Antifaschistische Bochum Blätter 2/99:
Die Verbrechen der Nazis am Kriegsende
Wenige Tage, oft nur Stunden vor der Befreiung von Faschismus und Krieg, verübten
Ende März/Anfang April 1945 die Nazis unglaubliche Verbrechen im Ruhrgebiet, die bis heute nicht aufgearbeitet
wurden.
In Dortmund, Sitz der Leitstelle der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) für den Regierungsbezirk Arnsberg, brachten
die Nazis in der Bittermark und an anderen Orten der Stadt mehr als 500 Hitlergegner um und verscharrten sie in
Bombentrichtern. Unter den Opfern waren auch einige kommunistische Widerstandskämpfer aus Bochum. In der Wenzelbergschlucht
bei Leichlingen erschoß die Gestapo am 13. April 1945 politische Gefangene aus dem Zuchthaus Lüttringhausen
und Wuppertal, sowie einige Zwangsarbeiter. In Hagen waren es 12 Antifaschisten, die am 12. April ermordet wurden
und in der Donnerkuhle verscharrt wurden, in Ratingen 11 und in Gelsenkirchen wurde eine Gruppe von Zwangsarbeitern
in einem kleinen Waldstück erschossen.
Auch in Bochum mordete die Gestapo bis zur letzten Minute. Am 8. April 1945 - alliierte Soldaten lagen schon bei
Castrop und Herne - ermordete die Gestapo 17 russische Kriegsgefangene und zwei deutsche politische Häftlinge.
Die Erschießungen fanden im Keller des Gestapo-Gebäudes an der Bergstraße statt. Die Leichen transportierte
man in den Stadtpark und verscharrte sie in Bombentrichtern. Am folgenden Tag flüchteten die Bochumer Gestapo-Schergen,
ausgerüstet mit falschen Pässen, aus der Stadt, nicht ohne vorher nach Dortmund zur Leitstelle die ordnungsgemäße
Durchführung der Befehle zur „Räumung des Gefängnisses" gemeldet zu haben. Schon wenige Tage
nachdem Bochum von amerikanischen Truppen befreit wurde, öffnete man die Massengräber. Emil Schevenerdel,
Widerstandskämpfer und als Hilfspolizist eingesetzt, war an der Ausgrabung der Toten beteiligt und schilderte
später, daß den Erschossenen „die Hände mit Stacheldraht auf dem Rücken zusammengebunden waren."
Schockierend, daß diese Verbrechen in Bochum ungesühnt blieben. Zwar kam es zu zwei „Gestapo-Prozessen",
der letzte fand 1956 vor dem Bochumer S c h w u r g e r i c h t statt. Die Pressemeldungen über die Urteilsverkündung
lesen sich heute wie eine offizielle Entschuldigung für die Nazi-Verbrecher.Das Gericht sprach die Angeklagten
mangels Beweises frei. Es attestierte den Angeklagten, daß sie keine „ungesetzlichen Taten" in den Morden
sahen, da sie „im Geist der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erzogen worden" waren.
Während in der Wenzelbergschlucht und der Dortmunder Bittermark Denkmäler an die Naziverbrechen erinnern,
gibt es in Bochum nichts, was an die damaligen Morde erinnert. Das Konzept der 50er Jahre, „Gras drüber wachsen
zu lassen" und die Verbrechen „zu vergessen", scheint aufzugehen.
Günter Gleising