Wolfgang Dominik, Vortrag im Bhf. Langendreer am 20.2.2002 vor dem Friedensplenum zum Thema:

Krieg, Öl, Basen - oder doch bin Laden?

Am 29.1.1991, also 14 Tage nach dem Überfall der USA und weniger Bundesgenossen auf den Irak, hielt Präsident George Bush im Capitol in Washington eine Rede, "begleitet von starkem Applaus der versammelten Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der USA", ( hier zit. nach FR vom 5.2.1991, S. 14):

".....Auf der anderen Seite des Erdballs führen wir in der Luft, zu Wasser und zu Lande einen großen Kampf. Wir wissen, warum wir dort sind. Wir sind Amerikaner und damit Teil eines übergeordneten Ganzen.

Seit zweihundert Jahren haben wir für die Freiheit hart gearbeitet. Und heute abend führen wir die Welt in der Machtprobe einer Bedrohung gegen Anstand und Menschlichkeit.

Es steht mehr auf dem Spiel als nur ein kleines Land - eine große Idee: eine neue Weltordnung....

Gemeinsam treten wir in das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ein und sind dankbar für die Wohltaten, die uns zuteil werden, sind uns standhaft in unserem Ziel, unserer Schwierigkeiten bewusst und tragen die Verantwortung für unsere Pflichten im In- und Ausland.

Seit zweihundert Jahren dient Amerika der Welt als leuchtendes Beispiel für Freiheit und Demokratie. Seit Generationen übernimmt Amerika die Führungsrolle im Kampf um die Erhaltung und Ausdehnung der Wohltaten der Freiheit. Und heute, in einer sich rasch verändernden Welt, ist die Führungsrolle Amerikas unabdingbar.. Amerika weiß, dass eine Führungsrolle auch Belastungen mit sich bringt und Opfer fordert.

Aber wir wissen, warum die Hoffnungen der Menschheit auf uns gerichtet sind.

Wir sind Amerikaner, wir haben eine einzigartige Verantwortung, die harte Arbeit der Freiheit zu leisten. Und wenn wir das tun, funktioniert Freiheit.

Die Überzeugung und der Mut, wie wir sie heute am Persischen Golf beobachten, zeigen ganz einfach den amerikanischen Charakter in Aktion. Der unbeugsame Geist, der zu diesem Sieg für Frieden und Gerechtigkeit beiträgt, ist derselbe Geist, der uns die Macht und die Möglichkeit gibt, unseren größten innenpolitischen Herausforderungen gerecht zu werden.

Wir sind entschlossen und erfinderisch. Wenn wir selbstlos dem Bösen in einem so weit entfernten Land die Stirn bieten, können wir ganz sicher dieses Land zu dem machen, was es sein sollte. Wenn Ihnen jemand erzählt, Amerika habe seine besten Tage hinter sich, sehen Sie das falsch.

Heute abend trete ich vor dieses Haus und vor das amerikanische Volk mit einem Aufruf zur Erneuerung. Dies ist nicht nur ein Aufruf zu neuen Regierungsinitiativen, sondern ein Appell, sich auf das nächste amerikanische Jahrhundert vorzubereiten.

Amerika hat immer ein Beispiel gegeben. Wer von unseren Bürgern wird uns in das nächste amerikanische Jahrhundert führen? Jeder, der einen Schritt nach vorn macht und einen Süchtigen bewegt, Drogen aufzugeben, - der einen AIDS-Kranken tröstet, - der einem hungrigen Kind hilft.

Die Hoffnung auf ein erneuertes Amerika liegt in Reichweite. Wir können einen Sinn und die Erfüllung finden, indem wir uns einem höheren Ziel verschreiben - einem leuchtenden Ziel der Entfachung tausender Lichter.....

Wir sind eine Nation, die von steinhartem Realismus und klarsichtigem Idealismus geprägt ist. Wir sind Amerikaner.

Aber ebenso wie unsere Bestrebungen jetzt und in Zukunft Wirtschaftswachstum hervorbringen, müssen sie von langfristigen Investitionen für das nächste amerikanische Jahrhundert begleitet sein.

Als Amerikaner wissen wir, dass es Zeiten gibt, in denen wir einen Schritt nach vorn machen und unsere Verantwortung übernehmen müssen, die Welt aus dem dunklen Chaos der Diktatoren in eine bessere vielversprechende Zukunft zu führen...

Jeder von ihnen hat sich freiwillig zur Verteidigung der Nation bereit erklärt (jeder US-Mann und -Frau am Persischen Golf - W.D.) - und jetzt führen sie einen mutigen Kampf, um für die Vereinigten Staaten, der Welt und zukünftigen Generationen einen gerechten und dauerhaften Frieden zu erlangen....

Und wir alle erkennen, dass unsere Verantwortung als Katalysator für Frieden in der Region (am Persischen Golf - W.D.) nicht mit der erfolgreichen Beendigung dieses Krieges endet ....

Mit Blick auf die Zukunft habe ich verfügt, dass unser SDI-Programm sich erneut darauf konzentriert, Schutz vor begrenzten Angriffen mit ballistischen Raketen zu gewähren - gleichgültig, welcher Herkunft.....

Es berührt mich tief, dass wir die finanzielle Belastung dieses Kampfes nicht allein tragen müssen. Im vergangenen Jahr haben unsere Freunde und Verbündeten den größten Teil der Kosten für die Operation Wüstenschild übernommen, und da ich inzwischen Zusagen im Umfang von über 40 Milliarden Dollar für die ersten drei Monate des Jahres 1991 erhalten habe, bin ich zuversichtlich, dass sie während der Durchführung von Operation Wüstensturm eingehalten werden....

Wir werden am Golf Erfolg haben. Und wenn wir das tun, wird dies ein für allemal eine Warnung der internationalen Staatengemeinschaft für jeden Diktator oder Despoten - der Gegenwart oder der Zukunft - sein, der gesetzlose Aggression in Betracht zieht. Die Welt kann deshalb diese Gelegenheit ergreifen, um die langgehegte Hoffnung auf eine neue Weltordnung zu erfüllen - in der Brutalität nicht zum Ziel führt und Aggression auf kollektiven Widerstand stößt.

Die Vereinigten Staaten übernehmen einen großen Teil der Führungsrolle in diesem Bestreben. Unter den Ländern der Welt verfügen lediglich die Vereinigten Staaten über die moralische Standfestigkeit und die Mittel zu ihrer Durchsetzung. Wir sind das einzige Land auf der Welt, das diese Friedensstreitkräfte zusammenbringen konnte.

Dies ist die Last der Führungsrolle - und die Stärke, die Amerika zu einem Symbol der Freiheit in der Welt macht, die sich auf der Suche befindet...

Und wir alle streben eine Welt an, in der wir niemals mehr kämpfen müssen....

Wir wissen eins: Unsere Sache ist gerecht. Unsere Sache ist moralisch, und unsere Sache ist richtig.

Künftige Generationen sollen die Belastungen und die Vorzüge der Freiheit erkennen. Wir können ihnen sagen, dass wir aufgestanden sind, als uns unsere Pflicht rief.

Sie sollen wissen, dass wir als verantwortungsbewusste Gemeinschaft alles für Amerika und die Welt getan haben.

Der Wind des Wandels weht aus unserer Richtung. Die Kräfte der Freiheit sind vereint. Wir treten zuversichtlicher als je zuvor in das nächste Jahrhundert ein, dass wir im In- und Ausland über den Willen verfügen, das zu leisten, was geleistet werden muß - harte Arbeit für die Freiheit.

Möge Gott die Vereinigten Staaten von Amerika schützen."

Am 29.1.2002 hielt der Sohn von Präsident Bush, jetzt ebenfalls Präsident der USA, George Bush, eine Rede, die als " Rede zur Lage der Nation" in den USA größten Beifall erhielt. (Hier zitiert nach: Die Woche, 8.2.2002, S. 13, inzwischen auch abgedruckt in den Blättern für deutsche und internationale Politik 3/2002).

"In vier kurzen Monaten hat unsere Nation die Opfer getröstet, sie hat begonnen, New York und das Pentagon wieder aufzubauen, sie hat eine große Koalition um sich gesammelt, Tausende Terroristen gefangen genommen, inhaftiert und die Welt von ihnen befreit, die Ausbildungslager der Terroristen in Afghanistan zerstört, Menschen vor dem Hungertod bewahrt und ein Land von brutaler Unterdrückung befreit.(...)

Die Männer und Frauen unserer Streitkräfte haben eine Botschaft überbracht, die jetzt jedem Feind der Vereinigten Staaten deutlich ist: Auch 7000 Meilen entfernt, über Meere und Kontinente, auf Berggipfeln und in Höhlen - sie werden der Gerechtigkeit dieser Nation nicht entfliehen.(...)

Unsere Entdeckungen in Afghanistan haben unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigt.(....) Wir haben Diagramme von amerikanischen Kernkraft- und Wasserwerken, detaillierte Anweisungen für die Herstellung von Chemiewaffen, Überwachungskarten amerikanischer Städte und sorgfältige Beschreibungen von Wahrzeichen in Amerika und auf der ganzen Welt gefunden.(...) Tausende gefährliche Mörder, geschult in den Methoden des Mordens, oft von geächteten Regimes unterstützt, sind jetzt wie tickende Zeitbomben, die jederzeit ohne Warnung losgehen können, auf der ganzen Welt verteilt.

Dank der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden und der Koalitionspartner wurden Hunderte Terroristen verhaftet. Dennoch sind Tausende ausgebildete Terroristen noch auf freiem Fuß. Diese Feinde sehen die gesamte Welt als Schlachtfeld, und wir müssen sie verfolgen, wo immer sie sind.(...)

Wir müssen Terroristen und Regime, die in den Besitz von chemischen, biologischen oder nuklearen Waffen gelangen wollen, davon abhalten, die Vereinigten Staaten und die Welt zu bedrohen.(...) Einige Regierungen werden angesichts des Terrors zögerlich. Täuschen Sie sich nicht. Wenn sie nicht handeln - Amerika wird es tun.

