aus: Streiflichter aus der Geschichte und Arbeit der VVN-BdA Bochum
Bochum 1996:

Wolfgang Dominik
Aspekte der Geschichte der VVN - BdA

Im Schwur von Buchenwald vom 19. 4. 1945 wird von den Überlebenden des Konzentrationslagers u.a. die Absicht erklärt und beschworen, den Kampf erst einzustellen, "wenn auch der letzte Schuldige" des millionenfachen faschistischen Mords " vor den Richtern der Völker steht!" Ein solcher Satz mußte in den Westzonen und dann der BRD ein Stachel im Fleisch der Entwicklung sein, der über kurz oder lang gezogen werden mußte. Gründe dafür gab es genug. Während es 1945 und vielleicht noch 1946 so aussah, als würden die Lehren aus den unglaublichen Verbrechen des deutschen Faschismus gezogen, galt dies zunehmend ab 1947 nicht mehr. Zunächst war aber vorgesehen - und der Konsens reichte bis ins bürgerliche Lager -, die Monopole und Konzerne, die alle zusammen den Faschismus gefördert und in seine Mordmaschinerie verstrickt waren, zu entflechten; alle Personen, die nominell oder faktisch der NSDAP und ihren zahlreichen Unterorganisationen angehört hatten oder diese unterstützt hatten, zu bestrafen, ihrer Funktionen zu entheben und durch Demokraten zu ersetzen; die gesamte Bürokratie, Verwaltung, Justiz, Schul- und Hochschulsystem, Medien sollten von Faschisten und ihren Unterstützern gereinigt werden; die faschistischen Ideologien sollten durch eine Umerziehung des deutschen Volkes eliminiert werden; der Staatsapparat - fast kann man heute sagen - basisdemokratisch erneuert werden; die in Verbrechen, Plünderung und Völkermord verwickelte Reichswehr sollte ganz aufgelöst werden und Deutschland jede Möglichkeit genommen werden, militärisch und politisch irgendwann wieder den Frieden zu brechen.

Dieses Programm ist nicht realisiert worden. Die VVN, 1947 gegründet, hielt und hält bis heute aber an der Analyse der strukturellen Ursachen des deutschen Faschismus und des Neofaschismus fest. Eigentlich schon seit dem Herbst 1944, aber seit 1947 ganz manifest begann die ökonomische, politische, ideologische und militärische Restauration. Bis auf wenige Ausnahmen wurde das gesamte Personal, das den Faschismus erst ermöglicht hatte und ihn bis 1945 unterstützt hatte, in all seine Funktionen wieder eingesetzt.
Statt weiterhin auf die polit-ökonomischen Ursachen des deutschen Faschismus hinzuweisen und diese Ursachen zu thematisieren, wurden von Politikern, Wissenschaftlern, Repräsentanten der Kirchen u.a. Geschichtsbilder entworfen, die genau die Ursachen ausklammerten. Der Faschismus wird nun auf den großen Einzeltäter Hitler zurückgeführt, der das ganze deutsche Volk verführte; oder es wird nun auf das Walten dämonischer Mächte als Ursache des "nationalsozialistischen Spuks" hingewiesen; oder antihumane und krankhafte Ideen griffen auf Grund einer düsteren Gesamtsituation plötzlich um sich. Sehr beliebt war (und ist wieder) die Totalitarismus-Theorie, die sich an bestimmten Erscheinungen der Herrschaftsausübung im Faschismus und Stalinismus festmachte, ohne gesellschaftliche Strukturen, Weltanschauungen und Ziele zu analysieren. So wurden Stalinismus, dann Sozialismus und Faschismus als prinzipiell gleichartig betrachtet, mit dem einen Unterschied, daß der Faschismus mit dem 8. Mai 1945 ja vorbei war, die sozialistischen Staaten aber noch ihr angebliches Unwesen trieben. Es ist müßig darauf hinzuweisen, daß die Begründer solcher verklärenden Geschichtsdarstellung noch kurze Zeit vorher in ihrer überwiegenden Mehrheit den faschistischen Staat nach Kräften unterstützt hatten und die Wahrheit über den Faschismus nun auch verschleierten, um ihre eigene Rolle im Faschismus nicht reflektieren und eventuell betrauern zu müssen. Insofern war die VVN auch eine dauernde Anklage gegen Ex-Faschisten und ihre Geschichtsklitterei. Die VVN mundtot zu machen, lag den inzwischen politisch, ökonomisch und militärisch wieder Herrschenden nahe.

