Repressions-Reader für die Netzwerktagung am 2.9.01

Allgemeines

 

Ohne die fast unglaublichen Vorgänge während des G8 Gipfels in Genua und den vorhergehenden Gipfeln relativieren oder verharmlosen zu wollen, lässt sich auch für die BRD der Nachkriegszeit eine Spur von Mord und Polizeigewalt feststellen. Was bisher fehlt ist die Systematik von brutaler Gewalt bei der Festnahme und in der Gefangenschaft die Genua bisher in Westeuropa einzigartig macht.

Waren die 50er und 60er Jahre in der BRD noch durch Obrigskeitdenken und autoritäre Strukturen geprägt und damit das verprügeln von sogenannten Rockern und Halbstarken durch die Polizei noch als „erzieherische Maßnahme“ von der Bevölkerung akzeptiert, waren die Auseinandersetzungen zum KPD Verbot (50er) im Kontext des kalten Krieges eindeutig politisch, aber dadurch nicht weniger brutal.

 

Bei der weiteren Rückschau beschränke ich mich auf Ereignisse die ich entweder aus eigener Erfahrung oder aus der Erinnerung beschreiben kann.

 

Bei einer Demonstration gegen den Schah von Persien, dessen diktatorisches Folterregime in der BRD einen wichtigen Handelspartner hatte, wurde in Berlin am 2. Juni 1968 der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen. Ein knappes Jahr später, am 10. April 1968, schoss ein durch die Springer - Presse aufgehetzter Arbeiter auf den bekanntesten Sprecher der StudentInnenbewegung, Rudi Dutschke , und verletzte ihn lebensgefährlich. Am 27. Juni 1993 wird in Bad Kleinen das RAF Mitglied Wolfgang Grams bei der Festnahme exekutiert In Frankfurt wird ein Demonstrant in den 80er von einem Räumfahrzeug überfahren und stirbt. Die Wahlkampfauftritte von Franz Josef Strauss hatten teilweise Bürgerkriegscharakter, besonders während seiner Kanzlerkandidatur. Bei einem Schienenspaziergang in Ahaus mit knapp 700 TeilnehmerInnen gab es ca. 200 Ingewahrsamnahmen, die Menschen wurden geschlagen mit Kabelbindern gefesselt und anschließend in einem ehemaligen Nazibau bis zu 14 Stunden schikaniert, Frauen mussten sich vor grinsenden Beamten ausziehen, Minderjährige durften ihre Eltern nicht anrufen.

Diese Aufstellung erhebt keineswegs den Anspruch der Vollständigkeit.

 

Es bleibt festzustellen, dass von Brockdorf über Wackersdorf, Kalkar, Flughafen Frankfurt (Startbahn West), Ahaus und insbesondere Gorleben alle Großeinsätze von Polizei und BGS durch massive Übergriffe geprägt waren und bei der Planung und Durchführung Verletzte und auch Tote DemoteilnehmerInnen zumindest billigend in Kauf genommen wurden und werden.

 

In den letzten Jahren, ich denke seit dem ersten Castortransport nach Ahaus, fällt auf, dass sich die Konzepte wesentlich verändert haben. So werden die Einsätze nicht mehr nur von einer Übermacht von Polizei und BGS bestimmt, sondern alle staatlichen Institutionen wirken in einer Art konzertierter Aktion zusammen, die Medien werden dabei in dieses Konzept mit eingebunden. Der Einsatz wird nicht mehr auf den Zeitpunkt des aktuellen Widerstandsgeschehens begrenzt sondern lange vor dem eigentlichen Ereignis beginnt der (Polizei)Staat zu agieren. Die Verfassungsschutzberichte der Länder und des Bundes werden regelmäßig publiziert und aktualisiert und dabei werden zu erwartende Widerstandsaktionen bewertet und die am Widerstand beteiligten Gruppen zielgruppengerecht und medienwirksam vorgestellt, d.h. die Berichte zeigen keine Tatsachen der Vergangenheit auf sondern nehmen über Prognosen Einfluss auf Politik und deren Organe. Seit Sender wie Phönix, ntv und andere live und direkt von den Schauplätzen berichten nehmen PolizeipressesprecherInnen und PolitikerInnen zunehmend Einfluss auf die Berichterstattung und/oder bauen diese in ihre Taktik mit ein.

 

Und es zeigt sich immer wieder: Gesetze und Verbote die für bestimmte Situationen erlassen werden haben immer auch eine allgemeine Wirkung die dann früher oder später auch angewendet wird, z.B. Ausreiseverbot für Fußballhooligans wird vor Genua auf linke DemonstrantInnen ausgeweitet.

 

Die Maßnahmen im Einzelnen

 

Im Vorfeld:

Desinformationskampagnen, InfoWar Beispiele Seite

 

Gefahrenprognose und daraus resultierende Verbotsverfügungen

Die Verbotsverfügungen werden von den Regierungspräsidenten oder Landräten erlassen, stützen sich auf Prognosen des Verfassungschutzes und der Polizei und legen z.B. Demoverbotszonen fest oder ermöglichen Verbote von Camps, wobei es eine beliebte Taktik ist Camps erst einmal zu erlauben und wenn diese Bezugsfertig oder bezogen sind zu verbieten oder genehmigte Camps wg. Gefahr im Verzug einfach zu räumen. In BaWü wurden auch die mobilen Küchenwagen und deren Ausstattung beschlagnahmt und erst Wochen später wieder freigegeben.  Mittlerweile wird auch das Bauordnungsrecht bemüht um Camps zu untersagen.

 

Hausbesuche von PolizistenInnen

 

Einschränkung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, Ausreiseverbote, Meldeauflagen

So heißt es im Passgesetz: Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit oder sonstiger Belange der BRD

 

Kriminalisierung, Lauschangriff, Hausdurchsuchungen, Abhören von Telefon und Handy

In der BRD werden pro Jahr ca. 12000 Telefonanschlüsse überwacht und dabei 100.000sende Gespräche aufgezeichnet. Über Funkscanner werden Basisstationen von Mobilfunksystemen simuliert und damit sowohl der Standort von TeilnehmerInnen lokalisiert als auch die Gespräche aller in der jeweiligen Funkzelle mitgehört.

 

Datenabgleich/Datenaustausch

Dateien von den versch. Diensten und Behörden (auch illegal geführte) werden zusammengeführt um z.B. Menschen für Hausbesuche oder Reiseverbote zu ermitteln. funktioniert mittlerweile auch auf EU Ebene und mit den USA.

 

Wenns denn Ernst wird:

 

Platzverweise (Polizeirecht)

werden gerne und häufig von Polizei und BGS ausgesprochen, meist völlig unkoordiniert und willkürlich

 

Vorläufige Ingewahrsamnahme

auch sehr beliebt, mit oder ohne Feststellung der Personalien und ED-Behandlung. In Gorleben wurden Menschen einfach 50 Km wegtransportiert und dann ausgesetzt.

 

Gefahr im Verzug

Dann ist alles möglich am liebsten wird geprügelt

 

Aufforderung zu irgendwas, z.B. Platz räumen

In Ahaus und Gorleben richteten sich die Maßnahmen nicht nach der Verhältnismäßigkeit sondern nach dem Zeitdruck, erst wurde weggetragen dann mit Polizeigriffen (Arme verdrehen, Haare ziehen, auf die Nase hauen) beschleunigt und zum Schluss geprügelt.

