Ruhr Nachrichten Bochum 21.2.00:

Demonstranten: Schwere Vorwürfe gegen Polizei


(um) - Schwere Vorwürfe erhebt eine Gruppe von Demonstranten gegen die Polizei: Beamte hätten am Abend des 6. Dezember auf der Spontandemo in der Innenstadt Protestler eingekesselt, beschimpft, geknüppelt und sich geweigert, Anzeigen entgegenzunehmen. Die Behörde sieht dies anders. Sprecherin Ingrid Laun-Keller: "Die Polizei vermutet hinter dem Vorgehen der linken Szene eine bewusste Falschdarstellung". Klar scheint einzig zu sein, dass es zwei völlig unterschiedliche Darstellungen der Ereignisse nach dem Auszug der Besetzer aus der ehemaligen Feuerwache und der sich anschließenden Spontandemo gibt. Martin Budich, Sprecher des linken Netzwerkes und Demo-Teilnehmer: "Ich habe in den letzten Jahren schon einige Demos mitgemacht." Allerdings noch keine, bei der aus "Nichts" solche Gewalt eskaliert sei: "Ohne, das was passiert ist, sind die wie Rambos da rein." Die Medizinerin Cornelia Baumgart berichtete, ein Polizeibeamter habe mehrfach und völlig ohne Grund auf einen Demonstranten eingeknüppelt. Mindestens drei Übergriffe von Polizisten haben Budich und seine Freunde registriert. Die Polizei dagegen spricht von einem einzelnen Schlagstockeinsatz. Auch Dagmar Wolf vom Bahnhof Langendreer ist erschüttert über das Vorgehen der Polizei. Noch nie habe sie eine solche Aggressivität von Seiten der Beamten erlebt. Persönlich sei sie von einem Polizisten bedrängt und angepöbelt worden, der dann plötzlich einen Demonstranten vor ihr in den Schwitzkasten nahm, ihn zu Boden zwang, dann an eine Glasscheibe drückte. Vielleicht habe der Junge "Machoman" vor sich hingemurmelt, so Wolf. Der Polizist verstand (laut Polizeipressestelle) "Pisser" und andere Beleidigungen. Anzeigen wollte Wolf den Betreffenden, sei nach intensivem Drängen vom Einsatzleiter zu einer Beamtin verwiesen worden, die auch ihre Personalien aufnahm. In der Behörde ist diese Strafanzeige bisher jedoch nicht aufgetaucht. Sie wurde nach Ansicht der Polizei auch gar nicht gestellt. "Wenn Sie das Geschehen verfolgt haben, können sie sich ja als Zeugin zur Verfügung stellen", habe der Einsatzleiter zur Demonstrantin gesagt, so Polizeisprecherin Laun-Keller. Und dies sei wohl so geschehen. Keine Anzeige haben bisher die drei Verletzten auf Anraten ihrer Anwälte gestellt. Ihre Forderung: Die Staatsanwaltschaft soll ermitteln. In einer Mitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft heißt es dazu: Die Polizei Bochum "sah keine Veranlassung, wegen der Übergriffe auf Demonstranten von Amts wegen Anzeigen gegen Beamte vorzulegen."

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