Mit dem "Blitzgesetz" der Adenauer-Regierung vom 11.7.1951, dem "Gesinnungsstrafrecht", wurden genau die Personen erneut verfolgt, die dem Faschismus Widerstand geleistet hatten. Auch die VVN als Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Verfolgte wegen ihres antifaschistischen Widerstandes, geriet in die Schußbahn des "Blitzgesetzes". Hochverrat, Landesverrat, Staatsgefährdung, Verächtlichmachung der Verteidigungsbereitschaft (ca. 5 Jahre vor Aufstellung der ersten Bundeswehreinheiten!), hochverräterische Unternehmen oder Vorbereitung dazu, staatsgefährdende Störung, verfassungsverräterische Vereinigungen (obwohl es gar keine Verfassung, sondern "nur" ein Grundgesetz gab), Verfassungsverrat, kriminelle Vereinigung, verfassungsverräterische Zerzetzung und ähnliche "Kautschukgesetze" (so Josef Müller, damals Justizminister Bayerns) eröffneten ungeahnte Verfolgungsmöglichkeiten gegen alle, die sich dem Restaurations- und Remilitarisierungskurs der Bundesregierung entgegenstellten und auf das Grundgesetz dabei verwiesen. Wurden schon 1951 zahlreiche Organisationen verboten und kriminalisiert, mußte auch die VVN bald ins Visier der selbsternannten Verfasssungs- und Staatsschützer geraten. Die VVN hatte dabei denkbar schlechte Perspektiven. Schon 1950 durften VVN-Mitglieder nicht mehr staatliche Beamte oder Angestellte werden, während gleichzeitig mit dem Art. 131 des Grundgesetzes Ex-Nazis alle ihre Ämter wieder erhielten. 1953/54 wurde die Globke-Kommission gebildet. Globke war Staatssekretär im Bundeskanzleramt und im Faschismus u.a. für den Kommentar der Nürnberger Rassengesetzgebung verantwortlich. Diese Globke-Kommission beurteilte zwei Dutzend Minister und Staatssekretäre, 800 Justizbeamte, Staatsanwälte und Richter, 250 leitende Beamte des Auswärtigen Amtes und 300 der Polizei und des Verfassungsschutzes sowie 800 Generale und Admirale hinsichtlich ihrer Karrieren, Funktionen und Verhaltensweisen im Faschismus und siehe da, fast alle erwiesen sich als lupenreine Demokraten, die in der NSDAP, SS, SA, Gestapo, SD und anderen faschistischen Organisationen sich als äußerst zuverlässige Demokraten für 12 Jahre nur sehr geschickt versteckt hatten.

Dem revanchistischen, antikommunistischen und militaristischen Bewußtsein der fünfziger entsprachen zahlreiche Treffen von Revanchistenverbänden, SS-Verbänden (organisiert in der HIAG, der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit), antisemitische Schmierereien, die Verunglimpfung und Kriminalisierung aller Anti-Militaristen, die Heroisierung soldatischer Tapferkeit in Millionen von Landserheften und Kriegsfilmen, die Verfolgung aller, die auf die Renazifizierungstendenzen in Staat und Gesellschaft aufmerksam machten. Die Blitzgesetze erlaubten, innerhalb von wenigen Jahren hunderttausende von Ermittlungsverfahren einzuleiten, tausende von - auch antifaschistischen Widerstandskämpfern - von Richtern und Staatsanwälten mit der gleichen Mentalität wie 1933-1945 zu verurteilen und in die Zuchthäuser und Gefängnisse der jungen westdeutschen Republik zu stecken. Viele VVN-Mitglieder wurden so schon wieder verfolgt und und eingesperrt.
Auf all diese restaurativen Tatsachen des Kalten Krieges wies die VVN immer intensiv hin, stellte Dokumentationen über die Vergangenheit der neuen Herren (seltener Frauen) zusammen und hatte auch noch die Frechheit, diese zu veröffentlichen, um den Schwur von Buchenwald zu erfüllen. Die Reaktion des neuen westdeutschen Staates war eindeutig. Politische Kommissariate bei der Kriminalpolizei, drei Geheimdienste (Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst - die gesamte faschistische Organisation "Fremde Heere Ost" mit General Reinhard Gehlen an der Spitze bildete den BND -, Militärischer Abschirmdienst - MAD) wurden als staatlicher Repressionsapparat gegen die neu-alten Feinde errichtet.Es war kein Wunder, daß der renazifizierte Staatsapparat die VVN vernichten wollte.

