Arbeitsgemeinschaft gegen kommunalen Ausverkauf

c/o Reiner Gropp
Nordstr. 118
47798 Krefeld
02151 787980


gleichlautend an:

An die
Regierungspräsidenten
in NRW


An die Medien + dpa20.Dezember 2002

Cross-Border Leasing in den Städten und Kommunen von NRW

Ausverkauf kommunalen Vermögens

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir, Bürger und Bürgerinnen aus Städten des Ruhrgebietes, haben uns zu einer Arbeitsgemeinschaft gegen den Ausverkauf von kommunalem Vermögen zusammengeschlossen. In immer mehr Städten und Kommunen unseres Landes werden Schulen, Kanalnetze, Kläranlagen, Stadtbahnen- und -anlagen, Messehallen usw. in die USA verkauft bzw. Cross-Border-verleast. Es handelt sich um Dinge, die für unsere Daseinsversorgung wichtig sind und bereits von uns BürgerInnen über Steuern und Abgaben finanziert wurden.

Derartige Geschäfte –CBL bzw. US-Leasing– sind bereits im letzten Jahr vom niedersächsischen Innenministerium als riskant eingestuft worden.

( 15/1705 15. Wahlperiode 02-03-07 Kleine Anfrage des Abgeordneten Thomas Rother, SPD)

Antwort IM: "Neben dem finanziellen Nutzen, den der sogenannte Barwertvorteil verspricht (diesen erhält die deutsche Kommune bei Vertragabschluss; er beträgt rd. 4-5 % des Transaktionsvolumens), birgt das US-Leasing-Verfahren aber auch eine Vielzahl von Risiken mit teilweise erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Auswirkungen in sich. Vor diesem Hintergrund bestehen grundsätzliche Bedenken gegen den Abschluss einer solchen Transaktion, die den interessierten Kommunen auch mitgeteilt werden."

Auch das bayrische Innenministerium stuft derartige Geschäfte mittlerweile als zu riskant ein.


Innenminister Beckstein: "Ich habe Verständnis dafür, dass sich die Kommunen wegen ihrer knappen Finanzmittel um innovative Finanzierungsinstrumente bemühen. Solche Modelle, die vor allem von der privaten Wirtschaft zur Realisierung von Steuervorteilen entwickelt wurden, eignen sich aber nicht für Kommunen. Sie führen dort zu unkalkulierbaren Risiken, die im Interesse der Bürgerinnen und Bürger nicht hingenommen werden dürfen. Außerdem entsteht in der Öffentlichkeit ein verheerendes Bild, wenn Kommunen auf Steuertricks hart an der Grenze der Legalität zurückgreifen und gleichzeitig von den Bürgern, die ohnehin viel Steuern zahlen müssen, Ehrlichkeit und hundertprozentige Gesetzestreue verlangt wird." (PM 05.12.2002)

Der Bund der Steuerzahler und Immobilienverwaltungen z.B. der Verband Haus und Grund bezeichnen derartige Geschäfte als moralisch sehr bedenklich, da sie u.a. den amerikanischen Steuerzahler zu Gunsten von Firmen wie Daimler/ Chrysler, Deutsche Bank, Westdeutsche Landesbank etc. belasten.

Es ist zu vermuten, dass die deutschen Geschäftspartner (z.B. Banken) diese Geschäfte als steuermindernde Auslandsinvestitionen geltend machen. Somit ist der deutsche Steuerzahler davon direkt betroffen.

Nach unserer Meinung führt schon das wenige, was über diese Regelungen bekannt geworden ist, zu der Schlussfolgerung, dass es sich bei den CBL-Verfahren um eine Übernahme kommunalen Anlagevermögens in den amerikanischen Einflussbereich handelt.

Die Voraussetzung für die Erlangung des Steuervorteils nach amerikanischem Steuerrecht ist die Verschaffung des wirtschaftlichen (und damit auch rechtlichen) Eigentums.

Traute Kirsch vom BUND NRW führt hierzu aus: Auch wenn die Befürworter des CBL es nicht wahrhaben wollen und behaupten, es gebe nun mal zwei Eigentümer an dem kommunalen Anlagevermögen, das dem CBL unterworfen wurde, - den amerikanischen Investor nach amerikanischem und die deutsche Kommune nach deutschem Recht –

muß aus den Beteuerungen der Kommunalpolitiker und Verwaltungsbeamten etwas anderes entnommen werden:

  1. Die lange Vertragsdauer (99 Jahre) bedeutet den Übergang des kommunalen Eigentums auf die US-Investoren.
  2. Für die Verträge gilt amerikanisches Recht. (Das Recht des Eigentümers ! Das Anlagevermögen deutscher Kommunen wird amerikanischem Recht unterworfen.)
  3. Gerichtsstand für Streitigkeiten ist New York, wodurch die starke Position des Investors als Eigentümer betont wird.
  4. Die Kommunen müssen Auflagen erfüllen, die auch noch mal ihre Position als Pächter gegenüber dem Eigentümer verdeutlichen.
  5. Die offensichtlich sehr umfangreiche Auflistung von Fällen, in denen Schadensersatzleistungen von Seiten der Kommunen fällig werden, demonstriert die Ansprüche eines Eigentümers.
  6. Es ist zu befürchten, dass auf Grund der Verträge nach amerikanischem Recht Schadens-ersatzansprüche entstehen können, die zu einer unerträglichen Verschuldungssituation der Gemeinden gegenüber dem US-Investor führen.

