Ohne die fast unglaublichen Vorgänge während des G8 Gipfels in Genua und den vorhergehenden Gipfeln relativieren oder verharmlosen zu wollen, lässt sich auch für die BRD der Nachkriegszeit eine Spur von Mord und Polizeigewalt feststellen. Was bisher fehlt ist die Systematik von brutaler Gewalt bei der Festnahme und in der Gefangenschaft die Genua bisher in Westeuropa einzigartig macht.
Waren die 50er und 60er Jahre in der BRD noch durch Obrigskeitdenken und autoritäre Strukturen geprägt und damit das verprügeln von sogenannten Rockern und Halbstarken durch die Polizei noch als „erzieherische Maßnahme“ von der Bevölkerung akzeptiert, waren die Auseinandersetzungen zum KPD Verbot (50er) im Kontext des kalten Krieges eindeutig politisch, aber dadurch nicht weniger brutal.
Bei der weiteren Rückschau beschränke ich mich auf Ereignisse die ich entweder aus eigener Erfahrung oder aus der Erinnerung beschreiben kann.
Bei einer Demonstration gegen den Schah von Persien, dessen diktatorisches Folterregime in der BRD einen wichtigen Handelspartner hatte, wurde in Berlin am 2. Juni 1968 der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen. Ein knappes Jahr später, am 10. April 1968, schoss ein durch die Springer - Presse aufgehetzter Arbeiter auf den bekanntesten Sprecher der StudentInnenbewegung, Rudi Dutschke , und verletzte ihn lebensgefährlich. Am 27. Juni 1993 wird in Bad Kleinen das RAF Mitglied Wolfgang Grams bei der Festnahme exekutiert In Frankfurt wird ein Demonstrant in den 80er von einem Räumfahrzeug überfahren und stirbt. Die Wahlkampfauftritte von Franz Josef Strauss hatten teilweise Bürgerkriegscharakter, besonders während seiner Kanzlerkandidatur. Bei einem Schienenspaziergang in Ahaus mit knapp 700 TeilnehmerInnen gab es ca. 200 Ingewahrsamnahmen, die Menschen wurden geschlagen mit Kabelbindern gefesselt und anschließend in einem ehemaligen Nazibau bis zu 14 Stunden schikaniert, Frauen mussten sich vor grinsenden Beamten ausziehen, Minderjährige durften ihre Eltern nicht anrufen.
Diese Aufstellung erhebt keineswegs den Anspruch der Vollständigkeit.
Es bleibt festzustellen, dass von Brockdorf über Wackersdorf, Kalkar, Flughafen Frankfurt (Startbahn West), Ahaus und insbesondere Gorleben alle Großeinsätze von Polizei und BGS durch massive Übergriffe geprägt waren und bei der Planung und Durchführung Verletzte und auch Tote DemoteilnehmerInnen zumindest billigend in Kauf genommen wurden und werden.
In den letzten Jahren, ich denke seit dem ersten Castortransport nach Ahaus, fällt auf, dass sich die Konzepte wesentlich verändert haben. So werden die Einsätze nicht mehr nur von einer Übermacht von Polizei und BGS bestimmt, sondern alle staatlichen Institutionen wirken in einer Art konzertierter Aktion zusammen, die Medien werden dabei in dieses Konzept mit eingebunden. Der Einsatz wird nicht mehr auf den Zeitpunkt des aktuellen Widerstandsgeschehens begrenzt sondern lange vor dem eigentlichen Ereignis beginnt der (Polizei)Staat zu agieren. Die Verfassungsschutzberichte der Länder und des Bundes werden regelmäßig publiziert und aktualisiert und dabei werden zu erwartende Widerstandsaktionen bewertet und die am Widerstand beteiligten Gruppen zielgruppengerecht und medienwirksam vorgestellt, d.h. die Berichte zeigen keine Tatsachen der Vergangenheit auf sondern nehmen über Prognosen Einfluss auf Politik und deren Organe. Seit Sender wie Phönix, ntv und andere live und direkt von den Schauplätzen berichten nehmen PolizeipressesprecherInnen und PolitikerInnen zunehmend Einfluss auf die Berichterstattung und/oder bauen diese in ihre Taktik mit ein.
Und es zeigt sich immer wieder: Gesetze und Verbote die für bestimmte Situationen erlassen werden haben immer auch eine allgemeine Wirkung die dann früher oder später auch angewendet wird, z.B. Ausreiseverbot für Fußballhooligans wird vor Genua auf linke DemonstrantInnen ausgeweitet.
Im Vorfeld:
Desinformationskampagnen, InfoWar Beispiele Seite
Die Verbotsverfügungen werden von den Regierungspräsidenten oder Landräten erlassen, stützen sich auf Prognosen des Verfassungschutzes und der Polizei und legen z.B. Demoverbotszonen fest oder ermöglichen Verbote von Camps, wobei es eine beliebte Taktik ist Camps erst einmal zu erlauben und wenn diese Bezugsfertig oder bezogen sind zu verbieten oder genehmigte Camps wg. Gefahr im Verzug einfach zu räumen. In BaWü wurden auch die mobilen Küchenwagen und deren Ausstattung beschlagnahmt und erst Wochen später wieder freigegeben. Mittlerweile wird auch das Bauordnungsrecht bemüht um Camps zu untersagen.
So heißt es im Passgesetz: Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit oder sonstiger Belange der BRD
Kriminalisierung, Lauschangriff, Hausdurchsuchungen, Abhören von Telefon und Handy
In der BRD werden pro Jahr ca. 12000 Telefonanschlüsse überwacht und dabei 100.000sende Gespräche aufgezeichnet. Über Funkscanner werden Basisstationen von Mobilfunksystemen simuliert und damit sowohl der Standort von TeilnehmerInnen lokalisiert als auch die Gespräche aller in der jeweiligen Funkzelle mitgehört.
Dateien von den versch. Diensten und Behörden (auch illegal geführte) werden zusammengeführt um z.B. Menschen für Hausbesuche oder Reiseverbote zu ermitteln. funktioniert mittlerweile auch auf EU Ebene und mit den USA.
Wenns denn Ernst wird:
werden gerne und häufig von Polizei und BGS ausgesprochen, meist völlig unkoordiniert und willkürlich
auch sehr beliebt, mit oder ohne Feststellung der Personalien und ED-Behandlung. In Gorleben wurden Menschen einfach 50 Km wegtransportiert und dann ausgesetzt.
Dann ist alles möglich am liebsten wird geprügelt
In Ahaus und Gorleben richteten sich die Maßnahmen nicht nach der Verhältnismäßigkeit sondern nach dem Zeitdruck, erst wurde weggetragen dann mit Polizeigriffen (Arme verdrehen, Haare ziehen, auf die Nase hauen) beschleunigt und zum Schluss geprügelt.
Wasserwerfer hab ich noch vergessen.
Desinformation der Einsatzleitung (siehe InfoWar)
Besonnenes Verhalten der Einsatzkräfte loben, sich freuen dass es nicht noch schlimmer gekommen ist. Spaltung zwischen friedlichen und gewalttätigen Menschen versuchen und zu Distanzierungen der verschiedenen Gruppen voneinander auffordern. Wird auch im Vorfeld immer wieder versucht.