Am 2O. Oktober 1959 war es dann so weit. Das Bundeskabinett stellte beim Verwaltungsgericht in West-Berlin den Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der VVN. Wahrscheinlich glaubte die Bundesregierung, daß dieser Prozeß ohne viel Aufsehens über die gerichtliche Bühne gehen würde. Tatsächlich aber informierte die VVN die Weltöffentlichkeit detailliert über die Renazifizierung weiter öffentlicher Bereiche, der Justiz, der Schulen und Hochschulen, der Nachrichten- und anderer Geheimdienste, der Bundeswehr. Und es wurde darauf hingewiesen, daß Opfer des Faschismus dann keine Wiedergutmachung für viele Jahre KZ-Haft z.B. bekamen, wenn sie sich gegen die Staatsraison erneut vergingen. Am heftigsten traf das die Mitglieder der 1956 verbotenen KPD, gegen die der Verbotsantrag schon 1951 gestellt worden war.
Insgesamt 500000 Unterschriften im europäischen Ausland und hunderttausende in der BRD wurden gegen das Verfahren zum Verbot der VVN gesammelt. Prominente Bürger der BRD gehörten dem Solidaritätsausschuß an: Kirchenpräsident Martin Niemöller, der Verleger Ernst Rowohlt, Oberbürgermeister i.R. Robert Scholl, Pfarrer Herbert Mochalski.
1962 begann das Verfahren zum Verbot der VVN. Es sollte aber bald unterbrochen werden, weil dem Senatspräsidenten Dr. Fritz Werner nachgewiesen wurde, daß er schon vor 1933 aktiver SA-Mann war und der Staranwalt der Bundesregierung, Dr. Reuß, wurde als ehemaliger aktiver Nazi-Jurist entlarvt.
Der Prozeß wurde nie wieder aufgenommen. Das Verwaltungsgericht erklärte in verklausulierter Form, daß die Bundesregierung den Verbotsantrag zurückziehen möge. Auf Grund der Änderung des Vereinsgesetzes wurde das Verfahren von allein hinfällig.

