Freitag 22.09.17, 09:35 Uhr
Wohnungsleerstände und Zweckentfremdungssatzung

Falsches Spiel vor der Bundestagswahl?


Das Bochumer Netzwerk ‚Stadt für Alle’ kritisiert den Umgang mit dem Thema Zweckentfremdungssatzung in den Ausschüssen des Stadtrates. In der Ratssitzung am 30. August hatten SPD, CDU und AfD gemeinsam eine Entscheidung über die Initiative zum Schutz und Erhalt von Wohnraum verhindert. Die SPD begründete ihr Verhalten in einer Erklärung wie folgt: „Zu einer ordentlichen Abwägung gehört, dass die Fachausschüsse sich damit beschäftigen.“ Doch während die Bezirksvertretungen nacheinander alle ein Votum abgaben (viermal Zustimmung, einmal Ablehnung, ein Patt), wird in den Fachausschüssen aktuell gar nicht beraten.

Nach dem Planungs- und dem Hauptausschuss schob am Donnerstag auch der Sozialausschuss das Thema ohne Aussprache und Votum weiter. Nun soll die einzige Debatte im Strukturentwicklungsausschuss stattfinden – der erst nächste Woche tagt, einen Tag vor der Ratssitzung. Rainer Midlaszewski vom Netzwerk Stadt für Alle: „Es ist offensichtlich, dass starke Kräfte im Rat vor der Bundestagswahl inhaltlich nichts zum Thema sagen wollen. Anscheinend wird befürchtet, mit einer Positionierung Wählerinnen und Wähler zu verprellen.“

Nach dem Eindruck des Netzwerks ‚Stadt für Alle’ tut sich vor allem die SPD schwer. Linke und Grüne haben sich offen für die Satzung ausgesprochen, CDU und FDP dagegen. Während der Satzungsentwurf an der SPD-Basis viele Unterstützer*innen hat, haben die SPD-Mitglieder in den Bezirksvertretungen uneinheitlich abgestimmt.

„Aufgrund der Diskussionsverweigerung in den Ausschüssen des Rates befürchten wir, dass die SPD-Ratsfraktion die Satzung scheitern lassen will“, sagt Rainer Midlaszewski. „Die Vortäuschung von Beratungsbedarf, um eine unpopuläre Ablehnung bis nach den Bundestagswahlen zu verschleppen, wäre jedenfalls ein unerhörter Vorgang. Wir fordern die SPD-Ratsfraktion auf, ihr Schweigen zu brechen und sich ausdrücklich zu der Satzung zu bekennen.“

Nicht nur das Netzwerk ‚Stadt für Alle’ fordert vehement die Verabschiedung der Zweckentfremdungssatzung, um die vielen Wohnungsleerstände in Bochum zu aktivieren. Auch der Bochumer Mieterverein, das Bochumer Bündnis für Arbeit und soziale Gerechtigkeit sowie weitere Initiativen sprechen sich dafür aus. „Bei der Abstimmung im Stadtrat wird es auf die Stimmen der SPD-Fraktion ankommen“, sagt Rainer Midlaszewski. „Die Bochumer Sozialdemokratie muss sich jetzt entscheiden, ob sie wohnungspolitische Verantwortung übernimmt, oder ob sie stattdessen lieber der CDU und FDP den Rücken für ihre unsozialen Pläne stärken will.“

Die schwarz-gelbe NRW-Landtagskoalition hat angekündigt, viele Mieter*innenschutzrechte abzuschaffen – darunter auch die Möglichkeit für Kommunen, neue Zweckentfremdungssatzungen zu erlassen. Nach einem Dringlichkeitsantrag der Linksfraktion legte die Bochumer Stadtverwaltung einen Satzungsentwurf vor, um der drohenden Gesetzesänderung zuvor zu kommen.

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