Christian Leye beim GEGENSTROM JAM am 09.05.03:
"Der Krieg ist eben nicht gerade vorbei"


Der Irakkrieg scheint vorbei zu sein und durch den Krieg scheinen sich die Lager klar abgezeichnet zu haben: Auf der einen Seite die USA, die ohne Rücksicht auf den Rest der Welt, auf Völkerrecht oder Massendemonstrationen Krieg führen. Auf der anderen Seite Europa, oder besser das alte Europa, dessen Regierungen den Krieg ablehnen. Schön, dass wir alle gegen den Krieg sind, schön, dass wir demonstrieren gegangen sind, und gut, dass der Irakkrieg vorbei ist.
Leute, leider sehen die Entwicklungen in der Welt anders aus. Die Zeichen stehen auf Krieg, und deshalb auch diese Veranstaltung. Seit dem elften September wird auf der ganzen Welt Gewalt und Krieg von Regierungen mit der Terrorbekämpfung gerechtfertigt. Und es ist ja einfach, damit alles zu rechtfertigen: die Bevölkerung weiß nichts oder wenig über Terrororganisationen. Die Terror-Bedrohung ist unsichtbar und allgegenwärtig. Krieg wird zum Normal- und Dauerzustand in der Internationalen Politik, und zwar durch den Anti-Terror-Feldzug. Aber es geht nicht um Terrorbekämpfung. Wie wir am Irak deutlich sehen konnten: Kriege werden für Rohstoffe und Macht geführt, dafür töten sie die Menschen.
Und hier kommt Europa und auch Deutschland ins Spiel: Auch Europa ist an Rohstoffen wie Öl, ist an Verträgen zum Wiederaufbau interessiert. Wenn die USA also durch den sogenannten Anti-Terror Krieg ihre eigenen Interessen durchsetzen, dann geht die wirtschaftliche Konkurrenz Europa leer aus. Und wenn dieser Verteilungskampf mit Krieg geführt wird, dann gibt es nur eine logische Konsequenz: Europa muss seine eigenen Kriege führen. Und genau das wird gerade vorbereitet, Europa rüstet auf, Deutschland rüstet auf. Ja genau, unsere friedliebende Regierung aus Grünen und Sozialdemokraten bastelt gerade an der Armee, und das ist so wichtig, dass sie dabei sogar die Verfassung mit Füssen treten wollen.
Am 25. April veröffentlichte die ZEIT ein Papier unseres Verteidigungsministeriums, in dem stand, was so für die Zukunft geplant ist:
Zuerst mal soll die Bundeswehr nicht mehr für die Landesverteidigung zuständig sein, dafür gibt es inzwischen keinen Grund mehr. Laut Verfassung ist aber genau das die Aufgabe der Bundeswehr, man darf sich da nicht mal einfach neue Aufgaben ausdenken, das ist illegal.
Erster geplanter Verfassungsbruch.
Wenn die Bundeswehr also nicht das Land verteidigen soll, was macht sie dann?
Die Bundeswehr soll angreifen. Als nächstes taucht in den Papieren die Idee des Präventivkrieges auf. Präventivkrieg heißt Angriffskrieg, und das istdas gleiche Verbrechen, welches die USA im Irak begangen haben. Künftige Einsätze lassen sich „weder geographisch noch in ihrer Intensität festlegen". Klartext: Die Bundesregierung will sich noch nicht festlegen, wo auf der Welt angegriffen wird und wie heftig der Angriff sein wird.
Zweiter geplanter Verfassungsbruch.
Und jetzt ratet mal, was der Grund für diese Kriegsvorbereitungen sein soll: genau, Anti-Terror-Maßnahmen Wir übergehen jetzt mal den dritten geplanten Verfassungsbruch und kommen zu der Frage: Was hat das mit uns zu tun?
Es ist ganz einfach: der nächste Krieg kommt bestimmt. Wie wir gerade gehört haben bereitet Deutschland sich darauf vor. Und die Frage ist, was wir dann tun werden. Wenn der nächste Krieg im Interesse von Deutschland stattfindet, werden die Schulen keine Busse organisieren, damit die Schüler auf Friedensdemos fahren. Kein Schröder und kein Fischer werden uns dann erklären, dass dieser Krieg falsch ist.
Zeitungen und Fernsehen werden uns dann erzählen, warum dieser Krieg dringend sein muss. Sie werden vielleicht von Demokratie reden, vielleicht von Massenvernichtungswaffen und ziemlich sicher von Terrorbekämpfung. Es ist zu befürchten, dass die Masse der Bevölkerung dann wieder blind und taub ist, wenn Menschen für unsere Interessen getötet werden. Wenn wir durch den Irakkrieg nicht gelernt haben, dass es an uns ist, Widerstand zu leisten, wenn Staaten morden, dann haben wir nichts gelernt.
Wenn man sich überlegt, wie Deutschland und Europa aufrüsten, wenn man sich überlegt, wie ein Dauerkriegszustand durch die Anti-Terror-Bekämpfung normal wird, wenn man sich überlegt, dass Bush angekündigt hat, er will zehn Jahre lang Krieg machen und dass er eine Liste mit 60 Ländern hat, in denen Terroristen unterwegs sind, wenn man sich das überlegt, dann ist klar, dass der Krieg eben nicht gerade vorbei ist, sondern das es ziemlich sicher noch schlimmer wird.
Deswegen müssen wir einen klaren Standpunkt haben, was Krieg, was Mord und Totschlag angeht. Wir werden es sein müssen, die demonstrieren, wir werden es sein müssen, die den Widerstand organisieren, wir werden es sein müssen, die ihren Lügen widersprechen. Wenn wir den Wert des Lebens vergessen, wird keiner da sein, die Mächtigen der Welt daran zu erinnern.