Wasserwerfer hab ich noch vergessen.

Nach dem Einsatz

 

Desinformation der Einsatzleitung (siehe InfoWar)

Besonnenes Verhalten der Einsatzkräfte loben, sich freuen dass es nicht noch schlimmer gekommen ist. Spaltung zwischen friedlichen und gewalttätigen Menschen versuchen und zu Distanzierungen der verschiedenen Gruppen voneinander auffordern. Wird auch im Vorfeld immer wieder versucht.

 

Strafverfahren gegen Beteiligte ankündigen

Ist in den meisten Fällen ein Instrument der Abschreckung, denn im Verhältnis zu den Festnahmen gibt es nur wenige Gerichtsverfahren. In Ahaus wurden beim Castortransport mehr als 700 Menschen festgenommen, bisher sind fest nur Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeldern geahndet worden ca. 200.

 

Wegtragegebühr (Vollstreckungskostenverordnung bisher nur BaWü)

die anteiligen Kosten des Einsatzes werden auf die DemoteilnehmerInnen umgelegt und auf dem Verwaltungsweg eingezogen.

 

Zivilprozesse

Schadenersatzforderungen werden geltend gemacht z.B. die DBAG fordert Schadenersatz für Zugverspätung.

 

Sonstige Maßnahmen

 

§129a Bildung einer kriminellen Vereinigung

Sehr beliebt weil sich damit fast alles rechtfertigen lässt und die Ermittlungsorgane auch schon mal die Grundrechte vernachlässigen oder ignorieren können.

 

Aufruf zu Straftaten

In Gorleben wurde der Sprecher von xtausendmalquer für mehrere Tage während der Protestaktionen eingeknastet obwohl ihm keine konkreten Vorwürfe gemacht werden konnten.

 

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

Ein Tatvorwurf der immer wieder benutzt wird um Übergriffe bei der Festnahme oder im Gewahrsam zu verschleiern

 

Wegweiser

 

Seite    4                                                        InfoWar

Seite    5ff        Auszüge aus dem Gorleben 2001 Bericht Komitee für Demokratie und Grundrechte

Seite    12f       Chaostage in Dortmund 2001

Seite    14        Festnahmen in Ahaus rechtswidrig

Seite    15        TAZ 1999 Hausdurchsuchen bei Atomkraftgegnern

Seite    16f       Kriminalisierung (Ich weiß nicht von wem, aber gut)

InfoWar und Desinformation

 

 

Neben der Eskalation der Gewalt wurden besonders - aber nicht nur - nach dem Gipfel als Vorbereitung auf Proteste Strategien des Infowar angewandt: (Vereinfacht beschrieben)
Zunächst: Schaffung eines Klimas von Legitimation und Gewöhnung von Gewalt gegen Oppositionelle. Die Medien beginnen - teils freiwillig, teils aufgrund von Falschinformationen durch die Polizeistrategen - ungeheuerliche Berichte über angeblich geplante Greueltaten von "Terroristen" und "Chaoten" zu berichten. Daß keine dieser Meldungen der Realität entspricht, stört selbst dann nicht, wenn es rauskommt - es geht darum, bestimmte Emotionen zu erzeugen. Hierbei ist es wichtig, die Proteste als unpolitisch oder zumindest die Ziele als unverständlich herauszustellen, um Identifizierung mit den Aktivisten zu vermeiden.
Dann: Die Proteste selbst finden unter einem großen Druck statt. Die Polizei tritt sehr offensiv auf und sorgt mit Provokationen oder direkten Angriffen für eine Eskalation. Spätestens hier tun die Militanten den Strategen den Gefallen, wenn sie das Spiel mitspielen. Die Medien stürzen sich nun auf die produzierten Bilder...
Im Nachhinein: Repression, Abbau von Bürgerrechten, Gewöhnung an Menschenrechtsverletzungen. So sind die Schüsse in Barcelona am Wochenende nur noch eine wert. Auch gibt es nahezu keine Opposition gegen die geplante Schließung von Grenzen.
Vor dem G8-Gipfel in Genua sorgen die Medien in Italien für eine hysterische Stimmung, in dem sie behaupten, nahezu alle Terroristen der Welt, die Tschetschenen, die ETA und so weiter planen mit den "Chaoten" zusammen die G8-Führer mit biologischen Kampfstoffen und Sprengstoff zu ermorden.
In dieser Situation wird versucht die Bewegung in "gute" und "böse" zu spalten. Die "guten" sind die, die sich "assimilieren" lassen. Dies trifft besonders auf die NGOs zu. Einige Aktivisten sehen in den NGO eine Strategie zur Einbindung von Widerstand in das System durch Reformismus und Spaltung.

 

Auch bei Castortransporten und Anti-Atom Aktionen werden immer wieder Bilder von gewaltbereiten reisenden Chaoten bemüht die entweder Auseinandersetzungen um ihrer selbst willen mit der Staatsmacht suchen oder die Anliegen der Guten und Friedliebenden diskreditieren (Spaltung).

 

Selbst die lächerlichsten Zusammenhänge werden konstruiert, so mußte eine Infoveranstaltung im Bahnhof Langendreer für die Gefahrenprognose für Ahaus herhalten weil die Veranstaltung (Party mit Bands und Wortbeiträgen) den Titel „Entgleisung“ hatte.

 

Ebenso ein Demoaufruf mit dem Schlusssatz: Bringt Bagger, Planierraupen und Radlader mit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Komitee für Grundrechte und Demokratie

Lüneburg - Dannenberg - Gorleben im März 2001 -

 

Was heisst demokratischer Rechtsstaat?

Jedenfalls nicht das, was die Bundesregierung darunter versteht. Es reicht nicht aus, exekutivisch formierten privatwirtschaftlichen Interessen die Form eines Gesetzes zu geben und dieses Gesetz dann mit "aller Härte" der diversen Gefahrenabwehrgesetze durchzupauken. Das mag dem vordemokratischen Rechtsstaat des 2. deutschen Kaiserreichs entsprechen. Und manche gegenwärtigen Politiker möchten gewiss mit ganzer Sohle autoritär auftreten wie weiland Bismarck oder Wilhelm II. Wenn das Rechtsstaatsverständnis auf dem Boden des Grundgesetzes stehen soll, dann muss es zuallererst den unmittelbar geltenden Grund- und Menschenrechten entsprechen. Das bedeutet auch, dass die demokratische Qualität in solch tief angelegten, geradezu existentiellen Streitfragen besonders beachtet werden muss. Dazu reicht das übliche abgehobene repräsentativ demokratische Spiel nicht aus. Da wird neuerdings bis tief in die Regierungskoalition hinein von zusätzlichen plebiszitären Verfahren geredet, die so abgehoben, wie sie geplant sind, bestenfalls ambivalente symbolische Zugaben bedeuteten - wenn sie denn bundesweit eingeführt würden. Dort jedoch, wo sich die sonst so "volkstrunkenen" Politiker, freilich nicht fernsehmedial geschützt, besorgten Gruppen aus der Bevölkerung auch nur stellen und mit ihnen reden müssten - dort verbergen sie sich jämmerlich hinter der Polizei. Man muss nicht mit allem, was die Demonstrierenden jeweils tun und verlangen einig sein, um festzustellen, dass die negative politisch demokratische Wirkung kaum zu überschätzen ist, die der allein polizeistaatlich durchführende Umgang mit den Demonstrierenden zuletzt Ende März zwischen Lüneburg, Dannenberg und Gorleben bedeutet. Hier lernen die Jugendlichen, die am meisten präsent sind, dass nicht bürgerliches Engagement die erste Bürgerpflicht ist, sondern Gehorsam.

