Betreiber des Internetforums „http://bo-alternativ.de". Hierbei handelt es sich um ein Informationsforum der sogenannten links-alternativen Szene in Bochum.
Nachdem es bereits im Januar 2003 im Bereich der Stadt Bochum zur Durchführung mehrere Demonstrationen der rechtsextremen Szene gekommen war, erfolgte im Februar 2003 unter anderem durch den Bochumer Rechtsextremisten Claus Cremer die Anmeldung einer weiteren Demonstration unter dem Titel „Gegen Globalisierung - Freiheit für Wattenscheid - Freiheit für Deutschland", zu der ca. 200 der rechtsextremen Szene zugehörige Teilnehmer erwartet wurden. Infolge dieser Anmeldung kam es nachfolgend bei dem Polizeipräsidium Bochum als der zuständigen Versammlungsbehörde zur Anmeldung zahlreicher Gegendemonstrationen im Bereich der Bochumer Innenstadt. Die Demonstrationsroute der Versammlung der Rechtsextremisten wurde gemäß einer Auflage der Versammlungsbehörde in den Bereich der Vororte Bochum-Werne und Bochum-Langendreer verlegt.
Im Vorfeld der Demonstration vom 22.02.2003 veröffentlichte der Angeschuldigte unter dem 16.02.2003 den tatgegenständlichen Internetbeitrag mit dem Titel „22.02.: Naziaufmarsch verhindern!", wobei er neben dem Artikel die Darstellung des Plakates „Nazi-Aufmarsch am 22.02. in Bochum verhindern!" in das Internet einstellte und über einen sogenannten „Link" gleichzeitig die Möglichkeit zum Herunterladen dieses Plakates aus dem Internet anbot.
Der Inhalt des Plakates in Verbindung mit dem Titel des Internetbeitrages erfüllt den Tatbestand des § 111 Abs. 1 StGB, da durch das Plakat die Teilnehmer der für den 22.02.2003 durchgeführten Gegendemonstrationen zu der Demonstration der Rechtsextremisten offen dazu aufgefordert werden, die angemeldete und mit versammlungsrechtlichen Befugnissen nicht zu unterbindende Demonstration der Rechtsextremisten auch unter Anwendung von Gewaltmaßnahmen zu verhindern. Hierbei ist bei der Interpretation des tatgegenständlichen Plakates auch zu berücksichtigen, daß es sich bei der durch die Figur in dem Plakat verwandten „Zwille" bekanntermaßen um eine szenetypische Bewaffnung gewaltbereiter Demonstranten des linken politischen Spektrums handelt, so daß der Inhalt des Plakates auch dahingehend auszulegen ist, daß die Teilnehmer der Gegendemonstrationen die Demonstration der Rechtsextremisten im Ergebnis auch unter Begehung von Körperverletzungshandlungen mittels eines gefährlichen Werkzeugs sowie unter Verletzung des Verbots des Führens von Waffen bei öffentlichen Versammlungen verhindern sollen.
Der Angeschuldigte hat sich zu dem erhobenen Tatvorwurf nicht eingelassen; aufgrund der genannten Beweismittel besteht gegen ihn jedoch ein hinreichender Tatverdacht.