Donnerstag 12.10.17, 16:58 Uhr
Tareq Alaows anlässlich der Jubiläumsfeier der MFH:

Zusammenarbeit und Solidarität


Tareq Alaows ist aus Syrien geflüchtet und engagiert sich in der Initiative Refugee-Strike. Er arbeitet im Sozialteam der Medizinischen Flüchtlingshilfe und stellte diesen Tätigkeitsbereich auf der Jubiläumsfeier am Freitag vor: »Guten Abend liebe Kolleg*Innen, Freund*Innen, Gäste,
Tareq Alaows ist mein Name und ich spreche heute im Namen des Sozialteams der Medizinischen Flüchtlingshilfe. Wie angekündigt, arbeitet das Sozialteam in verschiedenen Bereichen, die ich heute vorstellen darf.
Zuerst ist da das Sozialteam für Erwachsene, dort arbeiten zwei Vollzeit-Angestellte von uns in Bochum und eine oder einer in Hattingen: Hanif Hidarnejad, Henrike Pankratz, Vera Macht, Christina Albrecht und Kinan Araz.
Im Sozialteam für unbegleitete minderjährige geflüchtete Menschen arbeiten drei Kolleginnen: Dominique Abomo Metogo, Christina Albrecht, Antonia Kreul
In der mobilen Beratung, da wo ich zurzeit arbeite, sind drei Personen eingestellt mit 100 Arbeitsstunden in Bochum und Hattingen. Mit unserem mobilen Beratungsbus fahren wir in die Geflüchteten-Unterkünften und beraten die Menschen vor Ort.
Im Sozialdienst kommt also einiges zusammen: In der MFH wurden im letzten Jahr 1180 Personen bzw. Familien beraten.
Was machen wir eigentlich in der Sozialberatung?
Zum Einen machen wir Verfahrensberatung: Vorbereitung auf das Asylverfahren, Nachbereitung der Interviews und Beratung bei Ablehnung eines Flüchtlingsstatuses.
Der andere Bereich umfasst alles „Soziales“: Zum Beispiel Unterstützung bei der Suche nach einer Schule, Wohnung, einem Ausbildungs-, Arbeits- oder Studienplatz und Sprachkursen sowie die Beratung zu Gesundheit und Sozialleistungen.
Das hört sich alles sehr bürokratisch an, deshalb wollen wir euch ein Beispiel für unsere Arbeit geben:
Ende August 2016 protestierten vor dem Bochumer Rathaus etwa 100 geflüchtete Menschen. Der Grund war die sogenannte Wohnsitzauflage, die am 6. August 2016 mit  dem sogenannten Integrationsgesetz in Kraft trat. Die Wohnsitzauflage sollte für die Menschen heißen, dass jede Person, die nach dem 01.01.2016 als Flüchtling anerkannt wurde, in der Kommune wohnen muss, in der ihr Asylantrag bearbeitet wurde. Und zwar rückwirkend.
Das heißt: Alleine aus Bochum sollten 860 Menschen wieder deutschlandweit in Kommunen zurückziehen, in denen sie teilweise ausgegrenzt oder von Neonazis angegriffen wurden und einfach keine Perspektive für sich sahen. Dabei hatten sie hier schon Wohnungen, Familie, Freund*innen oder Sprachkurse begonnen. Natürlich wehrten sich die Menschen dagegen und protestierten 14 Tage lang Tag und Nacht vor dem Rathaus.
Neben der Unterstützung von Aktivist*innen war auch die MFH vor Ort. Denn es gab ein Schlupfloch: Sogenannte Härtefallanträge, die man bei der kommunalen Ausländerbehörde stellen konnte. Gemeinsam mit Asylrechtsanwält*innen aus der Umgebung hat die MFH schnell ein Formular für einen Härtefallantrag erstellt, dass das Sozialteam zuerst im Protestcamp und im Anschluss in drei Sprechstunden mit etwa 250 betroffenen Menschen ausfüllen und an die Ausländerbehörde übergeben konnte. Diese Menschen konnten bleiben.
Im Anschluss hat die MFH dann über den von ihr mitgegründeten Initiativkreis eine Stellungnahme gegen die Wohnsitzauflage verfasst und an den Rat, die Stadt Bochum, die Ausländerbehörde sowie die Presse verschickt. Dutzende Initiativen und Einzelpersonen haben die Stellungnahme unterstützt.
Außerdem haben wir ein aufgeklärt: Mit einem Informationsblatt in mehreren Sprachen, das an die Ausländerbehörde übergeben wurde, haben wir gemeinsam mit dem Refugee Strike Bochum den Menschen Gründe aufgezeigt, die die Menschen in ihren Härtefallanträgen angeben konnten.
So konnten hunderte Menschen hier in Bochum bleiben statt etwa in abgeschottete Kommunen im Osten Deutschlands zurückgehen zu müssen, wo sie auch noch Übergriffe von Rechts fürchteten.
Dieses Beispiel zeigt sehr gut, wie wichtig Zusammenarbeit der MFH mit lokalen Initiativen und Organisationen in der Flüchtlingshilfe sowie migrantischen Selbstorganisationen ist. Durch konkrete Einzelfallhilfe, öffentliche Stellungnahme und breite Aufklärung konnten wir die Folgen der Wohnsitzauflage effektiv in Bochum verhindern.
Es zeigt auch, wie wichtig die Unabhängigkeit der MFH ist: Wir im Sozialteam fühlen uns nur unseren Klient*innen verpflichtetet und wollen ein gutes Leben für sie erreichen. Das wollen wir auch in Zukunft tun.
Zusammenarbeit, gemeinsam stehen und Solidarität: Das ist wenn man sich die immer wieder beschlossenen Asylrechtsverschärfungen ansieht, wichtig. Die Wohnsitzauflage ist nur ein Beispiel dafür, wie Menschen durch Gesetze verzweifeln und für sich keine Perspektive mehr sehen. Aber durch gemeinsames Handeln konnten wir eine Zukunft für die Menschen in Bochum erreichen.
Das wird in den kommenden vier Jahren weiter wichtig bleiben, jetzt wo die AfD in den Bundestag eingezogen ist und viele Parteien noch weiter nach rechts rücken wollen. Das bedeutet für uns im Sozialteam: Wir erwarten genauso oder noch härtere Gesetze. Zeit, dass wir solidarisch und gemeinsam dagegen handeln. Gegen den Rechtsruck und für eine solidarische Welt miteinander.
Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.