Hier lernen sie in der Tat bestenfalls Politikverdrossenheit, schlimmerenfalls Zynismus, schlimmstenfalls gewaltbesetzten Opportunismus. Das ist es, wofür die Herren und Damen der Regierung und der Regierungsparteien verantwortlich sind. Als für die Qualität bundesdeutscher Demokratie mitverantwortliche Politiker haben sie Ende März ein weiteres Mal versagt.

c) Das allgemeine Bürgerrecht, zu demonstrieren, variiert notwendig je nach Kontext und Ziel der Demonstration.

(1) Demonstrationen haben als kollektive Wortmeldungen der Bürgerinnen und Bürger viele Funktionen. Diese wechseln. Sie sind symbolisch. Sie wollen eine Meinung nachdrücklich ausdrücken. Sie sollen auf eine noch nicht getroffene Entscheidung Einfluss nehmen. Sie lassen gegen Sachverhalte protestieren, auf Probleme aufmerksam machen, die Zusammengehörigkeit von Gruppen öffentlich zeigen und so weiter und so fort. Insgesamt sind Demonstrationen die einzige eigenständige, selbstbestimmte, grundgesetzlich zugelassene politische Äußerungsform der Bevölkerung. Und Politik fängt mit der Mehrzahl an. Darum sind sie so entscheidend wichtig.

Demonstrationen dieser Variantenfülle sind in der Regel durch die Einheit des Orts (an einem ausgewählten Platz, einer prinzipiell selbstbestimmten Route) und die Einheit der Zeit gekennzeichnet (sie finden an einem Tag mehrere Stunden lang statt); oft auch durch die Einheit einer bestimmten Gruppe. Darum müssen sie auch meist nicht lange vorbereitet werden. Man kann sich mehr oder minder spontan entschließen, mitzudemonstrieren.

(2) Auch wenn diese "Einheiten" gegeben sind, unterscheiden sich Demonstrationen qualitativ, quantitativ, im Zweck und durch den Kontext, für den und in dem sie stattfinden. Diese große Skala der Demonstrationsformen verlangt immer eine je neue und eigene Beurteilung. Diese wechselnden Umstände und Eigenarten versäumen Behörden und auch die meisten Verwaltungsgerichte wahr- und ernstzunehmen, die insbesondere neuerdings allzu rasch darauf ausgehen, angeblich erfahrungsbegründet und gefahrengewahr, Demonstrationen durch Allgemeinverfügungen zu verbieten und diese Verbote justiziell zu bestätigen.

Die Demonstrationen rund um Gorleben sind seit längerem durch ungewöhnliche Eigenarten charakterisiert. Diese sind zur Kenntnis zu nehmen, will man ihnen grundrechtsgemäß gerecht werden.

  Die Demonstrationen kehren sich gegen eine schon getroffene Entscheidung der Bundesregierung, an der die Bürger und Bürgerinnen in keiner durchaus möglichen Weise zuvor beteiligt worden sind. Darum der Ausdruck: "repräsentativer Absolutismus". Diejenigen, die sich an den Demonstrationen beteiligen, wollen ausdrücken, dass sie mit der getroffenen und während der Demonstrationstage sichtbar durchgesetzten Entscheidung nicht einverstanden sind.

  Dieses unvermeidliche "Zu-Spät" der Demonstrationen, ein Zu-Spät, das - siehe oben - die demokratisch nicht verantwortlich handelnden Politiker, die Regierung an erster Stelle, zu rechtfertigen haben, kennzeichnet die eingebaute Frustration und auch die Gefahr der Aggression dieser Demonstrationen. Ihr Zweck besteht denn auch darin, die Entscheidungen, um des Durchsetzungsaufwands der Entscheidungen willen, wieder revidieren zu lassen.

  Infolge der schon entschiedenen Sache wird die Polizei, die verfassungsgemäß primär Grundrechte schützen soll und Staatssicherheit primär als Bürgersicherheit verstehen müsste, zuallererst dafür eingesetzt, die bürgerlose Entscheidung gegen demonstrierende Bürgerinnen und Bürger durchzusetzen. Und das tut sie denn auch ungeheuer gewaltaufwendig. Notfalls geht sie "mit aller Härte des Gesetzes", mit unmittelbarem Zwang und Inhaftierung vor. Und die dafür gebrauchten Gesetze der Gefahrenabwehr sind ihrerseits schon grundrechtlich höchst fragwürdig.

Das niedersächsische Gefahrenabwehrgesetz ist eine Art lex specialis Gorleben. Erst mit langem Abstand und in zweiter Linie geht es der ersatzpolitisch vorgeschalteten Polizei auch darum, den Bürgerinnen und Bürgern trotz allem keinen Harm anzutun. Deren Grundrechte werden freilich kräftig zum Zwecke der Durchsetzung riskiert.

  Hinzu kommt, dass sich die Demonstrationen, die gegen die Durchführung schon getroffener Entscheidung angesetzt sind, über Tage hinwegziehen und durch ihren weiträumigen Charakter gekennzeichnet sind. Sonst gingen die Demonstrierenden in ihrer Ohnmacht angesichts der übergewaltigen Polizei vollends selbst öffentlichkeitswirksam unter. Die üblichen Einheiten von Ort, Zeit, ja auch der Zusammensetzung der Demonstrierenden ist also nicht gegeben. Das aber bedeutet, dass diejenigen, die an den Demonstrationen teilnehmen wollen, sich mehrtägig in der Region aufhalten müssen. Sprich: Camps und dergleichen sind unabdingbar, soll rund um Gorleben das Recht auf Demonstration gewährleistet werden.

  All diese Merkmale machen einsichtig, dass die ohnehin strukturell nicht gegebene "Waffengleichheit" zwischen politisch aktiven Bürgerinnen und abgehobener, entscheidungsmächtiger Exekutive - um einen Ausdruck aus dem Umkreis des Strafprozessrechts zu gebrauchen, der dort die (auch nicht bestehende) Waffengleichheit zwischen Anklage und Verteidigung betrifft - zusätzlich extrem zugunsten der polizeigewaltig bewehrten Exekutive verzerrt ist. Darum müsste aus politisch demokratischen und dem Grundrecht auf Demonstration geltenden Gründen alles Erdenkliche getan werden, Demonstrationen in ihren Bedingungen als friedlichen Protest möglich zu machen.