Kommunalpolitiker, die solche Vertragsklauseln unterschreiben, haben damit ihre Kommune rechtlich gegenüber den US-Investoren gebunden und den Eigentumsübergang vollzogen.

Nach unserer Auffassung liegt die Problematik solcher Verträge vielmehr darin, dass die verantwortlichen Kommunalpolitiker mit dem Abschluss solcher Verträge massiv gegen ihre Pflicht verstoßen, die Selbstbestimmung für ihre Gemeinde aufrecht zu erhalten und die Daseinsvorsorge zu gewährleisten.


Schreiten Sie als zuständige Aufsichtsbehörde ihrer Verantwortung entsprechend ein!

Stoppen Sie sofort sämtliche Vertragsgespräche und Vertragsverhandlungen in den jeweiligen Kommunen ! Wie das Beispiel Aachen zeigt, ist selbst der Eintritt in Verhandlungen ein Risiko für die Kommunen und bedeutet aus der Not heraus ein Zustimmen zu diesen Verträgen.


Lassen Sie die Verantwortlichen in den Kommunen, die offensichtlich auf Grund ihrer Finanznot die bestehenden Risiken nicht mehr sehen wollen/können, nicht ins Unglück laufen !

Wir BürgerInnen, unsere Kinder und Enkelkinder werden die Folgen zu spüren bekommen !

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Anlage: Liste der ErstunterzeichnerInnen

Arbeitsgemeinschaft gegen kommunalen Ausverkauf

Wir fordern Sie auf:

Schreiten Sie als zuständige Aufsichtsbehörde ihrer Verantwortung entsprechend umgehend ein!


Stoppen Sie
sofort sämtliche Vertragsgespräche und Vertragsverhandlungen in den jeweiligen Kommunen !

Lassen Sie die Verantwortlichen in den Kommunen, die offensichtlich auf Grund ihrer Finanznot die bestehenden Risiken nicht mehr sehen wollen/können, nicht ins Unglück laufen !

ErstunterzeichnerInnen des Offenen Briefes vom 20.12.2002 an alle Regierungspräsidenten in NRW


Name Ort Funktion/Organisation

Wolf Stammnit, Dortmund, Linkes Bündnis Dortmund

Astrid KellerDortmund, Linkes Bündnis Dortmund/ Mitglied d. Dortmunder Stadtrates

Reiner GroppKrefeldattac Krefeld/Tönisvorst

Henrik NottelmannDortmund, attac Dortmund

Helmut EigenDortmund, attac Dortmund

Frank Kiesel, HerneFriedensinitiative Herne

Bärbel Beuermann, HernePDS Herne/Wanne-Eickel Mitglied des Stadtrates Herne

Klaus H. Jann,WülfrathFraktionsvors. DLW Wülfrath, attac Wülfrath

Rüdiger Heescher,Witten, attac Witten

Christiane Brosamer,Witten, attac Witten

Martina Nehls-Sahabandu, Bochum,attac Bochum

Ralf Bindel,Bochumattac Bochum

Jürgen Bargmann, Bochum,attac Bochum

Michael Büttne.rBochum,attac Bochum/ver.di Bochum

Daniel ZoelsBochum,attac Bochum

Traute Kirsch,Beverungen,Landesarbeitskreis Deregulierung BUND NRW

Pfarrer Reiner Bach,Bochum

Jürgen Kotbusch, Bochum

Günter Nierstenhöfer, Herne, attac Herne/Mitgl.im Bezirksvorstand ver.di Herne

Burak Copor, Essen,attac essen

Hans Peter Leymann-Kurtz, Essen, attac Essen

Knut Unger ,Witten, Habitat Initiative Germany at Forum Umwelt und Entwicklung/MieterInnenverein Witten

Sabine Leopold, Gelsenkirchen, AUF Gelsenkirchen

Barbara Hornung, Dortmund, attac Dortmund

Dennis Gier, Fröndenberg, attac Dortmund

Till Strucksberg, Dortmund, attac Dortmund

Wilma Redlich, Dortmund, attac Dortmund

Reinhard Wegner, Bochum, Kulturzentrum Bahnhof Langendreer, Bochum (GEW)

Gudrun Menzel, Recklinghausen, attac Recklinhausen

Ulrike Heidemann, Gelsenkirchen, attac Recklinghausen