ÖKOREGIO-Büro
für ökologische Wirtschafts- und Regionalentwicklung, Bochum
Eckhard Stratmann-Mertens

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Eine Welt – Bochum:
Überlegungen zu einem Klimaschutzkonzept 2010
(Stand 28.3.2000)

Seit Januar 1994 ist die Stadt Bochum Mitglied im "Klimabündnis der europäischen Städte mit indigenen Völkern der Regenwälder/Alianza del Clima e.V.". Der Zweck des Vereins ist vor allem die "Reduzierung der CO2-Emissionen der Kommunen mit dem Ziel einer Halbierung bis zum Jahre 2010" und eine "weitgehende Reduzierung aller treibhausrelevanten Gase im kommunalen Bereich" (§2 der Vereinssatzung).

1991 legte die Stadt Bochum eine "Klimaanalyse - Stadt Bochum" auf der Grundlage eines Klimagutachtens des Kommunalverbandes Ruhrgebiet vor. Diese Klimaanalyse bezieht sich auf das Stadtklima Bochums und unterscheidet sich daher von Untersuchungen über den Beitrag Bochums zur Erwärmung des globalen Erdklimas (Treibhauseffekt). Die Klimaanalyse umfasst Klimamessungen zu Windfeld, Wärmebildern, Lufttemperatur und Luftfeuchte sowie zur Lufthygiene (Immissionen von Schwefel, Stickstoff, Chlorid); darüberhinaus gibt sie interessante klimatologische Planungshinweise für die weitere Stadtentwicklung in Bochum.

1993 legten die Stadtwerke Bochum in Zusammenarbeit mit der Stadt Bochum (Ratsfraktionen und Verwaltung) das "Bochumer Energiekonzept" vor. Hier werden zentral die in Bochum hausgemachten Beiträge zur globalen Klimaerwärmung und Maßnahmen zum globalen Klimaschutz betrachtet. Als Hauptziele des Konzepts firmieren Ressourcenschonung durch Energieeinsparung und Umweltentlastung, insb. durch Verringerung der CO2-Emissionen. Für die Akteure Stadtwerke und Stadtverwaltung werden in den Handlungsfeldern Wärmemarkt, Stromanwendung und Stadtverkehr Maßnahmen vorgeschlagen, die es erlauben, im Zeitrahmen bis zum Jahr 2000 folgende Minderungsziele (Basisjahr 1990) zu realisieren:

Primärenergieeinsatz: - ca. 6,9%
CO2-Emissionen: - ca. 12,1 %.

Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass das CO2-Reduktionsziel nur dann erreichbar erscheint, wenn bei besonders CO2-intensiven Energieanwendungen wie Strom und Verkehr gleichzeitig und evtl. forciert angesetzt wird (S. 31). Wiederholt wird betont, dass künftig einer Reduzierung des Nutzenergiebedarfs "die zentrale Bedeutung" für Ressourcenschonung und Umweltentlastung zuwachsen wird (aaO.).

Nach dem Beitritt der Stadt Bochum zum Klima-Bündnis wurde eine AG Klimaschutz aus VertreterInnen der Ratsfraktionen, der Stadtverwaltung und der Stadtwerke ins Leben gerufen, die schließlich die Einrichtung eines Energie-Kreises in Bochum initiierte.

Im Mai 1997 konstituierte sich der "Energie-Kreis Bochum", in dem über 20 Institutionen und Gruppen in Bochum gemeinsam nach Wegen suchen, um in Bochum einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. In diesem Energie-Kreis und zugehörigen Unter-Arbeitsgruppen sowie Projektgruppen sind vielfältige Projektideen entwickelt worden; etliche dieser Ideen sind seitdem auf verschiedenen Veranstaltungen der Öffentlichkeit vorgestellt und zu einem Teil schon realisiert worden.

Im Januar 1998 beschloss der Umweltausschuss des Rates der Stadt Bochum, die Verwaltung zu beauftragen, "einen Klimaschutzbericht zu erstellen und bei wesentlichen Änderungen, Entwicklungen und Entscheidungen zu aktualisieren". Einstimmig beauftragte der Ausschuss die Verwaltung, "den ersten Klimaschutzbericht bis Ende 1998 zu erstellen".