Ist in den meisten Fällen ein Instrument der Abschreckung, denn im Verhältnis zu den Festnahmen gibt es nur wenige Gerichtsverfahren. In Ahaus wurden beim Castortransport mehr als 700 Menschen festgenommen, bisher sind fest nur Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeldern geahndet worden ca. 200.
Wegtragegebühr (Vollstreckungskostenverordnung bisher nur BaWü)
die anteiligen Kosten des Einsatzes werden auf die DemoteilnehmerInnen umgelegt und auf dem Verwaltungsweg eingezogen.
Schadenersatzforderungen werden geltend gemacht z.B. die DBAG fordert Schadenersatz für Zugverspätung.
§129a Bildung einer kriminellen Vereinigung
Sehr beliebt weil sich damit fast alles rechtfertigen lässt und die Ermittlungsorgane auch schon mal die Grundrechte vernachlässigen oder ignorieren können.
In Gorleben wurde der Sprecher von xtausendmalquer für mehrere Tage während der Protestaktionen eingeknastet obwohl ihm keine konkreten Vorwürfe gemacht werden konnten.
Ein Tatvorwurf der immer wieder benutzt wird um Übergriffe bei der Festnahme oder im Gewahrsam zu verschleiern
Seite 5ff Auszüge aus dem Gorleben 2001 Bericht Komitee für Demokratie und Grundrechte
Seite 12f Chaostage in Dortmund 2001
Seite 14 Festnahmen in Ahaus rechtswidrig
Seite 15 TAZ 1999 Hausdurchsuchen bei Atomkraftgegnern
Seite 16f Kriminalisierung (Ich weiß nicht von wem, aber gut)
Neben der Eskalation der Gewalt wurden besonders - aber nicht nur - nach dem Gipfel als Vorbereitung
auf Proteste Strategien des Infowar angewandt: (Vereinfacht beschrieben)
Zunächst: Schaffung eines Klimas von Legitimation und Gewöhnung von Gewalt gegen Oppositionelle. Die
Medien beginnen - teils freiwillig, teils aufgrund von Falschinformationen durch die Polizeistrategen - ungeheuerliche
Berichte über angeblich geplante Greueltaten von "Terroristen" und "Chaoten" zu berichten.
Daß keine dieser Meldungen der Realität entspricht, stört selbst dann nicht, wenn es rauskommt
- es geht darum, bestimmte Emotionen zu erzeugen. Hierbei ist es wichtig, die Proteste als unpolitisch oder zumindest
die Ziele als unverständlich herauszustellen, um Identifizierung mit den Aktivisten zu vermeiden.
Dann: Die Proteste selbst finden unter einem großen Druck statt. Die Polizei tritt sehr offensiv auf und
sorgt mit Provokationen oder direkten Angriffen für eine Eskalation. Spätestens hier tun die Militanten
den Strategen den Gefallen, wenn sie das Spiel mitspielen. Die Medien stürzen sich nun auf die produzierten
Bilder...
Im Nachhinein: Repression, Abbau von Bürgerrechten, Gewöhnung an Menschenrechtsverletzungen. So sind
die Schüsse in Barcelona am Wochenende nur noch eine wert. Auch gibt es nahezu keine Opposition gegen die
geplante Schließung von Grenzen.
Vor dem G8-Gipfel in Genua sorgen die Medien in Italien für eine hysterische Stimmung, in dem sie behaupten,
nahezu alle Terroristen der Welt, die Tschetschenen, die ETA und so weiter planen mit den "Chaoten" zusammen
die G8-Führer mit biologischen Kampfstoffen und Sprengstoff zu ermorden.
In dieser Situation wird versucht die Bewegung in "gute" und "böse" zu spalten. Die "guten"
sind die, die sich "assimilieren" lassen. Dies trifft besonders auf die NGOs zu. Einige Aktivisten sehen
in den NGO eine Strategie zur Einbindung von Widerstand in das System durch Reformismus und Spaltung.
Auch bei Castortransporten und Anti-Atom Aktionen werden immer wieder Bilder von gewaltbereiten reisenden Chaoten bemüht die entweder Auseinandersetzungen um ihrer selbst willen mit der Staatsmacht suchen oder die Anliegen der Guten und Friedliebenden diskreditieren (Spaltung).
Selbst die lächerlichsten Zusammenhänge werden konstruiert, so mußte eine Infoveranstaltung im Bahnhof Langendreer für die Gefahrenprognose für Ahaus herhalten weil die Veranstaltung (Party mit Bands und Wortbeiträgen) den Titel „Entgleisung“ hatte.
Ebenso ein Demoaufruf mit dem Schlusssatz: Bringt Bagger, Planierraupen und Radlader mit.
Komitee für Grundrechte und Demokratie
Lüneburg - Dannenberg - Gorleben im März 2001 -
Was heisst demokratischer Rechtsstaat?
Jedenfalls
nicht das, was die Bundesregierung darunter versteht. Es reicht nicht aus, exekutivisch formierten privatwirtschaftlichen
Interessen die Form eines Gesetzes zu geben und dieses Gesetz dann mit "aller Härte" der diversen
Gefahrenabwehrgesetze durchzupauken. Das mag dem vordemokratischen Rechtsstaat des 2. deutschen Kaiserreichs entsprechen.
Und manche gegenwärtigen Politiker möchten gewiss mit ganzer Sohle autoritär auftreten wie weiland
Bismarck oder Wilhelm II. Wenn das Rechtsstaatsverständnis auf dem Boden des Grundgesetzes stehen soll, dann
muss es zuallererst den unmittelbar geltenden Grund- und Menschenrechten entsprechen. Das bedeutet auch, dass die
demokratische Qualität in solch tief angelegten, geradezu existentiellen Streitfragen besonders beachtet werden
muss. Dazu reicht das übliche abgehobene repräsentativ demokratische Spiel nicht aus. Da wird neuerdings
bis tief in die Regierungskoalition hinein von zusätzlichen plebiszitären Verfahren geredet, die so abgehoben,
wie sie geplant sind, bestenfalls ambivalente symbolische Zugaben bedeuteten - wenn sie denn bundesweit eingeführt
würden. Dort jedoch, wo sich die sonst so "volkstrunkenen" Politiker, freilich nicht fernsehmedial
geschützt, besorgten Gruppen aus der Bevölkerung auch nur stellen und mit ihnen reden müssten -
dort verbergen sie sich jämmerlich hinter der Polizei. Man muss nicht mit allem, was die Demonstrierenden
jeweils tun und verlangen einig sein, um festzustellen, dass die negative politisch demokratische Wirkung kaum
zu überschätzen ist, die der allein polizeistaatlich durchführende Umgang mit den Demonstrierenden
zuletzt Ende März zwischen Lüneburg, Dannenberg und Gorleben bedeutet. Hier lernen die Jugendlichen,
die am meisten präsent sind, dass nicht bürgerliches Engagement die erste Bürgerpflicht ist, sondern
Gehorsam.
Hier
lernen sie in der Tat bestenfalls Politikverdrossenheit, schlimmerenfalls Zynismus, schlimmstenfalls gewaltbesetzten
Opportunismus. Das ist es, wofür die Herren und Damen der Regierung und der Regierungsparteien verantwortlich
sind. Als für die Qualität bundesdeutscher Demokratie mitverantwortliche Politiker haben sie Ende März
ein weiteres Mal versagt.
c)
Das allgemeine Bürgerrecht, zu demonstrieren, variiert notwendig je nach Kontext und Ziel der Demonstration.