(3) Das genaue Gegenteil wird jedoch regierungsamtlich getan. Gerade dieses Mal. Die ohnehin strukturell und aktuell in jeder Hinsicht benachteiligten Bürgerinnen und Bürger, die demonstrieren wollen, wurden vorweg mit zwei Allgemeinverfügungen überzogen. Die eine vom 10. März 2001, von der Bezirksregierung zu Lüneburg erlassen, hatte ein großflächiges Verbot aller Demonstrationen im Zeitgroßraum vom 24. bzw. 27.3. bis zum 8.4. dem vorgesehenen Castor-Transportweg entlang erlassen. Der Landrat des Landkreises Lüneburg hat analog dazu am 16.3.2001 präventiv auf die Fülle angeblich hier einschlägiger Gesetze hingewiesen, die ihn dazu veranlassen würden, gegen Camps im Rahmen des Demonstrationsgeschehens "bauaufsichtlich" einzuschreiten. In der Verhinderung und Auflösung von Camps mit Hilfe fadenscheinig pauschaler Behauptungen bestand zwischen dem 24. und 28. März auch ein Gutteil polizeilicher Tätigkeit.

 

Komitee für Grundrechte und Demokratie

 

Berlin/Köln, den 6. April 2001. Castor März 2001 -

Die Kontinuität undemokratischer Politik und systematischen Missbrauchs der Polizei

Komitee für Grundrechte und Demokratie

I. Lüneburg - Dannenberg - Gorleben im März 2001 -

 

 

Zur allgemeinen Illegalisierung demonstrativen Verhaltens kamen pauschale Verdächtigungen des immer erneut geschaffenen "Subjekts" hinzu, das seit Jahrzehnten die hier allein phantasievolle offiziöse Bundesrepublik verunsichert: die "Autonomen". Wer immer, oft aus Angst und Unsicherheit, zuweilen gemischt mit etwas Abenteuerlust, zwischen 14 und 22 Jahren ein meist schwarzkariertes Schaltuch bis zur Nase hochzieht, ist schlimm vermummt und riecht geradezu nach Gewalt. Er oder sie gehören damit auch automatisch der fast schon terroristischen Vereinigung "die Autonomen" an, einer ebenso schemenhaften, wie projektionsmachtvollen, vor Gewalt strotzenden Organisation, gegen die und deren Angehörige fast alle Mittel erlaubt sind.

Man darf sie auch pauschal verdächtigen ... - alle wissen doch: "die Autonomen". Diese überall und nirgends, wo demonstriert wird, anwesende machtumfassende Organisation müsste geradezu erfunden werden, wenn es sie nicht als Konstrukt längst gäbe. Sonst kämen gar die Demonstrations- und Campverbieter darauf, dass die Art einseitig und außeröffentlich getroffener regierungsamtlicher Entscheidungen, dass die Art der Allgemeinverbote, dass die Art der Polizei missbrauchenden Politik und dann eine ihre Mittel ihrerseits missbrauchenden Polizei, gewaltschattenmächtig erheblich, zuweilen exklusiv mit dran schuld sind, wenn Gewalt geübt wird. Um den unverhältnismäßigen Verbots- und Polizeiaufwand zu rechtfertigen, werden deshalb auch flugs Ordnungswidrigkeiten und gewaltfreie Sitzblockaden zu Gewaltakten aufgepumpt.

IV. Beobachtungssplitter aus dem polizeigewaltumstellten Demonstrationsgeschehen zwischen dem 26.3. und dem 29.3. 2001

Eine Woche hat die Polizei im Landkreis zwischen Lüneburg und Gorleben die Herrschaft übernommen. Mit übermächtiger Präsenz versuchte sie, jedweden Protestausdruck zu kontrollieren und den Zusammenschluss von Bürgern zu verhindern. Sie beherrschte die Region, verbot oder erlaubte ein Gutteil der Lebensäußerungen von Bürgern und Bürgerinnen.

Erster Splitter: Die Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg vom 10.3.2001, die verfassungsgerichtlich primär aus formalen, dennoch unzureichenden Gründen bestätigt worden ist, schränkte das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit in unzulässiger Weise und ohne ausreichenden Nachweis einer unmittelbaren Gefahr ein.

Insbesondere die Versammlung von x-tausendmal-quer bei Wendisch-Evern hätte nicht von diesem Versammlungsverbot erfasst werden dürfen. Bei konkreter, an Art. 8 GG orientierter Betrachtung der Gleisbesetzung vom 26.3.01 ist festzustellen, dass kein Schaden zu befürchten war. Der vom Komitee beobachtete Ablauf der Demonstration vielmehr zeigte, dass allenfalls Ordnungswidrigkeiten geschahen: Einmal ein Verstoß gegen die BahnbetriebsOrdnung (Ordnungswidrigkeit) und zum andern ein Verstoß gegen das zuvor selbst geschaffene Demonstrationsverbot (§ 29 VersG). Letzteres Verbot gewährte die Handhabe, um gegen die Demonstranten gemäß § 15 VersG per Auflösung vorzugehen. Die Schiene wurde zur Tabu-Zone erklärt, die Spontandemonstration nicht noch einmal einer neuen Prüfung unterzogen. Eine Abwägung mit Art. 8 GG fand nicht statt. Der Bußgeldtatbestand (!) des § 29 VersG wurde dazu benutzt, das Grundrecht des Art. 8 GG zu beschneiden. Die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten wurde höhergestellt als die Grundrechte (Art. 5, 8 GG); Sicherheit und Ordnung wurden schwerer gewichtet als das Grundgesetz.

Die in diesem Zusammenhang bemühten Strafgesetze (§ 315 StGB und § 240 StGB) sind nicht einschlägig. Die Schienenstrecke sollte ausschließlich und nur vom Castor-Zug befahren werden, der sich noch in Frankreich / Süddeutschland befand. Es konnte also niemand "genötigt" werden (§ 240). Ein konkret-gefährlicher Eingriff in den Schienenverkehr schied aus. Hindernisse vorzubereiten ist allein noch nicht strafbar, sondern erst die damit verbundene konkrete Gefährdung von Leib und Leben bzw. vergleichbar wichtiger Rechtsgüter. Derartiges lag nicht vor.

Unverhältnismäßig war es, dass die (friedfertigen) Demonstranten von Wendisch-Evern am 26.3.01 abends nicht nur per Zug nach Lüneburg gebracht wurden, sondern sogar noch mit Bussen nach Soltau, Munster und Schneverdingen, wo sie gegen 23.30 / 24.00 Uhr ausgesetzt wurden. Die Entfernung der Orte von Lüneburg und die Zeit sprechen eindeutig gegen eine Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Welche Gefahr wurde hier bekämpft? Die einer erneuten friedlichen Demonstration? Es handelte sich um eine Freiheitsentziehung (Art. 104 Abs. 2 GG) und es könnte sich um eine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit handeln, wenn man bedenkt, dass diese Demonstranten bei Minustemperaturen in einer fremden Gegend ausgesetzt wurden. Hinzu kommt, dass die betroffenen Menschen von der Polizei belogen worden sind: Vor der Räumung der Blockade war den Demonstrierenden die "Ingewahrsamnahme" angekündigt worden. Menschen mitten in der Nacht auszusetzen, hat damit nichts zu tun. Gedeckt durch das grundrechtlich nicht haltbare Gefahrenabwehrgesetz setzte die Polizei auch die bei einer "Ingewahrsamnahme" noch vorhandenen Rechte außer Kraft: vor allem das Recht, eine richterliche Überprüfung der Freiheitsberaubung zu verlangen.

Zweiter Splitter: Das Versammlungsverbot wurde weitgehend als Betretungsverbot gehandhabt.

