Nach dem Bürgerbegehren:
Cross-Border-Gegner reichen Klage ein


Der Abschluss eines Cross-Border-Leasing-Vertrages über das Kanalnetz trotz
erfolgreichen Bürgerbegehrens dagegen hat für die Stadt Bochum ein
juristisches Nachspiel. Die Vertretungsberechtigten des Bürgergegehrens
reichen heute ihre angekündigte Klage gegen die Nichtdurchführung des
fälligen Bürgerentscheides durch die Stadt Bochum vor dem Verwaltungsgericht
ein. Die Klage wird heute um 17 Uhr von den Klägern, ihrem Anwalt und
einigen Unterstützern persönlich beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen,
Bahnhofsvorplatz 3, abgegeben.

Die 16-seitige Klageschrift enthält zwei Anträge.

Antrag 1 lautet:
... die Beklagte wird verurteilt, zu der Frage: "Die Unterzeichner sind
gegen das Verleasen und Rückleasen des Bochumer Kanalnetztes mit einem
US-Investor ("US-Cross-Border-Lease-Transaktion") und somit für die
Aufhebung des entsprechenden Ratsbeschlusses vom 21. 11. 2002." einen
Bürgerentscheid durchzuführen.

Antrag 2 (hilfsweise) lautet:
... festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, einen
Bürgerentscheid zu der Frage: "Die Unterzeichner sind gegen das Verleasen
und Rückleasen des Bochumer Kanalnetztes mit einem US-Investor
("US-Cross-Border-Lease-Transaktion") und somit für die Aufhebung des
entsprechenden Ratsbeschlusses vom 21. 11. 2002." vor Abschluss der Verträge
durchzuführen.

Der Rat der Stadt Bochum hatte auf einer Sondersitzung am 9. März den Erfolg
des Bürgerbegehrens einstimmig festgestellt, gleichzeitig aber mit 34 zu 25
Stimmen beschlossen, ihm nicht zu folgen. In der folgenden Woche hatte
Stadtkämmerin Ottilie Scholz den umstrittenen Vertrag in New York
unterschrieben. Oberbrügermeister Ernst-Otto Stüber hatte daraufhin die
Durchführung des in der Gemeindeordnung NRW zwingend vorgeschriebenen
Bürgerentscheides verweigert, da dies "keinerlei Rechtsfolgen" mehr auslösen
würde.

Demgegenüber sind die Kläger der Meinung, dass § 26 der Gemeindeordnung
(Bürgerentscheid nach erfolgreichem Bürgerbegehren) eindeutig sei und
keinerlei Interpretationsspielraum lasse oder gar Ausnahmen vorsehe. Die
Passage im Wortlaut: "Entspricht der Rat dem zulässigen Bürgerbegehren
nicht, so ist innerhalb von drei Monaten ein Bürgerentscheid durchzuführen.
Entspricht der Rat dem Bürgerbegehren, so unterbleibt der Bürgerentscheid."
(§ 26 Abs. 6 Satz 3 u. 4 GO NW)

Wichtiger als die Nachholung des Bürgerentscheides ist den Klägern jedoch
die Feststellung des Gerichts, dass der Vertrag gar nicht hätte
unterschrieben werden dürfen. Denn inzwischen hat die Kämmerin öffentlich
eingeräumt, dass die Eile, das Geschäft in der zweiten Märzwoche
abzuschließen, gar nicht vom US-Vertragspartner ausging, sondern
ausschließlich von der Stadt Bochum. Ihre Behauptung in der Ratssitzung vom
27. Februar, das Geschäft würde platzen, war also nichts als ein Bluff - das
Bürgerbegehren wurde absichtlich unterlaufen. Dies verstößt jedoch gegen das
Prinzip der Organtreue, den das Oberverwaltungsgericht Münster 1995 (und
1998 auch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen) postuliert hatte.

Zwar haben Bürgerbegehren prinzipiell keine aufschiebende Wirkung, doch
gilt:
"Eine Schranke für die Befugnisse zur Ausführung des Beschlusses ist erst
dann gegeben, wenn der Beschluss der Bürgerschaftsversammlung nicht aus
Sachgründen erfolgt, sondern um einem möglichen Bürgerentscheid
zuvorzukommen, um mit anderen Worten eine Willensbildung auf
direkt-demokratischem Wege zu verhindern. Dies folgt aus dem im Staatsrecht
entwickelten Grundsatz der "Organtreue". Dieser Grundsatz verpflichtet
Organe, sich so zu verhalten, dass die jeweils anderen Organe ihre
Zuständigkeiten Ordnungsgemäß wahrnehmen können."
OVG Münster, 15 B 2799/95
VG Gelsenkirchen, 15 L 3565/98

Die Kläger rechnen damit, dass beide Gerichte, die auch im Bochumer Fall
zuständig sind, ihre bisherige Rechtsprechung bestätigen werden. Dies würde
das Bochumer CBL-Geschäft zwar nicht rückgängig machen, hätte aber
Signalwirkung für alle weiteren CBL-Geschäfte und Bürgerbegerhren in
Deutschland. Der Prozess wird daher nationale Beachtung finden.