Unser (...) Ziel ist es, den Terror unterstützende Regime daran zu hindern, Amerika oder seine Freunde und Bündnispartner mit Massenvernichtungswaffen zu bedrohen. (...) Nordkorea ist ein Regime, das sich mit Raketen und Massenvernichtungswaffen ausrüstet.(...) Der Iran strebt aggressiv den Besitz dieser Waffen an und exportiert den Terror.(...) Der Irak stellt weiterhin seine Feindseligkeit gegenüber Amerika zur Schau und unterstützt den Terror. Das irakische Regime plant insgeheim seit über zehn Jahren die Herstellung von Milzbranderregern, Nervengas und Nuklearwaffen.(...)Dies ist ein Regime, das internationalen Inspektionen zustimmte - und dann die Inspektoren hinausschmiss. Dies ist ein Regime, das etwas vor der zivilisierten Welt zu verstecken hat.

Staaten wie diese und ihre terroristischen Verbündeten stellen eine Achse des Bösen dar, die sich bewaffnet, um den Frieden auf der Welt zu bedrohen. Diese Staaten sind eine ernste und wachsende Gefahr, da sie den Besitz von Massenvernichtungswaffen anstreben. Sie können Terroristen ihre Waffen zur Verfügung stellen und ihnen damit die Mittel geben, ihren Hass zu verwirklichen. Sie könnten unsere Bündnispartner angreifen und versuchen, die Vereinigten Staaten zu erpressen. Auf jeden Fall wäre der Preis der Gleichgültigkeit katastrophal.(...)

Wir werden zum Schutz der Vereinigten Staaten und ihrer Bündnispartner vor einem plötzlichen Angriff eine effektive Raketenabwehr entwickeln und stationieren.(...) Amerika wird das für die Sicherheit seines Landes Erforderliche tun.(....) Ich werde nicht untätig zusehen, während die Gefahr näher und näher kommt.(...) Wir dürfen nicht zu früh aufhören.(...)

Unsere oberste Priorität muss immer die Sicherheit unserer Nation sein, und das spiegelt sich in der von mir dem Kongress übermittelten Haushaltsvorlage wider. Meine Haushaltsvorlage unterstützt drei große Ziele für Amerika: Wir werden diesen Krieg gewinnen, wir werden unser Land schützen, und wir werden unsere Wirtschaft wieder beleben.(...)

Es kostet eine Menge, diesen Krieg zu führen. Wir geben mehr als 1 Milliarde Dollar pro Monat aus (...) und wir müssen auf zukünftige Einsätze vorbereitet sein. Afghanistan hat bewiesen, dass man mit teuren Präzisionswaffen den Feind besiegt und Unschuldige verschont, und wir brauchen mehr davon...........

Zu lange hat unsere Kultur gesagt:" Wenn es Spaß macht, dann tu`s." Jetzt hat sich Amerika eine neue Ethik und eine neue Überzeugung zu Eigen gemacht: "Lasst es uns in Angriff nehmen."(...)

Wir haben nicht die Absicht, jemandem unsere Kultur aufzuzwingen. Aber Amerika wird immer entschlossen für die nicht verhandelbaren Forderungen der menschlichen Würde eintreten: Rechtsstaatlichkeit, Beschränkung der Macht des Staates,(....)Privatbesitz, Redefreiheit, Gleichberechtigung und religiöse Toleranz.(....) Das Böse ist real und es muss bekämpft werden.(...)"

Möge Gott Sie schützen.


Wer die beiden Reden liest, stellt u.a. global verbindliche und von den USA durchzuführende quasi eschatologische, d.h. endzeitliche Ziele auf Grund einer quasi-religiösen Überzeugung fest. Von diesen Reden gibt es viele andere von vielen anderen Präsidenten; ich werde versuchen, einen wichtigen Aspekt der us-amerikanischen Weltordnungspläne nach der Niederlage der Sowjetunion im Kalten Krieg darzustellen. Dabei muss klar sein, dass Ideologien Rechtfertigungslehren im Herrschaftsinteresse sind. Es sind keine Lügen, sondern die Ideologieproduzenten und -verbreitungsagenten glauben z.T. selbst daran (Werner Hofmann, Sebastian Herkommer). Das partikulare Herrschaftsinteresse wird hinterrücks zu allgemeinen Alltagsinteressen. Über populistische Methoden, Produktion von massenhaften Konsensmentalitäten (Noam Chomsky), Verbreitung und Affirmation von Feindbildern ist hier früher schon geredet worden (z.B. Siegfried Jäger, Reinhard Kühnl, Eckard Spoo, Arno Klönne u.a.).

Meine These ist, dass das us-amerikanische Führungspersonal in der gegenwärtigen und weiter unten beschriebenen Zusammensetzung aus "echt Glaubenden" besteht, die den jetzt zu beschreibenden Amerikanismus mit seinen Implikationen gläubig sich angeeignet haben und ihn überzeugt verkünden und ökonomisch, politisch und mit innen- und außenpolitischer massiver Gewaltanwendung verfolgen und durchzusetzen versuchen. D.h. nicht, dass es nicht auch brutale Zyniker gibt, die die Glaubensbekenntnisse tatsächlich nur populistisch-demagogisch gebrauchen.

Es gibt eine Fülle von theologischen Analysen des US-amerikanischen fundamentalistisch-christlichen globalen Missionarismus, der aus der Logik der Sache mit militärischen Endsieginterventionen einhergehen muss, d.h. mit Ausrottung, nicht nur Unterwerfung des Bösen, des Teufels, des Satans enden muss.

"I pledge allegiance to the flag of the United States of America , and to the Republic for which it stands: one Nation under God, indivisible with liberty and justice for all."

Dieses Treuegelöbnis kann als Kern des "Amerikanismus" bezeichnet werden.(Jürgen Gebhardt, Amerikanismus - Politische Kultur und Zivilreligion in den USA, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 49/90, 30.11.1990, S. 13). "Aus der politischen Instrumentalisierung dieser Idee erklärt sich der bis heute wirksame imperiale Missionarismus amerikanischer Außenpolitik."(aaO). Das ist ganz objektiv die Diktatur des Marktes und des Geldes und wird auch gar nicht in Frage gestellt, weil doch religiös geboten. Dieses utilitaristische Denken und Handeln ist biblisch begründet, ist Gott wohlgefällig, alles andere wäre Sünde. (vgl. Sozialismus 6/93, S. 39). Thomas Jeffersons "manifest destiny" beinhaltet die göttliche Vorsehung für die USA, das Heil für alle Menschen zu verkörpern und die Botschaft ist: Mache was aus dir, dann hilft dir Gott. Das rücksichtslose Rauben und Morden, das die Geschichte der USA prägt, verträgt sich ganz und gar mit dieser Botschaft. Die Verachtung alles Sozialen, aller staatlichen Verpflichtungen für Arme, Alte, Kranke usw. liegt hier auch begründet, weil "Soziales" schon Kommunismus bedeutet.

Menschenrechte in diesem Sinne werden individualistisch verkürzt auf das Recht sich zu bereichern, freedom ist ökonomischer Liberalismus pur, der american dream ist die individuelle materielle Befriedigung, alles andere gerät in den Geruch des Kollektivismus, also Kommunismus oder auch Faschismus - und das widerspricht den Menschenrechten, selbst seines Glückes Schmied zu sein. Diese Lehre korrespondiert dann mit dem Neoliberalismus etwa von Hayek, der das auf ganze Völker überträgt. Einige Völker haben das freiheitliche Prinzip noch nicht entdeckt und müssen deshalb untergehen. Andere Länder lehnen das Menschenrecht des freien Marktes ab und müssen, weil sie andere in Ausübung ihrer Freiheit stören, bestraft werden oder befreit werden, wenn der Zwang von einer Minderheit auszugehen scheint.

Diese gesellschaftlich verbindliche dogmatische Ordnungssymbolik mit metaphysischem Geltungsanspruch ist das Credo des Amerikanismus. Es beinhaltet einen göttlichen heilsgeschichtlichen Auftrag für God´s own country. Die ganze Welt strebt die pax americana an - manche - weil vom Bösen verblendet - wissen es nur noch nicht. God´s own country hat die one world herzustellen - dieses Glaubensbekenntnis des us-amerikanischen Gottesvolks verhindert jedes Verständnis anderer Religionen oder Weltanschauungen, da diese nur atheistisch-kommunistisch oder von irreligiösen Einbildungen oder vom Teufels selbst gesteuert sein können. Liest man Samuel Huntingtons "Kampf der Kulturen", wird diese Analyse Gebhardts dauernd bewiesen.

Wenn die FR (7.12.02) berichtet, dass John Ashcroft, der erzkonservative Justizminister den Tag mit einer Bibelstunde beginnt und seine Funktion als Kampf gegen den Satan auffasst, ist das gar nicht so weit hergeholt. Der Kampf gegen den Satan fängt bei Schwulen und Lesben an und hört z.B. bei einem schwarzen Richter nicht auf, der deswegen nicht ernannt wird, weil er zu wenig Todesurteile fällt. Wenn Ashcroft Tausende von arabisch aussehende Immigranten verhaften lässt und sie zu Vernehmungen zwingt, dann kommt auch deutlich die weiße christlich-fundamentalistische patriarchalische Dominanzkultur solcher echt Glaubenden zu Vorschein.

Der Kampf muss natürlich auch gegen Verbrecher geführt werden. Wenn in seiner 6-jährigen Amtszeit als Gouverneur von Texas Bush 152 Todesurteile unterschrieben hat, also im Schnitt alle 14 Tage eins, tut er das christlichen guten Gewissens - das Böse muss vernichtet werden, Gnade wäre gegen Gottes Gebot, nur Gott selbst kann gnädig sein.

Die Forderungen der französischen Revolution waren Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Diese Forderungen sind nach Hannah Arendt in den USA nie angekommen. Dort hieß es in der Unabhängigkeitserklärung von 1776 "Persuit of happiness" ist "freedom". Oder: Freedom als Voraussetzung für "persuit of happiness" Irgendwelche Gleichheitsgedanken widersprachen massiv dem individualistischen ökonomischen Imperativ "Bereichere dich", wo und wie du kannst, das ist Freiheit. Verfolgung des eigenen Glücks wurde von vornherein unter die Prämisse gegeneinander konkurrierender Marktsubjekte und Konsummonaden gestellt. Hannah Arendt nennt die us-amerikanische Revolution (die ja eigentlich keine Revolution war - WD) die einzige Revolution ohne Mitleid. Brüderlichkeit und Gleichheit war in Europa auch immer auf die Beseitigung von Armut gerichtet, in der wissenschaftlichen Lehre vom Sozialismus auch auf ökonomische Gleichheit. In den USA wurde solches Denken immer diffamiert als kommunistisch und damit der Freiheit des individualistischen persuit of happiness widersprechend.

