Home
Seite 1
Seite 2
Seite 3
Seite 4
Seite 5
Seite 6
Seite 7
Seite 8

Antifaschistische Bochumer Blätter
Information der VVN - Bund der Antifaschisten; Nr. 1/2002

Die Spitzel-Affaire:
Der Staat prügelt mit

So sehr die SPD vom Kölner Spenden-Skandal gebeutelt wird – Otto Schily darf sich freuen. Denn die Schmiergeld-Affaire hat es geschafft, die bisher größte Pleite des Innenministers wieder aus den Schlagzeilen zu verbannen: den Eklat um die Verfassungsschutz-Spitzel in der NPD.

Was war geschehen? Die Bundesregierung hat 2001 Verbotsantrag gegen die NPD gestellt – ein butterweicher Akt schon deshalb, weil NPD-Leuten im Verbotsfall genügend Organisationen als Auffangbecken bleiben. Doch Schily brüstete sich mit der Behauptung, entschlossen gegen Neonazis vorzugehen – bis zum Januar 2002, als das Bundesverfassungsgericht eine geplante Anhörung von NPD-Führern absagte. Denn einer von ihnen war V-Mann (Vertrauensmann) des Verfassungsschutzes gewesen: Wolfgang Frenz (66) aus Solingen, Gründungsmitglied der NPD, zeitweise Stellvertretender Landesvorsitzender von NRW. Hatte Frenz, um „Beweise” zu schaffen, seine antisemitische Schriften im amtlichen Auftrag verfasst?

Drei Wochen später war schon über ein Dutzend Spitzel ausgemacht, die als Beweis für die Verfassungswidrigkeit der NPD dienten. Unter ihnen Tino Brandt, einst Stellvertretender NPD-Chef in Thüringen, und einer der Schläger, die im Juli 2000 in Kemna bei Wuppertal eine antifaschistische Veranstaltung überfielen.

Schon 1997 hatte der heutige Minister Jürgen Trittin vor einem Spitzelsystem gewarnt, das „keine Straftaten verhindert”, sondern nur versuche, Dritte anzustiften. Gemeint war die unendliche Geschichte von VS-Spitzeln in linken Organisationen. Die NPD behauptet nun, ihr sei Gleiches widerfahren. Die Nazi-Funktionäre Hupka und Worch bieten – Parodie auf eine Aktion des Verfassungsschutzes – sündigen „Kameraden” ein Ausstiegsprogramm „aus der VS-Verstrickung” an.

Das Innenministerium will nun die Schuld für die Pannen im Verbotsantrag auf den Verfassungsschutz abwälzen. Doch Schily war seit Juni 2001 gewarnt: durch eine Anfrage der PDS-Bundestagsfraktion, ob das Verbot der NPD durch das Auffliegen von VS-Spitzeln gefährdet sei. Die Behörde reagierte, so „Die Zeit” (Ausgabe 05/2002), „fast beleidigt” – und tat nichts. Der Schaden, den ein Sieg der NPD in Karlsruhe anrichten würde, ist kaum abzusehen.

Das Fazit des Skandals hat der Journalist Burkhard Schröder schon 1997 gezogen, als andere Neonazis als Spitzel enttarnt worden waren: „Noch nie ist eine gewalttätige Aktion verhindert worden, weil der Verfassungsschutz gewarnt hätte ... Der Verfassungsschutz muss abgewickelt werden.”

Reinhard Junge

[Home] [Seite 1] [Seite 2] [Seite 3] [Seite 4] [Seite 5] [Seite 6] [Seite 7] [Seite 8]