(1)
Demonstrationen haben als kollektive Wortmeldungen der Bürgerinnen und Bürger viele Funktionen. Diese
wechseln. Sie sind symbolisch. Sie wollen eine Meinung nachdrücklich ausdrücken. Sie sollen auf eine
noch nicht getroffene Entscheidung Einfluss nehmen. Sie lassen gegen Sachverhalte protestieren, auf Probleme aufmerksam
machen, die Zusammengehörigkeit von Gruppen öffentlich zeigen und so weiter und so fort. Insgesamt sind
Demonstrationen die einzige eigenständige, selbstbestimmte, grundgesetzlich zugelassene politische Äußerungsform
der Bevölkerung. Und Politik fängt mit der Mehrzahl an. Darum sind sie so entscheidend wichtig.
Demonstrationen
dieser Variantenfülle sind in der Regel durch die Einheit des Orts (an einem ausgewählten Platz, einer
prinzipiell selbstbestimmten Route) und die Einheit der Zeit gekennzeichnet (sie finden an einem Tag mehrere Stunden
lang statt); oft auch durch die Einheit einer bestimmten Gruppe. Darum müssen sie auch meist nicht lange vorbereitet
werden. Man kann sich mehr oder minder spontan entschließen, mitzudemonstrieren.
(2)
Auch wenn diese "Einheiten" gegeben sind, unterscheiden sich Demonstrationen qualitativ, quantitativ,
im Zweck und durch den Kontext, für den und in dem sie stattfinden. Diese große Skala der Demonstrationsformen
verlangt immer eine je neue und eigene Beurteilung. Diese wechselnden Umstände und Eigenarten versäumen
Behörden und auch die meisten Verwaltungsgerichte wahr- und ernstzunehmen, die insbesondere neuerdings allzu
rasch darauf ausgehen, angeblich erfahrungsbegründet und gefahrengewahr, Demonstrationen durch Allgemeinverfügungen
zu verbieten und diese Verbote justiziell zu bestätigen.
Die
Demonstrationen rund um Gorleben sind seit längerem durch ungewöhnliche Eigenarten charakterisiert. Diese
sind zur Kenntnis zu nehmen, will man ihnen grundrechtsgemäß gerecht werden.
Die Demonstrationen kehren sich gegen eine schon getroffene Entscheidung der Bundesregierung, an der die Bürger
und Bürgerinnen in keiner durchaus möglichen Weise zuvor beteiligt worden sind. Darum der Ausdruck: "repräsentativer
Absolutismus". Diejenigen, die sich an den Demonstrationen beteiligen, wollen ausdrücken, dass sie mit
der getroffenen und während der Demonstrationstage sichtbar durchgesetzten Entscheidung nicht einverstanden
sind.
Dieses unvermeidliche "Zu-Spät" der Demonstrationen, ein Zu-Spät, das - siehe oben - die demokratisch
nicht verantwortlich handelnden Politiker, die Regierung an erster Stelle, zu rechtfertigen haben, kennzeichnet
die eingebaute Frustration und auch die Gefahr der Aggression dieser Demonstrationen. Ihr Zweck besteht denn auch
darin, die Entscheidungen, um des Durchsetzungsaufwands der Entscheidungen willen, wieder revidieren zu lassen.
Infolge der schon entschiedenen Sache wird die Polizei, die verfassungsgemäß primär Grundrechte
schützen soll und Staatssicherheit primär als Bürgersicherheit verstehen müsste, zuallererst
dafür eingesetzt, die bürgerlose Entscheidung gegen demonstrierende Bürgerinnen und Bürger
durchzusetzen. Und das tut sie denn auch ungeheuer gewaltaufwendig. Notfalls geht sie "mit aller Härte
des Gesetzes", mit unmittelbarem Zwang und Inhaftierung vor. Und die dafür gebrauchten Gesetze der Gefahrenabwehr
sind ihrerseits schon grundrechtlich höchst fragwürdig.
Das
niedersächsische Gefahrenabwehrgesetz ist eine Art lex specialis Gorleben. Erst mit langem Abstand und in
zweiter Linie geht es der ersatzpolitisch vorgeschalteten Polizei auch darum, den Bürgerinnen und Bürgern
trotz allem keinen Harm anzutun. Deren Grundrechte werden freilich kräftig zum Zwecke der Durchsetzung riskiert.
Hinzu kommt, dass sich die Demonstrationen, die gegen die Durchführung schon getroffener Entscheidung angesetzt
sind, über Tage hinwegziehen und durch ihren weiträumigen Charakter gekennzeichnet sind. Sonst gingen
die Demonstrierenden in ihrer Ohnmacht angesichts der übergewaltigen Polizei vollends selbst öffentlichkeitswirksam
unter. Die üblichen Einheiten von Ort, Zeit, ja auch der Zusammensetzung der Demonstrierenden ist also nicht
gegeben. Das aber bedeutet, dass diejenigen, die an den Demonstrationen teilnehmen wollen, sich mehrtägig
in der Region aufhalten müssen. Sprich: Camps und dergleichen sind unabdingbar, soll rund um Gorleben das
Recht auf Demonstration gewährleistet werden.
All diese Merkmale machen einsichtig, dass die ohnehin strukturell nicht gegebene "Waffengleichheit"
zwischen politisch aktiven Bürgerinnen und abgehobener, entscheidungsmächtiger Exekutive - um einen Ausdruck
aus dem Umkreis des Strafprozessrechts zu gebrauchen, der dort die (auch nicht bestehende) Waffengleichheit zwischen
Anklage und Verteidigung betrifft - zusätzlich extrem zugunsten der polizeigewaltig bewehrten Exekutive verzerrt
ist. Darum müsste aus politisch demokratischen und dem Grundrecht auf Demonstration geltenden Gründen
alles Erdenkliche getan werden, Demonstrationen in ihren Bedingungen als friedlichen Protest möglich zu machen.
(3)
Das genaue Gegenteil wird jedoch regierungsamtlich getan. Gerade dieses Mal. Die ohnehin strukturell und aktuell
in jeder Hinsicht benachteiligten Bürgerinnen und Bürger, die demonstrieren wollen, wurden vorweg mit
zwei Allgemeinverfügungen überzogen. Die eine vom 10. März 2001, von der Bezirksregierung zu Lüneburg
erlassen, hatte ein großflächiges Verbot aller Demonstrationen im Zeitgroßraum vom 24. bzw. 27.3.
bis zum 8.4. dem vorgesehenen Castor-Transportweg entlang erlassen. Der Landrat des Landkreises Lüneburg hat
analog dazu am 16.3.2001 präventiv auf die Fülle angeblich hier einschlägiger Gesetze hingewiesen,
die ihn dazu veranlassen würden, gegen Camps im Rahmen des Demonstrationsgeschehens "bauaufsichtlich"
einzuschreiten. In der Verhinderung und Auflösung von Camps mit Hilfe fadenscheinig pauschaler Behauptungen
bestand zwischen dem 24. und 28. März auch ein Gutteil polizeilicher Tätigkeit.
