Montag 29.08.16, 07:50 Uhr

Bericht von RefugeeStrike Bochum


Ein Bericht von RefugeeStrike Bochum über die Gespräche mit der Stadt Bochum (Stabsstelle Operative Flüchtlingsarbeit) im August: »Im August fanden zwei weitere Gespräch mit der Stadt Bochum statt. Am 2. sowie 19. August fand das Gespräch mit dem Leiter der Stabsstelle Dirk Hagebölling statt. Während der Gespräche wurden erneut der Umgang der Stadt mit Geflüchteten, die Umsetzung unserer Forderungen sowie derzeitige Pläne der Stadt thematisiert. Hier folgt unsere Zusammenfassung der Gespräche:Laut Anweisung des Innenministeriums sollen alle Geflüchteten bis Oktober zumindest einen Asylantrag gestellt haben können. Die Bezirksregierung Arnsberg ist seit August für die Terminvergabe zuständig. Anfang dieses Monats hat die Stadt Bochum in einer Pressemitteilung außerdem angekündigt, dass sie in Kooperation mit dem BAMF und der Bezirksregierung täglich 120 Plätze zur Antragsstellung und Anhörung direkt in Bochum ausgehandelt habe. Antragsstellende müssten deshalb nicht erst in andere Außenstellen gefahren werden, was sonst Aufgabe der Stadt gewesen wäre. Die Termine beim Bochumer BAMF sollen ab Ende August vergeben werden. Die Möglichkeit zur Antragsstellung in Bochum begrüßen wir.
Die Termine für die Antragsstellung werden durch die Stadt Bochum chronologisch nach bisherigem Aufenthalt in Bochum zugestellt. Hierfür bittet Dirk Hagebölling Refugees in Bochum, die sich unsicher sind, ob sie an der derzeitigen Wohnadresse auch korrekt gemeldet sind, sich bei ihrer Unterkunftsleitung oder direkt bei der Stadt Bochum mit einer E-Mail mit Namen und Anschrift an stabstelle@bochum.de zu melden.
Seit Anfang August erhalten Geflüchtete erst eine Einladung in die Bochumer Erstaufnahmeeinrichtung im Harpener Feld, wo sie sich dann einen Termin beim BAMF abholen sollen. So will die Stadt Bochum sicherstellen, dass Refugees den Termin auch tatsächlich erhalten haben. Wir begrüßen die Entwicklungen, dass Geflüchtete nach teilweise über einem Jahr Wartezeit endlich ihren Antrag stellen können.
Aber wir sehen die Beschleunigung der Asylverfahren auch kritisch: Die schnelle Terminvergabe führt dazu, dass Beratungsstellen gerade überlaufen sind und Geflüchtete sich innerhalb kurzer Zeit auf ihr wichtiges Interview vorbereiten müssen – oft ohne Hilfe. Außerdem führt die Bearbeitung vieler Anträge zur gleichen Zeit auch zu überlaufenen Rechtsanwälten, die bei Ablehnung der Verfahren – zum Beispiel aufgrund der Dublin-Regelung – keine Fälle mehr übernehmen können.
– Mittlerweile gebe es, so Dirk Hagebölling, bereits die ersten Asylanträge aus der Türkei, die aufgrund der derzeitigen politischen Entwicklung Asyl in der Bundesrepublik beantragen würden. Menschen, die dort politisch verfolgt würden, könnten natürlich nicht zurückgeschickt werden, so Hagebölling. Die Stadt will deshalb die Möglichkeit der Visaverlängerung anbieten: Wer bereits ein Visa in der Bundesrepublik habe, könne dies unbürokratisch um bis zu 6 Monate bei der Ausländerbehörde verlängern lassen. Es bleibt jedoch fraglich, was mit politisch Verfolgten geschieht, die kein Visum in Deutschland beantragen konnten. Deren einzige Möglichkeit hier Schutz zu suchen ist eben ein Asylantrag. Wir fordern deshalb aufgrund der aktuellen politischen Situation – Massenverhaftungen und Einschüchterungen, kriegerische Handlungen gegen Kurden – die Anerkennung der Asylanträge aller Geflüchteten aus der Türkei.
– Im Gespräch mit der Stadt wurden uns von Dirk Hagebölling auch Pläne für die Bochumer Erstaufnahmeeinrichtung (BEA) mitgeteilt: Dort soll es in Zukunft mehr Angebot für neu ankommende Geflüchtete geben. Neben einer ersten Einweisung und Information in der ersten Woche des Ankommens sollen dort Unterrichtsräume für Deutschunterricht sowie eine Berufs- und Studienberatung untergebracht werden. Außerdem könnten dort auch Beschwerden entgegen genommen werden.
– Die Notunterkünfte in den Turnhallen wurden geräumt. Die verbliebenen 100 Menschen sind in anderen Unterkünften wie den Container-Unterkünften Auf dem Kuhlenkampf und Auf der Heide untergebracht worden. Die Schließung der Turnhallen begrüßen wir, denn die seit Monaten andauernde Unterbringung ohne Privatsphäre und Selbstbestimmung zehrte an den Nerven der Menschen.