Um die Mitte der sechziger Jahre geriet die BRD in ihre erste schwere ökonomische Krise (Schwarze Fahnen über der Ruhr und anderswo, Bildungsnotstand). Die ideologischen Selbstläufer der BRD gerieten ins Wanken: Der Glaube an ein andauerndes Wirtschaftswunder war desavouiert, die Wiedervereinigungsparolen hatten sich spätestens am 13.8.1961 als Bauernfängertricks für Wahlen enthüllt, der Antikommunismus als staatstragende und verbindliche Religion geriet angesichts der sich ausweitenden Massaker des "freien Westens" am vietnamesichen Volk vor allem in der studierenden Generation ins Wanken, der Glaube an die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit hatte durch die Spiegel-Affäre schon 1962 einen schweren Schlag versetzt bekommen.
In einer Erklärung des Präsidiums der VVN hieß es zur Entwicklung des Neonazismus 1967: "Die Regierungen Adenauer und Erhard sowie die sie tragenden Kräfte haben unserer Bevölkerung tagaus, tagein erklärt, mit der Politik der Stärke, mit der Wiederbewaffnung und Eingliederung in die NATO, mit dem Besitz von Atomwaffen, mit der Politik der Nichtanerkennung der Existenz der DDR sei es möglich, die unseligen Folgen des zweiten Weltkrieges, die unser Volk der Hitlerherrschaft verdankt, rückgängig zu machen, Deutschland wieder zu vereinigen und in den Grenzen von 1937 wiederherzustellen. So wurden in unserer Bevölkerung falsche Vorstellungen, besonders aber unter den Flüchtlingen und Umsiedlern Illusionen über eine Wiedergewinnung der alten Heimat erzeugt und das Gift des Nationalismus, des Völkerhasses und der Revanche in die Herzen und Hirne hineingeträufelt."
Das kapitalistisch-imperialistische System der BRD (und des übrigen "freien Westens") geriet in seine erste große Legitimationskrise. Die "Große Koalition" 1966-69 zeigte vielen Bundesbürgern, daß es doch keine Wahl gab bei den Wahlen; man/frau gab zwar seine Stimme ab - und dann war sie weg.
Die Reaktion auf diese politisch-ökonomische Krise war die Gründung der NPD im Jahre 1964, die bis 1969 mit bis zu 10% Wählerstimmen in sieben Landesparlamente einzog. In manchen Wahlbezirken erhielt die NPD bis zu 3O Prozent der Stimmen. Die NPD sammelte ihre Stimmen vor allem aus dem Spektrum der CDU/CSU-Wähler, bündelte aber auch das gesamte Potential der Ex-Nazis, Völkischen und Deutschnationalen. Intensiver, als aus internationalen Gründen es die CDU/CSU vermochte, propagierte die NPD alte deutsche Werte wie Volk- und Vaterlandsliebe, Nation- und Gemeinschaftsgefühl, Rassen- und Elitementalitäten, Autorität, Ruhe und Ordnung. Sie machte Front gegen die Kriegsschuldlügen (1. und 2. Weltkrieg), gegen die Abtretung der deutschen Ostgebiete an die atheistisch-bolschewistisch-terroristische Sowjetunion, brandmarkte antifaschistische Widerstandskämpfer als Vaterlandsverräter, wetterte gegen alle Demokratisierungstendenzen, gegen moralischen Zerfall, gegen die katastrophale Sexualisierung des Daseins, der Medien, der Kinder und Jugendlichen und verlangte die Erziehung durch die Schule und durch die Schule der Nation, der Bundeswehr, zu Härte, Ehre, Zucht und Ordnung.
Ein wesentlicher Bestandteil der politischen Arbeit der VVN war und ist der Kampf gegen Neonazis. Gerade der Stadtverband Bochum der VVN hatte und hat eine NPD-Zentrale direkt vor der Haustür: In Wattenscheid. Im Laufe der sechziger Jahre bis heute richteten sich zahlreiche Aktivitäten der VVN Bochum gegen diese NPD-Zentrale. Auf zahlreiche neofaschistische Aktionen gelenkt aus dieser Zentrale machte als erste Organisation die VVN Bochum aufmerksam. Morddrohungen gegen Antifaschisten und andere NPD-Aktivitäten wurden von der VVN publik gemacht und hatten in und um Bochum große Resonanz.

Auf die zunehmende krisenhafte Entwicklung reagierte im Mai 1965 die Regierung mit der Vorlage der Notstandsgesetze. 1966 bis 1968 unterstützte die VVN zahlreiche Aktionen und Informationsveranstaltungen im Kampf gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze. Im November 1967 fand die Bewegung "Notstand der Demokratie" ihren Abschluß mit einem Sternmarsch nach Bonn. Dort im Hofgarten demonstrierten 80.000 um die fundamentalen Grundrechte besorgte BürgerInnen. Dennoch wurden die Notstandsgesetze am 18. Mai 1968 imn dritter Lesung (mit den Stimmen der SPD) im Bundestag verabschiedet.

Die Unionsparteien verloren 1969 die Regierungsmacht. Fast 5% NPD-Stimmen fehlten der CDU/CSU, die sich nun in der Opposition gegenüber der sozial-liberalen Koalition nach rechts profilieren konnte. Wie vorher in dieser Härte es nur die NPD vermochte, prangerte nun die CDU/CSU die Anerkennung der Ostgrenzen an, nannte die Annäherungspolitik an die DDR und Verträge mit der DDR Verrat an den nationalen Interessen, diffamierte die Studentenbewegung als von Moskau ferngesteuert. So konnten auch diejenigen Bevölkerungsteile wieder zurück in den Schoß der Unionsparteien geholt werden, die auf revanchistische, militaristische und chauvinistische Denkmuster fixiert waren.