Komitee
für Grundrechte und Demokratie
Berlin/Köln, den 6. April 2001. Castor März 2001 -
Die Kontinuität undemokratischer Politik und systematischen Missbrauchs der Polizei
Komitee für Grundrechte und Demokratie
I. Lüneburg - Dannenberg - Gorleben im März 2001 -
Zur
allgemeinen Illegalisierung demonstrativen Verhaltens kamen pauschale Verdächtigungen des immer erneut geschaffenen
"Subjekts" hinzu, das seit Jahrzehnten die hier allein phantasievolle offiziöse Bundesrepublik verunsichert:
die "Autonomen". Wer immer, oft aus Angst und Unsicherheit, zuweilen gemischt mit etwas Abenteuerlust,
zwischen 14 und 22 Jahren ein meist schwarzkariertes Schaltuch bis zur Nase hochzieht, ist schlimm vermummt und
riecht geradezu nach Gewalt. Er oder sie gehören damit auch automatisch der fast schon terroristischen Vereinigung
"die Autonomen" an, einer ebenso schemenhaften, wie projektionsmachtvollen, vor Gewalt strotzenden Organisation,
gegen die und deren Angehörige fast alle Mittel erlaubt sind.
Man
darf sie auch pauschal verdächtigen ... - alle wissen doch: "die Autonomen". Diese überall
und nirgends, wo demonstriert wird, anwesende machtumfassende Organisation müsste geradezu erfunden werden,
wenn es sie nicht als Konstrukt längst gäbe. Sonst kämen gar die Demonstrations- und Campverbieter
darauf, dass die Art einseitig und außeröffentlich getroffener regierungsamtlicher Entscheidungen, dass
die Art der Allgemeinverbote, dass die Art der Polizei missbrauchenden Politik und dann eine ihre Mittel ihrerseits
missbrauchenden Polizei, gewaltschattenmächtig erheblich, zuweilen exklusiv mit dran schuld sind, wenn Gewalt
geübt wird. Um den unverhältnismäßigen Verbots- und Polizeiaufwand zu rechtfertigen, werden
deshalb auch flugs Ordnungswidrigkeiten und gewaltfreie Sitzblockaden zu Gewaltakten aufgepumpt.
IV. Beobachtungssplitter aus dem polizeigewaltumstellten Demonstrationsgeschehen zwischen dem 26.3.
und dem 29.3. 2001
Eine
Woche hat die Polizei im Landkreis zwischen Lüneburg und Gorleben die Herrschaft übernommen. Mit übermächtiger
Präsenz versuchte sie, jedweden Protestausdruck zu kontrollieren und den Zusammenschluss von Bürgern
zu verhindern. Sie beherrschte die Region, verbot oder erlaubte ein Gutteil der Lebensäußerungen von
Bürgern und Bürgerinnen.
Erster Splitter:
Die Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg vom 10.3.2001, die verfassungsgerichtlich primär
aus formalen, dennoch unzureichenden Gründen bestätigt worden ist, schränkte das Grundrecht auf
Demonstrationsfreiheit in unzulässiger Weise und ohne ausreichenden Nachweis einer unmittelbaren Gefahr ein.
Insbesondere
die Versammlung von x-tausendmal-quer bei Wendisch-Evern hätte nicht von diesem Versammlungsverbot erfasst
werden dürfen. Bei konkreter, an Art. 8 GG orientierter Betrachtung der Gleisbesetzung vom 26.3.01 ist festzustellen,
dass kein Schaden zu befürchten war. Der vom Komitee beobachtete Ablauf der Demonstration vielmehr zeigte,
dass allenfalls Ordnungswidrigkeiten geschahen: Einmal ein Verstoß gegen die BahnbetriebsOrdnung (Ordnungswidrigkeit)
und zum andern ein Verstoß gegen das zuvor selbst geschaffene Demonstrationsverbot (§ 29 VersG). Letzteres
Verbot gewährte die Handhabe, um gegen die Demonstranten gemäß § 15 VersG per Auflösung
vorzugehen. Die Schiene wurde zur Tabu-Zone erklärt, die Spontandemonstration nicht noch einmal einer neuen
Prüfung unterzogen. Eine Abwägung mit Art. 8 GG fand nicht statt. Der Bußgeldtatbestand (!) des
§ 29 VersG wurde dazu benutzt, das Grundrecht des Art. 8 GG zu beschneiden. Die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten
wurde höhergestellt als die Grundrechte (Art. 5, 8 GG); Sicherheit und Ordnung wurden schwerer gewichtet als
das Grundgesetz.
Die
in diesem Zusammenhang bemühten Strafgesetze (§ 315 StGB und § 240 StGB) sind nicht einschlägig.
Die Schienenstrecke sollte ausschließlich und nur vom Castor-Zug befahren werden, der sich noch in Frankreich
/ Süddeutschland befand. Es konnte also niemand "genötigt" werden (§ 240). Ein konkret-gefährlicher
Eingriff in den Schienenverkehr schied aus. Hindernisse vorzubereiten ist allein noch nicht strafbar, sondern erst
die damit verbundene konkrete Gefährdung von Leib und Leben bzw. vergleichbar wichtiger Rechtsgüter.
Derartiges lag nicht vor.
Unverhältnismäßig
war es, dass die (friedfertigen) Demonstranten von Wendisch-Evern am 26.3.01 abends nicht nur per Zug nach Lüneburg
gebracht wurden, sondern sogar noch mit Bussen nach Soltau, Munster und Schneverdingen, wo sie gegen 23.30 / 24.00
Uhr ausgesetzt wurden. Die Entfernung der Orte von Lüneburg und die Zeit sprechen eindeutig gegen eine Verhältnismäßigkeit
der Maßnahme. Welche Gefahr wurde hier bekämpft? Die einer erneuten friedlichen Demonstration? Es handelte
sich um eine Freiheitsentziehung (Art. 104 Abs. 2 GG) und es könnte sich um eine Verletzung der körperlichen
Unversehrtheit handeln, wenn man bedenkt, dass diese Demonstranten bei Minustemperaturen in einer fremden Gegend
ausgesetzt wurden. Hinzu kommt, dass die betroffenen Menschen von der Polizei belogen worden sind: Vor der Räumung
der Blockade war den Demonstrierenden die "Ingewahrsamnahme" angekündigt worden. Menschen mitten
in der Nacht auszusetzen, hat damit nichts zu tun. Gedeckt durch das grundrechtlich nicht haltbare Gefahrenabwehrgesetz
setzte die Polizei auch die bei einer "Ingewahrsamnahme" noch vorhandenen Rechte außer Kraft: vor
allem das Recht, eine richterliche Überprüfung der Freiheitsberaubung zu verlangen.
Zweiter Splitter:
Das Versammlungsverbot wurde weitgehend als Betretungsverbot gehandhabt.
Jeder
Bürger stand ständig unter dem Verdacht (!) demonstrieren zu wollen und somit unter dem Verdacht der
Begehung eines Rechtsbruchs. Wo zwei oder mehr Bürger zusammenkamen, galt dies schon als unzulässige
Versammlung. Am Sonntag, den 25.3.2001, fuhr ein Traktor mit einer Gulaschkanone, begleitet von circa 20 Leuten
auf ein Feld in der Nähe von Splietau. Sie markierten ein Viereck mit gelbem Plastikband weitab von der Straße.
