Samstag 14.07.18, 19:18 Uhr
Diskussion im Rat über das kommunale Wohnungsunternehmen VBW

Gemeinnützigkeit =
Sozialismus, Planwirtschaft, VEB


Der Rat der Stadt Bochum hat auf seiner Sitzung am vergangenen Donnerstag über die Änderung des Gesellschaftervertrags des mehrheitlich kommunalen  Wohnungsunternehmen VBW beraten. Die Linksfraktion hatte in dem Zusammenhang einen Antrag eingebracht, der darauf zielte, das Unternehmen gemeinnützig zu orientieren. Siehe Bericht der Linksfraktion. Auch die lokale WAZ berichtete darüber: »Antrag der Linken auf Umwandlung in gemeinnützige Gesellschaft wird abgeschmettert.« »SPD-Fraktions-Chef Peter Reinirkens attestierte wie Roland Mitschke (CDU) dem Unternehmen, 100 ]ahre lang gute Arbeit geleistet zu haben. Für FDP und Stadtgestalter schmähte Fraktionsvorsitzender Felix Haltt in Richtung Linke: „Sie wollen aus der VBW einen VEB [Anm. d. Red.: Volkseigener Betrieb) machen.“ Auch Karl-Heinz Sekowsky (UWG/ Freie Bürger) stieß in dieses Horn.« Aichard Hoffmann, Verantwortlicher für die Öffentlichkeitsarbeit des Bochumer Mietervereins, hat hierzu einen Leserbrief an die WAZ und eine Kopie an bo-alternativ.de geschickt:
»Man könnte es eigentlich nicht glauben, wenn man es nicht schon so oft erlebt hätte: Immer, wenn jemand, der politisch ein bisschen links vom Gros der etablierten Parteien steht, etwas vorschlägt, was auch nur ganz leicht in Richtung Dirigismus zielt oder auch nur die Ziele eines Unternehmens näher definieren will, geht ein Aufschrei durch eben diese etablierten Parteien, dessen Vokabular stark an die „Freiheit oder Sozialismus“ -Mottenkiste der 70er Jahre erinnert.

Für Felix Haltt (FDP/Stadtgestalter) würde die VBW in einen Volkseigenen Betrieb verwandelt, wenn man sie auf gemeinnütziges Verhalten festlegen würde. Peter Reinirkens (SPD) sprach von „Planwirtschaft“ und Roland Mitschke (CDU) von „sozialistischen Vorstellungen“ der Linken.

Zur Erinnerung: Die Wohnungsgemeinnützigkeit war ein Gesetz der Bundesrepublik Deutschland, das Wohnungsunternehmen Steuerfreiheit versprach, wenn sie im Gegenzug in allen ihren Wohnungen nur eine Miete verlangten, die die Kosten deckte, wenn sie sich in ihrer Geschäftstätigkeit ausschließlich auf das Bauen und Vermieten von Wohnungen beschränkten und wenn sie maximal 4 % Rendite an ihre Anteilseigner ausschütteten. Das Gesetz wurde Ende 1989 abgeschafft und bescherte dem damaligen Finanzminister Stoltenberg Steuermehreinnahmen von noch nicht einmal 1 Mrd. DM. Ein Jahr später brach die größte Wohnungsnot seit der Zeit des Wiederaufbaus aus.

Gemeinnützig zu sein war kein Status für Exoten. Nahezu die gesamte Wohnungswirtschaft, zumindest alle größeren Unternehmen, waren damals gemeinnützig, auch die VEBA Wohnen, Vorgängerin des heutigen DAX-Konzerns Vonovia. Und selbstverständlich auch alle kommunalen Wohnungsunternehmen, einschließlich der VBW.

Die Wohnungsgemeinnützigkeit hat den Wiederaufbau und das Wirtschaftwunder nicht nur begleitet, sondern überhaupt erst möglich gemacht. Sie war kein sozialistisches Teufelswerk, sondern „guter, alter, rheinischer Kapitalismus“ aus der Zeit vor der Globalisierung. In der letzten Legislaturperiode gab es im Bundestag zwei Gesetzesinitiativen zu Wiedereinführung einer gemeinwohlorientierten Wohnungswirtschaft. Aber auch, wenn daraus – bisher – nichts geworden ist, hindert niemand ein Wohnungsunternehmen, sich gemeinnützig zu verhalten.«