Samstag 31.03.18, 17:20 Uhr

Protest gegen Nazi-Aufmarsch 1


Die NPD will am Samstag, den 7. April um 16 Uhr eine Demonstration vor dem Bochumer Hauptbahnhof durchführen, um damit für eine weitere Demonstration eine Woche später am 14. April in Dortmund zu werben, zu der die ultra rechte Nazi-Partei „Die Rechte“ angeblich europaweit mobilisiert. Die Bochumer NPD ist seit dem Aufkommen der AFD völlig bedeutungslos geworden und war bei vergleichbaren Kundgebungen kaum in der Lage, mehr als ein Dutzend Leute zu mobilisieren. Trotzdem wird es voraussichtlich eine größere Gegendemonstration geben. Die antifaschistische Linke wird eine Kundgebung anmelden, das Bündnis gegen Rechts wird ebenfalls gegen den Nazi-Aufmarsch mobilisieren. Nähere Einzelheiten werden Anfang nächster Woche geklärt.


Ein Gedanke zu “Protest gegen Nazi-Aufmarsch

  • Rene

    Naja …
    – also das soll eine Kundgebung werden, kein Aufmarsch.
    Die Partei „Die Rechte“ will vorher um 12:00 Uhr in Duisburg und 14:00 Uhr in Gelsenkirchen Kundgebungen abhalten, bevor sie um 16:00 Uhr vor dem Bochumer Hauptbahnhof die Bevölkerung mit ihrem braunen Senf belästigen will. Dabei hat in Bochum die NPD die Kundgebung angemeldet, da einerseits „Die Rechte“ in Bochum nicht auf eigene Strukturen zurückgreifen kann, andererseits der Bochumer Ratsherr der NPD, Claus Cremer, in Dortmund für die Ratsgruppe NPD/Die Rechte als Geschäftsführer fungiert. Und nicht zuletzt, weil der ehemalige Parteivorsitzende und jetzige Europa-Abgeordnete der NPD, Udo Voigt, am 14. April in Dortmund reden soll.

    – Etwas mehr Genauigkeit in der Beschreibung örtlicher Zustände wäre von Vorteil.
    Die Bochumer NPD war schon vor dem Einzug der AfD in das Bochumer Stadtparlament 2014 (3,5 %), in den Wahlen zum NRW-Landtag (8,7 %) und den Bundestag 2017 (10,5 %) ein kleines Licht in Bochum. Das lag aber nicht an der AfD, die vielleicht 0,3 % der Stimmen von der NPD bei den letzten Kommunalwahlen 2014 auf sich vereinen konnte, oder gar an den antifaschistischen Bestrebungen in Bochum, sondern an der katastrophalen Lokal- und Personalpolitik Claus Cremers. Und das war schon der Fall bevor es zu dem erzwungenen Umzug des Landessitzes der NPD im Jahr 2012 von Bochum-Wattenscheid nach Essen-Kray durch die Zwangsversteigerung der Günnigfelder Straße 101a kam.
    Zur Personalpolitik Cremers sei hier an Andre Zimmer erinnert. Der Bochumer Jugendbeauftragte der Jungen Nationaldemokraten der NPD, stand mehrmals wegen diverser Delikte vor Bochumer Gerichten und entging einer langen Gefängnisstrafe um Haaresbreite. Unter den Straftaten waren auch Sachbeschädigungen und Bedrohungen, die sich angeblich gegen ihn richteten und die er versuchte Antifaschisten in die Schuhe zu schieben, aber von ihm selbst zu verantworten waren. Erinnert sei hier an den stellvertretender Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes „Bochum und Wattenscheid“ und „Referent der NPD im Rat der Stadt Bochum“ Markus Schumacher. Dieser war im Anfang 2012 von einem Bochumer Gericht wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a) zu drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Mit diesem Richterspruch im Rücken trat er dann 2013 als Bundestagskandidat für die NPD an. Andre Zimmer und Markus Schumacher inszenierten 2010 zusammen in Bochum den NSBO – Nationale Sozialisten Bochum.
    Schließlich muss man noch einmal auf Claus Cremer, den NPD-Landesvorsitzender NRW, Mitglied des NPD-Parteivorstandes und Stadtrat in Bochum, selbst verweisen. Cremer wurde 2005 von dem Bochumer Landgericht aufgrund antisemitischer Äußerungen auf der NPD-Demonstration gegen den Neubau der Synagoge 2004 wegen Volksverhetzung zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt.
    Bedingungen zum bundesweiten Misserfolg der NPD findet man in Robert Ackermanns Buch „Warum die NPD keinen Erfolg haben kann: Organisation, Programm und Kommunikation einer rechtsextremen Partei“ aus dem Jahr 2012.