– In den kommenden Wochen sollen alle Geflüchteten zumindest in Containerunterkünften und Übergangsheimen untergebracht werden. Die Zelthallen sollen freistehen und als zusätzliche Unterkunft dienen, falls wieder mehr Menschen Asyl in Bochum suchen oder eine andere Unterkunft nicht mehr nutzbar sei. Das Zeltcamp an der Kollegstr. soll jedoch, so Dirk Hagebölling, auch für besonders sensible Gruppen, das heißt beispielsweise für Geflüchtete mit psychischen Krankheiten, genutzt werden, die neu in Bochum ankommen. Wir fragen uns, warum diese ans Ende der Stadt ausquartiert werden sollen und fordern zukünftig eine Unterkunft für diese sensiblen Gruppen, die nicht derart isoliert ist.
– Außerdem sollen laut den Aussagen von Dirk Hagebölling auch die zu Unterkünften umfunktionierten Schulen geräumt werden.
– Wir haben natürlich auch wieder nach der Abschiebepraxis der Stadt Bochum gefragt und ob in den nächsten Monaten vermehrt Menschen aus Bochum abgeschoben werden soll. Dirk Hagebölling antwortete, dass dies derzeit nicht Priorität sei. Wir lehnen Abschiebungen weiterhin ab und werden weiterhin für ein Bleiberecht kämpfen!
– Zu den Privatwohnungen: Das Grundsatzgespräch mit der VBW, dem Wohnungsunternehmen, an dem die Stadt beteiligt ist, steht immer noch aus. Bereits in den vergangenen Gespräch hatten wir die rassistische Vergabepraxis der VBW kritisiert und uns wurde zugesagt, dass die Stadt den Kontakt aufnehmen würde. Da dies noch nicht geschehen ist, wird Geflüchteten in der Wohnbar der VBW, einem Service-Punkt gegenüber dem Hauptbahnhof, weiterhin erzählt sie müssten berereits einen Aufenthaltstitel haben, um eine Wohnung beim Unternehmen mieten zu können. Das ist eine willkürliche und diskriminierende Entscheidung des Unternehmens, denn sowohl Bundesregierung als auch die Stadt Bochum betonen, dass es auch vorher (mit BüMA-Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchende) möglich ist, eine Wohnung zu mieten. Es darf nicht sein, dass ein Unternehmen, das mehrheitlich der Stadt gehört, eine große Gruppe von vorne herein ausschließt. Denn für die unerträglichen Verzögerungen bei der Gewährung von Aufenthaltstiteln sind nicht die Geflüchteten verantwortlich, sondern die Behörden. Wir fordern weiterhin ein klärendes Gespräch mit der VBW!
– Weiterhin ist ein großes Problem, dass die Genehmigung zur Suche einer Privatwohnung oft wochenlang beim Sozialamt verweilt und Menschen, die bereits eine Wohnung gefunden hatten, diese dann wieder verlieren. Dirk Hagebölling hat angeboten, dass zur Verkürzung der Wartezeit die Genehmigung für eine Wohnung an einem wöchentlichen Termin im der BEA im Harpener Feld erfolgen könnte. Dort könnten dann Verantwortliche zur Unterbringung vom Sozialamt sowie der dortigen leistungsgewährenden Stelle ein Mal in der Woche einen Termin anbieten, an dem alle Genehmigungen in einem Schritt erfolgen könnten. Ein erster Probetermin für ein solches Verfahren könnte Ende der Sommerferien stattfinden. Wir werden diese Maßnahme beobachten, denn wir fordern weiterhin dringend eine schnellere Bearbeitung, damit so viele Menschen wie möglich so schnell wie möglich aus den Massenunterkünften ausziehen können!
– Ein weiteres Problem bleibt damit aber: Nicht alle Refugees können sich möglicherweise im gleichem Maß eine Privatwohnung suchen. Denn die Stadt unterscheidet zwischen Geflüchteten aus den Ländern Syrien, Irak und Eritrea jenen aus allen anderen Herkunftsländern. Zweitere Gruppe muss bevor ihnen eine Genehmigung erteilt werden kann, eine Privatwohnung zu suchen, erst durch eine Prüfung der sogenannten Bleibeperspektive, die durch die Ausländerbehörde und das BAMF stattfindet. Deshalb verzögert sich für diese Menschen die Genehmigung teils um mehrere Monate, während Geflüchtete aus Syrien, Irak und Eritrea innerhalb weniger Wochen eine Genehmigung erhalten. Wir wehren uns vehement gegen diese Diskriminierung, die Geflüchtete in zwei Klassen teilt! Wir fordern die gleichen Rechte für alle – egal welches Herkunftsland auf dem Pass steht.
– Wir fragen außerdem: Warum gibt es bis heute keine Beschwerdestelle für Geflüchtete bei der Stadt? Schließlich hat der Rat bereits im Februar beschlossen, dass die Verwaltung eine mögliche Einrichtung einer von Stadt und freien Trägern unabhängige Ombudsstelle prüfen solle. Als wir nachfragten hieß es, es gäbe bislang einfach keine unabhängige geeignete Person für die Stelle. Wir fordern weiterhin eine unabhängige Beschwerdestelle.