Ein solcher Klimaschutzbericht der Stadt liegt bisher nicht vor, obwohl das zuständige Umweltamt in der Begründung für die betreffende Beschlussvorlage an den Umweltausschuss betont hatte: " ... ist es auch für die Verwaltung selbst sinnvoll, regelmäßig Daten zu sammeln und Rechenschaft über die erreichen Erfolge und bestehende Defizite zu geben. Ein Klimaschutzbericht kann diese Anforderungen erfüllen und sollte daher herausgegeben werden" (Vorlage an den Umweltausschuss Nr. 1997/4269 v. 16.12.1997).

In ihrem "Umweltbericht 1998" beziffern die Stadtwerke Bochum GmbH die Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen im Jahre 1998 auf 298.019 t CO2 (gegenüber 1997) und kumuliert auf ca. 1,3 Mio. t seit 1994, also seit dem Beitritt der Stadt zum Klimabündnis der Städte.

Man könnte so zu dem Eindruck kommen, dass die Stadt Bochum einschließlich der Stadtwerke auf dem besten Wege ist, das selbst gesteckte Klimaschutzziel einer Halbierung der CO2-Emissionen bis zum Jahr 2010 zu erreichen. Doch dieser Eindruck trügt. Die Geschäftsberichte der Stadtwerke Bochum GmbH (für 1992 und 1998) weisen die Absatzentwicklung für Strom, Gas, Fern- und Nahwärme (in Mio. kWh) für die Jahre 1992 bis 1998 aus (Stadtwerke Bochum GmbH: Bochumer Energiekonzept, S. 82; Geschäftsbericht 1998, S. 35):

 Stadtwerke Bochum: Absatzentwicklung an nutzbarer Energie

 

1992

1994

1998

Veränderung in %

Strom

1.320,7

1.448,9

1.576,2

 
Gas

2.534,1

2.533,9

2.645,4

 
Fernwärme

447,9

439,8

485,0

 
Nahwärme    

128,3

 
Summe

4.302,7

4422,6

4834,9

+ 12,4

Fazit und Schlussfolgerungen:

Der leitungsgebundene Energieabsatz der Stadtwerke hat von 1992 bis 1998 um über 12% zugenommen. Nimmt man diesen Energieabsatz der Stadtwerke –in Ermangelung gesicherter Gesamtdaten für Bochum- vorläufig als Indikator für den Energieverbrauch in Bochum und damit einhergehend für die CO2-Emissionen (1) , so sind die CO2-Emissionen seit der Vorlage des Bochumer Energiekonzeptes und trotz vielfältiger Bemühungen zur Energie-einsparung und –umstellung um mehr als den Anteil gestiegen, um den sie bis 2000 hätten sinken sollen (- 12,1%)(2). Dieser Trend wird noch erheblich verstärkt durch die notwendige Einbeziehung des Verkehrssektors: denn sowohl der PKW- als auch der LKW-Verkehr in Bochum haben seit 1992 deutlich zugenommen, mithin auch die verkehrsbedingten CO2-Emissionen, mit weiterhin steigender Tendenz.

Die bisherigen Maßnahmen der Stadtwerke und der Stadtverwaltung Bochum haben insgesamt keinen Schutz des Erdklimas zu bewirken vermocht. Eine einfache Fortschreibung dieser Maßnahmen zur Energieeinsparung und zum Klimaschutz wird daher die notwendige Trendwende bei den CO2 –Emissionen nicht herbeiführen können.

