Manuskript 23-02.05:
Einleitung Reinhart Kößler:
Die fundamentale Bedrohung der Menschenrechte
World Report 2005 der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch vom 13. Januar 2005

nachfolgend Auszüge aus dem Report:
1. RednerIn
Wenn eine so einflussreiche und entscheidende Regierung wie die der Vereinigten Staaten sich offen über das Recht hinwegsetzt und diese Missachtung zu rechtfertigen sucht, untergräbt sie zugleich das Recht selbst und lädt andere dazu ein, ebenso zu handeln. Der bewusste und fortgesetzte Rückgriff der US-Regierung auf Vernehmungen unter Anwendung von Zwang („coercive interrogation") – ihre Billigung wie ihr Einsatz von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung – hatte genau diesen tückischen Effekt, der weit über das hinausgeht, was ein gewöhnlicher Rechtsbrecher anrichtet. Dieses ungesetzliche Verhalten hat zudem Washingtons dringend benötigte Glaubwürdigkeit als Verfechter der Menschenrechte und Führer des Feldzuges gegen den Terrorismus untergraben. Da wir anscheinend inmitten einer Epidemie von Selbstmordattentaten, Enthauptungen und anderen Angriffen auf Zivilisten und Nichtkombattanten – alles Verstöße gegen die elementarsten Werte der Menschenrechte – stecken, wird Washingtons geschwächte moralische Autorität besonders spürbar.

2. RednerIn:
Die Misshandlungen in Abu Ghraib sind nicht spontan auf der untersten Ebene der militärischen Befehlskette aufgetreten. Sie waren kein bloßes Versagen des „Managements", wie der Schlesinger-Bericht nahe legt. Sie waren das direkte Produkt eines Milieus der Gesetzlosigkeit, eines Klimas, das durch politische Entscheidungen der Bush-Regierung auf höchster Ebene geschaffen wurde, lange bevor der Irakkrieg begann.

3. RednerIn:
Der Entschluss der US-Regierung, den Terrorismus unbehindert durch Grundprinzipien der internationalen Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu bekämpfen bedeutet gleichzeitig die Entscheidung, die Genfer Konventionen nicht auf die Häftlinge in US-Haft in Guantánamo anzuwenden, obwohl die Genfer Konventionen für alle im afghanischen Kampfgebiet aufgegriffenen Personen gelten. Hohe Beamte Bushs beteuerten, alle Häftlinge würden „menschenwürdig" behandelt, aber dieses Versprechen scheint niemals ernsthaft umgesetzt worden zu sein – zeitweilig ganz bewusst als Ausnahme wegen „militärischer Notwendigkeit". Gleichzeitig gab die faktische Außerkraftsetzung der Genfer Konventionen den US-Verhörspezialisten das Signal, nun „die Samthandschuhe auszuziehen", wie es ein führender Vertreter der Terrorabwehr formulierte.

Chor: Abu Ghraib, Guantanamo
Qualen, Tod und Sodom
ooooooooh
Für Freiheit, Öl, Demokratie
fürs göttlich Gute foltern sie
fürs göttlich Gute morden sie


4. RednerIn
Der Entschluss der US-Regierung, den Terrorismus unbehindert durch Grundprinzipien der internationalen Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu bekämpfen bedeutet gleichzeitig die Entscheidung, fast zwei Jahre lang nicht klarzustellen, dass alle Gefangenen in USHaft – unabhängig von der Anwendbarkeit der Genfer Konventionen – unter dem Schutz der parallelen Vorschriften der Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe standen.

1. RednerIn::
Der Entschluss der US-Regierung, den Terrorismus unbehindert durch Grundprinzipien der internationalen Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu bekämpfen bedeutet gleichzeitig die Entscheidung, das Verbot von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung sehr restriktiv auszulegen, damit bestimmte Formen von Vernehmung unter Anwendung von Zwang gestattet blieben, d. h. bestimmte Maßnahmen zur Steigerung von Schmerzen, Leiden und Erniedrigung eines Verdächtigen, um ihn zum Sprechen zu bringen.