Leider scheint in Europa auch der " no-rivals-Plan" (vgl. Blätter für deutsche und internationale Politik, 4/92, S.429f) vergessen. Auch in der bürgerlichen Presse verursachte diese Kriegsdrohung gegen die ganze Welt, auch gegen Europa, Aufregung. Die USA behauptete immer von sich, so eine Art ethischer Weltkolonialmacht zu sein. Und geht man vorurteilslos aus Sicht der USA an die nächsten 10 Jahre, dann ist die Zeit jetzt günstig. In 10 Jahren haben China und andere Länder Trägersysteme für ihre Atombomben, die die USA erreichen können. Dann gibt`s auch echte militärische Rivalen - jedenfalls in Megatonnen-Atombomben.

Michael Jäger referiert ein Gespräch mit Jürgen Moltmann im " Freitag " vom 11.1.02: Die USA haben sich selbst die Rolle des Messias zugeschrieben. Eigentlich kommt die Rolle Jesus Christus im Verständnis christlicher Religion zu, aber seit der Monroe-Doktrin 1823 wird der politische Messianismus von den Regierenden der USA usurpiert, mal mehr, mal weniger deutlich. Es sind die Mythen der Mayflower, das Schiff, mit dem die ersten Pilgerväter in dem neuen Kontinent ankamen. Das wird verglichen mit dem Exodus, dem Auszug des Volkes Israels aus Ägypten und dem darauf folgenden Einzug in ein Gebiet, das dann Israel hieß. Die Ureinwohner waren zu vernichten, weil sie böse und ungläubig waren. Mit Ungläubigen und Bösen konnte es keinen Frieden geben. Und das Christentum ist doch die Religion des Friedens. Dessen Durchsetzung gegen Baalskulte oder sonstigen Götzendienst war nur mit totaler Gewalt möglich, Ausrottung des Bösen ganz alttestamentarisch mit Stumpf und Stiel. Der emphatische Begriff des "Westens" nimmt hier seinen Ausgang. Der Westen, go West, das war das gelobte Land der um Frieden und Freiheit kämpfenden Einwanderer. Ein dualistisches und apokalyptisches Geschichtsbild herrschte seit John Adams und Thomas Jefferson (1813) und kommt in der Idee von Ronald Reagans "Armageddon" oder Fukuyamas "Ende der Geschichte" wieder vor.

"Wir werden sie jagen bis in die letzten Schlupfwinkel.", sagt Bush jun. bezüglich der neuen Bösen. Nach Moltmann vermischt sich der politische Messianismus mit Elementen des 1851 erschienenen "Moby Dick" von Herman Melville. Das sei der us-amerikanische Mythos schlechthin. Der Wal, der Captain Ahab ein Bein geraubt hat, wird von einer von Ahab angeheuerten Mannschaft bis in den letzten Winkel der Erde gejagt und muss vernichtet werden. Moltmann/Jäger fragen sich, ob die NATO nicht die Mannschaft spielt, die erst auf hoher See erfahren soll, wohin es geht. Heute, 28.1.02, liegt ein Viertel der Bundesmarine in Djibouti und weiß nicht, wer der Feind ist, wohin es eigentlich geht, wartet auf die Befehle von Captain Ahab, sprich George Bush.

Wir müssen uns tatsächlich mit den USA unbedingt solidarisch erklären, weil wir tatsächlich mit Captain Ahab in einem Boot sitzen. Wenn Bush den Anti-Terror-Krieg erklärt, machen wir mit. Wir sind alle Amerikaner, weil der Angriff auf das World Trade Center eine Kriegserklärung an die gesamte zivilisierte Welt war. Das dualistische Weltbild ist klar: Hier die Zivilisierten, dort die Barbaren, die - liest man den Berater des Pentagon Huntington - schon praktisch von Natur aus aggressiv und böse sind. (Damit wir dieses manichäische Denken leichter begreifen, hatte die Landeszentrale für politische Bildung das Buch von Huntington zur kostenlosen Verschickung an LehrerInnen lange in ihrem Angebot. Die Bundeszentrale meiner Erinnerung nach auch).

Die USA sind - so Moltmann in dem Kapital seines "Politischer Millenarismus: Die "Erlöser-Nation" in seinem Buch "Das Kommen Gottes" , Christliche Eschatologie, Gütersloh 1995 - eben "Erlöser-Nation". Den lang andauernden Krieg, den Bush ankündigt, kann man als die endzeitliche Schlacht Armageddon übersetzen. Hier wird auch klar, dass es mitnichten um Osama bin Laden geht. Peinlich wäre es eher, wenn der plötzlich lebendig gefangen werden würde.

Diese endzeitliche Vorstellung verbindet sich organisch mit dem Neoliberalismus. Franz J. Hinkelammert nennt ihn die Theologie des freien Marktes (in: Das Argument, 158, 1986, S. 477ff) Die USA sind das imperiale Machtzentrum. God`s own country ist berufen zum Weltsheriff, der im Besitz der Wahrheit und des Rechtes und der Gerechtigkeit seinen schweren Weg vielleicht auch einmal allein gehen muss (übrigens die politische Botschaft der Western der fünfziger und sechziger Jahre). One world, freedom, free enterprise, open-door-policy, globale Ordnungsmacht sind die USA durch quasi göttliche Berufung. Eine Gewalt- und Kriegsmystik wird und wurde immer schon massenmedial aufgebaut. Rambo und die Folgen. Der hemmungslose Wirtschaftsimperialismus wird verstärkt durch die protestantisch-calvinistische Ethik (Max Weber), die ja gleichzeitig einen vehementen Sozialdarwinismus und Rassismus beinhaltet. Tausendjähriges Reich ist die Formel, die Hinkelammert und Moltmann benutzen. Der Dämon, Lucifer, der Teufel, satanische Mächte versuchen das freie Spiel der ökonomischen Kräfte zu stören - das waren einmal die Nazis, das waren genauso die Kommunisten, das sind totalitäre Systeme wie das in Chile unter Allende und gar in Grenada oder die Taliban, wenn sie auch nach gutem Zureden, Bestechungsversuchen und kriegerischen Drohungen den Vertrag über die Pipelines durch Afghanistan nicht billigen. Die Freiheit des Marktes muss von God`s own country durchgesetzt werden gegen die Mächte der Finsternis. Der Anti-Christ ist das absolut Böse; dieses absolut Böse muss im Auftrag Gottes vernichtet werden, damit Frieden herrschen kann, die pax americana. (vgl. Claus Offe in Blätter für deutsche und internationale Politik 12/2001). Die protestantische Ethik macht den materiellen Erfolg zum Kriterium göttlicher Gnade, göttlichen Auserwähltseins. Selbstverständlich muss sich der Gläubige ständig darum bemühen, wirtschaftlichen Erfolg zu haben. Anders als bei der katholischen oder evangelischen Ethik dürfen ihn sittliche oder moralische Zweifel nicht plagen, sondern wirtschaftlicher Erfolg als Lebenszweck ist allein maßgebend.

Wenn die Achse des Bösen Irak-Iran-Nordkorea von Bush beschworen wird, dann meint er das auch im religiösen Sinne. Religion und Ökonomie hängen symbiotisch mit Politik und Gewalt zusammen. "Wir können die Welt vor dem Bösen retten", so der Politikberater Mead in der FR vom 8.2.02. Das ist politisch-ökonomischer-religiöser Messianismus, Philipp Roth nennt das im Spiegel-Interview letzte Woche (Der Spiegel, 7/2002) "eine Art zynischer Talibanismus, political correctness auf us-amerikanisch. Frankreich und Russland wird der Vorwurf der US-Regierung gemacht, den Boykott gegen den Irak unterlaufen zu haben. Der Heiland steht allein da: Alle sind zu feige, haben eigene ökonomische Interessen, sind religiös nicht zuverlässig. Also muss der Held alleine die Stadt erretten. Das Gesetz bin ich, sagt Charles Bronson, John Wayne, Gary Cooper und Clint Eastwood sowie die Präsidenten der 50ger Jahre und dann vor allem gar nicht mehr subtil sondern ganz laut Reagan, übrigens einem alten Sheriff der Western. Russland, Frankreich und natürlich die zögernden, zagenden Deutschen sind unsichere Kandidaten. Das Gesetz des Handelns bestimmen die USA, es geht leider nicht anders, multilaterale Aktionen funktionieren nicht. Hintergrund dieser Auseinandersetzung auch schon in den fünfziger und sechziger Jahren ist ökonomisch gesehen, dass es für die kapitalistischen Konkurrenten z.T. unterschiedliche ökonomische Schwerpunkte gibt. Gerade versuchen Frankreich und Russland mit dem Irak Öl- und andere Geschäfte zu machen, schon wird ein unterschriftsreifer Vertrag von den USA bombardiert (Dezember 1999). Gerade fahren Schröder und Fischer mit Hunderten von kapitalistischen Topmanagern durch Nah- und Fernost, beginnen die Bombardements Afghanistans. Fischer flirtet in Teheran, schon kommt des Wort von der Achse des Bösen. Diese Geschichte ist auch in Südamerika und auf dem Balkan sehr alt. Noch mehr Waffenproduktion würde in Westeuropa die wirtschaftlichen Krisen verstärken, weil viel Geld nicht in die Warenproduktion auf zivilem Sektor geht, sondern im Prinzip als faux frais in ökonomisch vom kapitalistischen Gesamtinteresse kontraproduktive Rüstung.

Im Irak-Krieg der USA wurde vorgeführt, dass die USA keine Regionalkräfte dulden, wenn sie nicht den US-Interessen dienen. Solange Hussein im Namen der westlichen Freiheit Kurden vergaste und Menschen aus dem Schurkenstaat Iran mordete, war alles in Ordnung, die westliche Wertegemeinschaft rüstete ihn mit allem auf, was er auch als Auftragsmörder so brauchte. Alles weitere kennen wir.