Aber auch die sozial-liberale Koalition, die angetreten war mit dem Motto "Mehr Demokratie wagen", mußte bald zu innenpolitischen Repressionsmaßnahmen greifen, um die neue Generation derer, die nach mehr Demokratie, Mit- und Selbstbestimmung und nach sozialer Emanzipation verlangte, zu disziplinieren und mundtot zu machen. Der am 28.1.1972 verabschiedete sog. Radikalenerlaß führte zu Berufsverboten für Tausende von Menschen, die in den öffentlichen Dienst wollten. In der Regel wurde - wie in den fünfziger Jahren - nun eine Gesinnung geahndet, die zwar vom Grundgesetz ausdrücklich verlangt oder zumindest nicht verboten war, die aber staatlicherseits als extremistisch oder radikal verurteilt wurde. Berufsverbotsopfer waren fast ausschließlich Linke, deren Engagement in erlaubten Parteien und Organisationen bestraft wurde, ohne daß ihnen jemals ein Verstoß gegen das Grundgesetz nachgewiesen wurde. Hunderttausende von Menschen wurden so zum Duckmäusertum gezwungen, wollten sie ihre soziale Existenz nicht aufs Spiel setzen.
Selbstverständlich betrafen die Berufsverbote auch VVN-Mitglieder(jetzt korrekt: VVN-BdA, da 1971 sich die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes für alle diejenigen öffnete, die auf Grund ihres Alters keine Verfolgten waren, aber den antifaschistischen Kampf führen wollten. Deswegen die Erweiterung des Namens VVN um BdA, Bund der Antifaschisten.) Nicht nur die VVN/BdA Bochum hatte in ihren Reihen Opfer der staatlich organisierten Hexenjagd, für deren Grundrechte sich die VVN/BdA einsetzte, sondern bundesweit stand die VVN/BdA im Kampf gegen Berufsverbote mit in der ersten Reihe, waren doch ihre Mitglieder besonderns bedroht. Dabei betonte die VVN-BdA vor allem vier Punkte:
1. Die Berufsverbote betreffen grundsätzlich jeden Demokraten und Sozialisten, jeden Opponenten gegen die regierungsamtlich verordnete Politik.
2. Die Berufsverbote stehen in der unheilvollen Traditionskette von den Karlsbader Beschlüssen 1819 über das Sozialistengesetz 1878 und das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1934 bis zu den Adenauerschen Blitzgesetzen von 1951. Immer dann, wenn die politisch und ökonomisch Herrschenden in Legitimationskrisen geraten, greifen sie zu repressiven Maßnahmen, um Kritik zu illegalisieren und zu kriminalisieren. Einzelne werden mit Berufsverbot belegt, um an ihnen exemplarisch politische Bewegungen zu diffamieren und anderen Kritikern, falls sie nicht klein beigeben, die Instrumente zu zeigen, mit denen sie zu rechnen haben.
3. Der antifaschistisch-demokratische Auftrag des Grundgesetzes wird weiterhin ausgehöhlt und gefährdet.
4. Eine repressive Innenpolitik, die mit der Verfolgung anders Denkender beginnt, steht immer historisch und aktuell im Zusammenhang mit einer aggressiven imperialistischen Außenpolitik, die den Frieden und die Souveränität anderer Länder bedroht.
Im Laufe der Zeit wurden nicht nur Anwärter für das Lehramt und die Justiz überprüft, sondern Friedhofsgärtner und Straßenbahnfahrer, Lokführer und Briefträger. Sogar Beamte auf Lebenszeit wurden nach z.T. 25jährigem Berufsleben aus dem Dienst entfernt. Schweres Dienstvergehen war die bloße Mitgliedschaft in einer Partei, die völlig legal existierte, die den Regierenden aber nicht in ihre reaktionäre Politik paßte. Je nach Bundesland reichte es aber schon aus, Kriegsdienstverweigerer oder bei den Jusos zu sein.