Sofort kamen Polizeikräfte, rannten über das Feld und umstellten die Gruppe. Der Einsatzleiter vor Ort
verlangte die sofortige Abfahrt. Die Demonstrierenden wiesen darauf hin, dass sie sich mit Genehmigung des Eigentümers
auf einem Privatgrundstück befänden. Die Polizei habe kein Recht, dies zu verbieten.
Der
Einsatzleiter bestand jedoch auf einer Räumung des Feldes. Die Polizei könne nichts zulassen, was als
Beginn eines Camps gelten könne. Inzwischen kreiste auch ein Hubschrauber über der Stelle, berittene
Polizei eilte hinzu. Ein älterer Mann bot an, dass die Gulaschkanone auf dem Hof eines Bauern aufgebaut werden
könne. Während der Konfliktmanager auch dazu erst die Zustimmung des Einsatzleiters einholen wollte,
verwiesen die anwesenden BürgerInnen darauf, dass sie keine polizeiliche Erlaubnis bräuchten, um von
einem Bauern zum Essen eingeladen zu werden.
Dritter Splitter:
Der Aufbau von Camps wurde weit über den räumlichen Bereich hinaus verboten, in dem per Allgemeinverfügung
jede Demonstration untersagt war. Am Freitag, dem 23. März 2001, wurde der Aufbau von Camps auf Privatgelände
bei Tollendorf und Govelin verboten. Die Camps wurden geräumt aus Resignation angesichts einer Übermacht
der Staatsgewalt. Letztere interpretierte das als freiwillige Räumung. Bei Schmessau und Köhling entstanden
daraufhin zwar neue Camps. Die standen unter der Drohung, geräumt zu werden, wenn sie zu groß würden.
Das Camp bei Nahrendorf wurde Montag abend, den 26.3.2001, geräumt. Auch bei Wendisch-Evern durfte lediglich
eine mehrtägige Mahnwache stattfinden, nichts aber aufgebaut werden, was einer "Campstruktur" gedient
hätte. Immer wieder wurden Autos und Personen daraufhin durchsucht, ob sie Materialien dabei hätten,
die dem Aufbau einer Campstruktur dienen könnten. Samstag abend, den 24.3.2001, begegneten BeobachterInnen
im sogenannten Kindercamp bei Hitzacker einem jungen Mann, der mit seinem PKW im Verlauf des Tages dreimal kontrolliert
worden war. Bei der letzten Kontrolle hatte er schließlich ein mehrtägiges Aufenthaltsverbot für
die gesamte Region erhalten. Er hatte Musik-CD`s bei sich, mit denen er zur Unterhaltung auf einem Camp beitragen
wollte - folglich hätte er zur Campstruktur beigetragen.
Vierter Splitter:
Immer wieder ging die Polizei in unverhältnismäßiger Weise gegen friedliche Bürger vor. Hervorzuheben
ist die Festnahme von Jochen Stay, dem Mitorganisator der explizit gewaltfreien Sitzblockade von X-tausendmal-quer.
Wegen der "Hartnäckigkeit", mit der er seit Jahren dieses Ziel verfolgt (vgl. Presseerklärung
von BGS und Polizei vom 26.3.2001) wurde er mit der Begründung, er sei der "Rädelsführer",
überfallartig während eines Gesprächs mit dem Einsatzleiter vor Ort von einem Sondereinsatzkommando
festgenommen. Bis zum Abschluß des Transportes, fast drei Tage, wurde er festgesetzt. Die Sitzblockaden fanden
trotzdem statt.
Die
Sitzblockade bei Wendisch-Evern am Montag, 26.3.01, an der fast 600 Personen beteiligt waren, wurde mit zum Teil
körperverletzenden Eingriffen geräumt. Während die niedersächsischen Einheiten generell die
Menschen vom Blockadeort wegtrugen, wandten die gleichzeitig eingesetzten Leipziger Polizeibeamten personenverletzende
Griffe an. Unter anderem durch ins-Gesicht-drücken, die-Nase-hochdrücken, an-den-Haaren-ziehen, Hand-umknicken,
Leute-auf-den-Boden-drücken.
Am
Dienstag, dem 27.3.2001, wurde eine Sitzblockade bei Wendisch-Evern von einer sächsischen Polizeieinheit mit
Hilfe eines brutalen Schlagstockeinsatzes geräumt. Zuvor war nicht dazu aufgefordert worden, die Schienen
zu räumen - wie vom NGefAG vorgesehen. Auch das eingesetzte Zwangsmittel, also der Schlagstock, ist vorher
nicht angekündigt worden. Sieben Demonstranten erlitten dadurch Platzwunden. Ein schwer Verletzter mußte
von Sanitätern mit Gehirnerschütterung ins Krankenhaus abtransportiert werden.
Fünfter Splitter:
Versammlungen, die polizeilich unter Auflagen "genehmigt" worden waren, wurden unverhältnismäßig
unter Druck gesetzt. So verlangte die Polizei von jedem Treckerfahrer bei der Stunkparade der bäuerlichen
Notgemeinschaft eine schriftliche Erklärung, dass er die genehmigte Stecke nicht verläßt, keine
unerlaubten Aktionen vornimmt und ohne Aufenhalte bis zum Endpunkt fährt. Susanne Kamin von der Bäuerlichen
Notgemeinschaft mußte als Organisatorin eine gesonderte Erklärung über die "ordnungsgemäße"
Abwicklung und pünktliche Beendigung um 17.00 Uhr unterschreiben.
Sechster Splitter:
Bei der Auflösung der Versammlung auf der Esso-Wiese in Dannenberg am Mittwochabend, 28.3.2001, wurde das
Versammlungsrecht ausgehebelt. Die Begründung hierfür - Gewalt seitens der Demonstrierenden - greift
nicht. Die Polizeiaktion richtete sich eindeutig gegen sich friedlich verhaltende Demonstrierende auf der Wiese.
Diese wurden dadurch für das nicht erwiesene Verhalten Dritter bestraft.
Siebter Splitter:
Ohne Augenmaß wurde Polizei gegen spontane Versammlungen in der Nähe der Straßentransportstrecke
lange vor Beginn des Straßentransportes eingesetzt. Dienstag nachmittag ab 17.00 Uhr wollten - dies war öffentlich
angekündigt - Demonstrierende mit Sand gefüllte Säcke auf einem Bauernhof in Splietau abholen. Die
Traktoren, die kamen, um die auf Anhängern lagernden Säcke zur Esso-Wiese zu transportieren, wurden von
der Polizei angehalten und blockierten dadurch die Straße. Andere Demonstrierende holten währenddessen
zu Fuß Säcke ab und legten sie auf der Straße nach Splietau ab. Stroh kam hinzu. Demonstrierende
ließen sich auf der Straße nieder. Wenige weitere Traktoren fuhren über ein Feld hinzu und wurden
sofort von der Polizei umstellt. Die Polizei fuhr von allen Seiten mit Dutzenden von Mannschaftswagen heran. Zwei
Wasserwerfer wurden in Position gebracht. Schließlich wurde der Abtransport der Sandsäcke mit den Traktoren
"genehmigt". Die querstehenden Traktoren wurden freiwillig zurückgestellt. Nur die auf der Straße
Stehenden und Sitzenden mochten nicht freiwillig-gezwungen weichen. Nachdem die Trecker mit den Sandsack-Anhängern
an der Seite vorbeigefahren waren, wurde die Versammlung aufgelöst und die Anwendung von 1) einfacher körperlicher
Gewalt, 2) von Wasserwerfern, 3) von Schlagstockeinsatz in dieser Reihenfolge angedroht. Während die Polizeikette
vordrang, wichen die Demonstrierenden auf das Feld zurück.
