Rede des DGB Regionsvorsitzender Ruhr-Mark
Michael Hermund

am 30.3.2008 auf der Gedenkveranstaltung der VVN-BdA in Bochum Werne zum Kapp-Putsch

Liebe KollegInnen, liebe FreundInnen,

am 3. November 1918 begann die Revolution in Deutschland mit dem Aufstand der Kieler Matrosen.

Am 9 November rufen Philipp Scheidemann und Karl Liebknecht getrennt von einander die Republik in Berlin aus.
Der Kaiser dankt ab.
Aber die alten Gewalten haben keineswegs endgültig verzichtet.
Auch durch die Zerstrittenheit der Arbeiterbewegung versucht die Reaktion die Gunst der Stunde zu nutzen.

Am 13. März 1920 war es dann soweit.
Militärs unter dem General von Lüttwitz marschierte in Berlin ein.
Die Regierung flüchtete über Dresden nach Stuttgart.
Der Generallandschaftsdirektor Kapp erklärte sich zum Reichskanzler.
Während die Reichswehr der rechtmäßigen Regierung den Gehorsam verweigerte, und somit auf Seiten der Putschisten steht, handelte Legien, Vorsitzender des ADGB.
Er rief die Arbeiterschaft zum Generalstreik auf.
Ihm war es zu verdanken, dass der Putsch erfolglos war.

Der Generalstreik fegte in wenigen Tagen den Kapp-Putsch weg.

Eine für die Arbeiterbewegung folgenschwere Entwicklung wurde allerdings 1920 schon deutlich.
KPD, USPD und SPD konnten sich nur schwer einigen.

Die Arbeiterschaft verlangte eine neue Politik und Einfluss.

Legin wollte statt der Regierung aus Sozialdemokraten, Demokraten und Zentrum eine Arbeiterregierung.
Der Plan scheiterte am Misstrauen zur SPD.

Schon damals zeichnete sich die die Frage nach der Gewerkschaftseinheit und der Einheit der Arbeiterbewegung ab.
Soweit die große Politik.

Auch in Bochum ruhte die Arbeit.
Auf der Zeche Bruchstraße wie in anderen Betrieben.
Die Arbeiter traten den reaktionären Militärs auch bewaffnet entgegen.
Die Rote Ruhrarmee wurde aufgestellt.

Mit Hilfe der Dortmunder wurde die Bochumer Polizei entwaffnet.
Poltische Gefangene wurden aus den Gefängnissen befreit.
Das Ruhrrevier war in wenigen Tagen von den reaktionären Freikorps befreit.
Viele Kämpfer gaben für die Verteidigung der Republik ihr Leben.
Auch hier in Werne gab es drei Todesopfer.
Die Arbeiter Lange, Garde und Tomaschewski wurden vom Bayerischen Freikorps Lichtschlag umgebracht.

Um ihr Andenken zu wahren, wurde dieses Mahnmal errichtet.

Diese Zeit um 1920 ist aus vieler Hinsicht wichtig.
Aber können wir daraus Lehren ziehen für 2008?

Um es mit Karl Marx zu sagen:
„Die Geschichte wiederholt sich nicht und wenn, dann (nur zu oft) als Farce.“
Und dennoch.
Wir müssen wachsam sein, wenn unserer Demokratie beschädigt wird.
Sei es durch die Einführung von Überwachungsmöglichkeiten a la Schäuble.
Sei es durch das Erstarken von Rechtsextremen auf der Straße oder in Parlamenten. Ich erinnere an unsere erfolgreichen Aktionen im Kampf gegen den Thor-Steinar-Laden in Ehrenfeld
Sei es durch zunehmende Armut nicht nur bei Kindern und Alten.
Armut 2008 in Deutschland ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Die Arbeitslosenstatistik wird geschönt, damit die Bundesregierung Erfolge vorweisen kann.
Kürzlich hat die Bundesregierung selbst zugegeben, dass nur die Hälfte der Arbeitslosen auch in der Statistik erfasst wird.
In Bochum also 40.000 statt 20.000 Menschen.
Der Hartz-Gesetzgebung sei Dank.

Kinderarmut an unseren Schulen ist sichtbar.
Viele Kinder können sich keine Mittagsverpflegung leisten.
Für Hartz-IV EmpfängerInnen ist die Einschulung ihres Kindes nicht finanzierbar.
Für Fahrtkosten sind im Regelsatz knapp 12 € enthalten.
Wir brauchen daher auch in Bochum für arme Menschen ein Sozialticket.
Aber auch Sozialtarife für Strom und Heizung.
Von diesem Regelsatz von 247 € ist keine würdevolles Leben möglich.
Ein weiteres dürfen wir nicht vergessen.
Angesichts von immer mehr bewaffneter Konflikte und Bürgerkriege kann von einer friedlichen Welt nicht gesprochen werden.
Die militärischen Konflikte nehmen zu.
Täglich sterben weltweit Tausende von Menschen bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Staaten und widerstreitenden gesellschaftlichen oder religiösen Gruppen.
Oft genug nimmt die Weltöffentlichkeit davon kaum oder nur widerwillig Kenntnis.

Ein im religiösen Gewand gekleideter Terrorismus, Verfolgung und Tötung ethnischer Minderheiten oder die Androhung eines nuklearen Angriffs sind nicht hinnehmbar und müssen überwunden werden.

Wir müssen Frieden schaffende Maßnahmen entwickeln und finanzieren, statt mehr Geld in die Rüstung zu stecken.
Die Rüstungsindustrie hat zu allen Zeiten gut verdient.
Ohne dass sich die Situation der Bevölkerung verbessert hätte.
Ziel muss sein, in einem ersten Schritt vor allem die Zivilbevölkerung vor Krieg und Terror zu schützen und danach militärische Gewalt und Terror ganz aus der Welt zu verbannen.

Dazu gehört eine konsequente Kontrolle des internationalen Waffenhandels, an dem auch die westlichen Industriestaaten und die BRD beteiligt sind.

Waffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete müssen gestoppt werden, weil sie unmoralisch und gewissenlos sind.
Die Entsendung zusätzlicher Truppen in diese Krisenregionen ist nicht zukunftsweisend und hilft nicht weiter.

Die Erfahrung zeigt: Weder in Afghanistan noch im Nahen Osten konnte Frieden mit Soldaten erzwungen werden. Wir müssen aber nicht nur Zeichen setzen gegen Krieg, sondern stets auch für eine humane Welt ohne Hunger, Armut und Ausbeutung oder Kinderarmut in Deutschland, einem der reichsten Länder der Erde eintreten. Arbeitsplatzvernichtung wie bei Nokia, nur um Profite eines Weltkonzerns zu maximieren, Prekarisierung der Arbeitswelt durch Leiharbeit, Befristungen, Lohndumping oder neoliberale Politik und Privatisierung, im Oberbegriff Globalisierung genannt, sind die Geißeln der Menschheit 2008 und gehören ebenfalls auf die „Agenda“, wenn wir über die Lehren aus 1920 sprechen. Was von Menschen gemacht wurde, kann auch von Menschen wieder geändert werden. Der Reichtum des Einen ist immer die Armut des Anderen. Verteilungsgerechtigkeit, humane Arbeits- und Lebensbedingungen, Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge und Eintreten gegen Gewalt und Krieg sind zwei Seiten einer Medaille. Auch diese Lehre sollten wir ziehen, wenn wir heute an die Zeit vor 88 Jahren erinnern.

In diesem Sinne wünsche ich mir viele MitstreiterInnen
und lade Euch ein, am 1. Mai vor dem Rathaus dabei zu sein.