Ein Neuansatz bei den Klimaschutzanstrengungen in Bochum tut also not, sowohl im Energie- als auch im Verkehrsbereich. Und dies umso mehr, als gerade in jüngster Zeit alarmierende Warnsignale für die schon eingetretene Klimaerwärmung bekannt werden:

  • Schon in den vergangenen 25 Jahren stieg die Durchschnittstemperatur um zwei Grad hochgerechnet auf ein ganzes Jahrhundert (FR vom 24.2.00).
  • Die Eisdecke der Erde, vor allem in den Polar-Regionen- schmilzt so stark wie nie zuvor seit Beginn der Messungen im 19. Jahrhundert. Das Eis der Arktis schmilzt jährlich um eine Fläche von der Größe Nordrhein-Westfalens. (FR vom 8.3.00)
  • Nach Einschätzung von Klaus Töpfer, dem Direktor der UN-Umweltorganisation UNEP und früheren Bundesumweltminister (CDU), sind die Sintflut von Mosambik oder die Dürre am Horn von Afrika weitere Zeichen eines Klimawandels, der wesentlich durch die Industriestaaten mit ihrem erhöhten Kohlendioxidausstoß verursacht sei. Klaus Töpfer dazu: "Der Kontinent ist Opfer einer ökologischen Agression." (FR vom 13.3.00)
  • 1990 betrug der CO2-Ausstoß pro Kopf und Jahr der Bochumer Bevölkerung 12,6 t (Bochumer Energiekonzept, S.25). Zum Vergleich: Deutschland 12,0 t, China 2,0 t, Indien 0,7 t, Brasilien 1,4 t, Spanien 5,9 t. Seit 1990 ist die Bevölkerungszahl im Versorgungs-gebiet der Stadtwerke Bochum gesunken, die CO2-Emission pro Kopf weiter angestiegen.

Diese Zahlen verdeutlichen, wieweit Bochum von dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung und dem gleichen Recht aller Menschen auf Umweltnutzung entfernt ist.


Maßnahmenvorschläge:

Verabschiedung eines Klimaschutzkonzeptes durch den Stadtrat bis Herbst 2001 (insb.für die Bereiche Energie und Verkehr):

    1. Inauftraggabe eines Klimaschutzgutachtens im Frühjahr 2000

      Ein wesentlicher Bestandteil eines solchen Gutachtens müsste die Erstellung einer Energie- und CO2-Bilanz für Bochum sein; dazu kommen müsste ein umsetzungsorientiertes, auf einzelne Akteursgruppen zugeschnittenes Handlungskonzept.

    2. Klimaschutzberichterstattung:

      - Stadtwerke und Stadtverwaltung sollten –gestützt auf eine aktuelle Energie- und CO2- Bilanz- die Erfahrungen mit dem Bochumer Energiekonzept auswerten, insb. aufzeigen, worin die eklatante Zielverfehlung begründet liegt.

      - Ein regelmäßiger (zweijähriger) Klimaschutzbericht der Stadtverwaltung/Stadtwerke soll als Controlling für die Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes der Stadt dienen und dieses gleichzeitig fortschreiben.

    3. Eine AG Klimaschutz (die Bereiche Energie und Verkehr umfassend) mit Mitgliedern aus Stadtwerken, Stadtverwaltung, BOGESTRA, VertreterInnen der Bochumer Wirtschaft, Aktiven des Agenda-Prozesses u.a. könnte/sollte die o.g. Maßnahmen begleiten und weiterhin als Impulsgeber wirken.

 


Anmerkungen:
1 Natürlich muss methodisch beachtet werden, dass der Stadtwerkeabsatz nur einen Teil des Bochumer Energieverbrauchs darstellt, dass zwischen Nutzenergie, Endenergie- und Primärenergieabsatz unterschieden werden muss und zwischen ihnen Entkopplungsprozesse stattfinden können. Dennoch geben die Stadtwerkedaten einen ersten Hinweis auf die tatsächlich Lage beim Energieverbrauch und den CO2- Emissionen. Um einen gesicherten Gesamtüberblick zu erhalten, ist eine wissenschaftlich fundierte Energie- und CO2-Bilanz für ganz Bochum vonnöten.

2 Die Stadtwerke Bochum umgehen in ihrem "Umweltbericht 1998" (S.22) dieses Problem, indem sie das CO2-
Reduktionsziel des Bochumer Energiekonzeptes einfach bis zum Jahre 2005 fortschreiben.