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Rede Felix Oekentorp beim Ostermarsch Ruhr am 9.4. 2007 in Bochum-Werne
Montag 09.04.07, 18:33 Uhr

Krieg und Abschiebung

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,wir sind hier beim Ostermarsch Ruhr zusammengekommen um gegen Kriege zu demonstrieren, um dem Völkerrecht Geltung zu verschaffen und um dafür zu plädieren, dass an der Rüstung gespart wird.

Ich will die Gelegenheit nutzen um beim Stichwort Sparen noch einmal darauf hinzuweisen, dass jeder hier und auch jeder von denen die nicht hier sind aber in Deutschland leben an jedem Monat 25 Euro ausgibt für Rüstung und Krieg. So viel umgerechnet steht unserem „Verteidigungsminister“ Franz Josef Jung für seine Bundeswehr zur Verfügung.

Das Wort Verteidigungsminister habe ich in meinem Manuskript in Anführungszeichen gesetzt, denn die Bundeswehr hat sich längst aller Fesseln entledigt. Sie dient längst nicht mehr der Landesverteidigung wie das im Grundgesetz (Art. 87a.1, 26.1)

87a (1) 1Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben..

26 (1) 1. Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig.
2. Sie sind unter Strafe zu stellen.

noch festgeschrieben ist, Deutsche Soldaten sind in aller Welt im Einsatz. Diese Woche wurden 6 Tornados nach Afghanistan entsandt, und wenn man ISAF mal erläutert als das was es dem Wortlaut nach sein sollte: International Security Assistance Force, also Internationale Sicherheitsbeistandstruppe dann stellt man die Frage: Sicherheit – für wen?

Flucht

Ich will hier noch einmal in Erinnerung rufen, was das Handwerk des Soldaten ist: Krieg bedeutet Tod und Zerstörung, bedeutet Flucht und Vertreibung.

Flucht bedeutet für die, die glücklich dem Morden entronnen sind den Verlust der Heimat, den Verlust der sozialen Bindungen, den Zwang sich in der Fremde in einer fremden Sprache verständigen zu müssen.

Manche dieser Flüchtlinge kommen nach Deutschland, etwa ein Drittel aller Asylanträge kommen aus Serbien-Montenegro, Irak und Afghanistan, Länder in dem die Bundesrepublik in irgendeiner Weise am Krieg mitbeteiligt war, oder ist und sei es mit logistischer Unterstützung für die im Irak kriegführende USA. Sie hoffen darauf, endlich in Sicherheit zu sein. Sie wollen hier leben, arbeiten, Teil der Gesellschaft sein. Was aber erleben sie hier in diesem Land? Repression, Ablehnung und Abschiebung.

http://www.migrationsrecht.net/nachrichten-asylrecht/statistik-asylantraege-bundeamt-

fuer-migration-und-fluechtlinge.html

Residenzpflicht

Die gesetzliche Residenzpflicht bedeutet für Asylbewerber: Solange sie sich im Asylverfahren befinden, das oft jahrelang dauert, dürfen sie die Grenzen des Landkreises jeweils nur mit einer Ausnahmegenehmigung verlassen.

Eine Landkarte, welche die Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen abzubilden versuchte, sähe aus wie eine Karte der deutschen Kleinstaaten im 18. Jahrhundert. Dahin, nämlich ins 18. Jahrhundert, gehört auch das Wort Residenz. Flüchtlinge aber residieren nicht, sie hausen unter provisorischen Lebensumständen, wie ihnen die Rechtssprechung beim Thema Mindestanforderungen an Gemeinschaftsunterkünfte ins Stammbuch geschrieben hat. Damit soll ihnen selbst und anderen vor Augen geführt werden, dass ihr Aufenthalt nur ein provisorischer ist auch wenn er jahrelang dauert.

Abschiebehaft

Nach § 62 des Aufenthaltsgesetzes können Flüchtlinge in Abschiebehaft genommen werden, wenn sie versucht haben, sich der Abschiebung zu entziehen oder der „begründete Verdacht“ dazu besteht. Das kann sein, wenn Fristen oder Termine nicht eingehalten wurden oder Flüchtlinge keine gültigen Papiere besitzen. Ich erinnere an obengenannten Grund für Flucht: Krieg! Da kann schon mal das eine oder andere Dokument verloren gehen.

Abschiebehaft ist keine Strafhaft, die Flüchtlinge tragen weder Schuld, noch wird ihnen ein Verbrechen zur Last gelegt. Die Entscheidung fällt kein Gericht, sie liegt im Ermessensbereicht des Ausländeramtes. In der Praxis werden die gesetzlichen Regelungen oftmals nicht eingehalten. So kann es durchaus vorkommen, dass Flüchtlinge während eines Termins beim Ausländeramt von der Polizei in Abschiebehaft genommen werden.

Tatsache ist, dass regelmäßig 30-40 % der Inhaftierten wieder aus der Haft entlassen werden müssen, weil sie widerrechtlich inhaftiert waren. Nur etwa zehn Prozent der Häftlinge sind straffällig geworden.

Der politische Sinn der Abschiebehaft ist die Abschreckung der Asylsuchenden. Abschiebehaft ist von der Ausnahme zur Regel geworden. Zusammen mit anderen Repressionen wie der Internierung von Flüchtlingen in Sammellagern, der sogenannten Residenzpflicht und der Beschneidung des Asylrechts dient sie dem Zweck, unerwünschte Zuwanderung zu beschränken.

Büren

Abschiebegefängnisse befinden sich in NRW in Neuss (ein Frauenabschiebeknast) und bei Büren. Die Justizvollzugsanstalt Büren-Stöckerbusch liegt etwa acht Kilometer außerhalb von Büren, mitten im Wald. Es besteht keine Busverbindung zu dem Komplex, das mit einer hohen Betonmauer umgeben ist. Die ehemalige NATO-Kaserne wurde umgebaut und bietet seit dem 17. Januar 1994 Platz für 530 männliche Häftlinge ab 16 Jahren.

Der Alltag im Knast besteht aus 13-22 Stunden Einschluss in den Zellen. Nur wenige Gefangene haben das „Privileg“, für einen kargen Stundenlohn Kabel zu binden oder einzutüten.

Die allermeisten Flüchtlinge sind mittellos, wenn sie hier ankommen, einige haben nicht einmal ausreichend Kleidung. Im Knast erhalten sie lediglich ein geringes Taschengeld (bei Bedürftigkeit). Wenn einzelne Gefangene dennoch Geld besitzen, wird es ihnen abgenommen: Sie müssen – Gipfel des Zynismus – das „Hotel Abschiebehaft“ und ihre eigene Abschiebung selbst bezahlen. Wie soll man in einer solchen Situation Kontakt zu Familie und Freunden in Deutschland halten können. Die Gefangenen dürfen zwar telefonieren und Besuch empfangen. Doch ist bereits die ungünstige Lage des Knastes fern ab der Zivilisation ein Hindernis für Besuchswillige, die in der Regel ebenfalls über wenig Geld verfügen.

http://www.aha-bueren.de/aktuell.htm

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

ich danke Euch für die Aufmerksamkeit. Warum ich hier und jetzt auf die Flüchtlingsfrage zu sprechen gekommen bin, mag sich der eine oder die andere fragen. Der Grund ist:

Schon jetzt, über ein halbes Jahr vor dem Antikriegstag sind wir zusammengekommen um eine Demo am Abschiebegefängnis in Büren am Sonntag 2. September 2007 vorzubereiten, ich lade schon jetzt zur Teilnahme ein und bin sicher, dort viele von Euch wiederzusehen.

Informationen dazu findet Ihr bereits jetzt unter bueren-demo .de


Rede von Elke Koling, IPPNW, zum Auftakt des Ostermarsches am 9. 4. 2007 in Bochum Werne
Montag 09.04.07, 18:23 Uhr

Krieg und Kinder

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

eigentlich wollte ich etwas zu den Tornadoeinsätzen in Afghanistan sagen und wo sich deutsche Soldaten noch überall im Krieg befinden. Ich finde dies ist ein wichtiges Thema, aber ich glaube, dass allen Menschen, die heute zum Ostermarsch nach Werne gekommen sind dies wissen.
Deshalb habe ich mich für ein anders Thema entschieden. Dies liegt mir als Ärztin für Neurologie und Mutter besonders am Herzen.
Die virtuelle Kriegsvorbereitung.

Amerikanische Kinder und Jugendliche verbringen mehr Zeit vor dem Bildschirm als mit jeder anderen Tätigkeit außer Schlafen. Schon Zweijährige sitzen dort zwei Stunden vor dem Bildschirm. Ein Durchschnittsschüler hat dort nach Abschluß der High-School (das heißt nach 12 Schuljahren) etwa 13.000 Stunden in der Schule verbracht – und 25.000 vor dem Fernsehapperat. Der amerikanische Medizinerverband American Medical Associatin hat geschätzt, dass ein Kind nach Abschluss der Grundschlule, also mit zehn oder elf Jahren, bereits 8.000 Morde und 100.000 Gewalttaten im Fernsehen gesehen. Es wurde weiterhin geschätzt, dass Kinder, die in Haushalten mit Kabelanschluss oder Videorekorder aufwachsen, bis zum 18. Lebensjahr 32.000 Morde und 40.000 versuchte Morde gesehen haben und dass diese Zahlen für bestimmte Bevölkerungsgruppen in den Innenstädten noch weit höher liegen.
Hierzulande ist die Datenlage nicht viel besser: Der tägliche Fenrsehkonsum liegt im Vorschulalter bei 70 Minuten, im Grundschulalter (bei den Sechs- bis Neunjährigen) bei gut 1,5 Stunden und bei den 10- bis 13jährigen bei knapp zwei Stunden. Besitzt ein Kind sein eigenes Fernsehgerät, schaut es noch deutlich mehr fern. Der Anteil der Kinder mit eigenem Fernseher nimmt zu. Gewalt kommt in 78,7% aller Sendungen des deutschen Fernsehens vor, ein Wert der Anfang der 90 iger Jahre noch bei knapp 47,7% lag. In Deutschland sehen 20% der Jugendlichen jeden Tag mindestens einen Horrorfilm.
Hinzu gesellt sich in den letzten Jahren schleichend und von vielen nicht wahrgenommen eine „Industrie“, die das Fernsehen im Hinblick auf die Stärke der negativen Auswirkungen noch übertrifft: In Computer und Videospielen wird Gewalt nicht passiv konsumiert, sondern aktiv trainiert. Dies ist im Grunde ein unglaublicher Vorgang. Milliarden werden ausgegeben, um die Kinder im Töten zu perfektionieren. Je brutaler und grausamer das Spiel ist, desto höher ist seine Attraktivität bei Kindern und Jugendlichen. Pikanterweise werden diese Spiele von den Kindern und zum Teil auch deren Eltern verharmlosend als „Ballerspiele“ bezeichnet, gemeint sind aber Gewalt- und Tötungsspiele.
Bei der überwiegenden Mehrzahl der Computer und Videospiele handelt es sich um Softwear
zum Trainieren von Gewalt, zum Abgewöhnen von Tötungshemmung und zur Abstumpfung gegenüber Mitgefühl und sozialer Verantwortung. Die Spiele wurden zum Teil explizit vom Militär entwickelt. Mit dem Spiel „American`s Army“ werden die Kinder in die Details militärischer Organisationsformen und Arbeitsweisen von Dienstrangbezeichnungen bis Erstürmungsstrategien eingeführt. Dann lernen sie Schießen auf Menschen und wer das alles kann hat bei der Bewerbung in der US-Armee eine bessere Chance.
Die Folgen bleiben häufig zunächst auf die Familien beschränkt. Als Spitze des Eisberges, tauchen hier in Deutschland immer wieder Gewalt in Schulen auf, wie zuletzt in meiner Heimatstadt Emsdetten. Bei all diesen Täter war eine besondere Vorliebe für brutale Computerspiele bekannt.
In den USA hat man während oder nach dem Irakkrieg Kampfbomberpiloten befragt. Den allermeisten war nicht bewusst, dass sie sich im Krieg befanden und gerade Menschen töteten. Wahrscheinlich hatten sie eher das Gefühl, dass sie gerade ein Computerspiel spielen würden.
Als ich Kind war, hat die Friedensbewegung mit großem Aufwand Kriegsspielzeug gegen Stofftiere eingetauscht.
Das fand ich gut. Verglichen mit den heutigen Computerspielen und deren Konsequenz auf zukünftige Kriege war das Kriegsspielzeug meiner Kindheit völlig harmlos.
Was ist für uns als Friedensbewegung die Konsequenz.
Wir müssen auf jeden Fall das Problem der Kriegs- und Gewaltvorbereitung durch Fernsehen und Computerspiele als Friedensbewegung erkennen, zu unserem Thema machen und öffentlich ablehnen, das heißt auch politische Verbote einfordern. Das passiert Gott sei Dank ab und zu in meinen Fachzeitschriften und bei den Pädagogen wahrscheinlich auch, in den friedenspolitischen Medien habe ich es bisher noch gar nicht gefunden. Hier herrscht meiner Auffassung nach dringend Nachholbedarf.
Für Menschen mit Kindern, Enkelkindern, Patenkindern gilt natürlich je später ( im Lebensalter) und je kürzer die Kinder vor dem Bildschirm, egal ob Fernsehen oder Computer, sitzen, um so besser. Dies ist natürlich erheblich anstrengender und komplizierter. Kinder vor dem Computer sind von ihrem Spiel begeistert, langweilen sich nicht, sind ruhig und machen nichts dreckig.
Für alle Menschen ohne Kinder bedeutet dies, Kinder, die nicht vorm Bildschirm sitzen, sind für ihre Umwelt lauter, dreckiger und machen mehr kaputt-
Sehen wir und sie das als Chance und freuen uns über jedes Kind was mit Matscheschuhen von draußen reinkommt und denken „ Dieses Kind hat gerade nicht Krieg gespielt.“
Frohe Ostern!