1993 schon formulierte Clinton das, was dann erst 1999 im April/Mai auf der NATO-Tagung in Washington offiziell wurde: Mit der UNO, wenn möglich, ohne die UNO wenn nötig. Außerdem sollten die USA die Entscheidungskriterien für die UNO festlegen.(vgl. jW 15.1.02).

Übrigens: Genau während der von Daimler-Chrysler mit 10 Millionen Dollar gesponserten NATO-Tagung traten Usbekistan, Aserbeidschan und Georgien aus dem Kollektiven Sicherheitsvertrag der GUS aus und schlossen sich mit der schon existierenden GUAM (Georgien-Ukraine-Aserbeidschan-Moldavien) zu GUUAM zusammen, also dem Sicherheitsbündnis, das allmählich sich im Süden der ehemaligen SU herausbildete und unter der Schirmherrschaft der NATO steht. Das zusätzliche U steht für Usbekistan. Die USA zahlen für die Nutzung des Stützpunktes Chanabad in Usbekistan erst einmal bis zum Jahre 2007 - hat "man" bin Laden dann immer noch nicht, wird wohl verlängert - 100 Millionen Dollar jährlich (Der Spiegel 4/2002, S. 111). Überhaupt war der Versuch der NATO, möglichst alle willigen osteuropäischen und zentralasiatischen Länder in die "Partnerschaft für den Frieden" einzubinden angesichts der"Standortgebühren durchaus erfolgreich, ermöglichte es doch den USA, ab 1997 unter dem Namen "Manöver" groß angelegte Kriegsspiele in Zentralasien zu veranstalten, ihre Logistik auszubauen, zu gucken, was die "Partner" so an Waffen haben und auch in Kasachstan , dem " Kuwait des 21. Jahrhundert" - so Ölexperten, (FR 25.1.02) und Tadschikistan und Kirgisistan (K. soll nach FR 25.1.02 sogar 200 Millionen Dollar in Aussicht gestellt bekommen haben) "militärische Entwicklungshilfe" zu leisten, was unter den geostrategischen und geopolitischen Bedingungen immer Einkreisung Russlands bedeutet .

Neue Kriege werden so jetzt schon determiniert:

1. bilden sich in den ehemals sowjetischen zentralasiatischen Südrepubliken jetzt schon islamische Widerstandsgruppen gegen die neuen Herren (s. Spiegel 7/2002)

2. schmieden China, Russland und Indien ein "Strategisches Dreieck" gegen die US-Präsenz in Asien (jW 15.2.2002). Dass es keineswegs um Osama bin Laden geht, machen alle Vergangenheitsanalysen klar und alle Aussagen von hochrangigen US-Politikern. Es geht - wie die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright schon 1997 eigentlich Brzezinski wiederholend es nannte: "Lebenswichtige Interessenregion der USA".(Blätter für deutsche und internationale Politik 2/2002, S. 150)

Es geht nicht um bin Laden. Die US-Außenministerin unter Clinton, Madeleine Albright, hat schon 1997 Zentralasien zum den "lebenswichtigen Interessenregionen der USA" erklärt (Blätter für deutsche und internationale Politik 2/2002, S. 150). Lebens-wichtig!!

Dass die USA offensichtlich - wie auch am Persischen Golf vor 12 Jahren - sich auf längeres Bleiben einrichten, sieht man am Bau von Kasernen für 10000 US-Soldaten am strategisch wichtigen Flughafen von Baghram, 40 km nördlich von Kabul. Neben Kandahar ist das der 2. Flughafen, "in dem sich Washington auf afghanischem Boden eingräbt."(WAZ 13.2.02) Nach der WAZ nennt das ein hoher US-Offizier: "Schutztruppe am Hindukusch." Die Reaktion Russlands, plötzlich direkter Nachbar der USA auf ehemals sowjetischem Boden ist keineswegs erfreut.

Die FR vom 25.1.02 berichtet, dass in Russland das Misstrauen gegen die us-amerikanische Gier nach Stützpunkten rund um Russland wächst. Obwohl direkt für den Krieg gegen Afghanistan oder gar zum Einfangen von Osama bin Laden überhaupt nicht notwendig, wachsen in allen genannten Staaten die US-Basen. Immer und immer wieder schreiben nicht nur Brzezinski, sondern auch die brain-trusts der Öl-Industrie, zu denen Condoleeza Rice und Dick Cheney u.a. gehörte, dass das Afghanistan - Problem hinsichtlich einer us-kontrollierten Pipeline gelöst werden müsse. (vgl. Krieg ums Erdöl 1, 14ff u.ö), Chevron wollte seinen größten Supertanker aus Dankbarkeit "Condoleeza Rice" bennenen. Nach der Berufung von C. Rice als Leiterin des NSC ist das als zu auffällige Verquickung von Amt und Geschäft aufgegeben worden..). Die gleichen Informationen finden sich aber regelmäßig in den Informationen für die Truppe; es gibt mehrere z.B. Arte-Sendungen zur Neuen Seidenstraße und New Great Game usw. Im Prinzip steht das aber auch schon im Weißbuch 1994 der Bundeswehr. Im Sommer 1999 ist das Gebiet Georgien, Aserbeidschan und Ukraine schon nato-blau in Landkarten der offiziellen NATO-Briefe eingezeichnet. ( Das Weißbuch 1994 - ein neueres gibt es nicht und die "Informationen für die Truppe" sowie die " NATO-Briefe" und "Der Mittler-Brief", Informationsdienst zur Sicherheitspolitik gibt es kostenlos zu bestellen bei: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Referat 301 S, Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin, ein Muss-Lektüre für jede Kriegs- und Friedensfreundin )

China scheint über den neuen Nachbarn in der Nähe der eigenen Grenzen auch nicht glücklich zu sein: Die jW vom 25.1.02, S. 9 berichtet vom "Unbehagen in Peking". China wird in den nächsten Jahrzehnten ungeheure Mengen Erdöl und -gas brauchen. Die zentralasiatischen Reichtümer liegen praktisch vor der Haustür. Allerdings hat es China in den westlichen Grenzgebieten auch mit 70 Millionen Muslimen zu tun, die zunehmend separatistische Tendenzen zeigen. Übrigens könnten die USA wieder ihr Herz für Minderheiten religiöser oder ethnischer Art dort ganz leicht entdecken und ihnen über kurz oder lang bei ihrer Befreiung vom kommunistisch-atheistischen Joch Chinas behilflich sein. (Gleiches gilt natürlich für Ostafrika).

Le Monde diplomatique Januar 2002 widmet dem Thema Erdölkonsortien, Geheimdienste und internationale Vermittler mehrere Beiträge. Dort wird noch einmal die Rolle von Zbigniew Brzezinski , dem Förderer von Madeleine Albright, beleuchtet. Brzezinski war Sicherheitsberater bei Carter, Berater von Amoco, die beiden Bushs, Richard Cheney, CIA, Unocal (Union Oil Company of California, gegründet 1890, der zehntgrößte Ölkonzern der USA): Alles u.a. die Förderer der Taliban. Zwischen Unocal und den "Religionsschülern" herrschte "eitel Sonnenschein". An der Universität von Omaha wurden 137 Taliban für den Bau von Pipelines ausgebildet - das war noch 1997. Erst als am 22.2.1998 Osama bin Laden die Al Quaida gründete und zu Anschlägen gegen die USA aufrief, verschlechterte sich das Verhältnis. Am 8.8.1998 werden die US-Botschaften in Daressalam und Nairobi durch Bombenanschläge zerstört. 224 Menschen sterben. Von da an werden Überlegungen angestellt, wie man in Afghanistan anders vorgehen kann. Aber noch am 27.9.2000 hält der stellvertretende Außenminister der Taliban - Regierung in Washington am Middle East Institut einen Vortrag, der auch die Auslieferung oder Lösung des Problems Osama bin Laden andeutet. Auch mit dem Ex-König Zahir Schah werden Kontakte aufgenommen, dessen politischer Koordinator übrigens Ende 2001 in einem Spiegel-Interview erklärt, dass, wenn der König zurückkehren würde, endlich die Pipelines für Öl und Gas durch die USA gebaut werden könnten (Der Spiegel, 48/2001, S. 166),

Der US-Botschafter in Pakistan, Robert Oakley, gleichzeitig Unocal-Lobbyist, mischt immer kräftig mit. Bis zum Februar 2001 glaubt man in den USA, mit den Taliban zu einem Abkommen zu kommen. Auf Anweisung des Außenministeriums werden sogar die Ermittlungen gegen bin Laden wegen des Anschlags auf den Kreuzer USS "Cole" eingestellt. Ein FBI-Beamter (John O´Neill) muss sogar den Jemen verlassen, um ihn an weiteren Untersuchungen zu hindern. Vom 17.-21. 7.2001 gibt es Verhandlungen zwischen den USA und den Taliban in Berlin. Die Verhandlungen scheitern wegen der Teilnahme eines UNO-Vertreters, der von den Taliban für Sanktionen gegen Afghanistan verantwortlich gemacht wird.. Vom 29.7.2001 werden alle Ermittlungen gegen Osama bin Laden wieder aufgenommen, weil jetzt die militärische Aktion sozusagen beschlossene Sache ist.

Allerdings wird ebenfalls wohlbegründet die Entscheidung zum Krieg vom ISW (Krieg ums Erdöl, München , Dez. 2001) auf den 12.2.1998 datiert. Damals trug der Vizepräsident von Unocal Corporation dem "Subcommittee on Asia and the Pacific" die Vorstellungen seines Konzerns hinsichtlich Zentralasiens vor. Drei Aufgaben stellt der Erdölmanager der US-Politik:

Pipelines zum Transport der riesigen Öl- und Gasreserven in Zentralasien bauen,

neue politische Strukturen einschließlich Afghanistans schaffen,

ein positives Investitionsklima schaffen.

Das alles muss selbstverständlich militärisch abgesichert werden und vorher militärisch vorbereitet werden.

Der Markt der Zukunft liegt im Süden und Ostens Zentralasiens. Da der Iran nicht kooperiert, müssen die Pipelines durch Afghanistan gebaut werden.(vgl. http::// www.rense.com).