2. RednerIn:
Der Entschluss der US-Regierung, den Terrorismus unbehindert durch Grundprinzipien der internationalen Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu bekämpfen bedeutet gleichzeitig die Entscheidung, einige Verdächtige – elf bekannte und wahrscheinlich viele mehr – in inoffizieller Isolationshaft zu halten, außerhalb des Zugriffs selbst des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Opfer eines solchen „Verschwindens" sind dem größten Risiko von Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt. Zum Beispiel betreiben die US-Streitkräfte weiterhin isolierte Haftlager in Afghanistan, in denen laut Berichten noch immer Prügel, Drohungen und sexuelle Erniedrigung praktiziert werden. Seit Ende 2001 starben in Afghanistan sechs von US-Kräften festgenommene Personen in der Haft, die letzte noch im September 2004.

3. RednerIn
Der Entschluss der US-Regierung, den Terrorismus unbehindert durch Grundprinzipien der internationalen Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu bekämpfen bedeutet gleichzeitig die Genehmigung von Verhörmethoden in Guantánamo durch Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, welche zumindest das Verbot der grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung, möglicherweise auch das Folterverbot, verletzen. Zu diesen Techniken gehört es, Häftlinge in schmerzhaften Stellungen fest zu halten, ihnen Kapuzen überzuziehen, sie zu entkleiden und mit Wachhunden zu verängstigen.

Chor: Abu Ghraib, Guantanamo
Qualen, Tod und Sodom
ooooooooh
Für Freiheit, Öl, Demokratie
fürs göttlich Gute foltern sie
fürs göttlich Gute morden sie


4. RednerIn
Der Entschluss der US-Regierung, den Terrorismus unbehindert durch Grundprinzipien der internationalen Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu bekämpfen bedeutet gleichzeitig Berichten zufolge die Genehmigung durch einen unbekannten hohen Beamten der Bush-Regierung, das „Wasser-Tauchen" („water boarding") anzuwenden, das in Lateinamerika als das „U-Boot" bekannt ist – eine Foltertechnik, in der das Opfer glauben gemacht wird, es werde ertrinken, was manchmal tatsächlich geschieht.

1. RednerIn
Der Entschluss der US-Regierung, den Terrorismus unbehindert durch Grundprinzipien der internationalen Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu bekämpfen bedeutet gleichzeitig die (aus den frühesten Tagen der Bush-Regierung übernommene) Entscheidung, sich dem Internationalen Strafgerichtshof entgegenzustellen und diesen zu untergraben – zum Teil aus Angst, dass er die Vereinigten Staaten zwingen könnte, eigenes Personal, das in Kriegsverbrechen oder vergleichbare Delikte verwickelt ist, strafrechtlich zu verfolgen, welche die Regierung aber lieber ignorieren würde.

2. RednerIn
Diese politischen Entscheidungen, die nicht von untergeordneten Soldaten, sondern von hohen Beamten der Bush-Regierung getroffen wurden, habe eine Atmosphäre des „anything goes" geschaffen – ein Klima, in dem angenommen wurde, die Ziele rechtfertigten die Mittel. Manchmal wurde die Misshandlung von Häftlingen bloß toleriert, andere Male wurde sie aktiv befördert oder sogar angeordnet.

Tod : Wie froh bin ich
sie gibt mir Kraft:
die transatlantische Partnerschaft.
Dass die Freiheit weltweit siege:
Angriffskriege, Angriffskriege!

Chor: Bomben aus Amerika
als Basiscamp ist Deutschland da.
Europa alt, Europa neu,
wir rüsten auf als Partner treu.
Im nächsten Krieg sind alle dabei,
so demokratisch, gut und frei.
Im nächsten Krieg sind alle dabei:
wir die Guten gegen das Böse.

Tod: Bis ich euch vom Gutsein erlöse.


Abmoderation Reinhart Kößler