Rede von Ingrid Remmers vom Vorbereitungskreis der Demo gegen Zwangsumzüge am 18.5.2006 in Bochum

 

Hartz IV macht die Erwerbslosen zum Sündenbock für fehlende Arbeitsplätze.

Junge Erwachsene dürfen nicht selbständig werden.

Frauen werden wieder der Versorgung durch den Ehemann unterstellt. Erwerbslose müssen ihr Privatleben öffentlich an der Theke der ARGE ausbreiten. Und Ermittler befragen Nachbarn und Vermieter über den Wahrheitsgehalt der Angaben.

Die sog. „Aufforderung“ an Hunderttausende Menschen, „die Kosten ihrer Unterkunft zu senken“, ist faktisch ein Zwang zum Umzug.

Mit diesem Zwang werden Menschen in ihrer ureigensten Privatsphäre bedroht.

Ihnen wird gezeigt, dass selbst ihre letzte Rückzugsmöglichkeit, das eigene Zuhause, nicht mehr sicher ist.

Die Bedrohung löst bei den Betroffenen existentielle Ängste aus.

Und diese Ängste sind gewollt!

Sie sind deshalb gewollt, weil sie den Weg ebnen für eine breite gesellschaftliche Umgestaltung. Einer Umgestaltung, in der soziale Standards und Errungenschaften, für die viele Jahre erfolgreich gekämpft wurde und die wir schon als selbstverständlichen Teil des allgemeinen Fortschritts betrachtet haben, auf breiter Ebene wieder abgebaut werden.

Die Zwangsumzüge sind nur ein Teil dieser gesellschaftlichen Umgestaltung. Weitere Beispiele finden wir:

im Gesundheitswesen (Stichwort Eigenvorsorge, Praxisgebühren und Zuzahlungen),

im Abbau der Bildungschancen (Stichwort Studiengebühren),   

im Ausverkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge (Stichwort Privatisierung der Energieversorgung, des öffentlichen Wohnraums usw.).

Da wo nicht verkauft werden kann, wird gekürzt:

Bei den Erziehungsberatungsstellen, den Jugendzentren, den Frauenhäuser, den Drogenberatungsstellen, der Obdachlosenhilfe und einer Vielzahl weiterer sozialer Anlaufstellen. Sie werden Schritt für Schritt aus der öffentlichen Förderung weggekürzt.

Damit werden den Menschen ihre „Schutzorte“ genommen. Orte, an denen sie sich Treffen können, Orte an denen sie sich austauschen können und an denen sie Beratung und Hilfe finden.

 Auf der einen Seite wird also ein wachsender Teil der Bevölkerung aus der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen.

Gleichzeitig werden die Probleme damit individualisiert. Sie werden zum Problem jedes Einzelnen gemacht und Der soll sich dann gefälligst selber helfen.

Dagegen fordern wir Solidarität mit den Betroffenen und Öffentlichkeit gegen die schleichende Entrechtung und Verarmung ganzer Bevölkerungsgruppen!

Deshalb fordern wir die Anerkennung der Wohnung als allgemeines Menschenrecht. Kein Umzug darf erzwungen werden!

Wir fordern den Erhalt aller sozialen Standards und den Erhalt der öffentlichen  Daseinsvorsorge!

Und wir fordern „Eure“ Solidarität!

Fahrt mit uns am 03. Juni zur bundesweiten Demo nach Berlin. Lasst uns gemeinsam einen nicht mehr zu übersehenden Protest gegen den Sozialabbau schaffen!


Heute Bochum – am 03. Juni Berlin!

Die Argumente leerer Kassen dienen allein dazu, bereits bestehenden Reichtum zu vergrößern!

Schon 1982 hat Norbert Blüm gesagt: „Wir haben keine Wirtschaftskrise – wir haben eine Verteilungskrise“.