Dienstag 29.09.15, 15:07 Uhr
Das Bochumer Bündnis für Arbeit und soziale Gerechtigkeit und die DGB-Gewerkschaften rufen zur Demonstration auf:
„Stopp TTIP & CETA - Für einen gerechten Welthandel“

Am 10. Oktober 2015 nach Berlin!


Das Bochumer Bündnis für Arbeit und soziale Gerechtigkeit und die DGB-Gewerkschaften rufen zur Demonstration „Stopp TTIP & CETA – Für einen gerechten Welthandel“ am 10. Oktober 2015 in Berlin auf
In einem Pressegespräch formulierten die Organisationen des Bochumer Bündnisses für Arbeit und soziale Gerechtigkeit ihren Widerspruch gegen das geplante Freihandelsabkommen „TTIP“. Jochen Marquardt, Geschäftsführer des DGB in der Region und Sprecher des Bündnisses unterstrich die vorhandene Kritik an den Abkommen und forderte dazu auf, in den verbleibenden Tagen noch einmal mit aller Kraft für die Teilnahme an der Demonstration zu werben. „Unsere zentralen Widerspruchspunkte sind die nach wie vor intransparenten Verhandlungen, die keine Gewähr dafür bieten, dass Arbeits- und Tarifregelungen sowie Umwelt- und Verbraucherschutz gesichert sind.
Wir wenden uns gegen die Versuche, durch private Investorengerichte, die rechtsstaatlich vorhandenen Möglichkeiten zu umgehen und Märchen über mögliches Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze zu verbreiten. Nach vorhandenen Prognosen des IFO-Instituts und der Bertelsmann-Stiftung sind die Wachstumsperspektiven bestenfalls marginal und der versprochene Arbeitsplatzaufbau ist bei einer Zahl von 12.935 Arbeitsplätzen pro Jahr für ganz Deutschland nicht einmal geeignet, die Erwerbslosigkeit in Bochum zu überwinden.“
Für das Bündnis forderte er dazu auf, den Protest in Berlin durch viele Menschen aus Bochum zu unterstützen. Nachdem im Februar des Jahres der Bochumer Rat eine Resolution gegen die vorliegenden TTIP-Überlegungen beschlossen hat, wünscht sich das örtliche Bündnis auch die Teilnahme des neuen Oberbürgermeisters Thomas Eiskirch und eine Beteiligung der kommunalen Politik. Aus den Reihen der Teilnehmer des Pressegesprächs meldeten sich Vertreter verschiedener Organisationen und Institutionen zu Wort und formulierten ihre Anforderungen:

Rolf Geers, Geschäftsführer Kinder- und Jugendring Bochum:
„Für uns als Kinder- und Jugendring sind die Folgen der Freihandelsabkommen TTIP und CETA für unsere Kinder und für nachfolgende Generationen besonders wichtig. Sind diese Abkommen einmal beschlossen, so gibt es keine Möglichkeit mehr, sie wieder außer Kraft zu setzen. Wir müssen also ganz besonders genau hinschauen, was da verabschiedet werden soll.
Mit den sogenannten Freihandelsabkommen TTIP und CETA droht eine Aushöhlung von demokratischen Entscheidungsprozessen, da Gesetzesvorlagen vor der parlamentarischen Beratung mit Lobbyisten abgestimmt werden sollen. Damit bekommen Konzerne Einfluss auf die Gesetzgebung, der ihnen in einer Demokratie nicht zustehen darf. Außerdem sollen Konzerne die Möglichkeit erhalten, Staaten vor privaten Schiedsgerichten zu verklagen, wenn politische Entscheidungen ihre Profite schmälern. Diese Gerichte tagen geheim und eine Berufung ist nicht möglich. Bei den Schiedsgerichtsverfahren geht es um sehr hohe „Schadensersatzforderungen“. Entscheidungen zugunsten der Konzerne können die öffentlichen Kassen erheblich belasten. Finanzielle Mittel, die dann für die Daseinsfürsorge, bei der Bildung und beim Ausbau der Infrastruktur fehlen.“

