Text des Antifa-Plenums zum Pressegespräch am 15.1.02

Zur Vorgeschichte
In der Tradition der Demonstrationen "Springen im Dreieck" fand am 30. 04.
2001 zur Biergartensaisoneröffnung eine Demonstration unter dem Motto
"Zwischen den Stühlen tanzen" statt. Die Reihe von Demonstrationen war
Reaktion auf die immer massiver auftretenden Nazis in der Bochumer
Innenstadt. Hervorgehoben sei hier das Bochumer Szenekneipenviertel
"Bermudadreieck", wo sich bis vor gut einem Jahr in den Kneipen "Secks" und
"Drugstore" in der Brüderstraße regelmäßig Nazis trafen. Die Demonstrationen
sollten dieser "braunen Einfalt" eine witzige, vielschichtige, und kreative
Demokultur entgegensetzen. Mit verschiedenen Aktionen sollte über die Nazis
aufgeklärt werden und zum Handeln gegen sie motiviert werden. Darüber hinaus
war es Ziel, die Nazis selbst unter Druck zu setzen. Unter diesen Vorzeichen
zogen die Menschen auch am 30. 04 durch die Innenstadt. Auch an diesem Tag
wurden die Umtriebe von Nazis in Kneipen des "Bermudadreiecks", aber auch
die verstärkte Privatisierung öffentlicher Räume durch Bochumer
PolitikerInnen sowie das Nichtverhalten der Stadtverantwortlichen zur
Forderung eines antirassistischen Zentrums kritisiert.

Zu den Geschehnissen während der Demo
Die Demo führte an den verschiedenen Nazis beherbergenden Kneipen, sowie am
Haus des Bochumer NPD Kreisvorsitzenden Carsten Römhild vorbei. Dort wurden
kurze Redebeiträge zu den dort verkehrenden Personen gehalten. Am Rande der
Demonstration kam es vor einer der Nazikneipen zu einem kleineren
Zwischenfall. Eine Bierflasche ist gegen eine der Kneipen geworfen worden.
Es entstand leichter Glasschaden. Die Reaktion der Polizei folgte sofort:
Polizisten wurden zusammen gezogen, ein Dokumentationsteam bezog Stellung
und filmte alle DemonstrationsteilnehmerInnen. Das geschah, obwohl es im
Vorfeld zwischen den VeranstalterInnen der Demo, der Anmelderin und der
Einsatzleitung der Polizei Absprachen gab, keinen Dokumentationswagen oder
ein Dokumentationteam einzusetzen. Die Polizei sorgte durch diesen
Absprachebruch und dem massiven Aufmarsch von Einsatzkräften für eine
äußerst gereizte Demonstrationssituation. Offenbar sollte eine Eskalation
herbeigeführt werden. Die Anmelderin reagierte den Umständen entsprechend
gefaßt: Die DemonstrationsteilnehmerInnen wurden zur Besonnenheit
aufgerufen. Außerdem sollte keine/r stehenbleiben, vielmehr sollten die
DemonstrationsteilnehmerInnen zügig weitergehen. Letztendlich ließen sich
die DemonstrationsteilnehmerInnen von den Provokationsversuchen der Beamten
nicht beeindrucken, und die Demonstration verlief bis zur
Abschlußkundgebung am Bochumer Hbf, friedlich.

