Mittwoch 30.11.16, 13:04 Uhr

Das Bundesverfassungsgericht kippt Verbotsregelung am Karfreitag 2


„Die Befreiungsfestigkeit des besonderen Stilleschutzes am Karfreitag ist mit den Grundrechten unvereinbar“, lautet die Überschrift einer heute veröffentlichten Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichtes. Mit diesem Juristen-Kauderwelsch ist gemeint, dass ein generelles Verbot jeglicher fröhlicher Betätigungen am Karfreitag verfassungswidrig ist. Der Gesetzgeber darf zwar Schutzbestimmungen erlassen, mit denen geregelt wird, dass ChristInnen ungestört der Ermordung ihres Religionsstifters gedenken, es muss aber auch Ausnahmen für Menschen geben, die gottlos glücklich sind.  Im konkreten Fall ging es um eine Beschwerde des „Bundes für Geistesfreiheit“, der am Karfreitag 2007 in München eine Veranstaltung unter dem Motto „Heidenspaß statt Höllenqual – religionsfreie Zone München“ abhalten wollte. Die Stadt untersagte dies.
Die Initiative Religionsfrei im Revier hat in den vergangen Jahren in Bochum gezielt gegen das Feiertagsgesetz verstoßen, indem sie den Film „Das Leben des Brian“ zeigte. Die Stadt Bochum hat deshalb ein Bußgeld verhängt. Diese Entscheidung wurde vom Amtsgericht in abgemilderter Form bestätigt. Dagegen hat die Initiative vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Sie rechnet damit, dass auch ihr Klage demnächst positiv entschieden wird.


2 Gedanken zu “Das Bundesverfassungsgericht kippt Verbotsregelung am Karfreitag

  • Erich Eisel

    Christlicher Fundamentalismus

    Der jetzt veröffentlichte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Oktober 2016 schafft grundsätzlich keine Veranstaltungsfreiheit für den sog. Karfreitag, sondern fordert lediglich, dass der Gesetzgeber „die Möglichkeit einer Ausnahme von stilleschützenden Unterlassungspflichten vorsehen“ müsse.

    Ansonsten betoniert die Begründung eine frömmelnde Feiertagsromantik, wie sie selbst von christlichen Fundamentalisten nicht schlimmer formuliert werden könnte: „Der Schutz des Karfreitags als Feiertag mit grundsätzlich gewährleisteter Arbeitsruhe bietet in Verbindung mit dem besonderen Stilleschutz in Anknüpfung an lange bestehende entsprechende Regelungen einer großen Zahl von Gläubigen einen äußeren Rahmen, den Tag in religiös-christlicher Tradition zu begehen, und sei es auch nur in individueller Zurückgezogenheit.“ (RdNr. 83). Daher wird auch die 2007 verbotene „Heidenspaß-Party“ in München nicht völlig erlaubt, sondern zunächst eingeräumt, dass dieser „gemischten Veranstaltung der Schutz der Versammlungs- und Weltanschauungsfreiheit nicht zu versagen“ sei (RdNr. 96). Hierzu wird dann gerade so eben „trotz bestehender Zweifel“ erklärt, dass sie „sich trotz des deutlich mitprägenden Vergnügungscharakters noch als weltanschauliche Ausrichtung . . . begreifen lässt“ (RdNr. 105).

    Alles klar? Eine belehrende weltanschauliche Veranstaltung darf’s notfalls auch mit einer Prise Vergnügung geben; aber (ohne religiös-christliche Zurückgezogenheit) nur reiner Spaß â€“ das geht nach diesem Beschluss doch wirklich nicht. Und da in den letzten Jahren im Sozialen Zentrum und im Riff während des Films „Das Leben des Brian“ gelacht und mitgesungen wurde . . . muss dieser Film wohl noch so oft gezeigt werden, bis der Europäische Gerichtshof anerkannt hat, dass Staaten religiös und weltanschaulich völlig neutral sein und bleiben (bzw. für die BRD: erstmal werden) müssen.

    Aber: jeder nur einen Leserbrief!
    Erich Eisel

  • Som Jo Tien

    Das eigentlich Erschreckende sind die rechtlichen Begründungen in den vorhergehenden Instanzen – einschließlich des Widerspruchsbescheid der Verwaltung.

    Jeder Jurastudent im vierten Semester sollte gelernt haben, dass ein Gesetz Ausnahmeregelungen enthalten muss.

    Das gebietet das Verhältnismäßigkeitsprinzip.

    Die vorbildliche Darlegung des Bundesverfassungsgericht hierzu sollte eigentlich überflüssig sein.

    Es ist schon erstaunlich, wie wenig Grundgesetz in all den Jahren seit seinem Bestehen in den Gemeinden – landauf, landab – gelebt wird. Die Ignoranz der vermeintlich demokratischen Kräfte gegenüber den grundlegenden Prinzipien der Verfassung sind schon frappierend.

    Wenn ich sehe, wer mit welcher Meinung im Rathaus in Verwaltung und Politik die Dinge regelt, so denke ich, ist ein Qualitätssprung dringend nötig. Die Ausbildung und praktische Anwendung muss dringend verbessert werden.

    Warum das die Politik nicht will, ist die entscheidende Frage.

    Mein Dank geht an die Bf und die G-B-S: https://www.giordano-bruno-stiftung.de/sites/gbs/files/1bvr45810_gbs.pdf

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