Schon lange wird bin Laden nicht mehr als Kriegsgrund propagiert, sondern die Befreiung der afghanischen Frau, des afghanischen Volkes und die Zerschlagung der sog. Terrororganisation Al Quaida. Die Schwerpunkte können so oder anders - je nach Kriegslage - modifiziert werden. Als klar war, dass die USA auf die Warlords der sog. Nordallianz setzen würden, konnte man sogar in der WAZ ein längeres Interview mit Jochen Hippler lesen mit dem Inhalt, dass diese Warlords sich keinen Deut von den Taliban unterscheiden.

In Bonn waren neben zahlreichen US-Beratern eine ausgesuchte Gruppe von Monarchisten, Mudschaheddinführer und US-Bürger afghanischer Herkunft oder Afghanen mit Geschäftssitz in den USA zusammengekommen. Es waren größtenteils die Kräfte, die 1992 bis 1996 an der Zerstörung Kabuls tatkräftig beteiligt. Sie waren für den Tod von mindestens 50 000 Zivilisten verantwortlich (Baraki in Blätter für dt. und i. Politik, 2/2002, 147. Nur nebenbei: In der WAZ wird dauernd Amin Farhang aus Bochum gelobt. Farhang ist Schwiegersohn des Ex-Königs Sahir und erfreut sich bester Kontakte zum dt. Großkapital. Er ist Minister für Wiederaufbau, wird also wohl auch einen Teil der 3 Milliarden Euro für den deutschen Mittelstand und seiner Produkte für Afghanistan verwalten (Baraki, aaO, 149).


Der in Bonn ausgeguckte Interimspremier Afghanistans, der ehemalige Mudschahed und Feudalherr Abdul Hamid Karsai widerspricht im Spiegel-Interview (4/2002, S.119) gar nicht dem Interviewer, der den sog. Chef der Nordallianz, jetzt stellvertretender Verteidigungsminister in Kabul, General Dostam, einen "Blutsäufer" nennt. General Dostum hat für einen sechsstelligen Dollarbetrag die Public Relation Firma Philip S. Smith & Associates als PR-Berater angeheuert, um sein Image in Afghanistan und der Welt aufzupolieren. Bezahlt wird offensichtlich von Hilfsgeldern, die Afghanistan zur Verfügung für den Wiederaufbau gegeben wurden (jW 25.1.02, S.9).

Karsai war Geschäftsmann in den USA (so der Spiegel,). Nach jW, 8.1.02, S. 1 war er Berater des US-Konzerns Unocal, einem Öl-Multi, der die Möglichkeiten der Pipeline-Führung durch Afghanistan nach Pakistan untersuchte. Übrigens trifft es sich gut, dass der Sonderbotschafter der USA, der jetzt nach Kabul entsandt worden ist, beim gleichen Konzern im gleichen Projekt arbeitete, der aus Afghanistan stammende US-Bürger Zalmay Khalilzad. "Er schrieb das Drehbuch für den Afghanistan-Krieg "(Der Spiegel, 2,2002). Bis 1998 hatte Khalilzad dafür plädiert, mit den Taliban ins Geschäft zu kommen. Er arbeitete für die dem Pentagon nahestehende Rand Corporation. Seine Freunde Richard Perle und Paul Wolfowitz (stellvertr. Außenminister) und andere aus der Reagan-Regierung warteten auf den neuen Bush, um alte Pläne zu realisieren (vgl. Spiegel, aaO).

Jetzt sitzt Khalilzad sogar im NSC, dem höchsten US-Entscheidungsorgan: National Security Council. Der NSC ist das ökonomisch-militärisch-politische Entscheidungszentrum der USA. Neben den allerhöchsten Militärs und der Geheimdienste sitzen die Top-Manager der größten Rüstungs- und Ölkonzerne im NSC. Besonders die Interessen von Erdöl und Waffenproduzenten waren und sind aufs engste miteinander verflochten. Vom NSC wird leider in unseren Medien fast nichts berichtet. Dessen Leiterin wiederum ist Condoleezza Rice, bis zu ihrer Berufung in den NSC Beraterin des Ölkonzerns Chevron für zentralasiatische Fragen. (jW 8.1.02). Tengizchevroil , eine Tochter von Chevron, hat sich den größten Batzen des kasachischen Erdöls gesichert. (Brisard/Dasquié, 21).

Für die Ölindustrie arbeitete immerhin als Generaldirektor der Firma Halliburton Energy Dick Cheney, heute Vize-Präsident. Die Ölpipeline von Burgas nach Vlore in Albanien wurde von einer Tochter der Halliburton Energy mit Namen Brown & Root LTD entwickelt. Diese Pipeline AMBO war ja mit ein Grund für den Krieg gegen YU. Im Kosovo entstand die größte Militärbasis (Bondsteel, vgl. MB5/01, S.14) außerhalb den USA, Ausrüster war Cheneys Firma Halliburton. Halliburton war beteiligt an den Expertisen für die Pipeline durch Afghanistan. Für die Bewaffnung ist der ehemalige Vertreter von Lockheed im Pentagon mitverantwortlich: Heute ist er der Kriegsminister: Donald Rumsfeld (vgl. jW 25.01.01). Je länger der Krieg in Afghanistan und sonst wo gegen den Terror dauert, desto mehr wachsen die Aufträge für Lockheed (vgl. FR 29.10.01). Fort Worth in Texas, der Heimat der Bushs wird Standort für Lockheed Martin sein, um ein neues Superflugzeug (Joint Strike Fighter -JFS) zu bauen, womit in den nächsten 20 Jahren allein 200 Milliarden Dollar zu verdienen ist. Das Vermögen Rumsfelds beläuft sich nach US-Berichten längst auf mehrere Dutzend Millionen Dollar, weil er auch an anderen Unternehmen Großaktionär ist. JW 10./11.1.01 berichtet, dass Rumsfeld seit Jahren Vorsitzender der Ballistic Missile Threat ist und gegen den ABM-Vertrag kämpft. Neue Anti-Anti-Raketen würden u.a. auch von Lockheed mitgebaut werden. 1975-1977 war Rumsfeld schon einmal Kriegsminister unter Gerald Ford und hat damals den als einen der blutigsten Diktatoren Marcos auf den Philippinen in seinem Anti-Terror-Kampf militärisch und ideologisch unterstützt. Er war einer von denen, die dafür sorgten, dass die US-Basen in Süd- und Ostasien erhalten blieben. Damals schon war Rumsfeld ein vehementer Befürworter der "Neutronenbombe" und (angeblich) miniaturisierter Atombomben, die mit dem euphemistischen Kosenamen Mininukes durchaus an die 15 Kt-Stärke der Hiroshima-Bombe heranreicht. Aber auch Dick Cheney war unter Bush sen. schon Kriegsminister und war für die Invasion in Panama mit ca. 10 000 Ermordeten und dem Krieg gegen den Irak, bis heute vielleicht 1 Million Tote, verantwortlich .Ein anderer Kriegsminister Frank Carlucci (unter Ronald Reagan, bekannt für riesige Aufrüstungen) ist Top-Manager der Carlyle Group, ein Who is Who ehemaliger Regierungsmitglieder und Industrie- und Finanzmanager. James Baker, unter Bush sen. Außenminister ist Beiratschef bei Carlyle, Bush sen. Hat einen Berater-Vertrag. Alle zusammen kennen die Regierungsmitglieder Colin Powell, geschätztes Aktienvermögen 25 Mill. Dollar( Powell gilt den Medien heute als einer der imperialistischen Tauben - runtergespielt wird seine Rolle bei der Organisation der Contra-Terroristen in Nicaragua, sein angebliches grausames Wüten in Vietnam (vgl. jW, 10./11.11.01), Handelsminister Donald Evans, langjähriger Freund von Bush jun., 25 Millionen Dollar beim Öl- und Gaskonzern Tom Brown, Finanzminister Paul O`Neill, ehemaliger Vorsitzender des Aluminiumkonzerns Alcoa (Flugzeugbau!) 25 Millionen Dollar. Justizminister John Ashcroft, Innenministerin Gale Norton, Landwirtschaftsministerin Ann Veneman und Energieminister Spencer Abraham sollen Vermögenswerte im mindestens sechstelligen Dollar-Bereich haben. (vgl. jW, aaO). Dass Bush sen. und Bush jun. vielfache Ölmillionäre sind, weiß man zur Genüge (vgl. MB, 5/01,52), der Opa von Bush jun., Prescott Bush, soll sogar Milliardär in Sachen Öl und Rüstung gewesen sein. Von BP-Amoco weiß man, dass Bush jun. ein namhaftes Aktienpaket hat(aaO). Der Zusammenbruch des u.a. auch im Erdölgeschäft tätigen Energiekonzerns Enron Mitte Jan. 02 hat die engste Verflechtung Bushs und Cheneys mit Enron deutlich gemacht. Enron hat große Geschäfte auch in Ex-Yu gemacht, wo Enron mit Bechtel und General Electric für Schnellstraßen, Pipelines und Glasfaserkabel für die Kommunikationssysteme tätig ist bzw. war. Die gesamte Energie-Politik der USA sei bei Enron geplant worden. Aber natürlich haben viele Millionen Dollar Wahlkampfhilfe für Bush jun. und Cheney nichts mit Enrons Wünschen zu tun.(vgl. WAZ 1.2.02, vgl. Sozialismus 1/2001, S. 6ff). Immerhin soll der Minister für Armeeangelegenheiten, Thomas White, Vizepräsident von Enron Energy Services gewesen sein und hat sich, bereits im Amt, für die Privatisierung der Energieerzeugung in Militärbasen eingesetzt. Edward Gillespie, einer der Hauptberater im Wahlkampfteam Bush jun. hat im vergangenen Jahr bei Enron mehr als eine halbe Million Dollar Beraterhonorar verdient. Richard Cheney soll sich besonders für Enron verwandt haben. Er weigert sich noch, Dokumente der Regierungs- Arbeitsgruppe Energie, deren Leiter er war, herauszugeben.(vgl. jungle world, 7/2002, 17).

Dem MIK versprach Bush jun. Vor der Wahl die Erhöhung des Rüstungshaushaltes um 25 Milliarden Dollar, vor dem 11.9. wollte das Repräsentantenhaus aber nur 8 Milliarden bewilligen, nach dem 11.9. waren es 40 Milliarden direkt, weitere Milliarden folgten und folgen. Der Vize-Kriegsminister der USA, Wolfowitz, taucht immer wieder als Sprachrohr (?) der Regierung auf: Notfalls müssen gewisse Staaten beendet werden", mit der Regierung des Irak finden wir uns nicht ab, sie muss ausgetauscht werden, der Krieg gegen den Terror kann wie eine 100jährige Chemotherapie sein (friedens-info, 16.11.01, Matthias Greffrath).