Auch
Dienstag abend wurde der Spontandemonstration in "sicherer" Ferne vom Verladekran mit nicht begründbarer
Härte begegnet. Obwohl der überwiegende Teil der Demonstrierenden sich friedlich verhielt und nur dorthin
zog, wo der Transportzug zu erwarten war, wurden gegen die Demonstrierenden Wasserwerfer eingesetzt. Ein Teil dieser
Versammlung wurde später eingekesselt. Von wenigen Demonstrierenden sind Leuchtraketen in die Luft geschossen
worden, auch Gegenstände waren in Richtung Polizei geflogen. Auf der Wiese hinter dem Wall und südlich
auf der Straße nach Nebenstedt kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrierenden. Mit
Schlagstock ging die Polizei gegen diese Gruppe vor, dann flogen auch Feuerwerkskörper und andere Gegenstände
in Richtung Polizei. Die Wasserwerfer wurden zunächst gegen diesen Teil der Versammlung eingesetzt, dann aber
auch gegen diejenigen, die auf dem Wall standen. Auf der Straße wurde daraufhin ein Teil der Versammelten
eingekesselt.
Achter Splitter:
Polizeiliche Maßnahmen sind zuweilen willkürlich unberechenbar. Sie werden mit "erfundenen"
Taten und Zusammenhängen begründet.
Zu
den drastischsten Vorkommnissen zählt die Behauptung von Säureangriffen gegen die Polizei.
Pünktlich
kurz vor den Nachrichten am Abend des 27.3.2001 wurden Polizeibeamte per Lautsprecher in der Umgebung der Pressewagen
vor möglichen Essigsäureangriffen gewarnt. Die Nachricht konnte nicht mehr überprüft werden
und ging durch alle Medien. Später wurde diese Vermutung mit einem erhöhten Verkauf von Essigsäure
im Kreis Lüchow-Dannenberg begründet.
Ein
Klärwerk hatte wohl tatsächlich aufgrund eines Bakterienproblems größeren Bedarf. Verletzte
Polizeibeamte gab es nicht. Das Gerücht hielt sich aber einige Zeit.
Eine
Gruppe zumeist Jugendlicher brach Dienstag vormittag vom Camp bei Nahrendorf auf, um sich an der angemeldeten und
bestätigten Mahnwache an einer Straßenkreuzung zu beteiligen. Auf diesem Weg hätten sie die Bahnlinie
kreuzen müssen. Bevor sie dorthin kommen konnten, wurden sie gegen 11.30 Uhr von der Polizei gestoppt und
eingekesselt. Einzeln wurden sie aus dem Kessel geführt und in einen Gefangenenbus gebracht. Gegen 17.25 Uhr
war die bürokratisch euphemistisch genannte "Ingewahrsamnahme" abgeschlossen. Alle wurden in die
GESA in Neu Tramm gebracht. Was ihnen vorgeworfen wurde, war im einzelnen nicht zu erfahren. Der fassbarste Vorwurf
bestand darin, einzelne in dieser Gruppe seien "vermummt" gewesen (wohlgemerkt: die Polizeileute sind
dies, selbst wenn ihre Gesichter zu sehen sind, durchgehend) . "Erfunden" wurde, dass sie die Gleise,
die sie noch gar nicht erreicht hatten, beschädigt hätten, oder dass sie sich auf der Straße hingesetzt
hätten. Interessant ist der Vorwurf, dass die Demonstrierenden, da sie zu mehreren auf dem Weg zu der genehmigten
Mahnwache waren, gegen die Allgemeinverfügung verstoßen hätten. So schafft man Ordnungswidrigkeiten
und Möglichkeiten zum polizeilichen Eingreifen.
Am
Montag wurden südwestlich von Leitstade kurz nach 13.00 Uhr fünf junge Leute aus dem Wald getrieben,
kontrolliert, fotografiert, abgetastet, ihre Sachen durchsucht. Der Einsatzleiter erklärte den Jugendlichen,
dass sie in Gewahrsam genommen würden, weil an diesem Waldstück die Strecke beschädigt worden sei.
Da sie Kartenausschnitte dieses Gebietes dabei hätten, planten sie möglicherweise auch Angriffe auf die
Schienen. Vorbeugend würden sie in Gewahrsam genommen.
Dienstags
wurde gegen 11.30 Uhr eine Gruppe von 22 jungen Leuten bei Leitstade, ca 250 m von den Schienen entfernt, eingekesselt
und dann "in Gewahrsam genommen". Der BGS-Einsatzleiter vor Ort erklärte, sie hätten zwar nichts
gemacht, aber er müßte sie mitnehmen, um festzustellen, ob gegen sie Platzverweise bestehen.
Grüne Chaostage in Dortmund
Polizei nimmt weit über 500 Menschen
zum Teil Grundlos und zur "Gefahrenabwehr" fest
Am Wochenende nahm die Polizei in Dortmund
weit über 500 Personen fest, da sie potentielle Teilnehmer der Chaostage seien. Begründung: "Da
Sie aufgrund ihrer äußeren Erscheinung im Verdacht stehen einer Gruppierung zugehören die möglicherweise
Straftaten begehen wird, werden Sie vorübergehend in Gewahrsam genommen." So wurden vermeintliche Punks
am Bahnhof, gerade aus dem Zug ausgestiegen, direkt in einen Bereitstehenden Polizeikessel gebracht. Kurz darauf
in Bereitstehende Busse und Wannen verladen und zum Präsidium gebracht. Dort herschten die eigentlichen Chaostage.
Zum Teil mussten die Punks 3 Std. und mehr zu 2 und gefesselt in 1,5qm grossen Zellen in den Bussen verbringen.
Ohne zugang zu Toiletten o.ä., so dass viele in ihre Zellen urinieren mussten. Und dafür anschließend
schikaniert wurden.