Predigt von Pfarrer Jürgen Klute für den Gottesdienst zum Ostermarsch 2007, 09. April 2007 in der Evangelischen Kirche Bochum-Werne, 10.00 Uhr
Montag 09.04.07, 18:00 Uhr

„Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“

Predigttext: Amos 5, 24
„Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, liebe Gemeinde,

zunächst darf auch ich Sie noch einmal ganz herzlich zu diesem Gottesdienst zum Ostermarsch 2007 begrüßen.

Wenn ich die Nachrichtensendungen der letzten Monate Revue passieren lasse, dann wecken viele der Bilder Erinnerungen an meine Jugend. Nämlich an die Zeit des Vietnamkrieges. Damals in den 1960 und bis Mitte der 1970er Jahre waren täglich Bilder von Kriegsszenen in Vietnam in der Tagesschau zu sehen.

Auch heute laufen wieder fast täglich Bilder militärischer Gewalt über den TV-Bildschirm: aus dem Irak, aus Afghanistan, aus Palästina.

Auch wenn wir hier in der EU seit über 60 Jahren keinen Krieg mehr hatten – die Welt ist in dieser Zeit keineswegs friedlicher und auch keineswegs gerechter geworden – wie die Armutsstatistiken weltweit und vor Ort zeigen.

Und die Lehren, die die deutsche Gesellschaft 1945 nach dem Untergang der faschistischen Diktatur und dem Ende des zweiten Weltkriegs aus ihrer Geschichte ziehen wollte, sind offenbar auch längst über Bord geworfen. Denn mit immer größeren Schritten beteiligt die Bundesregierung die Bundeswehr an internationalen Militäreinsätzen. Erst in den letzten Tagen sind zusätzliche Kriegsflugzeuge der Bundeswehr in Afghanistan gelandet. Der Einsatzauftrag der Bundeswehr ist zugleich ausgedehnt worden.

Doch das ist nur die direkt wahrnehmbare Seite der zunehmenden Militarisierung unserer Gesellschaft. Vor einigen Wochen empfahl Kanzlerin Angela Merkel auf einem Kongress der deutschen Industrie, sich durch Aufkäufe und Beteiligungen stärker um die Sicherung von Rohstoffen für die BRD zu bemühen. Dazu passt, dass die verteidigungspolitischen Richtlinien längst den Schutz von Handelswegen und Rohstofflieferwegen zum herausragenden Auftrag der Bundeswehr erklärt haben. Dazu passt, dass die Bundeswehr zur Zeit eine Art Heimatschutz aufbaut, wie letztlich in der Presse zu lesen war. Dazu passt, dass Innenminister Schäuble sich vehement für eine Auflösung der klaren Grenzen zwischen Polizei, Geheimdiensten und Armee einsetzt. Dazu passt aber auch, dass Polizei und Grenzschutz mittlerweile darin trainiert werden, Arbeitsagenturen vor Arbeitslosen zu schützen. – Diese Entwicklung geht einher mit der Verarmung und Ausgrenzung eines immer größeren Teils der Gesellschaft, der ökonomisch nicht mehr gebraucht wird. Noch immer gilt: Was das Militär an Geld frist, das Geld fehlt in der Sozial- und Bildungspolitik.

Sie mögen sich nun fragen, was diese gegenwärtigen gesellschaftlichen Umbauprozesse mit unserem Predigttext zu tun haben mögen, der dem Buch des Propheten Amos entnommen ist. Dort ist doch von Recht und Gerechtigkeit die Rede, die wie Wasser und wie ein nie versiegender Bach strömen mögen. Genau heißt es dort in Kapitel 5, Vers 24: „Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.

Um diesen wohl bekanntesten Satz aus dem Buch des Propheten Amos in seiner politischen – oder präziser gesagt in seiner friedenspolitischen – Bedeutung verstehen zu können, ist nützlich, einen kurzen Blick auf den sozialen Kontext zu werfen, in dem dieser Satz gesagt worden ist. Dann wird auch schnell der Bezug zu dem deutlich, was ich eingangs gesagt habe.

Die alttestamentlichen Propheten haben immer in einem konkreten sozialen und politischen Kontext geredet. Sie haben diesen Kontext theologisch interpretiert und bewertet. So auch Amos. Amos hat um 760 vor Chr. gewirkt. Und zwar in Israel, dem Nordteil des ehemaligen in zwei Teile zerfallen Imperiums von König Salomon. Es war die Zeit Jerobeams II. Die Zeit seiner Herrschaft fiel in die Zeit eines politischen Machtvakuums im vorderen Orient.

Jerobeam II. hat diese politische Situation in zwei Richtungen zu nutzen verstanden. Zum einen hat er, wie Amos beschreibt, eine brutale militärische Expansionspolitik betrieben. Das 1. Kapitel des Prophetenbuches spricht von „eisernen Schlitten“, mit denen die Bevölkerung der eroberten Gebiete „gedroschen“ wurde. Was wohl nichts anderes bedeutet, als das die Zivilbevölkerung durch Jerobeams Armee ziemlich dahingemetzelt wurde.

Zum zweiten hat Jerobeam Zugang zum internationalen Handel gesucht. Das war nötig, um an die für seine Militärpolitik erforderlichen Rüstungsgüter zu kommen. Israel hat allerdings nur landwirtschaftliche Waren erzeugt, die – so wie wir es auch heute noch aus dem internationalen Handel kennen – gegenüber den eingekauften Gütern als geringwertiger galten. Folglich musste die landwirtschaftliche Produktion intensiviert werden und die Abgaben erhöht werden.

Internationalisierung des Handels und militärische Expansion haben den gesellschaftlichen Mechanismus in Gang gesetzt, der zur Zeit des Propheten Amos zu einer brutalen Unterdrückung und zur Verarmung der Landbevölkerung in Israel geführt hat. „Sie treten den Kopf der Armen in den Staub und drängen die Elenden vom Weg.“ So beschreibt es Amos (2, 7).

Der Luxus der kleinen Gruppe der StadtbewohnerInnen, den Amos an anderer Stelle geißelt, ist nur ein „Nebenprodukt“ dieser strukturellen Ungerechtigkeit. Verurteilt wird der Luxus von Amos weniger als moralisches Fehlverhalten der reichen StadtbewohnerInnen, sondern als ein Ausdruck der Unrechtsstrukturen, die hinter dem Luxus liegen.

Auch die Kritik des Propheten an den Tempelgottesdiensten ist nicht moralisch zu verstehen. Vielmehr geht es um die Rolle der Religion in dem politischen System, das Jerobeam II. in seiner recht langen Herrschaftszeit errichtet hat. Die Gesellschaft Israels zur Zeit Jerobeams II. war keine Sklavengesellschaft, sondern eine Gesellschaft freier Bauern. Die Bauern waren dem König gegenüber jedoch Tribut pflichtig. Die Einnahmestelle für die dem König geschuldeten Tribute war der Tempel. Der Tempel war also eine zentrale Schaltstelle des von Amos kritisierten Unrechtssystems. Dass der Tempel und die Priester diese Rolle gespielt haben, dass ist der Kern der Kritik des Amos am Tempel, an der Religion.

In diesem Machtgefüge hat Amos sich bewegt und gewirkt. Er selbst hat sich nicht als Prophet verstanden, sondern er hat sich als das verstanden, was er war: als ein Hirte. Er ist also selbst Teil der unterdrückten und verarmten Landbevölkerung gewesen, in gewisser Weise einer ihrer Sprecher. Er weis sich jenem alttestamentlichem Gott verpflichtet, der das Schreien seines leidenden Volkes hört und erhört. In diesem Sinne – also im Sinne einer Option für die Armen – hat Amos in seiner Kritik die andere Seite der für viele erfolgreichen Politik Jerobeams II. zur Sprache gebracht.

Erkauft waren die militärischen und wirtschaftlichen Erfolge Jerobeams mit der Armut und der Unterdrückung der einfachen Landbevölkerung. Diese unpopuläre Seite hat Amos zur Sprache gebracht – und er hat die Gründe für die herrschende Armut und Unterdrückung offen gelegt und die dahinter liegenden Interessen sichtbar gemacht und einer scharfen theologischen Kritik unterzogen, er hat sie theologisch verurteilt. Amos war kein Moralapostel. Er war Prophet in dem Sinne, dass er unentrinnbar Sprachrohr Gottes und zugleich seines leidenden Volkes war und damit dem Rad des politischen Machtgefüges seiner Zeit in die Speichen gegriffen hat.

„Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“

Dieser Satz ist kein moralischer Appell, kein frommer Wunsch. Er ist auch weniger die Beschreibung eines zukünftigen wünschenswerten Zustandes, der Traum von einem Paradies, sondern vor allem zentrales theologisches Kriterium des Propheten Amos zur Analyse und Beurteilung der ihn umgebenden Wirklichkeit. Einer Wirklichkeit, die alles andere als von Recht und Gerechtigkeit durchströmt ist. Es ist eine Wirklichkeit, in der Amos die Internationalisierung des Handels und die Kriegspolitik Jerobeams II. als zentrale Ursache von Unterdrückung und Verarmung eines großen Teils der israelischen Landbevölkerung ausgemacht hat.

Vom Propheten Amos zu lernen, bedeutet daher für uns:

Wir dürfen nicht den Fehler machen, von Amos Moral predigen lernen zu wollen. Vielmehr müssen wir uns genau anschauen, welche Rolle er in der ihn umgebenden Wirklichkeit, in seiner Gesellschaft eingenommen hat. Um uns dann zu fragen, welches unsere Rolle heute als Christinnen und Christen in der uns umgebenden Wirklichkeit ist. Das kann konkret nur bedeuten, immer und immer wieder die zunehmende Verarmung und die zunehmende Beschneidung von Bürger- und Bürgerinnenrechten als Folgen der eingangs beschriebenen Militarisierung der Politik hier in unserer Gesellschaft deutlich beim Namen zu nennen und ebenso die weltweiten Folgen zunehmender Verarmung, Unterdrückung und Missachtung von Menschenrechten und Völkerrecht durch den so genannten Anti-Terror-Krieg, der vor allem der Durchsetzung von westlichen Wirtschaftsinteressen mit militärischen Mitteln dient.

Vom Propheten Amos zu lernen, bedeutet für uns weiterhin:

Gerechtigkeit ist keine moralische Größe, keine Frage individueller Verhaltensweisen – jedenfalls geht es dem Propheten Amos nicht um diese Dimension, sondern es geht ihm um Gerechtigkeit als politische Dimension.

Gerechtigkeit und Krieg vertragen sich nicht! Das ist die zentrale Aussage unseres Predigttextes. Das heißt: Es gibt keinen gerechten Krieg. Im Krieg und in der Militarisierung der Politik – wie wir sie gegenwärtig erneut erleben – sind, wenn nicht die einzigen, so doch die zentralen Ursachen für soziale Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu suchen. Wer Gerechtigkeit will, der muss also der gegenwärtigen Militarisierung der Politik klar, unmissverständlich und unerschrocken entgegentreten – im Zweifelsfall auch mit Mitteln des zivilen Ungehorsams, so wie der Prophet und Ziegenhirte Amos dem Priester Amazja, dem Chef des Tempels in Bethel entgegengetreten ist und der der Meinung war, dass das Land die Worte des Amos nicht ertragen könne und ihn deshalb des Landes verwiesen hat.