Ein Teil der hier Genannten haben enge Beziehungen zum Carlyle-Konzern.

Carlyle ist bekannt geworden, weil diese Gruppe vor allem auch Waffen in alle Welt verkauft. Der saudi-arabische Prinz Al-Walid und die Familie bin-Laden waren die wichtigsten Handelspartner in Mittelasien und Arabien, vielleicht sind sie noch, hat man sich doch von Osama genügend distanziert. Zur Carlyle Group als Chefberater gehört auch Ex-Bundesbankchef Karl-Otto Pöhl, der Ex-Premierminister von GB John Major, Ex-Präsident Fidel Ramos von den Philippinen, Arthur Levitt, ehemaliger Vorsitzender der US-Börsenaufsicht. Natürlich nimmt Carlyle keinen Einfluss auf die US-Rüstungspolitik, auch wenn ihr neues Artillerie-Geschütz Crusader im neuen Kriegsetat mit 400 Millionen Dollar eingeplant ist. (Im Internet gibt's 2 Carlyle Anschriften, vgl. Spiegel Online, 16.1.02). Der geschäftsführende Direktor heute: Ex-Kriegsminister Carlucci, College-Freund von Donald Rumsfeld (friedens-info 2.11.01). Mitbeteiligt: Ex-Minister James Baker, George Soros und Fred Malek (Kampagnen-Manager von Bush sen.)

Die intensiven Beziehungen zwischen Carlyle, anderen US-Firmen und Osama bin Laden werden detailliert beschrieben bei

Jean-Charles Brisard und Guillaume Dasquié, Die verbotene Wahrheit, Zürich 2002

Militärisch-Industrieller Komplex (MIK): Ich weiß wirklich nicht, wie man besser diesen MIK umschreiben kann. Jedes DDR-Lehrbuch von vor 12 Jahren hätte soviel Phantasie nicht entfalten können, wie es seitdem die kapitalistische Ökonomie vorführt. Auch das gehört wohl zu dem , was Oskar Negt folgendermaßen ausgedrückt hat: Seit die zivilisierenden Zwänge, die das sozialistische Staatensystem auf den Kapitalismus ausübte, gefallen sind, gelten ganz offen wieder die wölfischen Sitten des Kapitals. Die letzten Beißhemmungen sind beseitigt.

Paul Kennedy : Die USA stellen 4 % der Weltbevölkerung, produzieren aber 30 % aller Güter und Waren. Das gemessen an der Bevölkerung 5mal größere China produziert nur 3 % der Waren der Welt. Auf die USA entfallen 36 % aller Kriegsproduktion weltweit, das ist mehr, als die 9 nächsten Staaten zusammen. In 15 bis 30 Jahren wird beim gegenwärtigen Wachstum allerdings China in jeder Hinsicht ein ernstzunehmender Konkurrent werden. In 10 -15 Jahren dürfte China Interkontinentalraketen besitzen . bisher lassen sich chinesische A-Sprengköpfe nicht weit schießen, weil die Trägersysteme noch fehlen.

Der Militärhaushalt der USA betrug vor dem 11.9. 329 Milliarden Dollar (das ist ungefähr 7mal mehr als alle Rogue-Staaten zusammen haben: Libyen, Irak, Iran, Nord-Korea, Kuba, Syrien, Sudan - Syrien und Sudan sind im Februar 2002 nicht direkte Schurkenstaate - auch da gelten flexible Koalitionen). Nach dem 11.9. hat Bush 48 Milliarden Dollar vom Kongress noch `mal extra bekommen, obwohl er vor dem 11.9. längst nicht auf die 25 Milliarden gekommen wäre, die er den Rüstungskonzernen versprochen hatte - neben der Umsetzung des NMD-Systems (National Missile Defense - das sog. Raketenabwehrsystem, früher SDI genannt).

Kein Wunder, wenn sich Senator McCain und andere auf der NATO-Tagung in München Anfang Februar 2002 darüber aufregen, dass die BRD z.B. nur die Hälfte der US-Erhöhung als Gesamtetat für Verteidigung hat. Obwohl auch die für 2002 vorgesehenen 25 Milliarden Euro für den sog. Verteidigungshaushalt für die Rüstungsproduzenten der BRD schon ganz erfreulich sein dürften. Der Präsident des Bundesverbandes der Luft- und Raumfahrt , Hertrich, wünscht, dass jährlich 2 bis 3 Mrd. Euro zugelegt werden(vgl. MB 1,02, 5)

Kennedy meint, dass die USA zu allen Alleingängen sich weiterhin befugt sehen. Die NATO kann die pax americana nach dem Krieg sichern oder Polizeifunktion ausüben. Sie ist nur politisch, nicht militärisch interessant für die USA. Wie andere internationale Organisationen auch: Wenn die UNO US-Aktionen absichert, o.k., wenn nicht, auch gut. Die USA werden nur multilateral, wenn ihnen das nützt. Das gilt seit München Anfang Febr. 2002 auch für die NATO. Die USA wünschen jetzt ganz offiziell "flexible Koalitionen", auch `mal den einen oder anderen NATO-Staat. Gegen den Irak wird wohl nur Blair und Großbritannien mitmachen - bisher! Es ist sehr fraglich, ob das politische Gewicht auch Gesamteuropas zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausreichen würde, die USA von rücksichtloser militärischer Machtentfaltung abzuhalten. Die Sorge in EU ist, dass damit der Sumpf für potenzielle terroristische Aktionen nur weiter gedüngt wird. Viel lieber als den großen Hammer zu schwingen raten die Europäer zur sorgfältigen ökonomischen, militärischen und ideologischen Einflussnahme.

Richard Perle, einer der einflussreichsten Pentagon-Berater, drückte das Verhältnis USA-NATO so aus, wie es ist: Entweder ihr macht mit, erhöht auch eure Rüstungshaushalte - oder ihr bleibt draußen. Allerdings bekommt ihr dann auch keinen Anteil an der Beute, weil ihr ja gegen uns seid. So wie Perle das ausdrückt, redete in den schlimmsten Kolonialzeiten das imperialistische Hauptland mit seiner Marionetten-Regierung in der Kolonie.

Geostrategische Interessen nach Öl und Basen in Ostafrika

Öl am Horn von Afrika: taz und Spiegel brachten während der zeitweiligen Besetzung Somalias 1993 durch die USA und u.a. auch BRD interessante Berichte z.B. über Ölvorkommen in Somalia und vor allem auch über den Jemen. Fast der gesamte Jemen ist unter transnationalen Ölkonzernen aufgeteilt. Vor allem US-Konzerne haben ihre Claims gesichert. Aber nicht nur deswegen ist Somalia als strategischer Posten so interessant. Im Südsudan arbeiten auch etliche internationale Konsortien. Die Pipelines laufen nach Port Sudan. Djibouti, also der Garnison der Bundesmarine, ist der nächste größere Hafen am Roten Meer. Lange Transportwege durch relativ wüstes Gebiet bergen für die Ölkonzerne Risiken. Wenn die Aufpasser in der Nähe sind, kann vielleicht weniger passieren. Die Grünen drückten das noch ähnlich wie die SPD 1990 so aus, dass die NATO der bewaffnete Arm der transnationalen Konzerne ist.

Wenn gleichzeitig in Mombasa Bundeswehr-Luftwaffeneinheiten stationiert werden, kann man Somalia (FR 31.1.02) in die Zange nehmen. Aber selbstverständlich ist die gesamte arabische Halbinsel wegen der immensen Ölvorkommen und aus strategischen Gründen äußerst wichtig. Der wichtigste Transportweg der Welt (so: Ohne Rüstung leben, Informationen nr. 100, 1/2002, S. 3), der vom Indischen Ozean aus über den Golf von Aden und das Rote Meer durch den Suez-Kanal ins Mittelmeer führt, muss auf jeden Fall unter Kontrolle der "westlichen Welt" bleiben.

"Die Hyäne am Horn von Afrika" lautete eine dicke Überschrift in der WAZ am 5.1.02. Die 1. Assoziation war: Welcher Terrorist ist jetzt entdeckt worden? Tatsächlich war das aber ein liebevoller Artikel über "Gepard", "Puma", "Hyäne", "Bussard" und "Falke" - so heißen "unsere" Schnellboote, die im Golf von Aden kreuzen.

Aber gerade auch in Afrika werden ja noch zahlreiche Rohstoffe vermutet. Das deutsche Büro von TotalFinaElf hat in einem Leserbrief am 16.1.02 in der FR dementiert, dass der Konzern weiterhin im Sudan tätig ist. Angeblich hat man sich wegen der unsicheren Menschenrechtslage und sonstiger politischer Situation zurückgezogen. Vielleicht kommen sie wieder, wenn "wir" die Sache stärker in die Hand nehmen. "Ein sehr delikater Abwägungsprozess" - so TotalFinaElf - ist das immer: Wirtschaftliches Engagement und soziale Aktivitäten im Interesse der Menschen vor Ort. Nicht gesagt wird, ob einheimische oder fremde Menschen gemeint sind.

Im Sudan, eigentlich nach US-Darstellungen ein Spiegelbild Afghanistans unter den Taliban, gibt es nicht nur Erdöl, sondern Platin, Gold, Kupfer und Uran (FR 8.1.02). Im Sudan gibt es dazu alles, was Urlauberherzen höher schlagen lassen: Tempel, Moscheen, Wasserfälle, Pyramiden. Aber seit vielen Jahren tobt auch wegen der riesigen Ölfelder im Süden des Sudans der Bürgerkrieg. 3 Milliarden Barrel sollen sehr viel sein. Seit 1999 wird Öl gefördert, das Geld aus diesem Ölgeschäft geht in Waffenkäufe. Seit Öl gefördert wird, so stellten verschiedene NGOs wie Pax Christi, Christian Aid, Amnesty international, Gesellschaft für bedrohte Völker, Brot für die Welt u.a. fest, vertreibt die Regierung Sudans aus den Ölgebieten die Menschen. Die Ölfirmen CNPC(China), Petronal (Malaysia), Talisman Energy (Kanada), Lundin Oil (Schweden), OMV (Österreich), TotalFinaElf (Frankreich) sind sich keiner Schuld bewusst. Die Menschenrechtssituation hat sich durch die Aktivitäten der Ölkonzerne verschärft, weil sie die Regierung bei brutalen Vertreibungsaktionen unterstützen. An der Börse in New York sollten diese Konzerne nicht mehr handeln dürfen; der Gesetzentwurf des Repräsentantenhauses ist von Bush auf Eis gelegt worden, weil der Sudan nun seit dem 11.9. zur Anti-Terror-Allianz gehört. Die Doppelmoral der US-Regierung wird doppelt und dreifach deutlich - wenn`s um`s Öl geht.....