Aufgrund der Masse an Festnahmen mussten die Punks zum Teil gefesselt stundenlang vor dem Polizeigebäude verbringen,
später wurden Sie in andere Städte gebracht. 2 Haftrichter kümmerten sich um 500 Inhaftierte die
z.T. bis Sonntagabend festgehalten wurden. Essen gab es erst 20 Stunden nach der Festnahme. Ernsthafte Begründungen
für diese Maßnahmen gibt es nicht, nur dass die Punks untereinander "Dosenschlachten" begonnen
hätten und "stark alkoholisiert" waren.
ich bin einer von denen die auf der wiese
vor der unionsbrauerei eingekesselt wurde. es fing schon echt toll an,als wir in dortmund ankamen,überall
bullen,vor dem bahnhof wurden gerade einige punx verhaftet.wir bekamen dann ne eskorte von 10 kleinen schweinchen
bis zur wiese (den namen habe ich leider vergessen),die war natürlich schon komplett umstellt,mit knüppelgarde,autos
(auch diese tollen transporter mit den gemütlichen zellen) und reitern.am späten nachmittag wurde dann
bekannt gegeben, daß jeder,der den kessel verlassen will,dieses auch tun kann,natürlich wurden dabei
gleich die personalien überprüft und rucksäcke und kleidung durchsucht,also sind die meisten da
geblieben. etwas später gab es dann in der stadt wohl ein bisschen ärger,von dem wir außer das
die bullen etwas nervös und hektisch wurden,zunächst nichts mitbekamen (wie auch). am abend wurde uns
dann vom einsatzleiter mitgeteilt,daß wir von den ordnungshütern zu dem konzert begleitet werden,wo
noch mehr punx sein sollten,es sei aber aus sicherheitsgründen (oder so) nicht möglich,daß wir
zu fuß dahin gebracht werden,also wurde ein großer bus angefordert,in den wir alle (mehr oder weniger
freiwillig) einstiegen. der bus fuhr auch zu den anderen nur da war kein konzert,sondern die gefangenensammelstelle.da
wir uns ziemlich verarscht vorkamen ging natürlich im bus einiges zu bruch.nach dem üblichen erkennungsdienstlichem
quitschi-quatsch (foto,personalien aufnehmen,durchsuchung,u.s.w.),wurden uns dann handfesseln (kabelbinder) angelegt.so
gefesselt sollten wir dann warten,bis wir weggefahren werden,das kann ja wohl keiner so lange aushalten,also haben
wir uns aus den recht ungemütlichen dingern befreit :-) . irgendwann am morgen (ca.3 uhr) wurden dann alle
"alphabetisch" (A,B,D,G,C???,ist wohl polizei-alphabet)aufgerufen und in busse und wannen verladen (natürlich
wieder gefesselt,hände auf dem rücken)und in die umliegenden gefängnisse gefahren (bochum,essen,wuppertal,...).der
bus in dem ich saß fuhr nach essen,so gegen 4 uhr kamen wir da an,wurden wieder "alphabetisch"
aufgerufen und in die sammelzellen geführt.auf meiner,nicht gerade großen zelle,waren 32(!!!)leute,das
bedeutet schon mal kaum platz zum schlafen.in der zelle war auch keine toilette und man mußte teilweise 2
stunden warten bis jemand auf das klingeln geantwortet hat.zum frühstück,das uns um 7 uhr angekündigt
wurde (kommt SOFORT),aber erst um 12 uhr kam,gab es (wie in nem schlechten film 3) scheiben brot und wasser.um
12 uhr hatte dann auch der richter entschieden,daß wir entlassen werden sollten,trotzdem dauerte es noch
bis ca.17:30 uhr bis die letzten (ich auch) draussen waren. ich war also ca. 23 stunden im knast,nur weil ich auf
ner wiese saß????(bei den "ausschreitungen" in der innenstadt konnte ja keiner der auf der wiese
saß teilnehmen,weil wir ja gar nicht da wegkamen,also wofür wurden wir eingeknastet???)-hätte ich
gewußt,daß ich so lange im knast lande für gar nix ,hätte ich nen bullen verprügelt
oder so,das wäre aufs gleiche rausgekommen!!!!!
Ahaus, den 17.1.01
Pressemitteilung:
Die massenhaften polizeilichen Ingewahrsamnahmen anläßlich des letzten Castor-Transports nach Ahaus waren rechtswidrig.
Dies geht aus einem Beschluss des Amtsgerichts Ahaus vom 12. Januar 2001 hervor, den die Bürgerinitiative "Kein Atommüll nach Ahaus" heute auf einer Pressekonferenz vorstellte. Fast 3 Jahre nach dem Transport gibt es damit zum ersten Mal eine gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren gegen den Polizeieinsatz.
Bei dem vorliegenden Fall ging es um eine junge Frau, die in der Nacht vor dem Transport festgenommen und nach Münster in eine Gefangenensammelstelle gebracht worden war. Dort wurde sie bis 0.20 Uhr am Tag nach dem Castor-Transport, also rund 22 Stunden festgehalten. In der Entscheidung des AG Ahaus heißt es, dass die Ingewahrsamnahme spätestens ab 10.00 Uhr morgens am Tag des Transports rechtswidrig wer, da die Polizei es versäumt habe, die gesetzlich zwingend vorgeschriebene richterliche Entscheidung einzuholen. Dies sei geschehen, obwohl 4 Tage vor dem Transport ausdrücklich eine Belehrung der Polizei durch die zuständigen Richter darüber stattgefunden habe, dass eine solche Entscheidung in jedem Einzelfall eingeholt werden müsse. Auch sei der Polizei bekannt gewesen , dass das AG Ahaus morgens ab 7.30 besetzt war. Auch rügt das Gericht die Verbringung der Gefangenen nach Münster, da dies einen unzulässigen und unverhältnismäßigen Eingriff in die persönliche Freiheit und das Demonstrationsrecht der Antragstellerin darstelle. Rein polizeitaktische Überlegungen könnten und dürften nicht dazu führen, Freiheits- und Demonstrationsrechte in so unverhältnismäßiger Weise zu beschneiden. Die Gefangenensammelstellen hätten in Ahaus oder der unmittelbaren Umgebung eingerichtet werden müssen. Völliges Unverständnis äußert das Gericht auch darüber, dass die Ingewahrsamnahme nicht einmal mit dem Abschluss des Castor-Transports um 21.17 abends beendet worden sei.
Obwohl es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, ist der Beschluss auf alle anderen Fälle anwendbar: Nach Angaben des NRW-Innenministeriums wurden seinerzeit insgesamt 627 Personen in Gewahrsam genommen. Nur in 20 Fällen in Coesfeld wurden richterliche Entscheidungen eingeholt, die allesamt zur sofortigen Freilassung führten. In allen anderen Fällen waren die Ingewahrsamnahmen somit rechtswidrig und verstießen massiv gegen Grundrechte der Betroffenen. Darüber hinaus wurde ihnen verwehrt, sich selbst an die zuständigen Richter zu wenden - ebenfalls ein Verstoß gegen geltendes Recht und zudem gegen ein Grundprinzip des Rechtsstaates.
Der Hamburger Physik-Dozent und
Atomkraftgegner Dr. Fritz Storim ist erneut ins Visier der Bundesanwaltschaft (BAW) geraten. Gestern früh
durchsuchten BAW-Anwälte und Staatsschützer des Bundeskriminalamtes Storims Wohnungen in St. Pauli und
Bremen sowie seine Diensträume an der Bremer Universität. Zeitgleich wurden auch zehn Wohnungen im Wendland
sowie in Berlin gefilzt. Der Vorwurf gegen Storim lautet auf "Rädelsführerschaft" und "Mitgliedschaft
in einer terroristischen Vereinigung" (Paragraph 129a Strafgesetzbuch).