Mit den 68ern kam allmählich eine neue Generation von LehrerInnen und Wissenschaftlern in die Schulen und Hochschulen, z.T. in den Justizapparat und die kirchlichen Führungsetagen Diese begannen, die drängenden Fragen nach den Ursachen des deutschen Faschismus und seiner singulären Verbrechen zu beantworten. Endlich wurde das noch 1945/46 vorhandene Wissen um die Zusammenhänge von Kapitalismus und Faschismus wieder ausgegraben und in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen thematisiert. In diesem Zusammenhang geriet natürlich auch die Gründergeneration des bundesdeutschen Staatsapparates, der Gerichte, der Bundeswehr, der Geheimdienste, der Kirchen ins Visier wissenschaftlicher Forschung. Ganz gegen die Interessen der Herrschenden wurde Antifaschismus zum politischen Selbstverständnis von Teilen einer ganzen Generation. Selbstverständlich kamen die imperialistischen Machenschaften und Verbrechen des "freien Westens" an den Völkern der sog. 3. Welt dabei zur Sprache. Die immer krisenhaftere Entwicklung des kapitalistischen Teils der Welt rief die Fragen nach sozialistischen Alternativen wach. Der Staatsapparat, die Medien, die Schulen und Hochschulen mußten prinzipiell solche Fragen verhindern, würden sie doch vielleicht zu Antworten führen, die noch größere Zweifel an der kapitalistischen Wirtschaftsordnung hervorrufen würden: Deswegen Berufsverbote, Maulkorberlasse in den staatlichen und privatkapitalistischen Medien, Notstandsgesetze.
Charakteristisch für die ersten dreißig Jahre der BRD ist, daß erst am 8. Mai 1975 in Frankfurt am Main mit Hilfe der VVN eine antifaschistische Massendemonstration mit 40000 TeilnehmerInnen zur Erinnerung an den Tag der Befreiung vom Faschismus stattfand. In einigen anderen europäischen Ländern war der 8. Mai längst ein staatlicher Feiertag (Genau 10 Jahre später allerdings reichten sich über den Gräbern von SS-Angehörigen in Bitburg der deutsche Bundeskanzler Kohl und der US-Präsident Reagan die Hände und beschworen die deutsch-us-amerikanische Waffenbrüderschaft gegen den alten, neuen Feind im "Reich des Bösen", gegen den auch die SS-Soldaten gekämpft hatten.)

Da das Feindbild von den allseits überfallbereiten sowjetisch-atheistisch-barbarischen Horden im Osten massenhaft auch nicht mehr überzeugte, geriet auch die permanente Aufrüstung als Bestandteil einer kapitalistisch-imperialistisch-antikommunistischen Strategie in die Kritik. Jeden Abend konnte man in der Tagesschau sehen, wie die USA die "westliche Freiheit" in Vietnam verteidigten. Man konnte sehen, wie Napalm auf die vietnamesischen Kinder und Frauen geworfen wurde, wie Menschen am lebendigen Leibe verbrannten, welche Wirkung us-amerikanische Flächenbombardements hatten und wie die Lebensgrundlagen des vietnamesichen Volkes durch "Entlaubungsaktionen", also durch das von Bombern über das Land versprühte Dioxin, z.T. in der BRD produziert, verwüstet wurden. Zur gleichen Zeit ließen auf der anderen Seite des Erdballs die USA Che Guevara kaltblütig ermorden. Im Iran wurde das diktatorische Regime von Schah Reza Pahlevi von allen Ländern des "Freien Westens" unterstützt, obwohl jeder inzwischen wissen konnte, daß dadurch zigtausende von Menschen in den iranischen Folterkammern zu Tode gequält wurden. Der Staatsbesuch dieses Staatsterroristen in der BRD im Mai/Juni 1967 und die Ereignisse um den 2. Juni 1967 machten deutlich, auf welcher Seite die politisch und ökonomisch Herrschenden standen.
Der Anti-Militarismus und Anti-Imperialismus wurde zur politischen Orientierung vieler Menschen. In zahlreichen Veröffentlichungen und Unterrichtseinheiten, die von der VVN oder Mitgliedern und Sympathisanten der VVN publiziert wurden, war der enge Zusammenhang von Kapitalismus und Faschismus, von Militarismus und Ausbeutung, von Berufsverboten und neofaschistischen Bewegungen das Thema. Gab es z.B. in den sechziger Jahren jährlich nur immer ein paar hundert Kriegsdienstverweiger, so waren es Anfang der achtziger schon an die Hunderttausend. (Kriegsdienstverweigerung war bis Mitte der achtziger Jahre noch mit einer nervenaufreibenden, entwürdigenden Gesinnungsprüfung, verbunden.)

Wie sehr rechtsextreme, autoritäre, militaristische und revanchistische Ideologien an Kraft verloren hatten, kann man an den Bundestagswahlen 1980 ablesen, als der Kandidat des großen Geldes, der Konfrontationspolitik mit der UdSSR, der Aufrüstung, des Atomprogramms und der law-and-order-Mentalitäten, Franz-Josef Strauß, gestoppt wurde. Die Stoppt-Strauß-Aktionen erfaßten die halbe Republik. In zahlreichen Schulen und Jugendverbänden durften nun auch ehemalige Widerstandskämpfer, die in der VVN organisiert waren, über ihre Kämpfe und Erfahrungen berichten und leisteten so ein wichtigen Beitrag zur politischen Aufklärung gegen rechts.