Jeder Bürger stand ständig unter dem Verdacht (!) demonstrieren zu wollen und somit unter dem Verdacht der Begehung eines Rechtsbruchs. Wo zwei oder mehr Bürger zusammenkamen, galt dies schon als unzulässige Versammlung. Am Sonntag, den 25.3.2001, fuhr ein Traktor mit einer Gulaschkanone, begleitet von circa 20 Leuten auf ein Feld in der Nähe von Splietau. Sie markierten ein Viereck mit gelbem Plastikband weitab von der Straße. Sofort kamen Polizeikräfte, rannten über das Feld und umstellten die Gruppe. Der Einsatzleiter vor Ort verlangte die sofortige Abfahrt. Die Demonstrierenden wiesen darauf hin, dass sie sich mit Genehmigung des Eigentümers auf einem Privatgrundstück befänden. Die Polizei habe kein Recht, dies zu verbieten.

Der Einsatzleiter bestand jedoch auf einer Räumung des Feldes. Die Polizei könne nichts zulassen, was als Beginn eines Camps gelten könne. Inzwischen kreiste auch ein Hubschrauber über der Stelle, berittene Polizei eilte hinzu. Ein älterer Mann bot an, dass die Gulaschkanone auf dem Hof eines Bauern aufgebaut werden könne. Während der Konfliktmanager auch dazu erst die Zustimmung des Einsatzleiters einholen wollte, verwiesen die anwesenden BürgerInnen darauf, dass sie keine polizeiliche Erlaubnis bräuchten, um von einem Bauern zum Essen eingeladen zu werden.

Dritter Splitter: Der Aufbau von Camps wurde weit über den räumlichen Bereich hinaus verboten, in dem per Allgemeinverfügung jede Demonstration untersagt war. Am Freitag, dem 23. März 2001, wurde der Aufbau von Camps auf Privatgelände bei Tollendorf und Govelin verboten. Die Camps wurden geräumt aus Resignation angesichts einer Übermacht der Staatsgewalt. Letztere interpretierte das als freiwillige Räumung. Bei Schmessau und Köhling entstanden daraufhin zwar neue Camps. Die standen unter der Drohung, geräumt zu werden, wenn sie zu groß würden. Das Camp bei Nahrendorf wurde Montag abend, den 26.3.2001, geräumt. Auch bei Wendisch-Evern durfte lediglich eine mehrtägige Mahnwache stattfinden, nichts aber aufgebaut werden, was einer "Campstruktur" gedient hätte. Immer wieder wurden Autos und Personen daraufhin durchsucht, ob sie Materialien dabei hätten, die dem Aufbau einer Campstruktur dienen könnten. Samstag abend, den 24.3.2001, begegneten BeobachterInnen im sogenannten Kindercamp bei Hitzacker einem jungen Mann, der mit seinem PKW im Verlauf des Tages dreimal kontrolliert worden war. Bei der letzten Kontrolle hatte er schließlich ein mehrtägiges Aufenthaltsverbot für die gesamte Region erhalten. Er hatte Musik-CD`s bei sich, mit denen er zur Unterhaltung auf einem Camp beitragen wollte - folglich hätte er zur Campstruktur beigetragen.

Vierter Splitter: Immer wieder ging die Polizei in unverhältnismäßiger Weise gegen friedliche Bürger vor. Hervorzuheben ist die Festnahme von Jochen Stay, dem Mitorganisator der explizit gewaltfreien Sitzblockade von X-tausendmal-quer. Wegen der "Hartnäckigkeit", mit der er seit Jahren dieses Ziel verfolgt (vgl. Presseerklärung von BGS und Polizei vom 26.3.2001) wurde er mit der Begründung, er sei der "Rädelsführer", überfallartig während eines Gesprächs mit dem Einsatzleiter vor Ort von einem Sondereinsatzkommando festgenommen. Bis zum Abschluß des Transportes, fast drei Tage, wurde er festgesetzt. Die Sitzblockaden fanden trotzdem statt.

Die Sitzblockade bei Wendisch-Evern am Montag, 26.3.01, an der fast 600 Personen beteiligt waren, wurde mit zum Teil körperverletzenden Eingriffen geräumt. Während die niedersächsischen Einheiten generell die Menschen vom Blockadeort wegtrugen, wandten die gleichzeitig eingesetzten Leipziger Polizeibeamten personenverletzende Griffe an. Unter anderem durch ins-Gesicht-drücken, die-Nase-hochdrücken, an-den-Haaren-ziehen, Hand-umknicken, Leute-auf-den-Boden-drücken.

Am Dienstag, dem 27.3.2001, wurde eine Sitzblockade bei Wendisch-Evern von einer sächsischen Polizeieinheit mit Hilfe eines brutalen Schlagstockeinsatzes geräumt. Zuvor war nicht dazu aufgefordert worden, die Schienen zu räumen - wie vom NGefAG vorgesehen. Auch das eingesetzte Zwangsmittel, also der Schlagstock, ist vorher nicht angekündigt worden. Sieben Demonstranten erlitten dadurch Platzwunden. Ein schwer Verletzter mußte von Sanitätern mit Gehirnerschütterung ins Krankenhaus abtransportiert werden.

Fünfter Splitter: Versammlungen, die polizeilich unter Auflagen "genehmigt" worden waren, wurden unverhältnismäßig unter Druck gesetzt. So verlangte die Polizei von jedem Treckerfahrer bei der Stunkparade der bäuerlichen Notgemeinschaft eine schriftliche Erklärung, dass er die genehmigte Stecke nicht verläßt, keine unerlaubten Aktionen vornimmt und ohne Aufenhalte bis zum Endpunkt fährt. Susanne Kamin von der Bäuerlichen Notgemeinschaft mußte als Organisatorin eine gesonderte Erklärung über die "ordnungsgemäße" Abwicklung und pünktliche Beendigung um 17.00 Uhr unterschreiben.

Sechster Splitter: Bei der Auflösung der Versammlung auf der Esso-Wiese in Dannenberg am Mittwochabend, 28.3.2001, wurde das Versammlungsrecht ausgehebelt. Die Begründung hierfür - Gewalt seitens der Demonstrierenden - greift nicht. Die Polizeiaktion richtete sich eindeutig gegen sich friedlich verhaltende Demonstrierende auf der Wiese. Diese wurden dadurch für das nicht erwiesene Verhalten Dritter bestraft.

Siebter Splitter: Ohne Augenmaß wurde Polizei gegen spontane Versammlungen in der Nähe der Straßentransportstrecke lange vor Beginn des Straßentransportes eingesetzt. Dienstag nachmittag ab 17.00 Uhr wollten - dies war öffentlich angekündigt - Demonstrierende mit Sand gefüllte Säcke auf einem Bauernhof in Splietau abholen. Die Traktoren, die kamen, um die auf Anhängern lagernden Säcke zur Esso-Wiese zu transportieren, wurden von der Polizei angehalten und blockierten dadurch die Straße. Andere Demonstrierende holten währenddessen zu Fuß Säcke ab und legten sie auf der Straße nach Splietau ab. Stroh kam hinzu. Demonstrierende ließen sich auf der Straße nieder. Wenige weitere Traktoren fuhren über ein Feld hinzu und wurden sofort von der Polizei umstellt. Die Polizei fuhr von allen Seiten mit Dutzenden von Mannschaftswagen heran. Zwei Wasserwerfer wurden in Position gebracht. Schließlich wurde der Abtransport der Sandsäcke mit den Traktoren "genehmigt". Die querstehenden Traktoren wurden freiwillig zurückgestellt. Nur die auf der Straße Stehenden und Sitzenden mochten nicht freiwillig-gezwungen weichen. Nachdem die Trecker mit den Sandsack-Anhängern an der Seite vorbeigefahren waren, wurde die Versammlung aufgelöst und die Anwendung von 1) einfacher körperlicher Gewalt, 2) von Wasserwerfern, 3) von Schlagstockeinsatz in dieser Reihenfolge angedroht. Während die Polizeikette vordrang, wichen die Demonstrierenden auf das Feld zurück.