    Auf Bochumer Ebene kann man der prognostizierten Erfolglosigkeit der NPD entgegen halten, dass obwohl die NPD in Bochum personell, wie strukturell unter Claus Cremer immer bedeutungsloser wurde, die Wählerstimmen bei den Kommunalwahlen 2014 gereicht haben, dass die NPD mit einem Mandat in den Bochumer Stadtrat einzog. Ebenso haben rechte Wählerstimmen gereicht der rechte Partei Pro NRW einen Sitz zu verschaffen. Und die AfD erzielte bei ihrer ersten Kommunalwahl in Bochum gleich drei Mandate. Also verfünffachte sich zwischen 2009 und 2014 das rechte Potenzial im Bochumer Stadtrat – was aufzeigt wie weit rechts ein Teil der Bochumer Wählerschaft denkt. Ein Potenzial, dass die NPD im ganzen und in Bochum im speziellen nicht verstand auf sich zu vereinnahmen. Aber genau dies ist das Klientel, was eine solche rechte Kundgebung wie am 7. April in Bochum begrüßen würde. Das sollte man nicht unerwähnt lassen und hier so lässig die NPD abwatschen. Die NPD erfüllt noch Funktionen für dieses Klientel. Sie meldet solche Kundgebungen an. Dazu kommt der Fakt, dass der zweite Verbotsantrag zur NPD vor dem Bundesverfassungsgericht 2017 abgelehnt wurde. Sie somit als älteste rechtsradikale bundesdeutsche Partei nicht aus der Parteienlandschaft verschwunden ist. Sowie die Tatsache, dass die Partei „Die Rechte“ und die NPD in der Nachbarstadt Dortmund, wie auch in der Region, sich gegenseitig unterstützen und kooperieren. Hier also gegenseitigen Nutzen aus der Zusammenarbeit ziehen. Die NPD ist also mehr als angezählt, aber immer noch da. Und wie heißt es noch: Totgesagte leben länger.
    So weit.