Vom Propheten Amos zu lernen, bedeutet für uns zu verstehen:

Die Analyse und die Bekämpfung der Ursachen für Kriege sind die Voraussetzung und der Schlüssel für Gerechtigkeit – innerhalb unserer Gesellschaft wie auch weltweit. Dazu beizutragen ist unsere Aufgabe als Christinnen und Christinnen in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Lage.

In diesem Sinne tun wir gut daran, als Christinnen und Christen uns mit unseren biblischen Friedenstraditionen und mit prophetischer Wachsamkeit und Kritik aktiv in die Ostermarschbewegung einzubringen und mit den Freunden und Freundinnen anderer Konfessionen und Weltanschauungen, aus Friedensinitiativen, aus sozialen Bewegungen, aus Gewerkschaften und aus Parteien gemeinsam dafür zu kämpfen, dass Recht wie Wasser ströme und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.

Amen


Vortrag von Wolfgang Dominik am 8.4.2007 auf dem Ostermarsch in Bochum
Sonntag 08.04.07, 21:30 Uhr

„Atomwaffen abschaffen – bei uns anfangen“

Liebe FriedensfreundInnen,weil Reiner Braun, Geschäftsführer der IALANA und Vorstandsmitglied der Naturwissenschaftlerinitiative Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit kurzfristig seine Teilnahme absagen musste, hat das Friedensplenum mich beauftragt, Reiner Brauns Redebeitrag heute vorzulesen. mehr…


Stellungnahme von Karsten Finke, Grüne, KV Bochum
Sonntag 08.04.07, 20:45 Uhr

Grüne müssen endlich zurück zu ihren friedenspolitischen Wurzeln

Als friedenspolitischen Sprecher der Bochumer Grünen haben mich die Aussagen der Grünen Bundesspitze in den letzten Tagen mehr als verärgert. Die Bundesgrünen versuchen sich mit polemischer Kritik an der Friedensbewegung als mögliche Regierungspartei anzubiedern und vergessen dabei ihre friedenspolitischen Wurzeln. Der Vorwurf der Bundessprecherin Claudia Roth und des verteidigungspolitischen Sprechers Winfried Nachtwei, dass die Friedensbewegung „pauschal“ Kriege ablehnt ist lächerlich, denn wir alle sollten Kriege grundsätzlich ablehnen und alles in unserer Macht stehende tun, um Kriege und militärische Konflikte zu verhindern.
Andererseits haben sie auch Recht, indem sie sagen „Friedenspolitik heute muss eine Politik sein, die auf Gerechtigkeit, Solidarität, Armutsbekämpfung und den nachthaltigen Umgang mit der Natur basiert.“ Außerdem verbindet die Grüne Bundesspitze mit der Friedensbewegung, dass sie beide für Abrüstung, besonders im eigenen Land, streiten.
Trotzdem ist der Wortlaut und einige der Äußerungen von Claudia Roth und Winfried Nachtwei einfach nur zu verurteilen und zielten auf den absolut falschen Ansprechpartner. Die Grüne Bundesspitze sollte viel mehr die anderen Parteien angreifen und ihnen gegenüber für eine konsequent gewaltfreie Außen- und Sicherheitspolitik eintreten, sie hingegen greifen die Friedensbewegung an nicht genau zu differenzieren.
Dass der grüne Bundestagsabgeordnete Markus Kurth nicht auf den Brief des Bochumer Friedensplenums geantwortet hat, tut mir sehr Leid, insbesondere aus dem Grund, dass er sehr viele Übereinstimmungen mit den Bochumer Friedensbewegten hat. Auch er hat den Afghanistan-Einsatz von vornherein abgelehnt und auch er war schockiert, dass etwa die Hälfte aller grünen Bundestagsabgeordneten für den Tornado-Einsatz gestimmt hat. Ich hoffe, dass dies ein Versehen seinerseits war.
Die Bochumer Grünen haben sich immer als Teil der Friedensbewegung verstanden und auch immer an den Ostermärschen teilgenommen. Wir haben bis jetzt auch konsequent alle Kriegseinsätze, auch die der rot-grünen Bundesregierung abgelehnt. Ich hoffe, dass die Ostermärsche wieder gut besucht sind, auch wenn viele Menschen bei ihren Familien sind und deswegen vielleicht keine Zeit haben aktiv an den Märschen teilzunehmen.
Außerdem hoffe ich, dass die Grünen und insbesondere die grünen Bundestagsabgeordneten endlich wieder zu ihren friedenspolitischen Wurzeln zurückfinden und zwar auch in der Regierungszeit.
Ich bin davon überzeugt, dass wir alle – egal wie viel wir bereits für Frieden eintreten – noch viel mehr tun können, besonders die Grünen.


Norbert Kozicki, Sozialwissenschaftler beim Falken Bildungs- und Freizeitwerk NRW:
Freitag 06.04.07, 14:30 Uhr
Ostern 2007: Neue „Spitzenwerte“ im SGBII-/HartzIV-Bereich

Mehr als 7,1 Millionen Menschen bundesweit in Bedarfsgemeinschaften

Unbemerkt von der Öffentlichkeit nimmt die Entwicklung im Bereich des Sozialgesetzbuchs II weiterhin dramatische Züge an: Im Monat März des Jahres 2007 lebten bundesweit über 7 117 398 Menschen in den Bedarfsgemeinschaften – so viele wie noch nie. Bereits im Monat Februar wurde die 7-Millionen-Grenze überschritten.
Auch in Nordrhein-Westfalen verzeichnet die Statistik der Bundesagentur einen neuen „Spitzenwert“: 1 657 446 Menschen in Bedarfsgemeinschaften – so viele wie noch nie. Bezogen auf NRW bedeutet das, dass seit der Einführung von HartzIV im Januar 2005 eine Zunahme von fast genau 26% festgestellt werden muss. Bundesweit liegt diese Zunahme bei fast 27%.
Wenn man/frau diese Zahl von über 1 657 446 Menschen in NRW mit der Zahl der Sozialhilfeempfänger vom Monat Dezember 2004, als letztmalig die „alte“ Sozialhilfe ausgezahlt wurde, vergleicht, kommt man/frau zu dem Ergebnis, dass sich die Zahl der betroffenen Menschen, die auf Sozialhilfe-Niveau leben müssen, um 126 % erhöht hat, und das innerhalb von 2 ¼ Jahren.
Jüngere Menschen und Alleinerziehende sind von dieser Armutsentwicklung besonders betroffen.
In NRW überschritt die Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften unter 25 Jahre erstmalig die 700 000-Grenze: im Monat März 2007 lebten 705 507 junge Menschen unter 25 Jahre von „HartzIV“. Das entspricht einer Zunahme zum Monat Dezember 2004 von rund 90,8%.
Auch für die Kinder unter 15 Jahre, die in HartzIV-Lebensgemeinschaften aufwachsen müssen, gibt es für NRW einen neuen „Spitzenwert“: im Monat März 2007 462 804 Kinder !! Das entspricht einer Zunahme zum Monat Dezember 2004 von rund 84,2%.
Für die Kinder unter 15 Jahre wird das Sozialgeld ausgezahlt. Wenn die Entwicklung der Zahlen der Sozialgeldempfänger im Zeitraum vom Januar 2005 bis März 2007 für einzelne Städte betrachtet wird, kann man im Ruhrgebiet folgendes feststellen: Bochum verzeichnet für diesen Zeitraum eine Zunahme von 34,7%, Mülheim 31,7% und Herne 29,8%. In NRW betrug diese Zunahme 28,6%, bundesweit 26,9%.
Die ungekrönten „Spitzenreiter/innen“ dieser gesamten Negativentwicklung stellen die Alleinerziehenden dar: Seit dem Monat August des Jahres 2005, als erstmalig die Zahlen der betroffenen Alleinerziehenden in der Bundesstatistik ausgewiesen wurden, stieg die Anzahl der Alleinerziehenden im HartzIV-Bezug bundesweit um 35,9% und in NRW um 50,8%.
Selbst diese prozentualen Steigerungsraten werden in einzelnen Städten noch übertroffen, z.B. in Gelsenkirchen stieg die Zahl der HartzIV-betroffenen Alleinerziehenden von April 2005 bis März 2007 um 57,2%.
Diese hier vorgelegten Zahlen (im Anhang sind die entsprechenden Tabellen zu finden) beweisen, dass die Menschen, die nach Leistungen des Sozialgesetzbuchs II leben müssen, von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt sind. Der angebliche positive Trend der Arbeitsmarktentwicklung kommt im HartzIV-Bereich überhaupt nicht zur Geltung.

Statistik: SGB II- Sozialgeldempfänger/Nicht-erwerbsfähige Hilfebedürftige
Statistik: SGB II – Anzahl der Bedarfsgemeinschaften
Statistik: SGB II – Personen in Bedarfsgemeinschaften


Presseinformation der Sozialen Liste vom 4. 4. 2007
Mittwoch 04.04.07, 18:00 Uhr

1. Befreiung der ALG II – Bezieher von den Kontoführungskosten bei der Sparkasse Bochum?
2. Eigenanteil für Schulbücher/ Lernmittel und Mittagsmahlzeit

Befreiung der ALG II – Bezieher von den Kontoführungskosten bei der Sparkasse Bochum?
Über die Frage eines kostenlosen Kontos für ALG II- Empfänger soll bis Juni dieses Jahres bei der Sparkasse entschieden werden. Die Soziale Liste Bochum hatte einen einsprechenden Antrag in der 10. Ratssitzung „wegen weiteren Klärungsbedarfs“ zurückgestellt. Seitdem wird diese Frage im Verwaltungsrat der Sparkasse behandelt und soll zu dessen nächster Sitzung geklärt werden.Diese Mitteilung machte Grünen-Ratsfrau Anna Konincks, die dem Verwaltungsrat der Sparkasse angehört, Günter Gleising von der Sozialen Liste in einem Gespräch am 26. Februar 2007.


Die Soziale Liste hat außerdem eine Schriftliche Anfrage zur Ratssitzung am 19. April 2007 gestellt, deren Wortlaut wir dokumentieren:
Eigenanteil für Schulbücher/ Lernmittel und Mittagsmahlzeit
Beide Problembereiche haben die Ausschüsse und den Rat mehrfach beschäftigt, ohne dass eine befriedigende Lösung gefunden werden konnte. Vor allem das Problem der Nichtteilnahme am Mittagessen wird an den Schulen immer dringender. Wir stellen daher folgende Anfrage:
1. Wie erfolgt bisher der Umgang mit Kindern, deren Eltern den Eigenanteil für Schulbücher und Lernmittel nicht aufbringen können?
2. Wie schätzt die Verwaltung das Problem für das kommende Schuljahr ein?
3. Wie hoch ist der Anteil von Schülern mit diesen Problemen? Gibt es örtliche Unterschiede, wo dieses Problem besonders hoch oder besonders gering ist?
4. Wie weit ist das in diesem Zusammenhang angedachte oder geplante Projekt einer „Bürgerstiftung“?
5. Wie hoch ist der Anteil von Schulkindern in Ganztagsschulen, die nicht am Mittagessen teilnehmen? Sind die Gründe für diese Nichtteilnahme bekannt? Wenn ja, welche sind es?
6 Wie schätzt die Verwaltung das Problem der Verpflegung von Schulkindern (Pausenbrot, Mittagessen) insgesamt ein? Wie hoch wäre der finanzielle, organisatorische und personelle Aufwand, um hier eine solche Regelung zu erreichen, dass alle Kinder an einem gemeinsamen Mittagessen in den Schulen teilnehmen können?
7. Wie könnte das Problem des fehlenden Pausenbrotes gelöst werden?
8. Könnte auch hier die „Bürgerstiftung“ tätig werden?
9. Ist es möglich, dass die Verwaltung diese gesamte Problematik aufarbeitet und sie in den Ausschüssen und dem Rat politisch diskutiert wird?Begründung:
Die Probleme sind sicherlich allgemein bekannt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatten um Bildungspolitik, demografische Entwicklungen, soziale und Zukunftsfragen haben sie jedoch eine besondere Brisanz und sollten aus kommunalpolitischer Sicht angegangen werden. Wir plädieren daher für eine Diskussion über diese Fragen, wie unter 9 beschrieben.

