attac Bochum
Mieterverein Bochum e.V.
:

Verfahren vor Verwaltungsgericht:
Cross-Border-Gegner sehen grobe Täuschung des Rates

Stadtkämmerin Dr. Ottilie Scholz - seit dem Verzicht von Birgit Fischer
wieder heiße Kandidatin für die Nachfolge von OB Stüber - hat den Rat auf
seiner Sitzung am 27. Februar über die Tatsachen des umstrittenen
Cross-Border-Leasing-Geschäfts mit dem Kanalnetz grob die Unwahrheit gesagt.
Das ist die Erkenntnis der Kläger im Prozess um den nicht durchgeführten
Bürgerentscheid aus der Lektüre der zahlreichen Unterlagen, mit denen die
Stadt ihre Position vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen verteidigt.
Ralf Bindel, Sprecher der Leasing-Gegner von attac: "Möglicherweise hätte
der Rat ganz anders entschieden, wenn er die Wahrheit gekannt hätte!"

Dr. Scholz hatte auf der Ratssitzung knapp eine Woche nach Abgabe von 15.100
Unterschriften unter das Bürgerbegehren gesagt, wenn der Vertrag nicht am
10. März unterschrieben werde, sei das Geschäft definitiv geplatzt. Die
Folgen sind bekannt: Alle Parteien nötigten den OB, die Unterschriften bis
zum 9. März zu prüfen, was in zahlreichen Nacht- und Wochenendschichten auch
geschah. Auf einer Sondersitzung am 9. März stellte der Rat zwar den Erfolg
des Bürgerbegehrens fest, beschloss aber, das Geschäft dennoch
durchzuziehen. Später verweigerte der OB die Durchführung des für einen
solchen Fall von Gesetz vorgeschriebenen Bürgerentscheids - was nun
Gegenstand der Klage ist.

Interessanterweise ist in der Erwiderung der Stadt auf die Klageschrift
keine Rede mehr davon, dass das Geschäft zu platzen drohte, wenn es nicht am
10. März vollzogen würde. Stattdessen wird argumentiert, der Gesetzgeber
habe "den zeitlichen Wettlauf zwischen gleichrangig nebeneinander stehenden
demokratischen Elementen wie Ratsbeschluss und Bürgerentscheid ausdrücklich
zugelassen".

Mit zahlreichen Dokumenten belegt die Stadt dabei den Zeitablauf des
Geschäftes. Die Leasing-Gegner von attac und Mieterverein finden darin
Etliches, was Wasser auf ihre Mühlen leitet. So ist der Termin für das
"Closing" (den Vertragsabschluss) erst am 21. Februar - dem Tag der
Unterschriftenabgabe - vereinbart worden. Dieser Termin lag auch nicht am
10., sondern erst am 11. März, und ist zuvor mehrfach verschoben worden -
auf Betreiben des Investors.

Eile war nicht geboten

"Wäre es da nicht zumutbar gewesen", fragt Ralf Bindel, "auch einmal
umgekehrt dem Investor zu sagen: Passt auf, wir haben ein Bürgerbegehren
hier, das müssen wir erst abwarten; bei Erfolg führen wir den
Bürgerentscheid dann schnell durch und wissen Anfang April, ob wir
unterschreiben können oder nicht.?"

Keinerlei Hinweise gibt es in den Unterlagen, dass der Investor das Geschäft
hätte platzen lassen, wenn Unterschrift nicht am 10. März erfolgt wäre.
Lediglich eine Warnung einer Anwaltskanzlei liegt vor, der Investor plane in
den kommenden Wochen und Monaten weitere Transaktionen, so dass seine
"Aufmerksamkeit" für das Bochumer Geschäft vielleicht nicht mehr "in
gleicher Weise zur Verfügung stünde."

Aichard Hoffmann vom Mieterverein wagt eine juristische Bewertung: "Es wäre
der Stadt also durchaus zumutbar gewesen, Rücksicht auf das laufende
Bürgerbegehren zu nehmen und, statt die Sache unnötig zu beschleunigen, ein
bisschen Tempo rauszunehmen. Dadurch wäre - falls der Bürgerentscheid keinen
Erfolg der Gegner gebracht hätte - ein späterer Abschluss des Geschäftes
nicht gescheitert. Und für den Haushalt 2003/04 wäre ein Abschluss im April
oder Mai auch noch früh genug gewesen. Diese unnötige Eile ist genau das,
was das Verwaltungsgericht in früheren Entscheidungen "treuwidrig" genannt
hat."

Kein Agenda-Geld

Unterdessen gibt sie OB Stüber reichlich Mühe, den Cross-Border-Gegnern
weitere Steine in den Weg zu legen. Den Beschluss der Programmgruppe der
"Bochum Agenda 21", die Prozesskosten mit 1000 Euro aus Agenda-Mitteln zu
unterstützen, kassierte er wieder ein. Ein Prozess gegen die Stadt könne
nicht mit städtischen Mitteln unterstützt werden ...

Mit freundlichen Grüßen