    – Weiterhin unverständlich in diesen Zeilen ist der Passus „angeblich europaweit mobilisiert“. Wenn der Schreiber sich informiert hätte, wüsste er, dass vor einem halben Jahr, im November 2017, die Partei „Die Rechte“ in Schwerte eine Konferenz mit dem Titel „Gemeinsam für Europa“ mit verschiedenen rechten Gruppen und Parteien aus Europa abgehalten hat. Im Anschluss dieser Konferenz wurde eben von diesen Organisationen zu einer gemeinsamen Demonstration in Dortmund aufgerufen. Verfolgt man die Internet-Präsenzen dieser Organisationen, sieht man, dass sie mit Delegationen und Rednern anzureisen gedenken. Was soll diese „angeblich“. Es scheint, dass dieses Verniedlichen und Minimalisieren der extremen Rechten in Dortmund, wie es in Dortmund allgemein der Fall ist, jetzt auch auf Bochum übergreift.
    In der Stadt Dortmund herrscht der „Modus Vivendi“ vor, einerseits die heimischen Nazis und ihre Aktionen zu skandalisieren, andererseits sich ständig über deren angebliche Unfähigkeit und Erfolglosigkeit lustig zu machen. Den innewohnenden Widerspruch „Warum muss man erfolglose Politik skandalisieren?“ scheint man in Dortmund nicht erkennen zu wollen. Das die extremen Rechten ein ausuferndes und manifestes soziales und politisches Problem in der benachbarten Ruhrmetropole geworden sind, kann man seit langen nicht mehr von der Hand weisen. Selbst in einem Tatort-Krimi („Hydra“) von 2015 sind die Dortmunder Nazis schon thematisiert worden. Aber angesichts der lokalen Reaktionen auf die Dortmunder Nazi-Szene werden die dortigen Nazis anscheinend nur außerhalb Dortmund ernst genommen. Die ewige Skandalisierung scheint auf antifaschistischer Seite in Dortmund dazu zu dienen sich selbst zu vergewissern und/oder städtische Jobs zu rechtfertigen. Von einer erfolgreichen antifaschistischen Praxis kann ja nun bei Dortmunder Verhältnisses nicht die Rede sein. Und vermutlich muss deswegen die angebliche Erfolglosigkeit der Dortmunder Nazis immer wieder betont werden. Denn ist das Gegenüber erfolglos, kann in der Dichotomie Erfolg-versus-Erfolglosigkeit der Erfolg nur bei einem selber liegen. Oder nicht?
    Das es gerade Dortmunder Nazi-Bezüge sind, die als Ausdruck rechtsradikaler Bewegungspolitik europaweit ihre Kameraden nach Dortmund rufen sollte einem schon primär zu denken geben. Es ist zur Zeit, außer dem JN-Europa-Kongress im Mai und den wachsenden Rechtsrockkonzerten mit MMA Beteiligung (siehe das Schwert und Schild Festival AM 20./21. April im Hotels Neisseblick in Ostritz), der einzige größere Ausdruck trans-nationaler Vernetzung von rechtsradikaler und militanter Straßenpolitik. Und das es gerade mal wieder Dortmund ist, wo sich anlässlich des rechtsradikalen Aufmarsches „Tag der deutschen Zukunft“ im Juni 2016 die diversen Vertreter der rechtsterroristischen „Combat 18“ aus England, Holland, Belgien und Deutschland trafen. Sowie auf der Demonstration der Italiener Francesco Fontana anwesend war, von dem es heißt, dass er europaweit für die rechtsradikale „Misanthropic Division“ in der Ukraine rekrutiert, beweist auf welchen Niveau im europäischen Kontext sich die Dortmunder Politik der Partei „Die Rechte“ bewegt.
    Solche saloppen „angeblich“ nehmen die politischen Dimensionen der Nazistrukturen nicht ernst, sparen sich jede Analyse und bewegen sich so auf dem schon genannten Niveau „erfolgreicher“ Antifa-Politik in Dortmund.

    Zur Zeit sieht es so aus, dass die Nazis in Dortmund ungestört für ihre „Europa erwache“ Demonstration werben können. Anscheinend konnten sie auch diverse Stelltische in unterschiedlichen Stadtteilen durchführen. Laut ihrer Aussage, seien diese ohne Störungen verlaufen. Nicht das man davon ausgehen kann, Infostände die 1 bis 2 Stunden irgendwo stehen mal eben so be- oder verhindern kann. Und nicht das von einem Massenansturm der BürgerInnen auf diese Infotische auszugehen ist. Aber es spricht Bände, dass diese Stände überhaupt möglich sind und wieweit die Normalisierungsstrategie der Nazis in Dortmund schon gediehen ist. Ebenfalls, dass die Nazis mit Kundgebungen in Unna (29.03.) und Hamm (31.03.), sowie am 7. April in Duisburg, Gelsenkirchen und Bochum ihre regionale Vernetzung und Mobilisierungsfähigkeit unter Beweis stellen.

    Solch eine Normalisierung von Nazistrukturen sollte man konsequent verhindern. Saloppes „Runterreden“ gehört nicht dazu.

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