Die Kommunen bluten aus –
eine absehbare Folge neoliberaler Steuerpolitik.


Den Städten und Gemeinden brechen die Einnahmen weg. Der Ausfall der Gewerbesteuer ist drastisch. Die Städte erhöhen die Gebühren oder streichen kommunale Leistungen. Reihum im Revier sollen etwa Schulen geschlossen, Kindergärten bzw. Freizeitstätten abgerissen und Spielplätze verkauft werden. Nur knapp zwei Jahre nach der rot-grünen Steuerreform haben sich die absehbaren Folgen eingestellt, aber jetzt will es keiner gewesen sein: Viele der großen Unternehmen zahlen überhaupt keine Steuern mehr, im Durchschnitt des letzten halben Jahres waren die Einnahmen aus der Körperschaftssteuer sogar negativ – die Unternehmen bekamen mehr zurück als sie zahlen mussten.
 
Zur Erinnerung:
Vor knapp zwei Jahren , kurz vor der Verabschiedung der Steuerreform, ist vom Bahnhof/Politik der folgende Brief an die Bochumer Grünen geschrieben worden (und schon damals brauchte es dafür keine hellseherischen Fähigkeiten):

Liebe Grüne in Bochum,                                                                                 14.7.2000
heute wird bekanntlich die Steuerreform verhandelt und möglicherweise beschlossen. Eure Partei ist eine der HauptvorantreiberIn auf Bundes- und Landesebene...
Hättet Ihr (oder die SPD) vor der Bundestagswahl kund getan, daß Ihr die Gewinnsteuern für das große Kapital in Richtung 25 Prozent maximum senken wollt (bei Anrechnungsfähigkeit der Gewerbesteuern) - und die Auflösung stiller Reserven beim Beteiligungsverkauf mit Null Mark Gewinnsteuern belegen wollt - Ihr wäret vermutlich in der Luft zerrissen worden.
Das ist der eine Skandal.
Der andere ist die jetzt schon absehbare Gegenfinanzierung des Steuergeschenks von 50 Mrd. DM: Es war immer schon klar, und Steinbrück hat es jetzt - vielleicht ein bißchen zu früh - herausgelassen: Zahlen sollen wir mit Projekte-Streichung und Senkung kommunaler und Landes-Etats. Steinbrück hat an die 7 Mrd. festgestellt, die er bei uns in NRW streichen will. Vor einigen Wochen hat schon die Bundesbank bekannt gemacht, dass wegen der Steuerreform die "Sparziele" der Kommunen gefährdet sein könnten. Natürlich - und jeder konnte es wissen - schlagen Landesetat-Kürzungen in dieser Größenordnung auf die Kommunen durch! Habt Ihr Euch dagegen gewehrt
Zum Schluß: wenn also demnächst der "äußerst enge Spielraum" etc. des Kommunaletats 2001 ff. wieder keine Luft läßt zum Umsetzen... notwendiger Dinge, die uns "unten" betreffen (oder wenn gar massive Kürzungen angekündigt werden sollten), dann soll niemand behaupten, das wäre vom Himmel gefallen bzw. man/frau müßte sich den "Sachzwängen" beugen.
Diese Sachzwänge tragen dann eine rot-grüne Handschrift. Und als solche sollten wir sie dann auch kenntlich machen!
Mit freundlichen Grüßen



Die Steuerreform der rot-grünen Bundesregierung hat also den Unternehmen massive legale Steuerschlupflöcher beschert. Die Steuergesetze bieten den Finanzakrobaten in den Konzernzentralen fast unbeschränkte Möglichkeiten, Steuern zu vermeiden. Banken und Versicherungen, Autohersteller und Stromriesen nutzen die ihnen gebotenen Möglichkeiten weidlich aus. Durch konzerninterne Umstrukturierungen, bspw. durch die steuerbefreiende Verrechnung von Gewinnen eines Konzernsegments mit Verlusten eines anderen, rechnen sie sich die Bilanzen so zurecht, dass die Steuerabgaben gegen Null tendieren. Allein die neue Steuerfreiheit für Dividenden, die innerhalb eines Konzerns von Tochterunternehmen ausgeschüttet werden, kostet die Städte nach Rechnungen des NRW-Finanzministeriums eine halbe Milliarde Euro.
Leidtragende solcher Maßnahmen ist die überwiegende Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen. Besonders hart betroffen sind aber natürlich jene, die auf gute und erschwingliche kommunale Leistungen besonders angewiesen sind: die "NormalverdienerInnen" und die sozial Schwachen. Es zeigt sich wieder einmal: Umfangreiche Gewinnsteuersenkungen für die private Wirtschaft haben drastische Ausgabenkürzungen in den öffentlichen Haushalten zur Folge. Und so wie die Dinge in einer am Ziel der privaten Gewinnmaximierung ausgerichteten Gesellschaft liegen, treffen die Ausgabenkürzungen nicht die Profitratensubventionen, sondern immer die Sozialabgaben oder den kulturellen Bereich.
Wohltätigkeitspolitik gegenüber der zahlenmäßig kleinen Elite mit den dicken Bankkonten und massiver Sozialabbau bei der Masse der Bevölkerung sind zwei Seiten derselben Medaille.
Auffällig ist aber, dass der Zusammenhang zwischen unternehmerfreundlicher Steuergesetzgebung und kommunaler Finanznotlage tunlichst vermieden wird: weil sich fast alle KommunalpolitikerInnen scheuen, die von ihren KollegInnen und ParteifreundInnen aus der Sektion Bundespolitik betriebene Umverteilungspolitik in Frage zu stellen, landen sie letztendlich bei der Rechtfertigung des Sozialabbau - als vermeintlichem Sachzwang.
Aber: Geld ist genug da: Wären etwa die Unternehmensgewinne 1998 genauso besteuert worden wie 1985, wären 185 Milliarden Mark mehr in den öffentlichen Kassen. Dieser Betrag dürfte heute, vier Jahre später, noch um einiges gewachsen sein. Dazu kommt die illegale, aber faktisch geduldete Steuerhinterziehung der Unternehmen und der "Besserverdienenden", die sich wohl weit im dreistelligen Milliarden-Euro-Bereich jährlich bewegt.
Es ist höchste Zeit, dass dieser ungeheure Reichtum in diesem Land zum Thema gemacht wird, wenn allerorten über das Ausbluten der Kommunen gejammert wird.