Holger Schelte, Der Paritätische Nordrhein-Westfalen, Kreisgruppe Bochum:
„Gefahr für die sozialen Angebote in der Stadt: Soziale Unterstützungen und Hilfsangebote werden zukünftig nur noch von sehr wenigen großen Wirtschaftsunternehmen geleistet. Die Aufträge der Stadt bekommt zukünftig nur der Billigste und nicht der beste Anbieter. Es gibt in Deutschland die sogenannte öffentlich geförderte soziale Daseinsvorsorge, getragen von der Freien Wohlfahrtspflege (Der Paritätische, Diakonie, Caritas, etc.). Sie ist von hohem allgemeinem Interesse und bildet eine tragende Säule des vorbildlichen deutschen Sozialstaates, geregelt u. a. im Grundgesetz. Die USA kennen diese Strukturen in dieser Form nicht und sehen sie als hinderlich für Investitionen großer Konzerne. Gefahr: Die hohe gesellschaftliche Relevanz und die Besonderheiten der deutschen Daseinsvorsorge durch gemeinnützige Organisationen mit ihrem langjährigen Expertenwissen und der breiten Palette sozialer Angebote mit extrem hohen Standards werden im Abkommen nicht geregelt und die soziale Arbeit wird zu einer reinen Wirtschaftsleistung, angeboten von wenigen Großunternehmen. Schon mittelfristig werden große Bevölkerungsteile nicht mehr menschenwürdig versorgt, Wahlmöglichkeiten gibt es nicht mehr, gute soziale Leistungen können sich nur noch die Wohlhabenden leisten, die sie am wenigsten benötigen. Das wäre das Ende des deutschen Sozialstaats, der eben auch durch die Fachexpertise der Sozialverbände getragen wird. Ihre Besonderheiten müssen bei einem Freihandelsabkommen geschützt werde. Die gemeinnützigen Dienste der Wohlfahrtspflege erfüllen einen besonderen Gemeinwohlauftrag und tragen durch effiziente zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts bei. Sie stärken den sozialen Zusammenhalt außerdem durch Partizipationsangebote und bürgerschaftliches Engagement. Gefahr: Die Möglichkeit der öffentlichen Finanzierung gemeinnütziger sozialer Dienste und die Anerkennung ihres gemeinnützigen Handelns durch einen besonderen steuerrechtlichen Status sind durch TTIP nicht mehr gesichert bzw. werden als wettbewerbsverzerrend betrachtet.“

Gudrun Müller, Geschäftsführerin ver.di Bochum/Herne:
„Bei TTIP geht es vorrangig um den Wegfall sogenannter nichttarifärer Handelshemmnisse. Dies sind z.B. Verbraucherschutz, Kennzeichnungspflicht, Datenschutz und vor allem auch Arbeitnehmerrechte.
In den USA haben die abhängig Beschäftigten weniger Rechte als in Europa. So gilt in den USA z.B. nicht das Recht der freien Gründung von Gewerkschaften und auch Tarifverhandlungen sind keine Selbstverständlichkeit. Bei Arbeitszeiten, Urlaubsregelungen, Arbeits- und Gesundheitsschutz und auch bei der Mitbestimmung fallen die USA weit hinter Europa zurück. Somit besteht die Gefahr, dass es im Zuge der unter strengster Geheimhaltung stattfindenden TTIP-Verhandlungen zu einer Abwärtsspirale bei den nationalen Arbeits- und Sozialstandards kommt.
Aus Sicht von ver.di gibt es zudem auch erhebliche Risiken für die öffentliche Daseinsvorsorge. Das Angebot an sozialen Dienstleistungen darf keinesfalls den Regeln des Marktes und des Wettbewerbs unterworfen werden. Denn dann würde allein die Zahlungsfähigkeit und nicht mehr der individuelle Bedarf über die Versorgung mit notwendigen Dienstleistungen entscheiden. Ver.di fordert, die öffentliche Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen vollständig aus den Verhandlungen herauszunehmen, damit sicher gestellt ist, dass diese unter öffentlicher Kontrolle und öffentlicher Hoheit bleiben.“