Schon beim Gründungskongreß der VVN 1947 forderten die Delegierten, endgültig zu verhindern, "daß jemals wieder von Deutschland eine Bedrohung des Weltfriedens ausgehen kann."
Während ihrer gesamten Geschichte blieb die VVN dieser Forderung treu. Während der "großen Zeit" der Friedensbewegung gegen die Stationierung neuartiger US-Mittelstreckenraketen in der BRD veröffentlichte die VVN in ihrer Verbandszeitung "die tat" und die lokalen Zeitungen der Kreisverbände, u.a. die Antifaschistischen Bochumer Blätter, zahlreiche Aufsätze zur wachsenden Kriegsgefahr in Europa, ausgehend vom Territorium der BRD. VVN-Mitglieder traten in allen Friedensgruppen und bei allen Friedensaktionen als SprecherInnen oder DiskussionsteilnehmerInnen auf.

Der Studienkreis zur Erforschung und Vermittlung der Geschichte des deutschen Widerstandes 1933-1945 e.V. in Frankfurt am Main hat das erste in der Bundesrepublik existierende Archiv des deutschen Widerstandes aufgebaut, das Schülern, Studenten, Lehrern und Historikern als Grundlage für wissenschaftliche Arbeit dient.
Auch die VVN Bochum begann eine Veröffentlichungsreihe zur lokalen Erforschung von Widerstand und Verfolgung in Bochum und hat inzwischen fünf Untersuchungen zu bisher ungeschriebenen Kapiteln der Bochumer Lokalgeschichte geliefert, die Auskunft über den Faschismus in Bochum und seine Vorgeschichte geben.
Mit Hilfe der VVN gelang es, Adolf Hitler die Ehrenbürgerschaft der Stadt Bochum zu entziehen. Es dauerte allerdings bis 1984, bis der Rat der Stadt Bochum Hitler die Ehrenbürgerschaft der Städte Wattenscheid und Bochum absprach. Bis in die 80er Jahre hatte "man" - wie in vielen anderen deutschen Städten auch - gar nicht mehr an solche Ehrenbürger gedacht.
An drei Beispielen aus und um Bochum soll charakterisiert werden, wie die aktuelle Bedrohung von AntifaschistInnen im Bochumer Raum in den letzten Jahren aussah und wie auch dadurch die Arbeit der VVN-BdA Bochum -unfreiwilligerweise - mitbestimmt wurde. Gleichzeitig zeigen diese Beispiele, daß der Kampf gegen den Neofaschismus so schwer wie eh und je ist.
Ende 1993 erschien, über ein Postfach aus Dänemark vertrieben, die neofaschistische Anti-Antifa-Terrorzeitung "Der Einblick". Nazigruppen hatten eine Liste von ca. 250 BürgerInnen und Gruppen aufgestellt, die sich gegen den wachsenden Neofaschismus in Deutschland stellten. "Der Einblick" veröffentlichte genaue Informationen über den "roten Mob": Namen, Adressen, Telefon- und Autonummern, Beschreibungen von Lebensgewohnheiten. Er rief zur "endgültigen Zerschlagung aller destruktiven, antideutschen Kräfte" auf. 19 Bochumer BürgerInnen fanden sich auf der Liste wieder, u.a. vier Mitglieder der VVN-BdA Bochum. Die Betroffenen hätten sich, so heißt es in der Naziterminologie des "Einblick", an der "ethnischen Vernichtung Deutschlands durch Rassenvermischung und Verbastardisierung unseres Volkes" beteiligt. Die Bochumer Polizei informierte die in Bochum lebenden potentiellen Opfer von neofaschistischen Terrorangriffen, gab ihnen Verhaltensregeln und leitete Schutzmaßnahmen ein. In Bochum war schon 1992 Psycho- und anderer Terror von Neofaschisten gegen Linke verübt worden, bis die Kripo schließlich eine Gruppe von Neonazis aushob, die soviel Sprengstoff besaß, "geeignet halb Bochum in die Luft zu sprengen" (so die Justiz damals). Allerdings wurden die Terroristen bald wieder auf freien Fuß gesetzt. Nicht viel anders sollte es den Autoren des "Einblick" gehen, die im Laufe der Zeit von der Bundesanwaltschaft ermittelt worden waren. Insgesamt wurde gegen acht Neonazis, alles führende Kader der deutschen Neofaschisten, ermittelt, vier Verfahren wurden bald wieder eingestellt, zwei Neonazis wurde als Beihelfer klassifiziert, die übrigen zwei konnten laut Definition keine kriminelle Vereinigung bilden und kamen äußerst milde weg, obwohl die Beweislast überwältigend war.