Bochum 2007-04-04


Pressemitteilung der Rubrosen / Juso-Hochschulgruppe an der RUB vom 27.3.2007
Dienstag 27.03.07, 16:30 Uhr

Linker AStA ist möglich

In den letzten Wochen ist viel geschehen. Auf ein Event muss die Studierendenschaft jedoch leider immer noch warten: Auf das Ende der Koalitionsverhandlungen, auf die Bildung eines neuen AStAs.
Wir wollen einen neuen AStA. Dadurch, dass sowohl die Grüne Hochschulgruppe als auch die alternative liste ohne LHG, dafür mit der Linken Liste an einem Tisch sitzen wollen, haben wir auch die Linke Liste zu gemeinsamen Gesprächen mit den Listen Grüne Hochschulgruppe, alternative liste, Schöner Wohnen in Bochum und Gottkaiser eingeladen.
Dass dies uns aufgrund der Geschehnisse in der Vergangenheit nicht leicht gefallen ist, sollte zumindest den hochschulpolitisch interessierten RUB-Studierenden klar sein.
Eine Koalition, in der sowohl die Linke, als auch die alternative Liste vertreten sein wird, wird andere Ansprüche haben als ein konstruktiv-linker AStA. Auch dies ist uns bewusst.
Wir sind bereit, Zugeständnisse zu machen. Dies setzt jedoch voraus, dass sich alle Listen zusammen raufen und die „alten Gepflogenheiten“ über Bord werfen. Die verfasste Studierendenschaft ist kein Kindergarten. Es geht darum, die Interessen von 32.000 Studierenden an der Bochumer Ruhr-Universität zu vertreten.
Die Rubrosen haben sich stets für den Kampf gegen Studiengebühren eingesetzt. Wir wollten niemals die Idee der AktivistInnen der FUB in ihrem Kampf gegen Studiengebühren kritisieren. Sollten wir im Wahlkampf mit unseren Publikationen den Anschein erweckt haben niedere Instinkte, wie „Futterneid“ ansprechen zu wollen, tut uns dies Leid.
Der Zweck unseres Wahlkampfes war es Fehler des amtierenden AStA der Studierendenschaft aufzuzeigen. In unseren Augen war es ein Fehler den Kampf gegen Studiengebühren nur über die FUB zu führen. Es ging niemals darum Menschen, die bezüglich Studiengebühren das gleiche Ziel verfolgen wie wir, zu beleidigen.
Wir akzeptieren die Förderung der Initiative „Rote Ruhr Uni“, wenn uns ein akzeptables Konzept vorgestellt werden kann. Wir nehmen den Auftrag, politische Bildung als AStA zu leisten, ernst. Im letzten Jahr hat die „RRU“ (Quelle: http://www.rote-ruhr-uni.com/archiv/2006/index.shtml) 5 Veranstaltungen gemacht. Dies sind weitaus weniger als in den Vorjahren. Das AStA-Referat für Kritische Wissenschaften hat die Planung der Veranstaltungen übernommen und dafür hat der AStA 5750 Euro ausgegeben. Zusätzlich kommen die 4000 Euro, die die Rote Ruhr Uni pauschal für die laufenden Kosten der RRU erhalten haben. Wir wünschen uns, dass die AktivistInnen der Roten Ruhr Uni uns Pläne vorlegen können, die mehr Leute als im letzten Jahr zu den Veranstaltungen locken können. Außerdem brauchen wir, um der Förderung des Projekts zuzustimmen, Klarheit, ob die Rote Ruhr Uni mehr Veranstaltungen als im letzten Jahr machen will. Es ist schwer, der Studierendenschaft zu vermitteln, dass für 5 Diskussionsveranstaltungen fast 10.000 Euro ausgegeben werden.
Wir sind auch bereit, den Gebühren-Boykott in einem AStA zu unterstützen. Allerdings wollen wir auch hier vorher Klarheit. Deswegen muss der nächste AStA zügig Info-Termine einrichten und auch auf einer weiteren Vollversammlung das Interesse der Studierendenschaft abfragen. Ohne Unterstützung der Studierendenschaft macht ein Gebühren-Boykott keinen Sinn. Vielleicht kann allerdings eine positive Stimmung zum Gebühren-Boykott erzeugt werden, wenn ab April klar ist, für was die Studiengebühren überhaupt ausgegeben wurden. Es ist zu erwarten, dass auch die Ruhr-Universität wie andere Universitäten nicht ordnungsgemäß mit dem Geld der Studierendenschaft umgehen.
Antifaschistisches Engagement ist wichtig. Vor zwei Wochen hat der RCDS gezeigt, dass anscheinend nicht genug Bildungsarbeit getan wurde. Auch die Studierendenschaft hat die Aufgabe, aktiv den Kampf gegen Rechtsradikalismus zu unterstützen. Dieses Engagement darf nicht an der Uni-Brücke enden. Wir unterstützen die Forderung der Grünen, dass sich auch der AStA an Bündnissen gegen Rechts außerhalb des Campus beteiligen muss.
Auch die Forderung der Listen, weitere politische Referate einzuführen, wird von uns nicht abgelehnt. Ein Referat für Grund- und Freiheitsrechte sowie ein Referat für Friedenspolitik wird im nächsten AStA seinen Platz finden können, wie es LiLi, al, Grüne und SWIB fordern.
Uns liegt es sehr am Herzen, dass ein neuer AStA für die Studierenden gebildet wird. In zwei Wochen beginnt das neue Semester, das erste Semester, in dem Studiengebühren eingezogen werden. Das Rektorat zeigt dabei volle Härte. Es will unter anderem verhindern, dass die Mitglieder des Fachschaftsrats Theaterwissenschaften von Studiengebühren befreit werden – obwohl die Wahl der FachschaftlerInnen ordnungsgemäß abgelaufen ist. Wir sprechen dem Fachschaftsrat unsere vollste Unterstützung zu, um das Vorhaben des Rektorats noch zu kippen!
Die Studierenden reagieren immer verdrossener auf die Politik, die sich um Studierendenparlament, AStA und co. dreht. Deswegen müssen wir alle einen Konsens finden und gewährleisten, dass die Studierenden in ihrer Vertretung immer eine gute Adresse findet.
In dem Sinne: Wir machen das klar!


Pressemitteilung der Sozialen Liste vom 25.3.2007
Montag 26.03.07, 14:15 Uhr
Anträge und Anfragen der Sozialen Liste

Keine höheren Elternbeiträge an Ganztagsschulen, Erhöhung der Gewerbesteuer, Geothermie nutzen

Die Auswirkungen der von der Bundesregierung vor wenigen Tagen beschlossenen sogenannten Unternehmenssteuerreform auf die Finanzen der Kommunen hinterfragt die Soziale Liste Bochum. Vor allem die Auswirkungen auf die aktuelle Haushaltsdebatte sollen bis zur Haupt- und Finanzausschusssitzung am kommenden Donnerstag (29. 3. 07) geklärt und dargestellt werden.Die Soziale Liste Bochum fragt auch, wie eine Gewinn- und Verlustrechnung nach der Steueränderung kurz- und langfristig für die Stadt Bochum aussieht und wie die Stadt Bochum die sogenannte Unternehmenssteuerreform politisch bewertet.
Außerdem hat die Soziale Liste zu der Sitzung des Hauptausschusses zwei Änderungsanträge gestellt, die wir dokumentieren:
Keine Erhöhung der Elternbeiträge für die offene Ganztagsschule
Der Rat möge beschließen:
Die Erhöhung der Elternbeiträge und die Herabsetzung der kommunalen Zuschüsse für Erstgruppen werden abgelehnt.
Der finanzielle Ausfall soll durch steuerliche Mehreinnahmen, Verwendung von Restmitteln u. ä. erfolgen. Bei Bedarf werden die kommunalen Töchter um Hilfe gebeten.
Begründung:
Als Konsequenz aus den letzten diversen Berichten und Analysen ist eine erschwingliche und sozial organisierte Ganztagsschule dringend geboten. Die Förderung von Kindern und Familien muss aus unserer Sicht ein Schwerpunkt städtischer Politik sein. Hierzu müssen die Kommunen Beiträge leisten.

Erhöhung der Gewerbesteuer
Der Haupt- und Finanzausschuss beschließt die Änderung des § 5 /2. der Haushaltssatzung der Stadt Bochum für das Haushaltsjahr 2007 und setzt den Hebesteuersatz der Gewerbesteuer von 450 v. H. auf 480 v. H. herauf.
Begründung:
Die Entwicklung der Einnahmen aus der Gewerbesteuer ist positiv und zeigt die Bedeutung dieser Steuer für die Stadt. Im Vergleich zu Nachbarstädten wie Essen, Gelsenkirchen oder Bottrop ist der Bochumer Hebesatz geringer.
Die Stadt Bochum hat in den letzten Jahren die Rahmenbedingungen, die Infrastruktur und die Attraktivität für Unternehmen und Betriebe deutlich verbessert. Während die Heranziehung der Unternehmen zur Finanzierung dieser Maßnahmen, vor allem durch die Bundespolitik, gleich geblieben oder geringer geworden ist, wurden im gleichen Zeitraum den Bürgern stetige Gebührenerhöhungen und neue Belastungen zugemutet. Auch deswegen ist diese maßvolle Erhöhung der Gewerbesteuer zumutbar und sozial gerechtfertigt.
Mit dem Beschluss wird die Forderung nach Erhalt und Stabilisierung der Gewerbesteuer als wichtigster städtischer Steuer dokumentiert.
Außerdem hat die Soziale Liste folgende Anfragen zu der Sitzung gestellt, die wir ebenfalls dokumentieren:

Zukunftstechnologie Erdwärme
Der Presse war zu entnehmen, dass das Erdwärmeprojekt Prometheus aus finanziellen Gründen derzeit „auf Eis liegt“. Vor dem Hintergrund der aktuellen Energiedebatte fragen wir an:
1. Welchen Stellenwert hat die Geothermie in Bochum?. Wie beurteilt die Stadt Bochum die Zukunftschancen dieser Technologie vor dem Hintergrund der aktuellen CO 2 – Diskussion?
2. Teilt die Stadt Bochum die kritische Beurteilung der Stadtwerke Bochum GmbH für die Anwendung und Nutzung der Geothermie?
3. Wie beurteilt die Stadt Bochum den Stillstand bei dem Projekt Prometheus? Sieht die Stadt Bochum Möglichkeiten, zur Lösung der derzeitigen Schwierigkeiten beizutragen?
4. Gibt es im Bereich der Stadt Bochum öffentliche oder private Anwendung der Erdwärme, wenn ja, wo?
5. Wie schneidet die Stadt Bochum in der Anwendung der Geothermie im einem Vergleich mit anderen Ruhrgebietsstädten ab?
6. Welchen Anteil kann in den nächsten Jahren die Geothermie in Bochum im Mix der verschiedenen Energiearten erreichen?
7. Wie äußert sich aktuell die Stadtwerke Bochum GmbH zu den aufgeworfenen Fragen?

Auswirkungen des Verkaufs des früheren Verwaltungshochhauses und weiterer 24 Immobilien von ThyssenKrupp in Bochum
Der Presse war zu entnehmen, dass der ThyssenKrupp-Konzern insgesamt 25 Immobilien an ein Konsortium von drei Investoren (u. a. Deutsche Bank) veräußert hat. Da wir davon ausgehen,dass diese Transaktion Auswirkungen auf die Stadt Bochum hat, stellen wir folgende Anfrage:
1. Ist der Vorgang der Stadt Bochum bekannt? Um welche Objekte handelt es sich?
2. Hat die Schließung der Bochumer Verwaltung der ThyssenKrupp Automotive den Verlust von Arbeitsplätzen zur Folge?
3. Hat die Schließung von Einrichtungen von ThyssenKrupp finanzielle Konsequenzen für die Stadt Bochum, z. B. durch Wegfall von Steuern?
4. Beabsichtigt die Stadt Bochum selbst oder über eine Tochter den Kauf von Immobilien aus dem ThyssenKrupp-Paket?
5. Angesichts der architektonischen und stadtgeschichtlichen Bedeutung einiger der Immobilien stellt sich die Frage, ob sicher gestellt ist, dass Belange des Denkmalschutzes gewährleistet sind. Inwiefern hat die Verwaltung hierfür Vorkehrungen getroffen?


