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Antifaschistische Bochumer Blätter
Information der VVN - Bund der Antifaschisten; Nr. 1/2002

Neue Broschüre (Nr. 7) in der Schriftenreihe zur antifaschistischen Geschichte Bochums erschienen:
Verachtet, vertrieben, verfolgt.
Die Verfolgung der Sinti und Roma in Bochum und Wattenscheid

Die VVN - Bund der Antifaschisten hat in den letzten Jahren in einigen Broschüren zur Geschichte der NS-Vergangenheit die Verfolgung und die Ursachen des NS-Staats, bezogen auf Bochum und Wattenscheid, dargestellt und dabei vielfach eine Vorreiterrolle in der lokalen Geschichtsschreibung übernommen. Ein bisher noch nicht bearbeitetes Kapitel der Bochumer Geschichte war die Verfolgung der Sinti und Roma. Wegen der schlechten Aktenlage scheiterten bisher mehrere Versuche, die Menschen, die unter der Naziverfolgung gelitten hatten und zumeist auch unter dem faschistischen Terror umgekommen sind, vor dem Vergessen zu bewahren.

Die finanzielle Unterstützung aus dem Aktionsplan gegen Rassismus und Gewalt hat uns ermuntert, dieses Kapitel der Geschichte neu aufzugreifen.

Jetzt ist das Heft Nr. 7 in der Reihe zur (anti)faschistischen Geschichte Bochums erschienen. Unter dem Titel „Verachtet, vertrieben, verfolgt” wird aufgezeigt, wie die Sinti und Roma schon vor der Machtergreifung der Nazis durch die Justiz von ihren Stellplätzen verjagt wurden. So konnten die Nazis aufgrund der Vorurteile gegen sie leicht dazu übergehen, sie in Konzentrationslager verschwinden zu lassen und zu vernichten. Die Namen einiger Sinti- und Romafamilien aus Wattenscheid und Bochum konnten ermittelt werden, teilweise wurden einige Schicksale wenigstens in ihren Daten rekonstruiert.

Ein weiteres Kapitel der Unrechtsgeschichte wurde auch in den Akten zur „Wiedergutmachung” in der Nachkriegszeit aufgeschlagen. Hier wird aufgezeigt, wie Juristen die Vergangenheit bewältigten: 150,00 DM je vollendetem Monat KZ-Haft Entschädigung wurde den Opfern oder ihren Erben gezahlt, für die Ermordung gab es nichts.

Es blieb bis zum Redaktionsschluß noch vieles offen, aber einige Möglichkeiten, so z.B. der Kontakt zu Überlebenden der Konzentrationslager, Licht in dieses Kapitel der NS-Vergangenheit zu bringen, bestärken uns, am Thema zu bleiben.

... und vergessen?

Eins konnten wir aber auch jetzt schon feststellen: So wie in den meisten Städten, ist auch in Bochum nichts zum Gedenken an die ermordeten Sinti und Roma getan worden. Die VVN - BdA hat deshalb bei dem Oberbürgermeister sowie bei allen Ratsfraktionen den Antrag gestellt, eine Straße oder einen Platz stellvertretend für alle ermordeten Sinti nach Appolonia Pfaus zu benennen. Sie war Mutter von 11 Kindern, vier davon starben bereits vor der Nazizeit. Von den verbliebenen sieben anderen Kindern überlebten nur zwei die Nazibarbarei, dazu drei ihrer vielen Enkelkinder.

Bisher hatten wir auf diesen Vorschlag eine erstaunlich positive Resonanz. Die Ratsfraktion der Grünen hat sich einstimmig dafür ausgesprochen, der Oberbürgermeister hat das Schreiben an das Katasteramt weitergeleitet, und die SPD-Fraktion hat eine Anfrage an die Verwaltung im Kulturauschuss gestellt, um sich sachkundig zu machen. Auf die Frage, ob beim Stadtarchiv Informationen über Appolonia Pfaus liegen, können wir nur sagen: Dort liegt die Broschüre der VVN - BdA, und darin können sie sich sachkundig machen.

CDU und FDP haben bisher noch nicht geantwortet.

In Gerthe leben auf einem Platz gegenüber dem Schulzentrum Heinrichstr. einige Sinti-Familien. Ihre Lebensbedingungen sind schlecht. Die dort seit 15 Jahren fest lebenden Sinti haben in einem Haus am Castroper Hellweg eine Damen- und eine Herrentoilette, dazu jeweils 1 Waschbecken mit einem Kaltwasserhahn. Das Gebäude wird um 8.00 Uhr geöffnet und um 17.00 Uhr wieder abgeschlossen.

Der Platz ist unbefestigt, so daß er von den Fahrzeugen häufig aufgeweicht, dafür aber an schönen Sommertagen um so staubiger ist. Außerdem wird er häufig als wilde Müllkippe benutzt.

Die Sinti werden auf dem Platz nur geduldet, so daß sie auch jederzeit wieder vertrieben werden können, nicht die besten Voraussetzungen, um in Eigeninitiative für bessere Bedingungen auf dem Platz zu sorgen.

Wir meinen, daß es das beste wäre, den Platz am Castroper Hellweg endlich so herzurichten, daß die dort lebenden Sintifamilien menschenwürdig leben können. Dann kann man ihn zu Ehren aller von den Nazis verfolgten und ermordeten Sinti und Roma als „Apolonia-Pfaus-Platz” benennen.

Die Broschüre kostet 3,50 Euro und kann bei der VVN - BdA bezogen werden. Unter sintiundroma@bo-alternativ.de kann sie auch bestellt werden (zzgl. Versandkosten 1,50 €).               Lutz Berger

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