Auch Dienstag abend wurde der Spontandemonstration in "sicherer" Ferne vom Verladekran mit nicht begründbarer Härte begegnet. Obwohl der überwiegende Teil der Demonstrierenden sich friedlich verhielt und nur dorthin zog, wo der Transportzug zu erwarten war, wurden gegen die Demonstrierenden Wasserwerfer eingesetzt. Ein Teil dieser Versammlung wurde später eingekesselt. Von wenigen Demonstrierenden sind Leuchtraketen in die Luft geschossen worden, auch Gegenstände waren in Richtung Polizei geflogen. Auf der Wiese hinter dem Wall und südlich auf der Straße nach Nebenstedt kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrierenden. Mit Schlagstock ging die Polizei gegen diese Gruppe vor, dann flogen auch Feuerwerkskörper und andere Gegenstände in Richtung Polizei. Die Wasserwerfer wurden zunächst gegen diesen Teil der Versammlung eingesetzt, dann aber auch gegen diejenigen, die auf dem Wall standen. Auf der Straße wurde daraufhin ein Teil der Versammelten eingekesselt.

Achter Splitter: Polizeiliche Maßnahmen sind zuweilen willkürlich unberechenbar. Sie werden mit "erfundenen" Taten und Zusammenhängen begründet.

Zu den drastischsten Vorkommnissen zählt die Behauptung von Säureangriffen gegen die Polizei.

Pünktlich kurz vor den Nachrichten am Abend des 27.3.2001 wurden Polizeibeamte per Lautsprecher in der Umgebung der Pressewagen vor möglichen Essigsäureangriffen gewarnt. Die Nachricht konnte nicht mehr überprüft werden und ging durch alle Medien. Später wurde diese Vermutung mit einem erhöhten Verkauf von Essigsäure im Kreis Lüchow-Dannenberg begründet.

Ein Klärwerk hatte wohl tatsächlich aufgrund eines Bakterienproblems größeren Bedarf. Verletzte Polizeibeamte gab es nicht. Das Gerücht hielt sich aber einige Zeit.

Eine Gruppe zumeist Jugendlicher brach Dienstag vormittag vom Camp bei Nahrendorf auf, um sich an der angemeldeten und bestätigten Mahnwache an einer Straßenkreuzung zu beteiligen. Auf diesem Weg hätten sie die Bahnlinie kreuzen müssen. Bevor sie dorthin kommen konnten, wurden sie gegen 11.30 Uhr von der Polizei gestoppt und eingekesselt. Einzeln wurden sie aus dem Kessel geführt und in einen Gefangenenbus gebracht. Gegen 17.25 Uhr war die bürokratisch euphemistisch genannte "Ingewahrsamnahme" abgeschlossen. Alle wurden in die GESA in Neu Tramm gebracht. Was ihnen vorgeworfen wurde, war im einzelnen nicht zu erfahren. Der fassbarste Vorwurf bestand darin, einzelne in dieser Gruppe seien "vermummt" gewesen (wohlgemerkt: die Polizeileute sind dies, selbst wenn ihre Gesichter zu sehen sind, durchgehend) . "Erfunden" wurde, dass sie die Gleise, die sie noch gar nicht erreicht hatten, beschädigt hätten, oder dass sie sich auf der Straße hingesetzt hätten. Interessant ist der Vorwurf, dass die Demonstrierenden, da sie zu mehreren auf dem Weg zu der genehmigten Mahnwache waren, gegen die Allgemeinverfügung verstoßen hätten. So schafft man Ordnungswidrigkeiten und Möglichkeiten zum polizeilichen Eingreifen.

Am Montag wurden südwestlich von Leitstade kurz nach 13.00 Uhr fünf junge Leute aus dem Wald getrieben, kontrolliert, fotografiert, abgetastet, ihre Sachen durchsucht. Der Einsatzleiter erklärte den Jugendlichen, dass sie in Gewahrsam genommen würden, weil an diesem Waldstück die Strecke beschädigt worden sei. Da sie Kartenausschnitte dieses Gebietes dabei hätten, planten sie möglicherweise auch Angriffe auf die Schienen. Vorbeugend würden sie in Gewahrsam genommen.

Dienstags wurde gegen 11.30 Uhr eine Gruppe von 22 jungen Leuten bei Leitstade, ca 250 m von den Schienen entfernt, eingekesselt und dann "in Gewahrsam genommen". Der BGS-Einsatzleiter vor Ort erklärte, sie hätten zwar nichts gemacht, aber er müßte sie mitnehmen, um festzustellen, ob gegen sie Platzverweise bestehen.

 

 

 

Grüne Chaostage in Dortmund

Polizei nimmt weit über 500 Menschen zum Teil Grundlos und zur "Gefahrenabwehr" fest

Am Wochenende nahm die Polizei in Dortmund weit über 500 Personen fest, da sie potentielle Teilnehmer der Chaostage seien. Begründung: "Da Sie aufgrund ihrer äußeren Erscheinung im Verdacht stehen einer Gruppierung zugehören die möglicherweise Straftaten begehen wird, werden Sie vorübergehend in Gewahrsam genommen." So wurden vermeintliche Punks am Bahnhof, gerade aus dem Zug ausgestiegen, direkt in einen Bereitstehenden Polizeikessel gebracht. Kurz darauf in Bereitstehende Busse und Wannen verladen und zum Präsidium gebracht. Dort herschten die eigentlichen Chaostage. Zum Teil mussten die Punks 3 Std. und mehr zu 2 und gefesselt in 1,5qm grossen Zellen in den Bussen verbringen. Ohne zugang zu Toiletten o.ä., so dass viele in ihre Zellen urinieren mussten. Und dafür anschließend schikaniert wurden.
Aufgrund der Masse an Festnahmen mussten die Punks zum Teil gefesselt stundenlang vor dem Polizeigebäude verbringen, später wurden Sie in andere Städte gebracht. 2 Haftrichter kümmerten sich um 500 Inhaftierte die z.T. bis Sonntagabend festgehalten wurden. Essen gab es erst 20 Stunden nach der Festnahme. Ernsthafte Begründungen für diese Maßnahmen gibt es nicht, nur dass die Punks untereinander "Dosenschlachten" begonnen hätten und "stark alkoholisiert" waren.