-Laut Stadt sollen die ersten Stellen für Geflüchtete, die als Peers in den Unterkünften ansprechbar sein sollen, in den nächsten Wochen geschaffen werden. Die vorerst fünf Peers sollen befristet für ein Jahr maximal 30 Stunden pro Woche in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden und zum Beispiel Fahrdienste übernehmen oder vermittelnd Beratung und Information für Geflüchtete geben. In Zukunft will die Stadt bis zu 20 Geflüchtete so beschäftigen. Sie sollen über das Jobcenter vermittelt werden, Interessierte sollen sich also beim Integrationpoint melden. Voraussetzung ist jetzt laut Stadt allerdings eine positive Bleibeperspektive oder ein Bleibetitel: Eine Information, die wir sehr bedauern. Schließlich werden hier wiederum alle diskriminiert, die nicht aus bevorzugten Herkunftsländern kommen. Wir finden: Gleiche Chance für alle Refugees – Die Trennung nach Herkunftsländern lehnen wir strikt ab!
– Wir haben außerdem die Auswirkungen des neuen Integrationsgesetzes bei der Stadt angesprochen. Laut dem im August verabschiedeten Integrationsgesetz müssen alle Geflüchteten, die im Jahr 2016 ihre Anerkennung als Geflüchtete erhalten haben, ihren Wohnsitz in der Stadt suchen, in der sie ihren Antrag gestellt haben. Dabei gibt es nur ein paar Ausnahmen, zum Beispiel ein vorhandener Ausbildungs-, Studien- oder Arbeitsplatz. Das Gesetz wirkt aktuell rückwirkend: Menschen, die teilweise bereits seit Monaten in Bochum leben, müssten in die Städte zurückziehen, in der sie den Antrag gestellt haben, obwohl sie zum Zeitpunkt des Umzuges nach Bochum noch gar nicht wissen konnten, dass sie hier keinen Wohnsitz suchen dürfen. Wir fordern, dass alle Geflüchteten, die nach Bochum gekommen sind, hier bleiben können!
-Mit verschiedenen Stellen (Bogestra, USB, Gartenamt, Krankenhäusern) werde von Seiten der Stadt weiterhin an Möglichkeiten für Praktikums-, Arbeitsstellen- und Ausbildungsmöglichkeiten gearbeitet. Bislang gibt es jedoch nur ein Angebot vom USB. In Zukunft will die Stadt nach Bedarf agieren: Das heißt, dass Geflüchtete sich mit ihren Jobvorstellungen beim Jobcenter anmelden sollen. Danach werde evaluiert, welche Berufe vorhanden seien und es würden sogenannte Schnupperjobs angeboten. Im Zusammenhang mit dem neuen Integrationsgesetz fordern wir neben diesen ersten Arbeitsgelegenheiten tatsächliche Arbeits- und Ausbildungsplätze, weil diese eine Abschiebung verhindern können.
– Zum Ehrenamt: Die Stabstelle für Operative Flüchtlingsarbeit will in Zukunft eine Liste der ehrenamtlich tätigen Gruppen sammeln und danach Legitimationsbescheinigungen für Ehrenamtliche ausstellen. Mit diesen sollen sie die Unterkünfte einfacher betreten können. Wir hoffen, dass dieses Verfahren keine negativen Konsequenzen für Ehrenamtliche haben wird und fordern, dass alle ehrenamtlich Tätigen eine solche Bescheinigung erhalten werden.
-Ende Juni sollte eigentlich ein Bochumer Ableger der Smartphone-App „Integrate“ an den Start gehen. Wir werden seit Monaten zum Start der App vertröstet – derzeit soll die Version für das IPhone noch nicht einsatzbereit sein und die App soll wieder erst Ende des Monats August verfügbar sein. In der App soll ein sogenannter „Fahrplan für Refugees“ enthalten sein, der beschreibt, worauf Refugees achten müssen, wenn sie in Bochum ankommen. Themenkomplexe sollen beispielsweise der Umzug in Wohnungen und die Arbeitsaufnahme sein. Außerdem sollen Termine für Refugees in der App stehen und im weiteren Verlauf auch ein Bereich für Ehrenamtliche entstehen. Nun wurden wir gefragt, eine Liste mit Themen einzureichen, zu denen die Stadt offizielle Informationen geben soll. Wir begrüßen zwar die Arbeit an der App, fordern jedoch weiterhin zeitnah ein offizielles Schreiben der Stadt, in dem multilingual erklärt wird, wie Geflüchtete in Wohnungen ziehen und eine Arbeit aufnehmen können. Diese Forderung wurde seit dem Protestcamp im März nicht erfüllt.
Das nächste Gespräch mit der Stadt Bochum wird am 14. September stattfinden. Wir werden weiterhin aus den Gesprächen berichten.«