Die Zeitschrift "konkret" schrieb zum Ausgang des Prozesses: Das prinzipielle Desinteresse der Staatsschützer an der Aufarbeitung rechter Strukturen wurde deutlich.
Trotz umfangreichen Beweismaterials wurden auch die Mitglieder der neofaschistische Organisation "Volkswille", die in Bochum, Wattenscheid und Essen mit Aufrufen zum Mord an AntifaschistInnen und Mitgliedern der Friedensbewegung, rassistischen Sprayereien, Telefonterror, Drohungen gegen Schwulen-Organisationen, gegen Zeitungen, Bombendrohungen gegen die Grünen, Hakenkreuz-Schmierereien terroristisch tätig waren, von der Staatsschutzkammer beim Landgericht Dortmund im April 1995 mit milden Bewährungsstrafen bedacht. Diese ganzen Aktionen seien lediglich spontan aus "bierseligen Stimmungen" entstanden und hätten mit geplantem Terror nichts zu tun, urteilte das Gericht.
Auch der neofaschistische "Freundeskreis Freiheit für Deutschland" agierte aus Bochum und versorgte ca. 1200 Sympathisanten mit seinen "UN-Unabhängige Nachrichten". Oberstaatsanwalt Stahlschmidt, Leiter der Abteilung für politische Strafsachen am Landgericht Bochum, recherchierte, daß rund eine Million dieser Hetzblätter verschickt worden seien. In übelster Manier hätten sie zum Rassenhaß aufgerufen, Ausländer, Juden und Asylsuchende beleidigt. 1994 wurden 5 Rädelsführer der (verbotenen!) Organisation vom Landgericht Bochum zu harmlosen Bewährungsstrafen verurteilt. Man solle nicht so übersensibel reagieren, schließlich gäbe es das Recht auf freie Meinungsäußerung - meinte der am Prozeß beteiligte Staatsanwalt.
Diese drei Beispiele sollen auch auf die Arbeit der VVN-BdA hinweisen, die zu diesen Prozessen Beobachter schickte, z.T. waren Mitglieder als Zeugen geladen. Die VVN-BdA Bochum veröffentlichte Fakten und Daten zu den neofaschistischen Bedrohungen in Pressespiegeln oder durch Flugblätter an den Info-Tischen der VVN-BdA.
Noch ist es nicht gelungen, eine antifaschistische Gedenkstätte in Bochum/Wattenscheid zu errichten. Angesichts von 40 Kriegerdenkmälern mit zum Teil revanchistischen und kriegsverherrlichenden Symbolen und Aussagen hält es die VVN/BdA für eine Beleidigung der Opfer des Faschismus, daß bis heute - angeblich aus städtebaulichen Gründen, so die Stadtverwaltung - keine antifaschistische Gedenkstätte möglich sein soll.
Es ist hier aus räumlichen Gründen nicht möglich, die zahlreichen Aktivitäten der VVN-BdA Bochum: Informationsstände, Demonstrationen, Beteiligung an Friedensveranstaltungen, Aktionen für die Rechte von AsylbewerberInnen und AusländerInnen detailliert darzustellen. Hervorzuheben ist aber doch das Stadtspiel, das die VVN/BdA zusammen mit der VHS Bochum entwickelt hat. Dieses Stadtspiel bietet SchülerInnen die Möglichkeit, Bochums Geschichte im Faschismus kennenzulernen, indem Orte von Verfolgung und Widerstand in Bochum aufgesucht und erklärt werden. Dem gleichen Zweck dient die Antifaschistische Stadtrundfahrt, die BochumerInnen und Gästen Bochums die Zeit der Geschichte Bochums von 1933 - 1945 näherbringt. Eine kommentierte Dia-Serie zu dieser Zeit wurde erstellt und kann von interessierten Gruppen, Schulen usw. ausgeliehen werden.

Der bürgerlich-kapitalistische Staat steht in ökonomischen Krisensituationen immer in der Gefahr, zu autoritär - repressiven Maßnahmen zu greifen oder gar einen neuen Faschismus kreieren zu müssen. Der Schwur von Buchenwald ist noch nicht erfüllt.

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