Pressemitteilung der VVN - BdA vom 26.3.2007
Montag 26.03.07, 13:30 Uhr
Traditionelle Kranzniederlegung in Bochum-Werne

VVN erinnerte an Kapp-Putsch und antifaschistische Widerstandskämpfer

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-Bund der Antifaschisten) erinnerte mit einer Kranzniederlegung am vergangenen Sonntag an die ermordeten Kämpfer gegen den Kapp-Putsch, die Opfer im antifaschistischen Freiheitskampf in Spanien (1936 – 1939) und die hingerichteten und im KZ umgekommenen Widerstandskämpfer gegen den Hitler-Faschismus.Am Denkmal für die Kämpfer gegen Reaktion und Faschismus erinnerte Martin Budich vom Bochumer Friedensplenum an die geschichtlichen Ereignisse, die durch das Werner Denkmal in einzigartiger Weise dargestellt werden. Budich zog auch Verbindungen zum heutigen Kampf gegen Rechts, für Frieden, Abrüstung und Demokratie.
In diesem Jahr erinnert die VVN-BdA besonders an die Opfer aus Bochum und Wattenscheid, die sich als Antifaschisten von 1936 bis 1939 zusammen mit zehntausenden Freiwilligen aus vielen Ländern am spanischen Freiheitskampf für die Republik und gegen den Faschismus beteiligten. In seiner Rede nannte Budich die bisher bekannten Namen aus Bochum und Wattenscheid, die als Interbrigadisten in Spanien den Tod fanden:
Bartsch; Bochum, in Spanien gefallen; Ertel; Bochum-Werne, in Spanien gefallen;
Grafenhain, Wilhelm; Bochum-Wilhelmshöhe, am 27. November 1937 im Gebiet um Palacete bei schweren Kämpfen gefallen; Gronski, Emil; Bochum-Werne, in Spanien gefallen; Hoffmann, Richard; Wattenscheid, 1936 – 1939 Spanienkämpfer. Entging der Internierung durch Flucht in die Sowjetunion. Kämpfte als Partisan gegen den Faschismus, 1944 gefallen; Hübner, Nikolaus; Bochum, in Spanien gefallen; Pawlowski, Paul; Bochum-Langendreer, in Spanien gefallen; Preuss, Bruno; Bochum-Werne, in Spanien gefallen; Repping, Heinrich; Wattenscheid-Höntrop, in Spanien gefallen; Salenga; Wattenscheid, in Spanien gefallen; Stangl, Johann; Bochum-Werne, beteiligte sich 1936 bis 1938 am spanischen Freiheitskampf, nach der Flucht verschollen, später für tot erklärt; Stark, August; Bochum, in Spanien gefallen; Strübe; Bochum-Somborn, in Spanien gefallen; Weber, Otto; Werne, in Spanien gefallen; Zindel; Bochum-Werne, in Spanien gefallen.
„Ihr Mut, Einsatz und Idealismus sollte für uns heute Verpflichtung sein, in ihrem Sinn für Frieden, Freiheit, Solidarität und sozialen Fortschritt einzutreten und den Neonazis den Weg zu versperren“, schrieb die VVN-BdA in einem Aufruf zu der Aktion.


Redebeitrag von Jonas Frykman am 23.3.2007:
Montag 26.03.07, 08:00 Uhr

Eröffnung der Ausstellung „Opfer rechter Gewalt“

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Freundinnen und Freunde,
zunächst bedanke ich mich bei allen, die diese Ausstellung und die vielen Veranstaltungen gegen Rechtsextremismus hier in Bochum auf die Beine gestellt haben. Der IG Metall danke ich dafür, dass sie die Ausstellung hier im Jahrhunderthaus zeigt. Ich bin eingeladen worden, einige einleitende Worte zu sagen zu der Entstehungsgeschichte und zu den Hintergründen dieser Ausstellung.
Entstanden ist die Ausstellung aus Arbeiten der Grafikerin Rebecca Forner. Sie hat die Fotos und die Informationen über die Todesumstände der Menschen, die durch rechte Gewalt ihr Leben verloren, zusammen getragen. 2002 wurde ihre Arbeit erstmals gezeigt. Das war in der Gedenkstätte Topografie des Terrors in Berlin, der ehemaligen Gestapo-Zentrale. Wir, der Verein Opferperspektive, haben, zusammen mit Rebecca Forner, diese Wanderausstellung im Jahr 2004 erstellt.
Der Ausgangspunkt der Ausstellung war eine Chronik, die im Jahr 2000 in der Frankfurter Rundschau und dem Tagesspiegel erschien. Die Journalistinnen und Journalisten hatten mit Unterstützung von Antifa-Initiativen 93 rechte Gewalttaten mit tödlichem Ausgang seit der Wiedervereinigung dokumentiert. Die meisten dieser Fälle mussten erst mühsam recherchiert werden. Denn nur jedes vierte dieser Verbrechen war damals von der Polizei als rechte Gewalttat gewertet worden.
Zehn Jahre lang, zwischen 1990 und 2000, wurden fast einhundert Menschen von Rechtsextremisten totgeschlagen – aber die große Mehrheit dieser Opfer wurde der Öffentlichkeit nie bekannt. Rechte Gewalt wurde in den 1990er Jahren von den politisch Verantwortlichen, von der Polizei und der Justiz systematisch verharmlost. Während die Rechten Häuser anzündeten und Menschen angriffen, wurde von »abweichenden Verhalten frustrierter Jugendlicher« geredet. Aber diejenigen, die verletzt wurden, die Menschen, die Angst um Leib und Leben haben mussten, wurden einfach nicht beachtet. Oder sie wurden sogar verhöhnt: »Was hatte der um diese Zeit auch auf der Straße verloren?« – das fragte ein Bürgermeister, nachdem Farid Guendoul, ein Asylbewerber, im Februar 1999 auf der Flucht vor Neonazis in Guben tödlich verletzt wurde.
Es war diese Verharmlosung und Ignoranz, die zur Gründung der Opferperspektive 1998 in Brandenburg führte. Das Ziel war es, Solidarität mit den Opfern zu üben, und zwar konkret und praktisch. Wir recherchieren, wir dokumentieren und analysieren rechte Gewalttaten. Wir setzen uns parteilich für die Interessen der Betroffenen ein. Wir bieten ihnen unsere Hilfe an, damit sie ihre Rechte wahrnehmen können, und damit sie die Folgen der Gewalt besser verarbeiten.
Es waren, in den 1990er Jahren, demokratische Organisationen, Migrantinnen und Migranten und die Antifa-Gruppen, die sich mit dem gebotenen Ernst den Rechten entgegen stellten. Der Polizei, der Justiz und der Politik kann man aber zu Gute halten, dass sie dadurch auf ihre Fehler aufmerksam wurden, und auch Konsequenzen zogen.
Seit 2001 hat die Polizei eine realistische Definition dessen, was rechte Gewalt ist. Diese Definition sieht eine Tat dann als rechts an, wenn sie durch die Verachtung gegenüber bestimmten gesellschaftlichen Gruppen geprägt ist. Bis 2001 musste sich eine Gewalttat gegen den Staat und die Verfassung richten, damit sie als politisch galt. Entsprechend wurde es nicht als rechts motiviert angesehen, wenn Rechte Obdachlose, Punks oder Linke angriffen. Und das ist auch der wesentliche Grund für die Differenz zwischen den Fallzahlen der Bundesregierung und der Zahl der Fälle, die hier in der Ausstellung dokumentiert sind.
Seit 2001 wurde auch Schluss gemacht mit der Förderung von Freizeitangeboten für rechtsorientierte Jugendliche. Stattdessen wurde der Schwerpunkt auf Aufklärung über die rechte Gefahr und die Förderung demokratischer Strukturen gelegt, vor allem bei uns in Ostdeutschland. Wir konnten dadurch, zusammen mit anderen Vereinen, ein fast flächendeckendes Beratungsnetzwerk für Opfer rechter Gewalt in den neuen Ländern aufbauen.
Trotz dieser Verbesserungen ist die Gefahr des Rechtsextremismus noch größer geworden. Die NPD ist auf dem Vormarsch. Rassistische und menschenfeindliche Einstellungen finden in weiten Teilen der Bevölkerung Zuspruch. Die Zahl rechter Gewalttaten ist bundesweit kontinuierlich angestiegen. In Nordrhein-Westfalen registrierte die Polizei im vergangenen Jahr 172 rechte Gewalttaten, ein Jahr zuvor waren es noch 144. Auch muss vor Gericht, in der Politik und in der Öffentlichkeit weiterhin um die Anerkennung von Opfern rechter Gewalt gestritten werden.
Möglicherweise werden Sie sich daran erinnern, dass vor knapp einem Jahr, vor der Fußballweltmeisterschaft, bei uns in Potsdam ein schwarzer Deutscher ins Koma geprügelt wurde. Die Stimmen der Täter wurden damals auf einem Anrufbeantworter aufgezeichnet und man konnte man sehr deutlich hören, wie sie ihr Opfer als »Scheiß-Nigger!« bezeichneten.
Als aber nach einigen Wochen bekannt wurde, dass das Opfer Alkohol getrunken hatte, und dass er sich möglicherweise auch noch gewehrt hatte, da kippte die anfängliche Verurteilung der Tat und die Solidarität mit dem Opfer in der Öffentlichkeit. Sollten die beiden Angeklagten in dem laufenden Gerichtsverfahren nun wegen Mangels an Beweisen freigesprochen werden, was im Rahmen des Möglichen liegt, wird niemand mehr davon reden wollen, dass hier ein Mensch als »Nigger« bezeichnet und fast totgeschlagen wurde.
Opfer rechter Gewalt können nicht damit rechnen, dass sie Hilfe erhalten und ihnen Solidarität zuteil wird – sie können nur darauf hoffen. Menschen, die sich schützend vor jene stellen, die bedroht und geschlagen werden, erhalten Auszeichnungen für ihre Zivilcourage. Das ist gut. Aber: Diese Auszeichnungen gibt es deshalb, weil immer noch das Wegsehen die Regel ist.
Rebecca Forner hat über ihren Beweggrund für diese Ausstellung folgendes gesagt: »Ich bin tief davon überzeugt, dass ich helfen muss, wenn jemand angegriffen wird. Ich weiß aber auch, dass ich in einer solchen Situation Angst haben werde. Wenn ich eingreife, laufe ich selbst Gefahr, angegriffen zu werden. Wenn ich aber nicht eingreife, mache ich mich zur Mittäterin, zumindest in den Augen des Opfers. Ich will, dass die Besucher der Ausstellung wie ich auch über diese Frage nachdenken.«


Redebeitrag von Uli Borchers am 23.3.2007:
Sonntag 25.03.07, 20:51 Uhr

Eröffnung der Ausstellung „Opfer rechter Gewalt“

Liebe Ulrike Kleinebrahm
lieber Jonas Frykman
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Freundinnen und Freunde,

wir eröffnen heute die Ausstellung „Opfer rechter Gewalt“.
Wir, das ist das Bochumer „Bündnis gegen rechts“. Dieses Bündnis existiert seit Juli 2006 und besteht aus mehr als 25 Organisationen und Einzelpersonen.

Unser Ziel war und ist, nicht zu reagieren, wenn sich Nazis in dieser Stadt zeigen. Unsere Ziele lauten
– gegen Ausländerfeindlichkeit, Rechtsradikalismus und Neonazis aufzutreten
und
– für Eigeninitiative und Gegenwehr.

Wir zeigen diese Ausstellung im Gewerkschaftshaus und das ist für uns etwas Besonderes.
Deshalb auch einen herzlichen Dank an Ulrike Kleinebrahm, die uns diese Räume zur Verfügung stellt.

Der aktuelle NRW-Verfassungsschutzbericht bescheinigt eine Zunahme rechtsextremer Straftaten und eine Zunahme rechtsextremer Gewalttaten.
Es ist gesellschaftliche Realität, dass rechte Parteien wie NPD und DVU in Land- und Kreistagen vertreten sind und in Kommunalparlamente einziehen.
Diese rechten Parteien haben einen hohen Zulauf von ErstwählerInnen und steigende Mitgliederzahlen durch Menschen unter 25 Jahren.

Die Studie der „Friedrich-Ebert-Stiftung“ vom November 2006 zeigt die gesellschaftliche Wirklichkeit :

– 39 % der Deutschen glauben, dass Deutschland überfremdet sei;
– 17 % glauben, dass der Einfluß der Juden in Deutschland zu groß ist
– 14 % sind der Meinung, dass die Deutschen anderen Völkern „von Natur aus“ überlegen sind.

Sind solche Einstellungen vorhanden, kann wieder zugeschlagen werden.
Die Ausstellung dokumentiert die Folgen :
– die brutale
– die menschenfeindliche
– die rassistische
– die antisemitische Seite
von Neonazis und Skinheads.