ich bin einer von denen die auf der wiese vor der unionsbrauerei eingekesselt wurde. es fing schon echt toll an,als wir in dortmund ankamen,überall bullen,vor dem bahnhof wurden gerade einige punx verhaftet.wir bekamen dann ne eskorte von 10 kleinen schweinchen bis zur wiese (den namen habe ich leider vergessen),die war natürlich schon komplett umstellt,mit knüppelgarde,autos (auch diese tollen transporter mit den gemütlichen zellen) und reitern.am späten nachmittag wurde dann bekannt gegeben, daß jeder,der den kessel verlassen will,dieses auch tun kann,natürlich wurden dabei gleich die personalien überprüft und rucksäcke und kleidung durchsucht,also sind die meisten da geblieben. etwas später gab es dann in der stadt wohl ein bisschen ärger,von dem wir außer das die bullen etwas nervös und hektisch wurden,zunächst nichts mitbekamen (wie auch). am abend wurde uns dann vom einsatzleiter mitgeteilt,daß wir von den ordnungshütern zu dem konzert begleitet werden,wo noch mehr punx sein sollten,es sei aber aus sicherheitsgründen (oder so) nicht möglich,daß wir zu fuß dahin gebracht werden,also wurde ein großer bus angefordert,in den wir alle (mehr oder weniger freiwillig) einstiegen. der bus fuhr auch zu den anderen nur da war kein konzert,sondern die gefangenensammelstelle.da wir uns ziemlich verarscht vorkamen ging natürlich im bus einiges zu bruch.nach dem üblichen erkennungsdienstlichem quitschi-quatsch (foto,personalien aufnehmen,durchsuchung,u.s.w.),wurden uns dann handfesseln (kabelbinder) angelegt.so gefesselt sollten wir dann warten,bis wir weggefahren werden,das kann ja wohl keiner so lange aushalten,also haben wir uns aus den recht ungemütlichen dingern befreit :-) . irgendwann am morgen (ca.3 uhr) wurden dann alle "alphabetisch" (A,B,D,G,C???,ist wohl polizei-alphabet)aufgerufen und in busse und wannen verladen (natürlich wieder gefesselt,hände auf dem rücken)und in die umliegenden gefängnisse gefahren (bochum,essen,wuppertal,...).der bus in dem ich saß fuhr nach essen,so gegen 4 uhr kamen wir da an,wurden wieder "alphabetisch" aufgerufen und in die sammelzellen geführt.auf meiner,nicht gerade großen zelle,waren 32(!!!)leute,das bedeutet schon mal kaum platz zum schlafen.in der zelle war auch keine toilette und man mußte teilweise 2 stunden warten bis jemand auf das klingeln geantwortet hat.zum frühstück,das uns um 7 uhr angekündigt wurde (kommt SOFORT),aber erst um 12 uhr kam,gab es (wie in nem schlechten film 3) scheiben brot und wasser.um 12 uhr hatte dann auch der richter entschieden,daß wir entlassen werden sollten,trotzdem dauerte es noch bis ca.17:30 uhr bis die letzten (ich auch) draussen waren. ich war also ca. 23 stunden im knast,nur weil ich auf ner wiese saß????(bei den "ausschreitungen" in der innenstadt konnte ja keiner der auf der wiese saß teilnehmen,weil wir ja gar nicht da wegkamen,also wofür wurden wir eingeknastet???)-hätte ich gewußt,daß ich so lange im knast lande für gar nix ,hätte ich nen bullen verprügelt oder so,das wäre aufs gleiche rausgekommen!!!!!


Ahaus, den 17.1.01

 Pressemitteilung:

Die massenhaften polizeilichen Ingewahrsamnahmen anläßlich des letzten Castor-Transports nach Ahaus waren rechtswidrig.

Dies geht aus einem Beschluss des Amtsgerichts Ahaus vom 12. Januar 2001 hervor, den die Bürgerinitiative "Kein Atommüll nach Ahaus" heute auf einer Pressekonferenz vorstellte. Fast 3 Jahre nach dem Transport gibt es damit zum ersten Mal eine gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren gegen den Polizeieinsatz. 

Bei dem vorliegenden Fall ging es um eine junge Frau, die in der Nacht vor dem Transport festgenommen und nach Münster in eine Gefangenensammelstelle gebracht worden war. Dort wurde sie bis 0.20 Uhr am Tag nach dem Castor-Transport, also rund 22 Stunden festgehalten. In der Entscheidung des AG Ahaus heißt es, dass die Ingewahrsamnahme spätestens ab 10.00 Uhr morgens am Tag des Transports rechtswidrig wer, da die Polizei es versäumt habe, die gesetzlich zwingend vorgeschriebene richterliche Entscheidung einzuholen. Dies sei geschehen, obwohl 4 Tage vor dem Transport ausdrücklich eine Belehrung der Polizei durch die zuständigen Richter darüber stattgefunden habe, dass eine solche Entscheidung in jedem Einzelfall eingeholt werden müsse. Auch sei der Polizei bekannt gewesen , dass das AG Ahaus morgens ab 7.30 besetzt war. Auch rügt das Gericht die Verbringung der Gefangenen nach Münster, da dies einen unzulässigen und unverhältnismäßigen Eingriff in die persönliche Freiheit und das Demonstrationsrecht der Antragstellerin darstelle. Rein polizeitaktische Überlegungen könnten und dürften nicht dazu führen, Freiheits- und Demonstrationsrechte in so unverhältnismäßiger Weise zu beschneiden. Die Gefangenensammelstellen hätten in Ahaus oder der unmittelbaren Umgebung eingerichtet werden müssen. Völliges Unverständnis äußert das Gericht auch darüber, dass die Ingewahrsamnahme nicht einmal mit dem Abschluss des Castor-Transports um 21.17 abends beendet worden sei.

Obwohl es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, ist der Beschluss auf alle anderen Fälle anwendbar: Nach Angaben des NRW-Innenministeriums wurden seinerzeit insgesamt 627 Personen in Gewahrsam genommen. Nur in 20 Fällen in Coesfeld wurden richterliche Entscheidungen eingeholt, die allesamt zur sofortigen Freilassung führten. In allen anderen Fällen waren die Ingewahrsamnahmen somit rechtswidrig und verstießen massiv gegen Grundrechte der Betroffenen. Darüber hinaus wurde ihnen verwehrt, sich selbst an die zuständigen Richter zu wenden - ebenfalls ein Verstoß gegen geltendes Recht und zudem gegen ein Grundprinzip des Rechtsstaates.

 

Im Visier des Staatsschutzes

Hausdurchsuchung beim Hamburger Atomkraftgegner Fritz Storim: Er soll Rädelsführer bei Anti-Castor-Anschlägen gewesen sein     Von Kai von Appen

Der Hamburger Physik-Dozent und Atomkraftgegner Dr. Fritz Storim ist erneut ins Visier der Bundesanwaltschaft (BAW) geraten. Gestern früh durchsuchten BAW-Anwälte und Staatsschützer des Bundeskriminalamtes Storims Wohnungen in St. Pauli und Bremen sowie seine Diensträume an der Bremer Universität. Zeitgleich wurden auch zehn Wohnungen im Wendland sowie in Berlin gefilzt. Der Vorwurf gegen Storim lautet auf "Rädelsführerschaft" und "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" (Paragraph 129a Strafgesetzbuch).