Rolf Stein, Bahnhof Langendreer:
„EU-Kommission und Bundeswirtschaftsminister beruhigen einstimmig, dass die kulturellen Strukturen in Europa durch das Freihandelsabkommen mit den USA unberührt bleiben. Da ist Vorsicht angebracht. Die USA haben das UNESCO-Abkommen zur kulturellen Vielfalt nicht unterzeichnen und lehnen es vehement ab. Zwischen der Vorstellung der USA von Kultur als Ware und der europäischen Haltung, dass die kulturelle Vielfalt Teil der Daseinsvorsorge ist, ähnlich etwa der Bildung, liegen Welten. Deshalb haben sich dem Bündnis gegen TTIP Organisationen von Künstlern und Kulturschaffenden angeschlossen, die in der Regel in solchen breiten Bündnissen nicht zu finden sind. Es treibt sie z.B. die Sorge um die öffentlichen Förderstrukturen für Museen, Orchester und Theater, den öffentlich-rechtlichen Medien, dem Urheberrecht, die föderale Filmförderung oder der Absicherung von Künstlern und Kulturschaffenden über die Künstlersozialkasse.“

Aichard Hoffmann, Mieterverein Bochum, Hattingen und Umgegend e.V.:
„Der in der TTIP geplante Investorenschutz gefährdet konkret künftige Verbesserungen beim Mieterschutz. Auf dem deutschen Wohnungsmarkt sind seit dem Jahr 2000 in großem Stil sogenannte „Finanzinvestoren“ aus dem Ausland eingestiegen, für die beispielsweise Verbesserungen beim Kündigungsschutz oder Begrenzungen bei der Miethöhe ein „Investitionshemmnis“ darstellen, das ihre Gewinnaussichten schmälert. Schon die in diesem Jahr unter großer öffentlicher Beachtung in Kraft getretene Mietpreisbremse hätte Schadensersatzforderungen seitens der Wohnungswirtschaft ausgelöst, wenn TTIP heute schon in Kraft wäre. Der Deutsche Mieterbund kämpft bei der aktuell in Berlin verhandelten zweiten Tranche der Umsetzung der Koalitionsvereinbarungen zum Mietrecht um dringend erforderliche Gesetzesänderungen. Sie sollen den Kündigungsschutz für Mieter wiederherstellen, der durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in den letzten Jahren ausgehölt worden ist. Auch diese Verbesserungen würden schon jetzt an dem Hinweis scheitern, dass man keine Schadensersatzforderungen provozieren will. Und dies würde in Zukunft für alle Änderungen gelten, die den Mieterschutz verbessern könnten. Es gibt daher aktuelle Beschlüsse des Deutschen Mietertages 2015 in Hamburg gegen TTIP.“

Abschließend formulierte Marquardt noch einen aktuellen Bezug zur Flüchtlingsproblematik: „Wenn wir heute tausende Menschen aufnehmen und Willkommen heißen müssen, weil sie vor Krieg und Hunger flüchten und gleichzeitig ein Handelsabkommen abschließen sollen, das vor allem die Wettbewerbssituation in Europa und den USA verbessern soll, müssen wir uns klar darüber werden, dass dies für Menschen in anderen Regionen der Welt die Gefahr birgt, Not und Elend zu verstärken, anstatt die Ursachen von Flucht, unter anderem durch bessere Wirtschaftsbedingungen, zu verbessern.“

In Berlin wird die Demonstration um 12.00 Uhr am Hauptbahnhof starten und von dort aus zu einer Hauptkundgebung in Berlin-Mitte führen. Die Busse aus Bochum werden am 10. Oktober 2015 jeweils um 05.00 Uhr beim ver.di-Haus (Universitätsstr. 76) und Jahrhunderthaus (Alleestr. 80) starten. Damit vom DGB genügend Busplätze zur Verfügung gestellt werden können, wird um eine zügige Anmeldung für die Busfahrten per Telefon (0234-687033) oder per Email (bochum@dgb.de) gebeten. Die Rückfahrt von Berlin ist für 17.00 Uhr geplant.