Wir dürfen nicht vergessen !
Wer erinnert sich noch an
„Solingen“
„Remscheid“
„Hünxe“
„Lübeck“
„Mölln“
„Hoyerswerda“
„Rostock-Lichtenhagen“,
Stationen, Ereignisse, in denen Menschen anderer Nationalität durch Brandanschläge verbrannt, verletzt, gejagt, verhöhnt, gedemütigt wurden, ihr Leben verloren haben oder um ihr Leben fürchten mussten.
Sollen wir wegsehen und schweigen ?
Das können wir nicht !
Auch in unserer unmittelbaren Nähe, in Dortmund und Schwerte, sind vor ca. 2 Jahren 2 Menschen erstochen worden, weil sie sich Neonazis entgegengestellt haben.

Rechte Parteien und Neonazis werden nicht von selbst verschwinden.
Sie haben in diesem Land eine Basis und sie haben Zulauf.
Wir, die wir ihre Politik, ihr Auftreten, ihre Ideologie und ihre Menschenfeindlichkeit ablehnen : an uns liegt es auch, ob sie sich weiter ausbreiten und stärker Fuss fassen können.

Rechte Parteien und Neonazis zu bekämpfen, das ist ein langer Weg, das ist eine Daueraufgabe.
Wir müssen über deren rassistische und antisemitische Parolen und Positionen aufklären und ihnen den Boden entziehen.
Wir müssen ihnen aber auch entgegentreten, da wo sie auftreten. Dies wird am 1. Mai in Dortmund notwendig sein.
Und dabei gilt : je mehr wir sind und werden, desto weniger Angst brauchen wir zu haben.

Gedicht :

Da gibt es die, die schlagen.
Da gibt es die, die rennen.
Da gibt es die, die zündeln.
Da gibt es die, die brennen.

Da gibt es die, die wegsehen.
Da gibt es die, die hinsehen.
Da gibt es die, die mahnen.
Wer hinsieht, muss auch hingehen.

Da gibt es die, die wissen.
Da gibt es die, die fragen.
Da gibt es die, die warnen.
Wer fragt, wird selbst geschlagen.

Da gibt es die, die reden.
Da gibt es die, die schweigen.
Da gibt es die , die handeln.
Was wir sind, wird sich zeigen.

Robert Gerhard, 1937 aus Lichte Gedichte


Pressemitteilung der Sozialen Liste vom 20. 3. 2007:
Donnerstag 22.03.07, 08:30 Uhr
Soziale Liste geht gestärkt in die zweite Halbzeit

Die Armut in Bochum bekämpfen – Solidarität mit Gewerkschaften und Opelbeschäftigten

Zur Halbzeit der Legislaturperiode des Bochumer Rates blickt die Soziale Liste Bochum optimistisch in die Zukunft. Das wurde auf der gut besuchten Jahres-hauptversammlung am Montag dem 19. März im Königshof deutlich. Pluspunkte sind, wie Jürgen Bargmann im Rechenschaftsbericht feststellen konnte, eine steigende Mitgliederzahl, einige politische Erfolge und die Anerkennung vor Ort in den Stadtteilen.
In einem Arbeitsplan setzt die Soziale Liste Schwerpunkte für ihre zukünftige Arbeit. Vor allem in Fragen der Sozialpolitik will die Gruppe verstärkt im Rat und außerhalb tätig werden. Dies betrifft besonders Bochums größten gesellschaftspolitischen Skandal, die Armut von über 10.500 Kindern in der Stadt. Konkret will sich die Soziale Liste für verbesserte Regelungen bei der Zuzahlung für Schulbücher und Lehrmittel ebenso wie für die Finanzierung des Mittagstisches für alle Kinder in den Ganztagsschulen einsetzen. Die Soziale Liste bekräftigte ihre Ablehnung der Erhöhung der Elternbeiträge für die Ganztagsschulen. Außerdem soll der Bochum-Pass verbessert und erweitert werden. Auch für das Sozialticket für Hartz IV –Empfänger sollen wieder Aktivitäten entwickelt werden.
Ratsmitglied Günter Gleising sprach sich dafür aus, die Kritik am herrschenden Neoliberalismus mit Kommunalpolitik zu verbinden. Es gelte auch, die Angriffe auf die kommunalen Betriebe abzuwehren und einer weiteren Privatisierung kommunalen Eigentums entgegenzutreten. Die Frage von Möglichkeiten und Grenzen linker Kommunalpolitik sowie von Perspektiven linker Wahlbündnisse will die Soziale Liste in einem weiteren Schwerpunkt diskutieren.
Außerdem werden wieder ein Kulturfest und einige aktuelle Veranstaltungen (2. 6. “Lebt die APO?“; 31. 8. Antikriegstag) stattfinden. Unterstützt wird die Kampagne der VVN-Bund der Antifaschisten „nonpd“.
Die Jahreshauptversammlung erklärte ihre Solidarität mit den Opelbeschäftigten im Kampf um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und mit der IG Metall und IG BAU in ihren Tarifkämpfen für mehr Lohn.
Bei den Vorstandswahlen wurden gewählt: Jürgen Bargmann (1. Vors.), Christoph Nitsch (stellv. Vors.), Ulrich Achenbach (Kassierer) sowie Nuray Boraz, Petra Forbrig, Günter Gleising und Markus Pionk. Zu Revisoren wurden gewählt: Helgard Althoff und Holger Wendt.


Artikel in der Bochumer WAZ am 19.3.2007
Sonntag 18.03.07, 22:00 Uhr

Querforum erneut besetzt

Rund 100 Studierende der Uni Bochum besetzten am vergangenen Freitag erneut das Querforum West, um damit ihren Protest gegen die Einführung von Studiengebühren auszudrücken.
„Studiengebühren sind unsozial und machen den Zugang zur Hochschule vom Einkommen abhängig“, klagt Jan Dreyer von der Freien Uni Bochum (FUB). Gleichzeitig kündigt die FUB für den nächsten Monat eine Aktionswoche mit zahlreichen Veranstaltungen an.
Dass die Studierenden am Wochenende genau das Gebäude ausgewählt haben, aus dem sie vor gut eineinhalb Monaten geräumt wurden, habe damit zu tun, dass man sich auch von Polizeieinsätzen gegen die Protestbewegung nicht einschüchtern lassen wolle.
Zum erneuten Polizeieinsatz kam es dann am Samstag, als gegen 1.45 Uhr der Wachdienst der Uni die Einsatzleitstelle darüber informiert, dass etwa 20 bis 30 angetrunkene Personen mit Bierkästen und einer Musikanlage in die Räume der Universität eingedrungen seien. Gegen 2.20 Uhr zog die „Party“ weiter in die Räume des AStA, wo man bis 3 Uhr weiter feierte. An dem Uni-Gebäude, so die Polizei, konnten keine Aufbruchspuren festgestellt werden. Es gab eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs. Die Ermittlungen dauern an.
Zur Webseite der WAZ.


Gemeinsame Pressemitteilung der Hochschulgruppen Linke Liste, alternative liste, Grüne Hochschulgruppe, Schöner Wohnen in Bochum
Freitag 09.03.07, 15:45 Uhr

Für einen linken Bündnis-AStA

Die Wahlen zum Studierendenparlament an der Ruhr-Uni liegen bereits fünf Wochen zurück und noch immer ist unklar, wie es nach dem Wahlergebnis weitergeht. Nach wie vor ist zu befürchten, dass die RubRosen, die Vertretung der Jusos an der Ruhr-Uni, einen gemeinsamen AStA mit dem rechtskonservativen RCDS und der FDP-nahen Liberalen Hochschulgruppe bilden werden. In einem gemeinsamen Positionspapier fordern die linken Listen an der Ruhr-Uni alternative liste, Grüne Hochschulgruppe, Linke Liste und Schöner Wohnen in Bochum die Bildung eines konstruktiv-linken AStAs in Zusammenarbeit mit den RubRosen. Gerade nach der Einführung von allgemeinen Studiengebühren und immer weiteren Angriffen auf die Verfasste Studierendenschaft ist es immens wichtig, eine starke linke Interessensvertretung zu bilden. Ein AStA unter Beteiligung der Hochschulgruppen der amtierenden CDU/FDP-Regierung kann nicht im Interesse der Studierenden sein. Aktive Arbeit für verbesserte Studienbedingungen und gegen sozial ausgrenzende Politik der Landesregierung kann nur ein linker AStA leisten. Ein linker Bündnis-AStA verfügt im Studierendenparlament über eine große und damit sichere Mehrheit und spiegelt damit den Wunsch der WählerInnenschaft wieder. Wir fordern die RubRosen auf, keine gemeinsame Sache mit Parteien zu machen, die gerade Studiengebühren einführen, die massive Mittelkürzungen an den Unis durchsetzen, und die mit dem sogenannten „Hochschulfreiheitsgesetz“ studentische Mitbestimmung einschränken und den Weg zur weiteren Privatisierung der Hochschulen frei machen.
Das Positionspapier als PDF-Datei.


Donnerstag 08.03.07, 13:45 Uhr

FrauenGesundheitsZentrum Bochum

Sehr geehrte Frau Graebsch-Wagener, sehr geehrte Damen und Herren,
wie Sie ja bereits wissen und unserem Antrag vom 27.12.2006 entnehmen konnten, streben wir, das FrauenGesundheitsZentrum Bochum eine Erweiterung unseres bestehenden Beratungsangebots im Sinne einer aufsuchenden Gesundheitsberatung für Frauen in Bochum an, um Frauen unabhängig von Alter, Bildung, sozialem und ethnischem Kontext sowie Mobilitätsmöglichkeiten informieren und beraten zu können. Mit Mitteln der Bochumer Agenda 21 haben wir im Jahr 2004 ein erstes Konzept einer „Aufsuchenden Gesundheitsberatung für Frauen“ erarbeitet, das wir seither weiter entwickeln und im Jahr 2007 realisieren möchten.
Noch einmal zu Ihrer Erinnerung:
Schon die Ergebnisse der Enquetekommission „Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW“ aus dem Jahr 2004 haben eindrücklich belegt, dass es in der Gesundheitsversorgung von Frauen nach wie vor deutliche Mängel gibt.
Bei unserer Bedarfsermittlung, die neben der Literaturauswertung auch in zahlreichen Gesprächen mit den Bochumer (Frauen)Beratungsstellen wie Mira e.V., Nora e.V., Madonna e.V., dem Haus der Begegnung, dem Frauenhaus Bochum etc. bestand, bestätigten sich die Ergebnisse der Enquetekommission:
Verschiedene Gruppen von sozial benachteiligten Frauen werden von der bestehenden Gesundheitsversorgung aus unterschiedlichen Gründen nicht (ausreichend) erreicht. Besonders hervorzuheben sind hier Frauen, die im Frauenhaus Zuflucht gefunden haben, Migrantinnen, die spezielle Beratung in ihrer Muttersprache oder mit Dolmetscherin brauchen sowie Frauen aus sozialen Brennpunkten wie z.B. dem Griesenbruch, Stahlhausen oder der Hustadt.
All diese Frauen beschränken ihren Aktivitätsradius, sowohl was das Annehmen von Angeboten als auch das Verlassen der ihnen vertrauten Umgebung betrifft. Diese Tatsache legt nahe, dass Beratungsangebote in ihrer vertrauten Umgebung stattfinden und von Personen durchgeführt werden sollten, die von ihnen anerkannt sind, denen sie vertrauen und die in der Lage sind, sich in die jeweilige Lebenssituation der Frauen einzufühlen. In anderen Städten wie Berlin und Marburg/Giessen wurden mit ähnlichen Projekten zur Prävention und Gesundheitsförderung sehr gute Erfahrungen gemacht; die Angebote wurden gut angenommen und die teilnehmenden Frauen waren nachhaltig befähigt, ihr Leben gesundheitsbewusster zu gestalten. Daher halten wir eine Erweiterung des FGZ-Angebotes im Sinne einer aufsuchenden Beratung auch hier in Bochum für sehr wichtig.
Nachdem wir im Vorfeld der Sitzung des Sozialausschusses der Stadt Bochum am 7.3.2007 erneut zahlreiche Gespräche wegen einer möglichen finanziellen Unterstützung seitens der Stadt Bochum geführt haben, möchten wir hiermit einen neu kalkulierten Antrag an Sie stellen. Wir haben von verschiedenen Seiten erfahren, dass es der Stadt nicht möglich sein wird, ein so großes und kostenintensives Projekt (wie in unserem ersten Antrag vorgestellt) zu fördern. Darüber hinaus ist es uns trotz intensiver Bemühungen bis jetzt leider fast nicht gelungen, das von uns beabsichtigte „Finanzierungsnetzwerk“ zu realisieren und weitere Geldgeber ins Boot zu holen. Da uns die Umsetzung der „Aufsuchenden Gesundheitsberatung für Frauen“ aber sehr am Herzen liegt, haben wir eine Möglichkeit erarbeitet, diese wichtige Arbeit auch mit geringerem finanziellem Aufwand umzusetzen. Wir bitten Sie daher, den vorliegenden Antrag zu prüfen und ggf. auf dieser Basis über Förderungsmöglichkeiten am 7. März 2007 zu entscheiden.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. In der Hoffnung auf einen positiven Bescheid verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen
Petra Lehn
2. Vorsitzende