Das rechtliche Konstrukt ist simpel:
Am 7. Oktober 1996 hatten Atomkraftgegner wegen eines geplanten Castor-Transports nach Gorleben an mehreren Orten
mit Hakenkrallen Anschläge auf Oberleitungen der Bundesbahn verübt. Da es nach den Anschlägen Presseerklärungen
und ein "Kommunique Autonomer Gruppen" gab, geht die BAW davon aus, daß die Anschläge "koordiniert"
durchgeführt wurden.Nach Staatsschutz-Logik müßten die "Autonomen Gruppen" sich in einer
Vereinigung zusammengeschlossen haben, und eine Vereinigung braucht eine Führung. Und da Fritz Storim unzweifelhaft
zu den Vordenkern der autonomen Anti-Atom-Bewegung gehört und zu vielen Initiativen Kontakt hat, könnte
er laut BAW zu diesen "Führungskadern" gehören. BAW-Sprecherin Eva Schöbel wollte sich
zu diesem Konstrukt gegenüber der taz hamburg
nicht näher äußern: "Dazu gebe ich keine Auskunft."
Die gestrige mehrstündige
Aktion galt laut Durchsuchungsbefehl dem "Auffinden von Beweismaterial" und "Hakenkrallen oder Werkzeugen".
Storim selbst mußte zur erkennungsdienstlichen Behandlung auf das Polizeipräsidium. "Sie haben
Papiere, Disketten und die Festplatten mitgenommen", teilte Storim am Nachmittag mit.
Es ist bereits das dritte Mal,
daß der Physiker und Atomkraftgegner ins Visier des Fahndungsapparats geraten ist. Im Januar 1991 war Storim
vom Hanseatischen Oberlandesgericht wegen "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung" zu einem
Jahr Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Damals hatte der Staatsschutzsenat ihn für schuldig befunden,
an der Herstellung der Zeitung Sabot
- Hamburger Infosammlung
beteiligt gewesen zu sein. Diese hatte unter anderem zwei Redebeiträge von Hafenstraßen-Bewohnern dokumentiert,
in denen die Autoren ihr Verhältnis zu den RAF-Gefangenen definiert hatten. Für das Gericht war dies
Werbung für die RAF.Einen ersten Versuch der Kriminalisierung hatte 1990 die Itzehoer Staatsanwaltschaft unternommen.
Da Storim in den 80er Jahren zu den Repräsentanten des Widerstands gegen das Atomkraftwerk Brokdorf zählte,
wollte sie ihm eine Tatbeteiligung an einem Sprengstoffanschlag auf einen Strommast im Jahr 1984 anhängen.
Dabei war ein spezieller Zündzeitverzögerer benutzt worden, und als Physiker hätte Storim über
die entsprechenden Fachkenntnisse verfügt. Das Verfahren wurde "mangels Tatverdacht" eingestellt.
taz Hamburg Nr. 5879 vom 7.7.1999
Kriminalisierung
Wo aus harmlosen Protest handfester Widerstand wird, lässt der Staat meist nicht lange auf sich warten. Zahlreiche Organe der Polizei und der Nachrichtendienste, vor allem des Verfassungsschutz, sind damit beschäftigt, Informationen zu gewinnen und gegebenen falls mit Strafverfolgung zu zuschlagen.
Dies erfüllt verschiedene Zwecke:
1. Die Schwächung oder Zerschlagung von handlungsfähigen Strukturen im Widerstand
2. Spaltung und Entsolidarisierung zwischen "friedlichem Protest" und "gewalttätigen Widerstand"
3. Verunsicherung und Einschüchterung, um Menschen vom Widerstand abzuhalten
Sehr viel Umfangreicher und Aufwendiger als die Strafverfolgung ist die Erkenntnisgewinnung. Mit jedem technischen Aufwand, mit eingeschleusten oder angeworbenen Spitzeln und mit allen zur Verfügung stehenden Methoden arbeitet vor allem der Verfassungsschutz, um jeden politischen Widerstand auszuspionieren. Hier gelten weder Post- noch Telefongeheimnis noch die Vertraulichkeit der gesprochenen Wortes. Nichts ist unwichtig und niemand vor den Schnüffeleien sicher. Selbst wer nur zufällig mit Personen in Berührung kommt, die der Verfassungsschutz überwacht, kann schnell selbst zur "Zielperson" werden. Gott sei dank gibt es aus den Lehren des Faschismus und der allmächtigen GeStaPo noch eine einigermaßen funktionierende Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten. Das bedeutet, dass der Verfassungsschutz nicht einfach mit seinen gewonnenen Erkenntnissen zum Staatsanwalt oder Richter gehen kann, um eine Strafverfahren anzuzetteln. Aber auch hier gibt es zwischen "kleinem Dienstweg" und großem Amtshilfeersuchen viele Möglichkeiten, diese Trennung zu umgehen. Und wenn demnächst Europol auf Deutschlands Straßen aktiv wird, entfällt sowohl die Gewaltenteilung, noch jede dienstliche oder demokratische Kontrolle,
Ganz anders bei der Polizei. Sie ist für die Strafverfolgung zuständig aber daran gehalten, Beweise mit einigermaßen legalen Mitteln beizubringen. Das bedeutet, dass Telefon nicht einfach abgehört, Wohnungen nicht einfach verwanzt werden dürfen, sondern vorher ein Richter zustimmen muss. Aber das tut der Richter ohnehin fast immer. Wer hätte schon gewusst, dass es in Westdeutschland an jedem Polizeipräsidium eine Abteilung der politischen Polizei gibt, also so etwas wie eine West-Stasi?
Bei der Kriminalisierung gibt es verschiedene Bereiche
Zum einen sind da die typischen Demo-Delikte: Landfriedensbruch, Widerstand, Sachbeschädigung, Körperverletzung usw. Dann die s.g. "Propaganda-Delikte" wie Verstoß gegen das Pressegesetz, Aufruf zu Straftaten usw.. Ganz Haarig wird es beim praktischen Widerstand. Da geht es um Sachen wie Eingriff in den Schienenverkehr, Sachbeschädigung usw. Aber immer wieder gern wird aus irgendwelchen Zusammenhängen, denen eine Beteiligung an solchen Taten zur Last gelegt wird, eine "terroristische Vereinigung" konstruiert, und das öffnet Tür und Tor. Eigens dafür wurde der § 129 a gemacht. Ein s.g. Ermittlungsparagraph, der gern unterstellt wird, zwar nur in ganz wenigen Fällen zu einer Verurteilung führt, aber erst einmal alle Bürgerrechte außer Kraft setzt. Telefon- und Postgeheimnis sind beispielsweise nichts mehr wert, wenn jemand in den Verdacht gerät, irgend etwas mit einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung zu tun zu haben
Da werden Leute auch schon mal für ein halbes Jahr in U-Haft gesteckt, zuerst unter Isolation, weil ihnen vorgeworfen wird, an einer Zeitung mitgewirkt zu haben (??). So geschehen im Fall der Zeitung >radikal<. Der Vorwurf: Da die Zeitung ohne gültiges Impressum und unter der Hand hergestellt und vertrieben wird, ist sie illegal. Eine Vereinigung von Leuten, die das Ziel hat eine solche kriminelle Untat zu begehen, ist eine kriminelle Vereinigung. Fertig ist das Verfahren nach § 129 a. Zwar wurden alle Verfahren wegen der >radikal< wieder fallengelassen, aber die Leute saßen erst einmal ein. Mit Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen, Einschüchterungen und allem was dazu gehört. Innenminister Kanthers Kommentar: "Das war ein Warnschuss gegen die Linke!"