Das rechtliche Konstrukt ist simpel: Am 7. Oktober 1996 hatten Atomkraftgegner wegen eines geplanten Castor-Transports nach Gorleben an mehreren Orten mit Hakenkrallen Anschläge auf Oberleitungen der Bundesbahn verübt. Da es nach den Anschlägen Presseerklärungen und ein "Kommunique Autonomer Gruppen" gab, geht die BAW davon aus, daß die Anschläge "koordiniert" durchgeführt wurden.Nach Staatsschutz-Logik müßten die "Autonomen Gruppen" sich in einer Vereinigung zusammengeschlossen haben, und eine Vereinigung braucht eine Führung. Und da Fritz Storim unzweifelhaft zu den Vordenkern der autonomen Anti-Atom-Bewegung gehört und zu vielen Initiativen Kontakt hat, könnte er laut BAW zu diesen "Führungskadern" gehören. BAW-Sprecherin Eva Schöbel wollte sich zu diesem Konstrukt gegenüber der taz hamburg nicht näher äußern: "Dazu gebe ich keine Auskunft."

Die gestrige mehrstündige Aktion galt laut Durchsuchungsbefehl dem "Auffinden von Beweismaterial" und "Hakenkrallen oder Werkzeugen". Storim selbst mußte zur erkennungsdienstlichen Behandlung auf das Polizeipräsidium. "Sie haben Papiere, Disketten und die Festplatten mitgenommen", teilte Storim am Nachmittag mit.

Es ist bereits das dritte Mal, daß der Physiker und Atomkraftgegner ins Visier des Fahndungsapparats geraten ist. Im Januar 1991 war Storim vom Hanseatischen Oberlandesgericht wegen "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung" zu einem Jahr Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Damals hatte der Staatsschutzsenat ihn für schuldig befunden, an der Herstellung der Zeitung Sabot - Hamburger Infosammlung beteiligt gewesen zu sein. Diese hatte unter anderem zwei Redebeiträge von Hafenstraßen-Bewohnern dokumentiert, in denen die Autoren ihr Verhältnis zu den RAF-Gefangenen definiert hatten. Für das Gericht war dies Werbung für die RAF.Einen ersten Versuch der Kriminalisierung hatte 1990 die Itzehoer Staatsanwaltschaft unternommen. Da Storim in den 80er Jahren zu den Repräsentanten des Widerstands gegen das Atomkraftwerk Brokdorf zählte, wollte sie ihm eine Tatbeteiligung an einem Sprengstoffanschlag auf einen Strommast im Jahr 1984 anhängen. Dabei war ein spezieller Zündzeitverzögerer benutzt worden, und als Physiker hätte Storim über die entsprechenden Fachkenntnisse verfügt. Das Verfahren wurde "mangels Tatverdacht" eingestellt.

taz Hamburg Nr. 5879 vom 7.7.1999

Kriminalisierung

Wo aus harmlosen Protest handfester Widerstand wird, lässt der Staat meist nicht lange auf sich warten. Zahlreiche Organe der Polizei und der Nachrichtendienste, vor allem des Verfassungsschutz, sind damit beschäftigt, Informationen zu gewinnen und gegebenen falls mit Strafverfolgung zu zuschlagen.

Dies erfüllt verschiedene Zwecke:

1. Die Schwächung oder Zerschlagung von handlungsfähigen Strukturen im Widerstand

2. Spaltung und Entsolidarisierung zwischen "friedlichem Protest" und "gewalttätigen Widerstand"

3. Verunsicherung und Einschüchterung, um Menschen vom Widerstand abzuhalten

Sehr viel Umfangreicher und Aufwendiger als die Strafverfolgung ist die Erkenntnisgewinnung. Mit jedem technischen Aufwand, mit eingeschleusten oder angeworbenen Spitzeln und mit allen zur Verfügung stehenden Methoden arbeitet vor allem der Verfassungsschutz, um jeden politischen Widerstand auszuspionieren. Hier gelten weder Post- noch Telefongeheimnis noch die Vertraulichkeit der gesprochenen Wortes. Nichts ist unwichtig und niemand vor den Schnüffeleien sicher. Selbst wer nur zufällig mit Personen in Berührung kommt, die der Verfassungsschutz überwacht, kann schnell selbst zur "Zielperson" werden. Gott sei dank gibt es aus den Lehren des Faschismus und der allmächtigen GeStaPo noch eine einigermaßen funktionierende Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten. Das bedeutet, dass der Verfassungsschutz nicht einfach mit seinen gewonnenen Erkenntnissen zum Staatsanwalt oder Richter gehen kann, um eine Strafverfahren anzuzetteln. Aber auch hier gibt es zwischen "kleinem Dienstweg" und großem Amtshilfeersuchen viele Möglichkeiten, diese Trennung zu umgehen. Und wenn demnächst Europol auf Deutschlands Straßen aktiv wird, entfällt sowohl die Gewaltenteilung, noch jede dienstliche oder demokratische Kontrolle,

Ganz anders bei der Polizei. Sie ist für die Strafverfolgung zuständig aber daran gehalten, Beweise mit einigermaßen legalen Mitteln beizubringen. Das bedeutet, dass Telefon nicht einfach abgehört, Wohnungen nicht einfach verwanzt werden dürfen, sondern vorher ein Richter zustimmen muss. Aber das tut der Richter ohnehin fast immer. Wer hätte schon gewusst, dass es in Westdeutschland an jedem Polizeipräsidium eine Abteilung der politischen Polizei gibt, also so etwas wie eine West-Stasi?

Bei der Kriminalisierung gibt es verschiedene Bereiche

Zum einen sind da die typischen Demo-Delikte: Landfriedensbruch, Widerstand, Sachbeschädigung, Körperverletzung usw. Dann die s.g. "Propaganda-Delikte" wie Verstoß gegen das Pressegesetz, Aufruf zu Straftaten usw.. Ganz Haarig wird es beim praktischen Widerstand. Da geht es um Sachen wie Eingriff in den Schienenverkehr, Sachbeschädigung usw. Aber immer wieder gern wird aus irgendwelchen Zusammenhängen, denen eine Beteiligung an solchen Taten zur Last gelegt wird, eine "terroristische Vereinigung" konstruiert, und das öffnet Tür und Tor. Eigens dafür wurde der § 129 a gemacht. Ein s.g. Ermittlungsparagraph, der gern unterstellt wird, zwar nur in ganz wenigen Fällen zu einer Verurteilung führt, aber erst einmal alle Bürgerrechte außer Kraft setzt. Telefon- und Postgeheimnis sind beispielsweise nichts mehr wert, wenn jemand in den Verdacht gerät, irgend etwas mit einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung zu tun zu haben

Da werden Leute auch schon mal für ein halbes Jahr in U-Haft gesteckt, zuerst unter Isolation, weil ihnen vorgeworfen wird, an einer Zeitung mitgewirkt zu haben (??). So geschehen im Fall der Zeitung >radikal<. Der Vorwurf: Da die Zeitung ohne gültiges Impressum und unter der Hand hergestellt und vertrieben wird, ist sie illegal. Eine Vereinigung von Leuten, die das Ziel hat eine solche kriminelle Untat zu begehen, ist eine kriminelle Vereinigung. Fertig ist das Verfahren nach § 129 a. Zwar wurden alle Verfahren wegen der >radikal< wieder fallengelassen, aber die Leute saßen erst einmal ein. Mit Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen, Einschüchterungen und allem was dazu gehört. Innenminister Kanthers Kommentar: "Das war ein Warnschuss gegen die Linke!"