Neben der geostrategischen Lage Somalias sind aber vor allem die Erdölvorkommen in Somalia wichtig. In 2/3 des Landes haben US-Konzerne Schürfrechte: Conoco, Amoco, Chevron und Phillips. In einer Weltbank-Studie wird Somalia zu den 8 reichsten Ländern Afrikas an Ölvorkommen gezählt. Die US-Konzerne habe die Verträge mit dem ehemaligen Diktator Barre abgeschlossen. Schon 1993 wurde der Griff nach Somalia gemacht, scheiterte damals aber. Die Massenakzeptanz in den USA ist natürlich nach dem 11.9. viel größer, einen richtigen Krieg o.ä. zu riskieren. Neben anderen unerledigten Aufgaben seines Vaters scheint auch Somalia besonderes Interessengebiet der texanischen Öl-Multis zu sein. 1993 redete sogar die taz (19.1.93) und der Spiegel z.B. noch davon, dass Bush sen. mit dem Einmarsch in Somalia wichtige Erdölvorkommen schützen wolle. 1986 weihte der damalige Vizepräsident Bush persönlich die Raffinerie der Hunt Oil Corp. ein - direkt gegenüber von Somalia, im Jemen. Schon damals war in der Rede Bushs von Entwicklung und Schutz der Ölvorkommen die Rede, natürlich durch die USA.

Neben Öl werden in Somalia große Vorkommen Uran, Kupfer, Blei, Zink, Mangan, Titan

erwartet.

Aber, hier muss noch einmal betont werden - wenn es gegenwärtig in einem langanhaltendem Krieg (so Bush) - nicht nur um Rohstoffe geht, so doch um einen Teil der "Geopolitischen Neuordnung" der Welt (so die Financial Times, nach jW 25.1.02), einer Neuordnung, die alles seit 1990 übersteigt, dann ist Somalias strategische Lage wichtig: Es liegt halt am Ausgang des Roten Meeres und damit am Seeweg zwischen Mittelmeer, Suez-Kanal und Indischem Ozean und bietet Möglichkeiten, auf die arabische Halbinsel bzw. auf Nord-, Süd- und Ostafrika Einfluss zu nehmen.

In Somalia könnten entsprechend dem afghanischen Nordallianz-Vorbild die in Südäthiopien operierenden Oromo-Stämme in Somalia eingesetzt werden. Das wären neue "Freiheitskämpfer", die die USA unterstützen könnten. Im Nordwesten Somalias hat sich Somaliland etwa in den Grenzen der ehemaligen britischen Kolonie gegründet und für unabhängig erklärt, im Nordosten hat im Sommer Puntland seine Autonomie erklärt. Der zentrale südliche Teil, etwa mit der ehemaligen italienischen Kolonie identisch, wird von verschiedenen Warlords beherrscht. Es gibt sogar eine von den meisten Staaten anerkannte Regierung unter Abdulkassim Salad Hassan, einem früheren Minister von Siad Barre. Nur regiert der höchstens in einem Teil Mogadischus und die USA erkennen diese Regierung nicht an. Die Begründung: Abdulkassim hätte etwas mit Al Itihaad zu tun, die angeblich so fundamentalistisch wie die Al Quaida sei und zu dieser Beziehungen hätte. Nur: Weder CIA noch sonst wer hat jemals etwas von AL Quaida in Somalia gehört und Al Itihaad soll sich 1997 aufgelöst haben. Was aber wäre, wenn irgendein Warlord die "internationale Gemeinschaft", sprich: USA oder ihren Subunternehmer UNO (Paech) anruft, " Freiheit und Ordnung" wiederherzustellen? Ganz abgesehen davon, dass im unter US-Konzernen aufgeteilten Jemen ein ähnlicher Ruf ertönen würde?(vgl. FR 29.1.02)

Auch in der BRD geht es um den propagierten Anti-Terror - Krieg, bei uns eher aber Mission und Operation oder Schutz genannt- gemeint sind aber immer Mitspracherechte bei der Verteilung der Beute. (Schutztruppen hießen schon die friedenschaffenden kaiserlichen Kolonialtruppen - nur eine zufällige nur sprachliche Kontinuität?)

Kleiner Exkurs: Asyl für politische Flüchtlinge aus Afghanistan

Asyl wegen religiöser oder politischer Verfolgung konnte man bis zum 11.9.2001 in Deutschland nicht bekommen. Die Repressionen durch die Taliban waren kein Asylgrund. Die Erklärung hieß:" Bei Anpassung an die Regeln für die Aufrechterhaltung der Ordnung im Verständnis der Taliban (etwa zur Verwirklichung der Geschlechtertrennung oder zur Haar- und Barttracht von Männern ist in Afghanistan - auch für Rückkehrer aus dem Ausland - die persönliche Sicherheit des Einzelnen gewährleistet". (FR 22.11.01, S. 2) "Im Übrigen stellen die strengen Verhaltensmaßregeln der Taliban und die damit einhergehenden Einschränkungen in der Lebensführung letztlich nur eine Ausprägung fundamentalistisch-islamischer Anschauungen und eines entsprechenden Gesellschaftsverständnisses dar", die nicht "asylrelevant" seien.

Es ist schon eine rechte politische Perversität, wenn nach dem 11.9.01 die westlichen Freiheitskämpfer plötzlich die Unterdrückung der Frau in Afghanistan entdecken und die Befreiung der Frauen als Kriegsgrund angeben. Aber auch 4 Monate nach ihrer Befreiung laufen die Frauen in Afghanistan immer noch so verhüllt wie eh herum - so die übereinstimmenden Nachrichten.

Militärisch-industrieller Komplex in der BRD

Über den MIK der BRD gibt es von Jörg Huffschmid u.a. viele gute Untersuchungen. Tatsache ist für die gegenwärtige Situation, dass die deutschen Rüstungskonzerne im letzten Jahr der Regierung öfters über mangelnde Auslastung der Betriebe geklagt haben. Die klagen immer - diesmal hieß es, dass sie nur zu 25 % ausgelastet sind (vgl. ami 11/01). Die Zeitschriften Wehrtechnik z.B. geraten dann bei der Präsentation deutscher Waffen in Schwierigkeiten, wenn sie Waffen anbieten, die nicht im Krieg geprüft worden sind. Alle bisherigen Auslandseinsätze der BuWe haben den Rüstungsunternehmen viele teure Aufträge beschert. Es geht

um den nationalen Markt. Die neuen Interventionsstrategien der BuWe vom Dschungel bis zur Wüste bis zu Eis und Schnee, alles schon im Weißbuch 1994 gefordert und angekündigt , verlangen scheinbar neue Waffen und andere Ausrüstungen.

muss der internationale Markt bedient werden. Rheinmetall, Diehl Munitionssysteme, Krauss-Maffei Wegmann, MBB, Heckler und Koch u.a. und andere europäische Konzerne mit deutscher Beteilung (z.B. Airbus, Eurofighter) verlangen Kriege und kriegsmäßige Erprobung ihrer Waffen, sollen die US-Konzerne nicht total davonziehen. In den letzten Wochen konnte man lesen, hören und sehen, dass inzwischen neue Generationen von Transportflugzeugen, Hubschraubern, Fregatten, Panzern usw. in Auftrag gegeben worden sind. Bis 2006 ca. 50 Milliarden Euro, allerdings nur ein Bruchteil dessen, was die USA allein in diesem Jahr ausgeben: wahrscheinlich 400 Milliarden Dollar.

Andere Konzerne, die wie Siemens vielfältig ins Rüstungsgeschäft verwoben sind, haben noch spezielle Interessen. The Afghanistan Development Co. unter deutscher (Siemens-Hoechst-) Führung, eine Organisation, die mineralogische Forschungen betreibt, hat 11 Milliarden Tonnen Kupfer südlich von Kabul festgestellt und Siemens /Hoechst haben die Schürfrechte (Konkret 12/01, S. 21).

Siemens soll ebenfalls an einem Milliarden-Projekt für Telefonsysteme beteiligt sein. Deutschland ist der stärkste Handelspartner Afghanistans seit 1914/15. Nicht umsonst hofft auch die Mittelstandsvereinigung auf Aufträge von mehreren Milliarden Euro für Afghanistan.

Diesmal will die deutsche Industrie nicht wie nach dem us-amerikanischen Krieg gegen den Irak wieder abseits stehen. Schon in Ex-Jugoslawien macht man gute Geschäfte, das zerstörte Afghanistan bietet noch mehr.

Kleine Ergänzung: Deutsche Interessen um den Kaukasus herum

In Deutschland braucht man nur 1 Jahr zurückzudenken. Volker Rühe legte damals dar (vgl. FR vom 7.3.2001), dass auch Deutschland die Ansprüche Russlands auf das Kaukasus-Gebiet "abwehren" müsse. Georgien, Armenien und Aserbaidschan gehörten zur "Staatenfamilie Europas". Deutschland sei der größte Erdgas- und Erdölimporteur aus dieser Gegend und hätte auch eine große Exilgemeinde in diesen Gegenden. Beides muss beschützt werden. Deutsche und europäische Politik hätten die Ost-West-Tangente durch den Kaukasus offen zu halten. Der Iran und Russland behinderten diese friedliche Mission mit allen Mitteln. Jenseits des Kaspischen Meers liegende Republiken hätten auch eine deutliche europäische Orientierung. Auch hier müssen wir für dauerhafte Stabilität sorgen. Auch deutsche Siedler haben zumindest westlich des Kaspischen Meers für christlich-abendländische Traditionen gesorgt, die vor orthodoxen und islamische Einflüssen geschützt werden müssen. Eventuell muss gegen UNO, OSZE und EU Deutschland sich aber auch allein seiner eigenen nationalstaatlichen Verantwortung bewusst werden.

