Home
Seite1
Seite2
Seite3
Seite4
Seite5
Seite6

Antifaschistische BOCHUMER BLÄTTER
Nr. 2/2001
Information der VVN - Bund der Antifaschisten

Es ist so weit: die ersten Zahlungen an die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sind erfolgt.
Entschädigung für Zwangsarbeit – hat die Gerechtigkeit gesiegt?

 

Mitglieder der Initiative „Entschädigung jetzt” mit Teilnehmern
einer Delegation von Zwangsarbeitern aus der Partnerstadt
Donezk vom 3. bis 17. Juni 2001

 

Nach fast zwei Jahren Diskussionen über das Thema „Entschädigung für Zwangsarbeit” und nach langwierigen Verhandlungen, die mehrmals durch das skandalöse Verhalten der Vertreter der Deutschen Wirtschaft zu scheitern drohten, konnte mit der Auszahlung der ersten Rate des Geldes an die Opfer begonnen werden.

Die zweijährige Diskussion machte aber auch deutlich, dass nicht alle Firmen, die durch die Ausbeutung der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter profitierten, zur Zahlung bereit waren. In diesem Zusammenhang möchten wir zwei Namen nennen: Flick und Pleiger. Der Flickkonzern, größter Rüstungskonzern während des Faschismus, beschäftigte 1944 60.000 Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZHäftlinge. Das waren 50 % der Belegschaft. Der Konzernchef Friedrich Flick, NSDAPMitglied und ein guter Freund Hermann Görings, gehörte zum „Freundeskreis” des Reichsführers der SS, Heinrich Himmler. Flick gehörte zu den Industriellen, die im Januar 1932 im Düsseldorfer Parkhotel einem Vortrag Adolf Hitlers zuhörten. Er war von dem Vortrag so beeindruckt, dass er den Nazis eine Spende von 50.000 RM überwies. Friedrich Flick wurde 1947 in Nürnberg in einem Kriegsverbrecherprozess zu 7 Jahren Haft verurteilt. Ein wesentlicher Anklagepunkt war „in einem ungeheuerlichen Ausmaße die Versklavung und Verschleppung zur Sklavenarbeit” betrieben zu haben. Bereits 1950 befand er sich wieder auf freiem Fuß. Aber die Erben interessiert all dies nicht, obwohl doch ein Teil ihres Erbes durch Sklavenarbeiter erwirtschaftet wurde.

Die Firma Paul Pleiger hat ihren Sitz im Hammertal, nicht weit von der Wasserburg Haus Kemnade. Paul Pleiger wurde 1948 in Nürnberg wegen „Ausplünderung der besetzten Ostgebiete und Ausbeutung von Zwangsarbeitern” zu 15 Jahren Haft verurteilt. Aber bereits seit 1951 leitete er wieder seinen Betrieb im Hammertal. Im März 1932 wurde er Mitglied der NSDAP, seine Karriere danach war atemberaubend.

Von Wirtschaftsfunktionen im NSDAP-Gau WestfalenSüd schaffte er es bis zum Chef der Reichswerke „Hermann Göring” in Salzgitter. 1941 wurde Paul Pleiger auch Direktor der Reichsvereinigung Kohle und Gründer der in Stalino, heute Donezk, ansässigen Berg und Hüttenwerkegesellschaft Ost.

Er war ein berüchtigter Organisator der Zwangsarbeit im Donezkbecken, sowie ein erfolg und einflußreicher Wehrwirtschaftsführer, über den Hitler nach Weihnachten 1941 im Führerhauptquatier sagte: „Wenn ich sechs Generäle wie Pleiger hätte, wäre der Krieg längst gewonnen.” Die Geschäftsführung der Firma Pleiger muss sich aufgrund der Vergangenheit des Gründers der Firma fragen lassen, warum sie sich so ablehnend bezüglich eines Beitrittes sowie einer Einzahlung in die Stiftung verhält.

In Bochum gibt es aber noch einige Firmen, die bisher zu ihrer Vergangenheit schweigen.

Während dessen haben bereits viele Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter resigniert und alle Hoffnungen auf Auszahlung des Geldes aufgegeben und nicht wenige von ihnen sind inzwischen verstorben.

Nach Feststellung der Rechtssicherheit durch den Deutschen Bundestag konnte für die Auszahlung des Geldes „grünes Licht” gegeben werden.

Wirtschaft und Bundesregierung waren von Anfang an der Meinung, dass die Auszahlung an die Opfer erst erfolgen darf, wenn die betreffenden Firmen „Rechtssicherheit” vor Klagen der Opfer bekommen. Die VVN  BdA, andere Opferverbände und Initiativen lehnten dies mit der Begründung ab, dass Firmen, die durch die Sklavenarbeit profitierten, aber nicht der Stiftung beigetreten waren und keinen finanziellen Beitrag leisteten, von der Rechtssicherheit ausgeschlossen werden sollten. Begrüßenswert ist, dass die ursprünglich festgelegte Antragsfrist zum 11. August durch den Bundestag um vier Monate auf den 11. Dezember 2001 verlängert wurde.

Vielleicht könnte es aber auch notwendig werden, aus Sachzwängen heraus die Antragsfrist gegebenenfalls nochmals zu verlängern. Wenn auch der Beginn der Auszahlungen an die Opfer positiv zu bewerten ist, bleibt doch ein gewisses Unbehagen bestehen.

Was geschieht mit den Zinsen, die durch das „geparkte“ Geld angehäuft wurden? Diese gehören eigentlich den Opfern und müßten somit in die Stiftung eingezahlt werden. Es gibt Befürchtungen, dass das eingezahlte Geld nicht ausreichen wird und die Opfer den vorgesehenen Betrag nicht erhalten können. Dann muss ein Weg gefunden werden, den Betrag für den Fond zu erhöhen. Hier steht die Deutsche Wirtschaft in der Verantwortung. Die volle Auszahlung der vorgesehenen Gelder aus dem Stiftungsfond ist für die Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen sehr bedeutungsvoll.

Die Öffnung der Firmenarchive ist nicht nur für die Aufarbeitung des Themas notwendig, sondern auch für viele ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sehr wichtig, da sie oft zur Vervollständigung ihrer Antragsunterlagen auf die Firmen bzw. Firmenarchive angewiesen sind.

56 Jahre lang sind die Opfer um jede Entschädigung für das erlittene Leid betrogen worden. In diesem Zusammenhang soll auch noch einmal darin erinnert werden, dass nach 1945 in Nürnberg zu Recht die faschistische Zwangsarbeit als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt wurde.

Klaus Kunold

[Home] [Seite1] [Seite2] [Seite3] [Seite4] [Seite5] [Seite6]