Das Nachspiel
Nach der Demo vom 30. 04. wurde gegen die Anmelderin ein Verfahren
eingeleitet. Am Freitag den 18. 01. 2002 wird um 11. 45 Uhr am Bochumer
Landgericht im Raum c34 der Prozess gegen sie eröffnet. In der Anklage wird
ihr entgegen der beschriebenen Geschehnisse "Öffentliche Aufforderung zu
Straftaten" vorgeworfen, da sie nach dem Flaschenwurf auf die Kneipe zur
Vermummung aufgerufen haben soll.
Wir halten die Anklage für unglaubwürdig. Die Anmelderin hat nicht zur
Vermummung aufgerufen, vielmehr rief sie zur Ruhe, zur Besonnenheit und zum
Weitergehen auf. Auch deswegen wurde die Demonstration trotz polizeilicher
Eskalationsversuche friedlich beendet. Im übrigen wurde während der
Demonstration seitens der Einsatzleitung, keine Kritik an den Maßnahmen der
Anmelderin geäußert.
Außerdem - Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, das es zu kleineren Schäden
bei großen Menschenansammlungen kommen kann. Auch bei einer Demonstration
mit 700 Personen. Bei einem Fußballspiel wäre die Polizeileitung glücklich,
käme es zu einem derart geringen Sachschaden. Insofern steht der
Flaschenwurf in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Geschehnissen.
Wir denken, die Polizei versucht ihren missglückten Eskalationsversuch
während der Demonstration nachträglich zum Erfolg zu bringen. Indem man,
nachdem der/die Flaschenwerfer/In nicht gefaßt wurde, unter haltlosen
Vorwürfen einfach ein Verfahren gegen die Anmelderin einleitet. Wir denken,
dass diese Bochumer Polizeistrategie, AnmelderInnnen zu kriminalisieren neu
ist, sich aber immer öfter abzeichnet. So ist den Bochumer AnmelderInnen von
Demonstrationen in Essen und Dortmund ähnliches wiederfahren. Auch gegen sie
wurden unter fadenscheinigen Gründen Verfahren eingeleitet. Auch hier
verliefen die Demonstrationen friedlich, und auch hier steht das Vogehen der
Polizei, ein Verfahren gegen die AnmelderInnen einzuleiten, in keinem
Verhältnis zu den Geschehnissen.
Dieses Vorgehen ist nichts als eine Provokation und eine Kriminalisierung.
Wenn das Gericht im Verfahren am 18. 01. 2002 diesen Provokationen Rechnung
trägt, wird von uns, und sicherlich auch von anderen Gruppen, in Erwägung
gezogen, zukünftige Demonstrationen in Bochum nicht mehr anzumelden. Im
Zuge der offensichtlichen Kriminalisierung von AnmelderInnen ist es
unverantwortlich sich dieser Gefahr auszusetzen.

Die Demonstrationen - Ein Erfolg
Trotz der anstehenden Prozesse, wurden durch die Demonstrationen kleine
Erfolge erzielt. Noch vor zwei Jahren hat der Bochumer Polizeipräsident
Nazizusammenhänge in Bochum bestritten. Das mit Hilfe der Demonstrationen
praktizierte "Öffentlich machen" von Naziumtrieben, z. Bsp. im
"Bermudadreieck" macht Vertuschungen und Verharmlosungen heute schwieriger.
Auch die Kneipies des Viertels mußte auf Grund des öffentlichen Drucks, das
Naziproblem thematisieren. Hatten sie es anfangs aus Angst vor
Gewinneinbußen noch bestritten, so zeigen sie nun "Flagge". Eine von ihnen
initiierte Aktion mit Plakaten und Transparenten gegen Rechts "Vielfalt statt
Einfalt" zeigt das. Offensichtliche Nazis besuchen nur noch selten die zuvor
betroffenen Kneipen "Secks" und "Drugstore". Die Kneipies der Kneipen haben
"so Aussehenden" Nazis (Bomberjacke, Springerstiefel, Abzeichen) ein
fragwürdiges Hausverbot erteilt - das aber auch erst auf Drängen städtischer
Institutionen und des Staatsschutzes zustande kam. So wurden zentrale
Nazitreffpunkte in der Bochumer Innenstadt vorerst aufgelöst. Auch wenn sie
momentan nicht mehr geballt in ein oder zwei Kneipen auftreten, zum
Stadtbild gehören Nazis immer noch, und das stärker als noch vor einigen
Jahren. Es gibt verschiedene Gruppen in den Stadtteilen. Naziübergriffe und
Pöbeleien sind nach wie vor an der Tagesordnung. Außerdem gibt es in
Wattenscheid ja noch die NDP Zentrale. Sie wird gerne als "Wattenscheider
Lokalproblem" abgetan oder verschwiegen. Auch das ist falsch, denn Kontakte
zwischen Nazis der NPD und denen, die vor einem Jahr in der Bochumer
Innenstadt Hetzjagt auf MigrantInnen machten, gibt es alle mal.
Also - Kein Grund nicht wachsam zu sein!