Man kann das auf einen kurzen Nenner imperialistischer Erfahrungen bringen: Nur wer aktiv kämpft, darf an der Beute teilhaben.

Zu diesem ganzen Komplex vgl. Walter von Goldendach/Hans-Jürgen Minow, "Deutschtum erwache", Aus dem Innenleben des staatlichen Pangermanismus, Berlin 1994 und

Dies., Von Krieg zu Krieg, Die deutsche Außenpolitik und die ethnische Parzellierung Europas, Berlin 3. Aufl. 1999

Worum geht es der ökonomisch und damit auch politisch herrschenden Klasse in Deutschland?

1. Nach 1945 war man in der späteren (1949) BRD zunächst ausgeschlossen von eigenen geopolitischen Maßnahmen. Militärisch hatte man fast keine Rechte,. Die NATO hatte die Aufgabe: To keep the Germans down, to keep the Russians out, to keep the Americans in Europe politisch begann aber eigentlich schon ab 1943 die herrschende Klasse die Nachkriegszeit nach der Niederlage des Faschismus vorzubereiten.

2 Schon damals tobte ein Kampf um das Geschichtsbild: Wie war der Faschismus einzuschätzen? Die Täter deklarierten sich sehr bald zu Opfern, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass man nicht nur innenpolitisch, sondern auch außenpolitisch Opfer, vor allem dann der SU geworden war.

3. Eine strukturell-ökonomische, ideologische, politische und ideologische Restauration prägte die ersten Jahre der BRD.

4. Bald kam eine militärische Restauration hinzu. Jetzt stand man auf den Seiten der Sieger. Die ehemaligen Nazi-Offiziere bauten die Bundeswehr auf gegen den gleichen Feind, den man auch im Faschismus bekämpft hatte.

5. Innenpolitisch wurde der gleiche Kampf gegen Kommunisten und alle, die man dafür hielt, mit aller Macht geführt, zum größten Teil mit dem gleichen Personal, das sich schon einmal kurz zuvor im Kampf gegen den Kommunismus bewiesen hatte..

6. Die Totalitarismus-Ideologie gab den historisch-sozialpsychologischen politischen Kitt: Rot gleich braun, die Faschisten sind weg, aber der Kommunismus hält die halbe Welt einschließlich Deutschland in seinen Klauen.

7. 1961 ff ging der Kalte Krieg in eine kurzfristige Politik der Entspannung über, die Studentenbewegung ab 1967 stellte die Fragen, die bis dahin an die Nazi-Väter nicht gestellt wurden.

8. 1968 -1971 gelangen einige wenige marxistisch orientierte Wissenschaftler auf einige wenige Lehrstühle, die DKP wird zugelassen, ihren Mitgliedern wird die Existenz durch Berufsverbote und andere Diskriminierungen vernichtet

9. Ab 1971 wird aber eine radikale Repressionspolitik nach innen geführt. Zehntausende von Berufsverboten machen die Republik zu einem Duckmäuser-Staat. Im Kampf gegen die Linke ist nun fast alles erlaubt.

10. Die BRD hatte sich zur polit-ökonomischen Führungsmacht in Europa entwickelt. Ökonomisch war man ein Riese, militärisch aber immer noch ein Zwerg, war die stete Klage.

Schwer wog immer noch Auschwitz. Von Franz-Josef Strauß über Alfred Dregger zieht sich eine Linie bis Ernst Nolte, Joachim Fest und Hillgruber: Von Auschwitz solle man nun endlich schweigen.

11. 1985 ff wurde trotz der 1982 schon verkündeten geistig-moralischen Wende der Historiker-Streit ausgefochten, ein von Politikern vom Zaun gebrochener Streit, der dennoch viele bürgerlich-liberale Wissenschaftler zu eindeutig antifaschistischen Stellungnahmen veranlasste. Dennoch reichen sich Kohl und Reagan über SS-Soldatengräbern in Bitburg die Hände.

12. Mit der Niederlage der SU und dem Anschluss der DDR an die BRD verändert sich die weltpolitische Lage radikal.

13. Es geht um eine Neue Weltordnung: Welchen Platz erhält die Weltmacht Deutschland?

Die Totalitarismus-Ideologie, eigentlich auf dem Müllhaufen der Geschichte oder in den Schubladen der extremen Rechten verschwunden, wird wieder zur verbindlichen Ideologie. Ja, man geht noch weiter: Die Verbrechen des Kommunismus waren viel größer als die des Faschismus: Schwarzbuch Kommunismus.

14. Der Faschismus wird in unendlich vielen sog. Dokumentarreihen z.B. von Guido Knopp relativiert. Es war doch nicht alles so schlimm und manches geschah auch präventiv.

Jetzt gibt es keine bürgerlich-liberalen Wissenschaftler mehr, die laut und öffentlich Einspruch erheben. Manches am Faschismus und manche der damaligen Führungspersönlichkeiten sind durchaus akzeptabel: Albert Speer, Der "gute Nazi" (jW 9.10.2.2002)

15. Im Gegenteil: Mit dem Überfall der NATO auf Jugoslawien macht sich Jürgen Habermas zum philosophisch-ideologischen Führer der These vom militärischen Humanismus.

Der Außenminister Josef Fischer geht noch weiter: Der Krieg muss sein, um ein neues Auschwitz zu vermeiden. Nur durch Krieg tilgt Deutschland seine Schuld. Damit geht Fischer weit über die Walser-Debatte hinaus, der nur Widerspruch von der jüdischen Kultusgemeinde erhielt, als er 1999 darauf hinwies, dass die deutsche Geschichte nicht nur Auschwitz heißt. Durch Fischer wird Auschwitz instrumentalisiert zur Rechtfertigung eines Angriffkrieges.

Geopolitisch führt der Zusammenschluss beider Teile Deutschlands zur NATO-Osterweiterung. Zahlreiche Wissenschaftler glauben nun, dass Deutschlands wachsende Verantwortung den Sieg im 2. Weltkrieg jetzt mehr oder weniger friedlich herbeiführt.

16. Deutschland ist die Zentralmacht Mitteleuropas und muss notwendigerweise auch eine militärisch, nicht nur durch das Scheckbuch gestützte Machtpolitik zur Sicherung des eigenen Wohlstands betreiben (BP Herzog 1995).

17. Militärische Interventionen sind nun gegen das Grundgesetz, die 2+4-Verträge, auch gegen NATO-Vertrag von 1949 und gegen die UNO möglich.

18. Mit dem Krieg gegen den Terror, der viele Jahre dauern soll und viele Länder erfassen soll, wird Deutschland auch militärisch aufgewertet. Fast ohne irgendwelche öffentlichen Proteste agieren deutsche militärische Einheiten von Ostafrika über Afghanistan, den Persischen Golf bis Ex-Jugoslawien.

19. Inzwischen ist es Ludger Vollmer, der auch den Pazifismus als militärischen Pazifismus uminterpretiert und so mithilft, ideologisch auch noch die letzten Zweifler auf kriegerische Eroberungen einzustimmen.

20. Eine weitere neue Geschichtserkenntnis ist, dass die USA D. vom Faschismus befreit hätten und wir deshalb zu absoluter Solidarität mit den USA gegen die Horden des Osama bin Ladens und der riesigen mörderischen Raubzüge des Osama bin Laden gegen die USA und gegen die zivilisierte Welt verpflichtet sind.

21. Diese neue Handlungsfreiheit nach außen korrespondiert die Handlungsfreiheit nach innen, wo sog. Anti-Terror-Gesetze Rechte für In- und Ausländer drastisch beschneiden und Kritik an der Kriegführung mit Sympathie für den Terror und Antiamerikanismus gleichgesetzt wird.

Neue bundesrepublikanische Diskurse

Ethischer Imperialismus:

Martin Altmeyer und Daniel Cohn-Bendit formulieren (im Spiegel 8/2002, S. 36f) vor einem Millionen-Publikum den aktuellen Diskurs. Es geht um ein Revival der Position des ethischen Imperialismus , den mit dem dankbar nickenden Negerkind. Der ethische Imperialismus ist für Deutschland nicht neu, stand er doch schon im 1. Weltkrieg und dann im 2. Weltkrieg Pate bei den deutschen Raubzügen, die ja z.T. als Befreiungskriege von fremdem Joch deklariert wurden. Manchen Ländern, so die These jetzt auch von Altmeyer und Cohn-Bendit, ist die Entkolonialisierung überhaupt nicht gut bekommen. Sie verstrickten sich in alle möglichen Bürgerkriege, Mord, Totschlag und Korruption, sodass "die überforderten Völker zum Schutz vor Bürgerkrieg, Terror und Verbrechen selbst Interventionen verlangen." "Dagegen steht die Glaubensformel der vor allem hirnverbrannten Linken, aber auch anderer Deutscher: "Gerade Deutschland darf sich an humanitären Operationen nicht beteiligen, wenn sie militärisch eskortiert sind!"

Das "westliche" Modell der Politik taugt zu einer Weltverfassung, weil es jedermann die gleichen Rechte zusichert. "Das bedeutet eben keinen Vorrang einer bestimmten Kultur wie etwa der monopolisierten Filmproduktion aus Hollywood, der McDonald`s-Ernährung oder gar des gesamten "american way of life".

Selbstverständlich darf sich die Führungsmacht des kapitalistischen Westens "gegen einen barbarischen Angriff" wehren und "Selbstverteidigung" üben, sollte allerdings die dabei gemachten Gefangenen ordentlich behandeln.

(Der Spiegel ist noch im Handel, ich zitiere deshalb nicht weiter).

Das sagt jedenfalls jemand, der 1990/91 wahrscheinlich auch noch die Position vertrat, dass die NATO der bewaffnete Arm der transnationalen Konzerne ist.

Zu dem westlichen Modell vgl. man im Ossietzky 3, 2002, S. 93-97 die Umfrage über "westliche Wertegemeinschaft", eine Gemeinschaft, die den Neoliberalismus bis hin zur Planung von neuen Atom-Kriegen und jede Sekunde 3 Hungertote im kapitalistischen Machtbereich hinnimmt.