Beitrag aus der Zeitschrift "Einblicke 9" der Ratsfraktion Die Linke.PDS
Samstag 03.03.07, 19:00 Uhr

David gegen Goaliat- ein Stadtteil wehrt sich

David gegen Goaliat- ein Stadtteil wehrt sich Im Oktober des vergangenen Jahres hat auf der Oskar-Hoffmann- Straße ein neuer Bekleidungsladen eröffnet; der Name des Geschäfts lautet „Goaliat“. Dies wäre nicht weiter berichtenswert, wenn in diesem Laden nicht primär Kleidung der Marken „Thor Steinar“ und „pro violence“ verkauft würden. Dies sind Modemarken, die in erster Linie ein rechtsextremes Käuferpotential ansprechen sollen. So ist z. B. der Name „Thor Steinar“ eine Kombination aus dem germanischen Donnergott Thor und dem SS General Felix Steiner, der die SS Panzerdivision Wiking befehligte und noch wenige Tage vor Kriegsende Berlin von den Alliierten „befreien“ wollte. Steiner hat sich auch nach Kriegsende immer positiv auf seine Rolle als SS- Kommandeur bezogen. Nun kann man also auch in Bochum problemlos Kleidung dieses rechten Labels kaufen. Dabei ist diese Kleidung nicht mit dem Schmuddelimage von Springerstiefeln oder Bomberjacken behaftet. Vielmehr kommt sie modern hochwertig und chic daher. So können sich die TrägerInnen zur ihrer Gesinnung bekennen, ohne gleich erkannt zu werden. Und mancher Jugendliche hat auch schon eine Jacke dieser Marke getragen, ohne zu wissen, wen er eigentlich unterstützt. Gegen diesen Laden hat sich aber sehr schnell Widerstand aus dem Stadtteil gebildet. In einer Initiative arbeiten u. a. NachbarInnen, VertreterInnen von Kirchen, der Geschäftsleute aus dem Ehrenfeld, Parteien, Gewerkschaften zusammen. Und auch das Schauspielhaus und der Stadtjugendring sind aktiv am Widerstand gegen den Laden beteiligt. Alle eint das Motto „Kein Naziladen in Ehrenfeld und auch nicht irgendwo anders“. Zunächst wurden in Ehrenfeld Flugblätter verteilt, die die BewohnerInnen des Stadtteils über den neuen Nachbarn informierten. Außerdem wurde eine umfangreiche Pressearbeit entwickelt. Ein Künstler aus dem Stadtteil hat ein Plakat entworfen, das gedruckt wurde und mittlerweile in vielen Fenstern von Geschäften hängt. Im März wird an einem Infostand im Schauspielhaus das Publikum über den Laden informiert; aufgeklärt wird dabei auch über die immer geschickteren Methoden der Nazis, in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen. Geplant sind Aktivitäten bei VFL-Spielen und auch ein Info-Stand in der Innenstadt sobald das Wetter es zulässt. Die Mitglieder der Initiative haben noch viele Ideen und sie werden solange kämpfen bis der Laden weg ist. Und an einem anderen Ort wollen sie ihn auch nicht tolerieren. Dass Widerstand erfolgreich sein kann, zeigt das Beispiel Rostock. Hier konnte durch bürgerschaftliches Engagement erreicht werden, dass ein Laden mit Thor Steinar Kleidung schließen musste.

Jürgen Plagge-Vandelaar


Rede von Günter Gleising in der Ratssitzung am 1. März 2007.
Freitag 02.03.07, 22:00 Uhr

Der Abschied von der „Bochumer Kathedrale der Kultur“?

Die gestrige Sitzung der Ausschüsse hat deutlich gemacht: Das Konzerthaus im Marienviertel wird vom Rat beschlossen. Für die heutige Beschlussvorlage gibt es eine große Grosse Koalition. Sogar die Bild-Zeitung jubelt heute: „Endlich – Beschlossen! Konzerthaus Bochum wird gebaut“. Wenn man heute die lokale Berichterstattung hört und sieht, stellt man überall nur eines fest: Jubel, Harmonie – man könnte meinen, „Bochum, einig Vaterstadt!“

Doch ist das wirklich so?
Im Museum gestern und vielleicht auch heute im Ratssaal mag das ja so sein. Aber die Realität ist nicht so eindeutig, nicht so rosig. Die Meinung in der Bochumer Bevölkerung sieht beileibe nicht so aus, dass 90 % für den Bau des Konzerthauses sind. Auch außerhalb Bochums werden die Dinge durchaus kritischer gesehen, wird die Unfähigkeit zur Kooperation der Kultureinrichtungen bemängelt, oder festgestellt, ich zitiere: „Es ist schon merkwürdig, dass die Politik sich derart widerstandslos der Bedingung eines Sponsors unterworfen“ hat (WAZ, Essen, 1. 3. 2007).

Das Konzerthaus soll um jeden Preis gebaut werden, diese Gewissheit versprühen SPD, CDU und Grüne. Ich befürchte, dass, wenn alle Stricke reißen- sogar weiteres Tafelsilber, sprich das RWE- Aktienpaket verkauft wird.

Kommen wir zur „Formsache“, wie es eine Zeitung mit drei Buchstaben heute beschrieb.

Die Soziale Liste Bochum lehnt die Beschlussvorlage aus inhaltlichen und formalen Gründen ab, die ich erläutern möchte:

1. Die Beschlussvorlage und die Terminierung der Beratung sind weitgehend aufgrund von Druck der Unternehmer Faber und Uhle entstanden. Die überstürzte Eile der Diskussion und beabsichtigte Herbeiführung einer Beschlussfassung von so großer Tragweite ist undemokratisch.
Undemokratisch -und von den Vätern und Müttern des Grundgesetzes und der Landesverfassung nicht gewollt- ist auch, dass die Städte und Gemeinden immer schlechter mit finanziellen Mitteln ausgestattet werden, die Unternehmen und Reichen aber durch angebliche Steuerreformen über immer mehr Geld verfügen und dies nutzen, um über Spenden und Sponsorentätigkeit immer mehr die kommunale Politik zu bestimmen. Nichts anderes erleben wir jetzt bei der Frage des Bochumer Konzerthauses.

2. Die Beschlussvorlage beinhaltet eine „Insellösung“ ohne eine Einbettung in die zahlreichen anderen kommunalen Fragen. Offen bleiben die Problembereiche Marienkirche, die weitere Entwicklung im Westpark, die Jahrhunderthalle, die wahrscheinlich zur Jahresmitte 2007 in städtisches Eigentum übergeht.
Von der „Kröte“ (Ulrich Küpper, CDU) Jahrhunderthalle wollen sich jetzt offensichtlich maßgebliche Teile der Bochumer Kommunalpolitik gänzlich verabschieden.

3. Die für den Bau des Konzerthauses angenommenen Kosten von 29.2 Mio. Euro sind aus unserer Sicht unrealistisch. Nicht enthalten ist das rund 2,2 Mio. teure Grundstück. Bei den Grundlagen für die Berechnungen handelt es sich auch weitgehend nur um Schätzungen und Vorstudien.

Allein die Kosten für den „Mietkauf“ (jährlich 1,7 Mio. Euro auf 26 Jahre) belaufen sich auf 44 Mio. Die Beschlussvorlage enthält eine eingestandene Unterdeckung von 7,5 Mio. Euro. Wenn man die Zahlen in der Vorlage richtig zusammenzählt, kommt man auf eine Summe von über 50 Mio. Euro.

In diesem Zusammenhang möchte ich an den hohen Zuschussbedarf für die anderen bestehenden und geplanten Prestigeobjekte erinnern. Insgesamt 2,53 Mio. Euro muss die Stadt Bochum in diesem Jahr für den RuhrCongress Bochum bezahlen. Neu hinzugekommen ist jetzt noch ein Betrag von 0,40 Mio. nachzuzahlender Umsatzsteuer. (Über diese Zahlung sollen ja heute noch der Rat und am 29. 3.der Hauptausschuss beschließen.) Die beängstigende Bilanz für den RuhrCongress zeigt, wie angebracht ein kritisches Herangehen an das Zahlenwerk für das beabsichtigte Konzerthaus ist.

4. Auch die geschätzten jährlichen Betriebskosten (Zuschussbedarf), die auf die Stadt ab 2011 zukommen, sind mit 1,7 Mio. Euro zu gering berechnet.
Zum Vergleich: Die Stadt Dortmund zahlt jährlich für ihr Konzerthaus 4,93 Mio. Euro, die Stadt Essen über 3,5 Mio.,
die Stadt Duisburg 6,6 Mio. Euro.

5. Der Bauplatz im Marienviertel ist ohne Einbeziehung der Marienkirche für das geplante Konzerthaus zu klein und keineswegs optimal.

Die Soziale Liste Bochum bemängelt in Zeiten von Regionalisierung und Vorbereitung auf die Kulturhauptstadt Ruhrgebiet die „Kirchturmspolitik“ in dieser Frage. Denn es existieren bereits im Umkreis von 50 km mit der Tonhalle Düsseldorf, dem CityPalais Duisburg, dem Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen, der Philharmonie Essen, dem Konzerthaus Dortmund und der Jahrhunderthalle in Bochum ähnliche Einrichtungen.

Alle diese Einrichtungen und Häuser haben einen Zuschussbedarf von vielen Millionen Euro jährlich, der von den Städten aufgebracht werden muss. Alle Häuser haben große Probleme mit der Auslastung. Auch unter diesen Bedingungen ist der Bau eines weiteren Konzerthauses in Bochum nicht zu vertreten.

Die Soziale Liste Bochum erneuert ihre Ablehnung des Baus eines Konzerthauses auch aus sozialpolitischen Gründen. Man kann nicht ständig die Gebühren und Belastungen für die Bürger und Familien erhöhen, mangelnde Finanzen auf allen Ebenen beklagen und gleichzeitig neue Prestigeobjekte auf Pump bauen und mit hohen städtischen Zuschüssen betreiben. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf den Sozialbericht, die hohe Arbeitslosigkeit und den Lohnabbau in der Stadt verweisen.

Die Chancen für ein Konzerthaus sind in früheren Zeiten verpasst worden. Aber da wurden ja bekanntlich andere Prioritäten gesetzt! Stichwort RuhrCongress Bochum, der schlichtweg für die Bochumer Symphoniker weitgehend unbrauchbar ist.

Aber wir wollen nicht nur kritisieren.
Als Alternative zum Konzerthaus schlägt die Soziale Liste Bochum vor, die weltweit bekannte und anerkannte Jahrhunderthalle als Spielstätte für die Symphoniker zu nutzen. Hier beteiligt sich die Stadt Bochum jetzt schon an den jährlichen Betriebskosten.

Neben den baulichen Anlagen im Westpark (Wasserturm, Colosseum und Wasserwelt an den Kühltürmen), für die die Stadt Bochum bereits als Eigentümerin verantwortlich ist, soll Mitte 2007 auch die Jahrhunderthalle in Eigentum der Stadt Bochum übergehen und diese steht in der Pflicht, diesen Turm der Kultur zum Leuchten zu bringen.

Zahlreiche Kritiken und Zeitungsartikel belegen, wie geeignet die Jahrhunderthalle als Aufführungsort für die Bochumer Symphoniker ist. Ein Beispiel:
„Und die große Jahrhunderthalle, bisweilen gern als Bochumer
Kathedrale der Kultur bezeichnet, war ohne Frage ein hervorragend geeigneter Aufführungsort. Den Bochumer Symphonikern gelang – wie schon vor zwei Jahren im Konzerthaus Dortmund – eine erstklassige, energiegeladene musikalische Umsetzung“. (WAZ 18. 11. 2005).

Aus Sicht der Sozialen Liste Bochum sollte daher die Jahrhunderthalle als das Konzert- und Veranstaltungszentrum genutzt und die Jahrhunderthalle die zentrale „Spielstätte der Bochumer Symphoniker“ werden.
Dementsprechend müssten für den Betrieb der BoSys entsprechende Arbeits-, Proben- und Sozialräume geschaffen werden. Auch ist der weitere Ausbau der Jahrhunderthalle (Heizung, Dachdämmung gegen Regen, Raumaufteilung etc.) notwendig. Hierzu sollten auch die Sponsoren um den Freundeskreis gewonnen werden, entsprechende Beiträge zu leisten.

Die Soziale Liste Bochum tritt dafür ein, im Jahr 2010, Stichwort Kulturhauptstadt, die Jahrhunderthalle zu einer zentralen Spiel- und Veranstaltungsstätte zu machen und dabei den Bochumer Symphonikern eine bedeutende Rolle zukommen zu lassen.


Pressemitteilung vom 25. Februar 2007
Montag 26.02.07, 08:00 Uhr

Unabhängige Sozialberatung – Beratungs- Beschwerde- und Ombudsstelle für Erwerbslose

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Widerspruchsstelle ARGE

Nun streiten schon Soziale Liste und CDU um die Ehre, wer zuerst die Einrichtung einer Beschwerdestelle für Hartz IV – Opfer gefordert hat. Wir haben uns damit nicht lange aufgehalten, sondern tun es einfach – seit nunmehr zwei Jahren. Seit Herbst 2006 stellen wir uns auch zur Verfügung für die Aufgabe einer „Ombudsstelle“, zu der wir uns durch unsere verlässliche und unnachgiebige Arbeit entwickelt haben.
Neben den erwähnten 400 Hauptsache-Klagen gab es ein Mehrfaches davon an Eilanträgen, weil die ARGE die notwendigen Zahlungen nicht geleistet hat und die Menschen in unmittelbare existentielle Not geraten sind. Eine ähnlich hohe Zahl an Klagen gab es bereits wegen unrechtmäßiger Untätigkeit der ARGE.
Zu den bereits weit über 3.000 Widersprüchen kommen Monat für Monat etwa 250 neu hinzu – 46 % davon werden zu Gunsten der Betroffenen entschieden. Hinzurechnen muss man die viel höhere Zahl von „Beschwerden“, durch die ohne Beschreitung des Rechtswegs offensichtliches Unrecht zügig auf dem „kleinen Dienstweg“ erledigt wird. Die Bescheide der ARGE sind immer noch in unglaublicher Zahl fehlerhaft. Hinzu kommt offen extralegales Handeln, beispielsweise bei der Kürzung der Heizkosten und dem Umgang mit sogenannten „eheähnlichen Verhältnissen“ oder der Leistungsverweigerung, wenn Betroffene aus psychischen Gründen oder wegen des Vorliegens einer zu isolierenden Infektionskrankheit zu einer Krankenhausbehandlung eingewiesen werden. Letzteres ist durch unsere Intervention neuerdings der Rechtslage entsprechend geändert worden. Ähnliche Erfolge haben wir vorzuweisen in der Frage der unrechtmässigen Einsichtnahme in Kontoauszüge und bei der kürzlichen Reduzierung der Wochenstundenzahl für 1-Euro-Jobber (jetzt entsprechend den Durchführungsempfehlungen 30 Std., zuvor 38 Std., 5 – Bundesdurchschnitt: 28 Std.). *)
Allerdings kann diese Tragik nicht alleine der ARGE angelastet werden. Schon die von der berüchtigten Software „A2LL“ vorgegeben Bescheide sind „unter aller Sau“, wie wir bereits vor zwei Jahren in einem Schreiben an den Leiter der Arbeitsagentur, Herrn Wolterhoff, festgestellt haben. Inzwischen hat sich auch das Bundessozialgericht dieser Einschätzung angeschlossen, wenn auch mit einer moderateren Wortwahl: („zweifelhafte Bescheidgestaltung“), aber genau so vernichtend: bis Ende Juni müssen die Bescheide den Rechtsvorschriften entsprechen.
Auch ist das Hartz IV – Gesetz (SGB II) in sich widersprüchlich und negiert Vorschriften der allgemeinen Sozialgesetzgebung und des Grundgesetzes. Allein die Regelleistung für unter 14jährige in Höhe von 207 Euro monatlich ist sicher nicht bedarfsdeckend und entwürdigend. Der Weg durch die Instanzen bis zum Verfassungsgericht kann aber noch lange dauern – bis dahin hat das Elend seine Wirkung vollbracht! Die Kommune hätte die Möglichkeit, auf dem Weg von nicht rückzahlbaren Darlehen oder durch Zuschüsse des Sozialamtes beispielsweise für Schulbedarf oder für ein Sozialticket die gröbste Not zu lindern.
Es reicht auch nicht, wenn der einzurichtende Beschwerdeausschuss nur die abgelehnten Widersprüche nochmals überprüft. Auch die 46 % „abgeholfenen“ müssen angeschaut werden, um zu erkennen, wo die ARGE durch Vernachlässigung ihrer Ermittlungspflicht oder durch unzureichende Kenntnisse der Sachbearbeitungen immer wieder für Ärger sorgt. Eine ausgeuferte Bürokratie und zusätzliche Statistik-Aufgaben erfordern auch unbedingt eine Personalaufstockung.
Nein, nicht die vielen Widersprüche und Klagen machen uns Sorgen – das ist der in unserem Rechtssystem vorgesehene Weg, wie Beratungsstellen, Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen und Gerichte den Betroffenen zu ihrem Recht verhelfen können und weiterhin als Organe der Rechtspflege im weitesten Sinne zur Rechtsentwicklung beitragen können.
Sorge machen uns die vielen, vielen Menschen, die sich einschüchtern lassen und nicht den Weg zu einer Beratungsstelle oder in eine Anwaltskanzlei finden. Was wir jetzt sehen ist nur die Spitze des Eisbergs.
Solange das Unrecht weiterbesteht, kann der von er CDU gewünschte Friede nicht einkehren!

*) Links zu: Probleme 1-Euro-Jobs:
http://www.iab.de/asp/internet/dbdokShowOhne.asp?pkyDoku=k070126a04 (Einsatz/Gestaltung von 1-Euro-Jobs)

http://doku.iab.de/discussionpapers/2007/dp0807.pdf
(Verdrängung durch 1-E-Jobs)


Pressemitteilung vom 23. Februar 2007
Samstag 24.02.07, 08:30 Uhr

Unabhängige Sozialberatung – Beratungs- Beschwerde- und Ombudsstelle für Erwerbslose

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Ein-Euro-Jobber und 1. Arbeitsmarkt

1. bundesweit und auch in Bochum wird davon gesprochen, dass ca. 15 % der 1-Euro-JobberInnen im Anschluss an eine solche „Maßnahme“ eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung fänden. Das entspricht nicht unseren Erfahrungen aus den Einzelberatungen, Volkshochschulkursen und Seminaren und Vorträgen bei Trägern solcher Maßnahmen. Allein in dieser Woche wurden so mehr als 25 Betroffene über ihre Rechte unterrichtet. Ergebnis: zwei davon im Anschluss „in Arbeit“, allerdings niemand davon durch Aktivitäten der ARGE – von daher käme nie etwas.

2. Bei der angegebenen hohen „Vermittlungsquote“ müssen wir natürlich fragen:

a) wie viele dieser „Jobs“ sind der ARGE oder dem 1-Euro-Job zu verdanken?

b) Was sind das für Jobs, entsprechen sie der Qualifikation und der früheren Tätigkeit dieser Menschen, oder führen sie volkswirtschaftlich gesehen gerade zu einer Vernichtung dieser Qualifikation und persönlich zu einer Beraubung dieser Qualifikationen, die oftmals mit viel Zeitaufwand und Geldeinsatz, nicht selten auch aus eigenen Mitteln, aufgebaut wurden?

c) Kann man überhaupt leben von diesen Jobs und sich und seine Familie ernähren, oder handelt es sich um Jobs mit Armutslöhnen, zu denen es noch ergänzenden/ aufstockenden Geldes nach Hartz IV bedarf?

d) Wie lange wird der Job bestehen bleiben? Viele ARGEn unterscheiden nicht, ob der Job einen Monat dauert oder ein Jahr.

e) Sind diese Jobs tatsächlich Zusätzliche, oder sollten sie ohnehin eingerichtet werden?

f) Sind diese Jobs vielleicht sogar billiger Ersatz für zuvor gestrichene reguläre Arbeitsplätze? Nach einer gerade veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) ist bei Einrichtungen , die 1-Euro-JobberInnen beschäftigen, gleichzeitig eine übermäßig hohe Entlassungsbereitschaft festzustellen. Das hat dazu geführt, dass „anständige Einrichtungen“, das sind je nach Ort unterschiedliche, auch mal die AWO oder die Diakonie, erklärt haben, in Zukunft davon absehen zu wollen, weiterhin 1-Euro-Jobber zu beschäftigen. Man würde sich ja sonst selbst den Boden unter den Füßen wegziehen.

Statistik geschönt

Auf jeden Fall wird die Statistik dadurch geschönt, wie auch durch die 1-Euro-JobberInnen überhaupt. Sie werden nämlich nicht mehr als erwerbslos geführt. So haben wir erlebt, dass kurz vor Jahresende noch viele Kollegen und Kolleginnen kurzfristig überraschend in Maßnahmen oder Fortbildungen kamen, denn das verbliebene Geld musste ja vor Jahresende noch ausgegeben werden.

1-Euro-Jobs – Entlassungen – Billigarbeitskräfte

Diese Kette wird deutlich sichtbar am Beispiel der Schließung der Schul-Horte und der Einrichtung der „OGS – Offene Ganztags-Schule“: Erst werden Erzieher und Erzieherinnen auf die Strasse gesetzt, dann im 1-Euro-Bereich untergebracht, schließlich für kleines Geld als „Schulassistenzen“ usw. wieder eingestellt. Ermöglicht wird das auch durch Tarifverschlechterungen im öffentlichen Bereich: so können jetzt Diplom-SozialpädagogInnen in Vollzeit für 1.600,00 (eintausendsechshundert) brutto eingestellt werden. Das bekam man früher locker für eine halbe Stelle.

Im Altenpflegebereich ist gesetzlich ein Anteil von 50 % examinierten Kräften vorgeschrieben. Fach- und Sozialverbände halten das für viel zu wenig. Ohnehin wird die Arbeit in allen Bereichen immens verdichtet. – Aber selbst diese Quote kann mit Ausnahmegenehmigung noch unterschritten werden – hier springen auch 1-Euro-JobberInnen ein. Immer wieder gibt es Klagen, sie würden für nicht zusätzliche oder sachfremde Tätigkeiten eingesetzt. O.g. Studie des IAB bestätigt das.

Ungesetzliches Vorgehen

Manche der Betroffenen sind natürlich froh, wieder sozial eingebunden zu sein und sich sinnvoll einbringen zu können. Viel andere wiederum sind nur verärgert. Anfangs hiess es in Bochum: „solche Jobs nur auf freiwilliger Basis“! Nichts mehr davon. Auch die gesetzlichen Vorgaben werden missachtet, nicht nur in Bezug auf die „Zusätzlichkeit“: der „Zusatzjob“ soll das Letzte sein in einer Kette von Massnahmen, die Menschen in Arbeit zu vermitteln. Persönlich müssen sie der Eignung und der individuellen und familiären Situation der Betroffenen entsprechen und auf dauerhafte „Eingliederung“ hinführen. Voraussetzung dafür wäre, dass in gemeinsamer Arbeit das „Profil“ der Betroffenen erstellt würde: was können diese Menschen, und was könnten sie können und was täten sie gerne. Wo könnte ihr Platz in der Gesellschaft sein? Fest gehalten würde das Ergebnis in einer sog. „Eingliederungsvereinbarung“ – in gemeinsamen Beratungen sorgfältig erstellt und gemeinsam getragen.

In vielen uns bekannten Fällen ist in dieser Hinsicht gar nichts passiert, ansonsten werden nur die vorgefertigten Vordrucke der Bundesagentur für Arbeit verwendet. Weite Teile davon sind fest vorgegeben und durch die ArbeitsvermittlerInnen überhaupt nicht änderbar.

Kommen die Betroffenen selbst mit Vorschlägen bezüglich ihrer beruflichen Zukunft, so heißt es oft: „keine Zeit, unterschreiben Sie das, sonst gibt es eine Strafe.“

Dieses Vorgehen und das Instrument der erzwungenen Vereinbarung überhaupt ist inzwischen sogar von einem Richter des Bundessozialgerichts selbst für ungesetzlich erklärt worden. Wir können nur allen Betroffen anraten, sich über ihre Rechte zu informieren und ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.